BGH Beschluss v. - IX ZB 66/17

Örtliche Zuständigkeit: Klage gegen einen Insolvenzverwalter persönlich; Bindungswirkung eines ohne entsprechenden Antrag des Klägers erlassenen Verweisungsbeschlusses

Gesetze: § 12 ZPO, § 13 ZPO, § 19a ZPO, § 281 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Az: 2 U 139/16vorgehend Az: 8 O 1528/15

Gründe

I.

1Der im Bezirk des Landgerichts Traunstein wohnhafte Kläger hat den in Bremen wohnhaften und kanzleiansässigen beklagten Rechtsanwalt persönlich auf Rückzahlung von 7.365,28 € nebst Zinsen aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 StGB, § 60 InsO, § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB vor dem Landgericht Hamburg in Anspruch genommen. Dieses hat sich für örtlich unzuständig erklärt und hat die Sache, trotz eines Antrags des Klägers, sie an das Landgericht Traunstein zu verweisen, nach richterlichen Hinweisen an das Landgericht Bremen verwiesen, weil der Beklagte seinen Wohn- und Geschäftssitz in Bremen habe und es an einem hinreichenden Vortrag zu einer vom Beklagten am Wohnsitz des Klägers oder in Hamburg begangenen deliktischen Handlung fehle. Das Landgericht Bremen hat sich aufgrund der für bindend angesehenen Verweisung für örtlich zuständig angesehen und die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger dieses Urteil nur mit der Begründung angegriffen, dass sich das Landgericht Bremen zu Unrecht für örtlich zuständig gehalten habe. Daraufhin hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers durch Beschluss als unzulässig verworfen. Mit seiner Rechtsbeschwerde möchte der Kläger die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Hamburg erreichen.

II.

2Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO). Weiter ist sie unzulässig, weil sie sich allein darauf stützt, dass das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Gemäß § 576 Abs. 2 ZPO kann jedoch die Rechtsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Eine allein auf diese Rüge gegründete Rechtsbeschwerde ist unzulässig, denn ein Rechtsmittel, das keinen zulässigen Angriff enthält, ist selbst unzulässig (vgl. , NZI 2005, 184).

31. Allerdings ist, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend verweist, in Rechtsprechung und Literatur streitig, ob eine Zuständigkeitsprüfung durch das Berufungsgericht und/oder den Bundesgerichtshof ausnahmsweise dann stattzufinden hat, wenn die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs oder des Berufungsgerichts über die Zuständigkeitsfrage auf Willkür oder auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht und aus diesem Grund ein Verweisungsbeschluss nach § 281 ZPO nicht bindend wäre (vgl. zum Streitstand , WM 2015, 819 Rn. 19 mwN). Das Berufungsgericht ist aber (wie schon das Landgericht Bremen hinsichtlich der Entscheidung des Landgerichts Hamburg) davon ausgegangen, dass die Entscheidungen der Landgerichte Bremen und Hamburg nicht willkürlich gewesen seien. Denn allein das Landgericht Bremen sei örtlich zuständig gewesen. Zwar habe das Landgericht Hamburg entgegen dem Antrag des Klägers die Sache an das Landgericht Bremen verwiesen, aber es habe die Parteien zuvor auf seine Absicht und die Gründe hierfür hingewiesen. Dieser beabsichtigten Verweisung an das Landgericht Bremen sei der Kläger nicht entgegengetreten.

42. Der Ansicht, die Landgerichte Hamburg und Traunstein seien für die persönlich gegen den Beklagten gerichtete Klage örtlich unzuständig gewesen, ist die Rechtsbeschwerde nicht entgegengetreten. Anhaltspunkte, dass diese Ansicht unzutreffend ist, sind nicht gegeben. Ein Insolvenzverwalter ist persönlich in Bezug auf sein eigenes Vermögen nicht nach § 19a ZPO am Sitz des Insolvenzgerichts zu verklagen, sondern etwa an seinem Wohnsitz (§§ 12, 13 ZPO), vorliegend am Landgericht Bremen. Ob wegen der Geltendmachung deliktischer Ansprüche die Zuständigkeit des Landgerichts Traunstein nach § 32 ZPO gegeben ist, konnten die Tatsachengerichte auf der Grundlage des klägerischen Vortrags nicht feststellen. Verfahrensrügen hat der Kläger insoweit nicht erhoben, Rechtsfehler nicht gerügt.

5Der einzige vom Kläger im Rechtsbeschwerdeverfahren geltend gemachte Fehler des Landgerichts Hamburg liegt dann darin, dass es die Sache ohne einen entsprechenden Antrag des Klägers an das Landgericht Bremen verwiesen hat. Dass die Verweisung ohne einen darauf gerichteten Antrag des Klägers erfolgt, lässt die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses nach § 281 ZPO allerdings nicht entfallen. Auch Verweisungsbeschlüsse, die auf Verfahrensmängeln beruhen und deshalb rechtsfehlerhaft sind, sind grundsätzlich wirksam. Ausnahmen gelten bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. , NJW-RR 1990, 1282), die vorliegend im Hinblick auf die erteilten Hinweise nicht gegeben ist (vgl. aaO). Ein Willkürverstoß durch das Landgericht Hamburg liegt schon deswegen nicht vor, weil eine Sachentscheidung über die Klage nur durch das Landgericht Bremen möglich war.

6Die Annahme des Berufungsgerichts, es sei nach § 513 Abs. 2 ZPO gehindert, die Zuständigkeit des Landgerichts zu prüfen, ist daher nicht willkürlich. Sie entspricht vielmehr Sinn und Zweck der genannten Vorschrift; diese will verhindern, dass ein in der unteren Instanz erarbeitetes Sachurteil allein wegen deren fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (vgl. , NJW 2013, 3779 Rn. 6).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:120418BIXZB66.17.0

Fundstelle(n):
AAAAG-84230