BFH Beschluss v. - IX B 42/01

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, betrieben mehrere Verfahren vor dem Finanzgericht (FG), in denen es um die Berücksichtigung von Werbungskostenüberschüssen ging, die die Kläger bei der Ermittlung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht hatten; ferner ging es um die gesonderte Feststellung verbleibender Verlustabzugsbeträge aufgrund derartiger Werbungskostenüberschüsse. Nachdem der Kläger in einem Erörterungstermin die vom Berichterstatter des FG angeforderten Unterlagen nur teilweise vorlegen konnte, setzte der Berichterstatter eine Ausschlussfrist nach § 79b der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Vorlage der Kaufverträge für bestimmte näher bezeichnete Vermietungsobjekte, der Mietverträge für sämtliche Vermietungsobjekte oder von Unterlagen, die die Mieteinnahmen lückenlos belegen, von detaillierten Aufstellungen sämtlicher Einnahmen und Aufwendungen getrennt für jedes Vermietungsobjekt und getrennt nach Streitjahren, der Belege über Finanzierungs- und Instandhaltungskosten für jedes Vermietungsobjekt und für jedes Streitjahr sowie der Berechnung der Abschreibung für jedes Vermietungsobjekt. Außerdem wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den anberaumt.

Mit Telefax vom beantragte der Kläger, die gemäß § 79b FGO gesetzte Frist und den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben, weil er wegen eines extremen Blut-zuckerwerts nicht belastbar und zur Vorbereitung zu den ver-fügten Terminen aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei. In dem beigefügten ärztlichen Attest vom ist ausgeführt, die Arbeitsfähigkeit des Klägers sei in den vergangenen zwei Wochen und mindestens bis zum deutlich eingeschränkt. Ob der Kläger danach arbeitsfähig oder verhandlungsfähig sein werde, müssten weitere Verlaufsunter-suchungen zeigen. Das FG verlängerte die nach § 79b FGO ge-setzte Frist bis zum und setzte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den fest. Zugleich wies das FG darauf hin, dass eine nochmalige Verlängerung der nach § 79b FGO gesetzten Frist und eine weitere Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nur bei Vorlage eines amts-ärztlichen Attestes in Betracht kommen könne. Mit Telefax vom bat der Kläger erneut, aus gesundheitlichen Gründen die Frist nach § 79b FGO und den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben. Nach dem amtsärztlichen Attest vom ist der Kläger für etwa vier Stunden täglich arbeitsfähig und verhandlungsfähig. Ihm solle jedoch zur Auf-lage gemacht werden, seine Blutwerte zu Beginn selbst zu kon-trollieren und bei Bedarf nach jeweils zwei Stunden eine Nach-untersuchung durchzuführen. Sollten die dabei bestimmten Werte um mehr als 50 mg/dl differieren, so sei es besser, Arbeit und Verhandlung zu unterbrechen. Daraufhin teilte das FG dem Kläger mit, dass aufgrund des amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses keine Veranlassung bestehe, den Verhandlungstermin vom aufzuheben. In der mündlichen Verhandlung vom erklärte der Kläger, er sei nicht in der Lage gewesen, die Unterlagen vorzubereiten. Mit Urteil von diesem Tage wies der Senat die Klagen betreffend Einkommensteuer für zwei Streitjahre ab. Die übrigen Verfahren wurden vertagt, nachdem der Kläger nach einer Verhandlungsdauer von ca. 1 Stunde und 10 Minuten erklärt hatte, dass er nicht in der Lage sei, der Verhandlung weiter zu folgen.

In sechs Verfahren, in denen nunmehr beim Bundesfinanzhof (BFH) Nichtzulassungsbeschwerde geführt wird, setzte das FG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den an. Die Ladung wurde dem Kläger (zugleich Prozessbevollmächtigter der Klägerin) am zugestellt. Mit Telefax vom beantragte der Kläger, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen. Für den 24. und sei bereits Anfang Dezember 2000 ein auswärtiger Termin mit mehreren Teilnehmern vereinbart worden. Er habe versucht, den Termin zu verschieben, dies sei jedoch nicht möglich gewesen. Mit Verfügung vom wies der Senatsvorsitzende des FG darauf hin, dass ein erheblicher Grund für eine Verlegung des Termins weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht worden sei. Er sei bereit, erneut einen Terminverlegungsantrag zu prüfen, wenn der Kläger glaubhaft mache, dass der auswärtige Termin bereits vor Zustellung der Ladung vereinbart worden sei, dass die Verlegung dieses Termins nicht zumutbar sei und der Kläger auch entsprechende Anstrengungen unternommen habe, den Termin zu verlegen. Weiterhin solle der Kläger glaubhaft machen, dass seine Anwesenheit am 24. und unbedingt erforderlich sei. Er —der Senatsvorsitzende— weise jedoch jetzt schon darauf hin, dass er im Rahmen einer erneuten Prüfung des Vertagungsantrages besondere Anforderungen stellen werde, was die Glaubhaftmachung der geltend gemachten Gründe anlangt, und zwar vor dem Hintergrund, dass bereits auf die Anträge des Klägers hin die Termine am und aufgehoben bzw. abgebrochen worden seien. Daraufhin reichte der Kläger eine Bestätigung der Firma X vom ein, die folgenden Wortlaut hatte: ”Gerne bestätige ich Ihnen den gemeinsam vereinbarten Termin, den wir Anfang Dezember 2000 für den 24. und vereinbart haben. Der Termin findet in Y statt. Leider konnte ich ihrem Wunsch nach Terminverlegung nicht entsprechen, da an diesem Termin mehrere Personen teilnehmen und eine Terminverschiebung zu große Probleme nach sich gezogen hätte und damit, ebenso wie bei mir, nicht zumutbar ist. Sie wissen, dass der Termin auf Ihren Vorschlag hin zustande kam, Ihre Anwesenheit für den termingerechten Fortgang des Projekts unabdingbar ist und ich eine Absage Ihrerseits nicht akzeptieren kann.” Mit Verfügung vom teilte der Senatsvorsitzende des FG dem Kläger mit, dass zu der Art des beruflichen Termins bisher keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen worden seien, die dem Gericht eine eigene Abwägung, welcher Termin vorrangig ist, ermöglichen würden. Daraufhin teilte der Kläger mit Fax vom mit, es handele sich um einen Besprechungstermin zu einem beabsichtigten Vertragsabschluss. Ob ein Vertragsabschluss als Ergebnis der Besprechung erfolgen könne, sei offen. In Anbetracht der betriebswirtschaftlichen, gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen nicht unbedeutenden Fragestellungen und Entscheidungsnotwendigkeiten sei auch eine Vertretung seiner Person nicht möglich. Sie würde von seinem Mandanten auch nicht akzeptiert. Ein gerichtlicher Zwang, durch Ablehnung des Verlegungsantrags den eingegangenen Termin nicht wahrzunehmen, würde einen Zwang zum Vertragsbruch mit den entsprechenden Schadenersatzfolgen darstellen.

In der mündlichen Verhandlung erschien für die Kläger niemand. Das FG wies die Klage ab. Die Terminplanung des Gerichts gehe in der Regel der Terminplanung des Prozessbevollmächtigten vor. Da Fälle denkbar seien, in denen auch andere berufliche Termine eines Beteiligten Vorrang vor einem Gerichtstermin haben könn-ten, müsse im Hinblick auf den Grundsatz der Verfahrensbe-schleunigung und wegen der Gefahr der Prozessverschleppung die Art eines solchen Termins und der Grad seiner Unaufschiebbar-keit im Antrag auf Terminverlegung so substantiiert dargelegt werden, dass dem Gericht die ihm obliegende Abwägung, welcher Termin vorrangig ist, ermöglicht werde. Dabei seien sämtliche Gesichtspunkte wertend einzubeziehen. Eine Abwägungsregel, dass ein zeitlich vor der Ladung zur mündlichen Verhandlung verein-barter anderweitiger Termin in der Regel zu einer Verlegung des gerichtlichen Termins führe, gebe es nicht. Der Kläger habe in diesem Sinne das Vorliegen eines erheblichen Grundes nicht in nachprüfbarer Weise dargelegt, das Telefax des Herrn X enthalte zwar dessen Bewertung, dass eine Terminverschiebung unzumutbar sei, die Tatsachen, die Grundlage einer solchen Bewertung sein könnten, seien jedoch nicht benannt. Auch aus den ergänzenden Angaben des Klägers ergäben sich keine Gesichtspunkte, die eine Verschiebung des Besprechungstermins als unzumutbar erscheinen ließen. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass und aus welchen Gründen die Besprechung nicht auch zu einem anderen Zeitpunkt hätte stattfinden können. Zwar sei in dem Schreiben des Herrn X die Formulierung enthalten, die Anwesenheit des Klägers sei für den termingerechten Fortgang des Projekts unabdingbar, konkrete Angaben zu dem Projekt und zu einem evtl. einzuhaltenden Terminplan ergäben sich daraus jedoch nicht. Vorliegend sei zu berücksichtigen gewesen, dass nach dem bisherigen Verfahrensverlauf die Annahme nahe gelegen habe, dass die Kläger an einer zeitnahen Terminierung und Entscheidung der anhängigen Klageverfahren nicht interessiert gewesen seien. Wegen der Gefahr der Prozessverschleppung seien daher strenge Anforderungen an die Darlegung eines Verlegungsgrundes zu stellen. Selbst wenn man die ergänzenden Angaben des Klägers als ausreichende Darlegung eines erheblichen Grundes ansehen wollte, so fehle es jedenfalls an einer Glaubhaftmachung der zu der Art des vorgesehenen Termins gemachten Angaben.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger, die nicht gewährte Terminsverlegung stelle eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör dar. Sie beantragen, die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurück-zuweisen.

II. Die Beschwerde ist begründet. Nach § 116 Abs. 6 FGO ist die Vorentscheidung aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, weil das FG es abgelehnt hat, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, obwohl ein wichtiger Grund für die Verlegung gegeben war (§ 227 der Zivilprozeßordnung —ZPO— i.V.m. § 155 FGO).

Nach § 227 ZPO kann das Gericht aus erheblichen Gründen auf Antrag oder von Amts wegen einen Termin aufheben. Liegen erhebliche Gründe für eine Terminänderung vor, so verdichtet sich die in dieser Vorschrift grundsätzlich eingeräumte Ermessensfreiheit des Gerichts zu einer Rechtspflicht. Der Termin muss in diesem Fall prinzipiell zur Gewährung rechtlichen Gehörs aufgehoben, verlegt oder die Verhandlung vertagt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Terminänderung verzögert würde (, BFHE 186, 102, BStBl II 1998, 676, unter C. I. 1., m.w.N.). Welche Gründe in diesem Sinne als erheblich anzusehen sind, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass im finanzgerichtlichen Verfahren nur eine Tatsacheninstanz besteht und die Beteiligten ein Recht darauf haben, ihre Sache in mündlicher Verhandlung vorzutragen (BFH-Beschluss in BFHE 186, 102, BStBl II 1998, 676, unter C. I. 2.).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich zwar eine Terminsverlegung geboten sein kann, wenn der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter wegen berufsbedingter Abwesenheit nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann, dass die Terminplanung des Gerichts jedoch wegen des Grundsatzes der Verfahrensbeschleunigung in der Regel Vorrang hat. Es ist deshalb stets zu prüfen, ob eine Verlegung des anderen Termins in Betracht kommt. Erhebliche Gründe liegen deshalb nicht vor, wenn die Verschiebung des anderen Termins oder dessen Wahrnehmung durch einen Dritten zumutbar ist (, BFH/NV 1998, 726). Der Beteiligte muss im Einzelfall darlegen, dass es sich um erhebliche Gründe handelt. Er muss das Gericht in die Lage versetzen, sich ein Urteil über die Erheblichkeit der Gründe zu bilden. Deshalb rechtfertigen formelhafte, nicht im Einzelnen nachprüfbare Begründungen eine Terminsverlegung nicht. Der nicht weiter substantiierte Hinweis auf ”dringende berufliche Gründe” reicht deshalb nicht aus (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 726).

Nach diesen Maßstäben hat das FG die Substantiierungsanforderungen im Streitfall überspannt. Aus der vorgelegten Bestätigung des Mandanten des Klägers geht hervor, dass der auswärtige Termin bereits vor Zugang der Ladung zur mündlichen Verhandlung vereinbart war, eine Terminverlegung große Probleme nach sich gezogen hätte und vom Mandanten als unzumutbar abgelehnt worden war, ferner, dass der Mandant die persönliche Anwesenheit des Klägers für unabdingbar hielt. Damit waren die Voraussetzungen eines unaufschiebbaren beruflichen Termins hinreichend dargelegt. Es war für den Kläger unzumutbar, sich über die Auffassung seines Mandanten, der auf seine Anwesenheit zu dem vereinbarten Termin bestand, hinwegzusetzen. Zu Unrecht hat das FG trotz der Bestätigung des Mandanten die Darlegungen des Klägers als unsubstantiiert angesehen. Bei genauerer Darstellung der von dem Mandanten geforderten Beratungsleistung, Angaben über den Teilnehmerkreis des beruflichen Termins und genaueren Angaben über das ”Projekt” wäre der Kläger Gefahr gelaufen, gegen seine berufliche Verschwiegenheitspflicht zu verstoßen (§ 57 Abs. 1 des SteuerberatungsgesetzesStBerG—; § 43 Abs. 1 der WirtschaftsprüferordnungWPO—). Das FG hätte sich danach über die Bestätigung des Mandanten nur dann hinwegsetzen dürfen, wenn es davon überzeugt war, dass diese Bestätigung nicht den Tatsachen entsprach und allein der Prozessverschleppung dienen sollte. Eine derartige Feststellung hat das FG jedoch nicht getroffen.

Trotz des mithin vorliegenden erheblichen Grundes für eine Terminsverlegung hätte das FG gleichwohl den Termin nicht zu verlegen brauchen, wenn der Kläger mit seinem Antrag auf Terminsverlegung offenkundig eine Prozessverschleppung beabsichtigt oder seine prozessualen Mitwirkungspflichten in anderer Weise erheblich verletzt hätte (BFH-Beschluss in BFHE 186, 102, BStBl II 1998, 676, unter C. I. 2. c, m.w.N.). Eine offenkundige Prozessverschleppungsabsicht des Klägers hat das FG jedoch nicht festgestellt. Es hat lediglich die ”Gefahr der Prozessverschleppung” gesehen und hielt die Annahme für nahe liegend, dass die Kläger an einer zeitnahen Terminierung und Entschei-dung nicht interessiert waren. Dies reicht indes nicht aus, um von einer offenkundigen Prozessverschleppungsabsicht der Kläger auszugehen und die von dem Mandanten, der nicht von dem Prozess betroffen war, erteilte Bestätigung unberücksichtigt zu lassen.

Die in der verfahrensrechtswidrigen Ablehnung der Terminsverlegung liegende Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger ist auch nicht deshalb unerheblich, weil der Kläger in erheblichem Maße seine prozessuale Mitwirkungspflicht verletzt hat. Zwar hat der Kläger die ihm gemäß § 79b FGO gesetzte Frist zur Vorlage der vom FG näher bezeichneten Unterlagen nicht eingehal-ten. Diese Verletzung der Mitwirkungspflichten wiegt indes nicht so schwer, dass sie es rechtfertigen könnte, den Klägern die Möglichkeit zu verwehren, ihr Begehren in einer mündlichen Verhandlung zu erläutern und dort weitere Unterlagen vorzulegen. Dies hat der BFH mehrfach in Fällen entschieden, in denen die Kläger Ausschlussfristen nicht eingehalten hatten (, BFHE 132, 394, BStBl II 1981, 401; vom XI R 104/92, BFH/NV 1995, 46; Beschluss vom V B 9/91, BFH/NV 1993, 180; Urteil vom IV R 30/90, BFH/NV 1991, 531). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kläger, wie sie vortragen, die geforderten Auflagen noch in der mündlichen Verhandlung ohne Verzögerung des Rechtsstreits hätten erfüllen können (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1993, 180). Deshalb hat, wenn Ausschlussfristen gesetzt sind, die mündliche Verhandlung eine noch größere Bedeutung, weil in ihr geprüft werden muss, ob für die Verzögerung Entschuldigungsgründe vorhanden sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 132, 394, BStBl II 1981, 401; in BFH/NV 1995, 46; ferner Beschluss in BFHE 186, 102, BStBl II 1998, 676, unter C. I. 2. c).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 515 Nr. 4
JAAAA-68982