BMF - IV B 3 - S 1301-NDL/15/10002 BStBl 2017 I S. 147

Steuerliche Behandlung von Alterseinkünften nach Artikel 17 des Abkommens vom zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen

Am ist das Abkommen vom zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA 2012) in Kraft getreten. [1]. Das Abkommen ist vorbehaltlich der Übergangsregelung des Artikels 33 Absatz 6 DBA 2012 erstmals ab dem anzuwenden. Zur steuerlichen Behandlung von Alterseinkünften nehme ich im Hinblick auf Artikel 17 DBA 2012 im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:

1. Regelungsbereich Artikel 17 DBA 2012

1.1. Allgemein

Artikel 17 Absatz 1 DBA 2012 enthält den Grundsatz, dass Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen sowie Renten nur im Ansässigkeitsstaat des Empfängers besteuert werden können. Sozialversicherungsrenten können ebenso nur im Ansässigkeitsstaat des Empfängers besteuert werden. In Artikel 17 Absatz 1 Satz 2 DBA 2012 ist darüber hinaus der Begriff der „Sozialversicherungsrenten” definiert. Dabei handelt es sich um Ruhegehälter und andere Leistungen, die im Rahmen der Bestimmungen eines Sozialversicherungssystems eines Vertragsstaats an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person ausgezahlt werden. Dem Begriff „Sozialversicherungsrente” kommt in Artikel 17 Absatz 1, 2 und 3 DBA 2012 dieselbe Bedeutung zu.

Ausgenommen hiervon sind Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen für geleistete Dienste i. S. d. Artikels 18 Absatz 2 DBA 2012. Artikel 17 DBA 2012 ist auf diese Ruhegehälter aus dem öffentlichen Dienst nicht anwendbar.

Abweichend von Artikel 17 Absatz 1 DBA 2012 steht nach Absatz 2 für Ruhegehälter, ähnliche Vergütungen, Renten oder Sozialversicherungsrenten (i. S. d. Absatzes 1 Satz 2) auch dem Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht zu, aus dem diese Leistungen bezogen werden. Voraussetzung ist, dass die Bruttobeträge aller in einem Kalenderjahr bezogenen Leistungen i. S. d. Absatzes 2 zusammengerechnet mehr als 15.000 EUR betragen. Leistungen nicht regelmäßig wiederkehrender Art können ungeachtet dieser Freigrenze auch von dem Vertragsstaat besteuert werden, aus dem sie bezogen werden (Artikel 17 Absatz 3 DBA 2012). Ein Ruhegehalt, eine ähnliche Vergütung oder Rente gilt für Zwecke der Anwendung von Artikel 17 Absatz 2 und 3 DBA 2012 als aus einem Vertragsstaat bezogen, soweit die mit der Leistung zusammenhängenden Beiträge oder Zahlungen oder die daraus erlangten Ansprüche in diesem Staat zu einer Steuervergünstigung geführt haben (Artikel 17 Absatz 5 Satz 1 DBA 2012).

Ist die Bundesrepublik Deutschland der Ansässigkeitsstaat i. S. v. Artikel 4 DBA 2012, wird eine Doppelbesteuerung der Alterseinkünfte, für die auch das Königreich der Niederlande ein Besteuerungsrecht nach Artikel 17 Absatz 2 oder 3 DBA 2012 hat, gemäß Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe b) Doppelbuchstabe ee) DBA 2012 durch Anrechnung der niederländischen Steuer auf die deutsche Steuer unter Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts (§ 34c EStG [2]) vermieden.

1.2. Artikel 17 Absatz 2 DBA 2012

Bei dem in Artikel 17 Absatz 2 DBA 2012 genannten Betrag von 15.000 EUR handelt es sich um eine Freigrenze, nicht um einen Freibetrag. Überschreitet die Summe der zusammengerechneten Bruttobeträge (vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben) aller von einer Person in einem Kalenderjahr bezogenen Ruhegehälter, ähnlichen Vergütungen, Renten oder Sozialversicherungsrenten (i. S. d. Absatzes 1) – einschließlich der Leistungen nicht regelmäßig wiederkehrender Art (i. S. d. Absatzes 3) – die Freigrenze von 15.000 EUR, können diese Leistungen insgesamt auch von dem Vertragsstaat besteuert werden, aus dem sie bezogen werden. Die Besteuerung richtet sich nach den nationalen steuerlichen Vorschriften des Vertragsstaats, aus dem die Alterseinkünfte bezogen werden.

1.3. Artikel 17 Absatz 3 DBA 2012

Werden die in Artikel 17 Absatz 1 DBA 2012 genannten Leistungen nicht in regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen, sondern durch einen Einmalbetrag erbracht, steht dem Vertragsstaat, aus dem die Leistungen bezogen werden, selbst dann ein Besteuerungsrecht zu, wenn sie die Freigrenze von 15.000 EUR (i. S. d. Absatzes 2) im Kalenderjahr nicht überschreiten. Der Regelung unterfallen beispielsweise Leistungen aus Versicherungsverträgen mit Kapitalwahlrecht, deren Auszahlung in einer Summe erfolgt.

1.4. Artikel 17 Absatz 5 DBA 2012

Die Fiktion des Artikels 17 Absatz 5 DBA 2012, dass Alterseinkünfte als aus einem Vertragsstaat bezogen gelten, steht unter der einschränkenden Bedingung („soweit”), dass eine steuerliche Entlastung in der Aufbauphase der jeweiligen Ruhegehälter, ähnlichen Vergütungen und Renten erfolgte.

Leistungen aus einem Sozialversicherungssystem eines Staats (Sozialversicherungsrenten i. S. d. Artikels 17 Absatz 1 Satz 2 DBA 2012) sind von dieser Regelung nicht erfasst. Das Besteuerungsrecht des Vertragsstaats, aus dem Leistungen eines Sozialversicherungssystems bezogen werden, beurteilt sich allein nach den Regelungen des Artikels 17 Absatz 1 bis 3 DBA 2012.

Artikel 17 Absatz 5 DBA 2012 stellt nicht darauf ab, in welchem konkreten Umfang eine Steuervergünstigung gewährt wurde. Unerheblich ist demnach, ob und in welcher Höhe sich die jeweilige Steuervergünstigung tatsächlich ausgewirkt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass die jeweils mit einem Ruhegehalt, einer ähnlichen Vergütung oder einer Rente zusammenhängenden Beiträge eine Steuervergünstigung ermöglichten. Die einschränkende Bedingung („soweit”) bezieht sich auf die jeweiligen in Artikel 17 Absatz 5 Satz 1 DBA 2012 benannten Alterseinkünfte (Ruhegehälter, ähnlichen Vergütungen oder Renten). In welchem Umfang für diese jeweiligen Alterseinkünfte eine Steuervergünstigung möglich war, ist unerheblich. Der Regelung liegt das Verständnis zu Grunde, dass dem Vertragsstaat, der den Aufbau der genannten Alterseinkünfte steuerlich fördert, ein Besteuerungsrecht bei deren Auszahlung zustehen soll. Es kommt nicht darauf an, dass die tatsächliche Zahlung dieser Alterseinkünfte aus dem Staat erfolgt, der ihren Aufbau steuerlich gefördert hat.

Der Begriff „Steuervergünstigung” ist weit auszulegen. Die steuerliche Entlastung i. S. v. Artikel 17 Absatz 5 Satz 1 DBA 2012 kann beispielsweise in der Gewährung eines Sonderausgabenabzugs, der Steuerfreistellung von Beiträgen, in der Förderung durch Zulagen oder der gewinnmindernden Bildung von Pensionsrückstellungen im Rahmen der Besteuerung des Arbeitgebers zur Finanzierung einer Pensionszusage (Direktzusage) bestehen.

2. Beschränkt Steuerpflichtige mit Alterseinkünften aus Deutschland

2.1. Allgemein

Bei der Berücksichtigung von Alterseinkünften aus Deutschland ist im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer eines beschränkt Steuerpflichtigen zunächst die Steuerpflicht dieser Einkünfte in Deutschland (§ 49 EStG) und sodann die Aufteilung des Besteuerungsrechts für diese Alterseinkünfte nach dem DBA zu prüfen.

Der beschränkten Steuerpflicht unterliegen Renten aus der inländischen (deutschen) gesetzlichen Rentenversicherung, der inländischen landwirtschaftlichen Alterskasse, den inländischen berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus inländischen Basisrentenverträgen. Dies gilt auch für Leibrenten und andere Leistungen aus ausländischen Zahlstellen, wenn die Beiträge, die den Leistungen zugrunde liegen, ganz oder teilweise bei der Ermittlung der Sonderausgaben berücksichtigt wurden (§ 49 Absatz 1 Nummer 7 EStG). Ebenso sind Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen („Riester-Rente”), Pensionsfonds, Pensionskassen (z. B. Versorgungsanstalten des Bundes und der Länder) und Direktversicherungen (§ 49 Absatz 1 Nummer 10 EStG) von der beschränkten Steuerpflicht erfasst.

Einnahmen aus einem früheren Dienstverhältnis wie z. B. Wartegelder, Ruhegelder, Werks- oder Betriebsrenten, Witwen- und Waisengelder (Ruhegehälter) sowie andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, unabhängig davon, ob sie dem ursprünglich Bezugsberechtigten oder seinem Rechtsnachfolger zufließen, stellen steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 49 Absatz 1 Nummer 4 EStG dar.

2.2. Ausschließlich nicht abgeltend besteuerte Alterseinkünfte i. S. v. § 49 Absatz 1 Nummer 7 oder 10 EStG

Bezieht ein beschränkt Steuerpflichtiger i. S. v. § 1 Absatz 4 EStG oder ein Steuerpflichtiger, welcher nach § 1 Absatz 3 EStG mit seinen inländischen Einkünften als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln ist, ausschließlich Alterseinkünfte nach § 49 Absatz 1 Nummer 7 oder 10 EStG, prüft das in diesen Fällen gemäß § 19 Absatz 6 AO [3] i. V. m. § 1 EStZustV [4] für eine etwaige Veranlagung zuständige Finanzamt Neubrandenburg, ob für die Bundesrepublik Deutschland ein Besteuerungsrecht nach Artikel 17 Absatz 2 oder 3 (i. V. m. Absatz 5) DBA 2012 besteht. Ist die Freigrenze von 15.000 EUR nach Artikel 17 Absatz 2 DBA 2012 überschritten oder wurden Alterseinkünfte durch Auszahlung eines Einmalbetrages bezogen (Artikel 17 Absatz 3 DBA 2012), erfolgt die Veranlagung der Alterseinkünfte i. S. d. § 49 Absatz 1 Nummer 7 und 10 EStG ebenfalls durch das Finanzamt Neubrandenburg.

2.3. Ausschließlich abgeltend besteuerte Alterseinkünfte i. S. v. § 49 Absatz 1 Nummer 4 EStG

Bezieht ein beschränkt Steuerpflichtiger i. S. v. § 1 Absatz 4 EStG oder ein Steuerpflichtiger, welcher nach § 1 Absatz 3 EStG mit seinen inländischen Einkünften als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln ist, ausschließlich Alterseinkünfte nach § 49 Absatz 1 Nummer 4 EStG, gilt die Einkommensteuer gemäß § 50 Absatz 2 Satz 1 EStG für die genannten Einkünfte grundsätzlich durch den Lohnsteuerabzug (§ 39 EStG) als abgegolten. Die Abgeltungswirkung wird gemäß § 50 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 EStG nur durchbrochen, wenn entweder ein Freibetrag i. S. d. § 39a Absatz 4 EStG gebildet worden ist oder nach § 46 Absatz 2 Nummer 8 EStG die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt wird. In diesen Fällen ist nach § 50 Absatz 2 Satz 3 EStG i. V. m. § 39 Absatz 2 Satz 2 EStG das Betriebsstättenfinanzamt (Finanzamt des Arbeitgebers) zuständig.

Stellt der Steuerpflichtige bzw. der Arbeitgeber im Namen des Steuerpflichtigen gemäß § 39 Absatz 3 i. V. m. Absatz 4 Nummer 5 EStG einen „Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer” aufgrund des DBA 2012, ist vom Betriebsstättenfinanzamt eine Freistellung nur zu erteilen, wenn die Freigrenze von 15.000 EUR nach Artikel 17 Absatz 2 DBA 2012 über das gesamte Kalenderjahr betrachtet nicht überschritten wird. Der Steuerpflichtige bzw. der Arbeitgeber hat dies gegenüber dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt nachzuweisen. Dabei ist auf die Summe der Bruttobeträge (vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben) aller von Artikel 17 Absatz 2 DBA 2012 erfassten Leistungen (Tz. 1.2) abzustellen. Abzugrenzen hiervon sind jedoch insbesondere Ruhegehälter aus dem öffentlichen Dienst, für welche Artikel 17 DBA 2012 nicht anwendbar ist (Tz. 1.1). In der Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug wird vermerkt, dass das DBA-Niederlande 2012 anzuwenden ist und die Freigrenze von 15.000 EUR nach Artikel 17 Absatz 2 DBA 2012 zu berücksichtigen ist.

2.4. Gemischte (abgeltend und nicht abgeltend besteuerte) Alterseinkünfte i. S. v. § 49 Absatz 1 Nummer 4 und Nummer 7 oder 10 EStG

Bezieht ein beschränkt Steuerpflichtiger i. S. v. § 1 Absatz 4 EStG oder ein Steuerpflichtiger, welcher nach § 1 Absatz 3 EStG mit seinen inländischen Einkünften als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln ist, neben Alterseinkünften i. S. v. § 49 Absatz 1 Nummer 7 oder 10 EStG auch Ruhegehälter i. S. v. § 49 Absatz 1 Nummer 4 EStG – aber keine anderen inländischen Einkünfte i. S. d. § 49 EStG – prüft das Finanzamt Neubrandenburg [5], ob für die Bundesrepublik Deutschland ein Besteuerungsrecht nach Artikel 17 Absatz 2 oder 3 (i. V. m. Absatz 5) DBA 2012 besteht. In die Prüfung der Freigrenze von 15.000 EUR nach Artikel 17 Absatz 2 DBA 2012 sind die grundsätzlich durch den Lohnsteuerabzug abgeltend besteuerten Ruhegehälter i. S. v. § 49 Absatz 1 Nummer 4 EStG, ausgenommen der Ruhegehälter aus dem öffentlichen Dienst i. S. d. Artikels 18 Absatz 2 DBA 2012, einzubeziehen (vgl. hierzu Tz. 2.3).

Ist die Freigrenze von 15.000 EUR nach Artikel 17 Absatz 2 DBA 2012 überschritten oder wurden Alterseinkünfte durch Auszahlung eines Einmalbetrags bezogen (Artikel 17 Absatz 3 DBA 2012), erfolgt die Veranlagung der Alterseinkünfte, bei denen es sich um solche nach § 49 Absatz 1 Nummer 7 oder 10 EStG handelt, ebenfalls durch das Finanzamt Neubrandenburg. Die grundsätzlich dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Ruhegehälter i. S. v. § 49 Absatz 1 Nummer 4 EStG bleiben dabei unberücksichtigt, sofern der Lohnsteuerabzug abgeltende Wirkung hat (§ 50 Absatz 2 Satz 1 EStG). Dies gilt auch dann, wenn für diese Ruhegehälter tatsächlich keine Lohnsteuer abgeführt wurde (sog. Nullmeldung).

Hat der Lohnsteuerabzug dagegen aufgrund eines Freibetrags i. S. d. § 39a Absatz 4 EStG oder einer Antragsveranlagung nach § 46 Absatz 2 Nummer 8 EStG keine abgeltende Wirkung, ist das nach § 50 Absatz 2 Satz 3 i. V. m. § 39 Absatz 2 Satz 2 EStG für den Arbeitgeber zuständige Finanzamt (Betriebsstättenfinanzamt) insgesamt für die Veranlagung zuständig. Hat der Lohnsteuerabzug nach § 50 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 EStG keine abgeltende Wirkung, weil nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht i. S. d. § 1 Absatz 3 EStG nicht vorgelegen haben, ist das nach § 19 Absatz 2 AO zuständige Finanzamt (d. h. regelmäßig das Finanzamt, in dessen Bezirk die Tätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes vorwiegend ausgeübt worden ist) insgesamt für die Veranlagung zuständig.

2.5. Erstattung von zu Unrecht einbehaltener Lohnsteuer

Sofern die Alterseinkünfte (Ruhegehälter, ähnliche Vergütungen, Renten und Sozialversicherungsrenten) innerhalb eines Kalenderjahres weder die Freigrenze von 15.000 EUR des Artikels 17 Absatz 2 DBA 2012 übersteigen noch als Einmalbetrag i. S. v. Artikel 17 Absatz 3 DBA 2012 bezogen werden, verbleibt das Besteuerungsrecht bei dem Königreich der Niederlande (Artikel 17 Absatz 1 DBA 2012). Sofern eine Zahlung des Arbeitgebers dennoch einem Lohnsteuerabzug unterworfen wurde, besteht die Möglichkeit, einen Erstattungsantrag in analoger Anwendung des § 50d Absatz 1 Satz 2 EStG zu stellen, soweit die entsprechenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht bereits im Rahmen einer Veranlagung nach § 50 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 Buchstabe b i. V. m. Satz 7 EStG erfasst wurden. Der Erstattungsanspruch ist dabei gegen das Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers zu richten.

3. Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Absatz 3 EStG

Eine natürliche Person, die weder über einen Wohnsitz noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland verfügt, wird auf Antrag mit ihren inländischen Einkünften als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen. Alterseinkünfte, die nach Artikel 17 DBA 2012 nur im Königreich der Niederlande besteuert werden dürfen, zählen für die Berechnung der Einkunftsgrenzen nach § 1 Absatz 3 Satz 2 EStG zu den nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünften. In diesen Fällen prüft das nach § 19 AO örtlich zuständige Finanzamt die abkommensrechtliche Einordnung der Alterseinkünfte. [6]

Auf die Besonderheit, dass in den Niederlanden ansässige Personen, welche nach § 1 Absatz 3 EStG mit ihren inländischen Einkünften als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln sind, auch dann mit ihren nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zusammen zu veranlagen sind, wenn nur die in Deutschland steuerpflichtige Person die Voraussetzungen – hier vor allem die „einfachen” Wesentlichkeitsgrenzen nach § 1 Absatz 3 Satz 2 EStG und nicht die für Ehegatten geltenden „gemeinsamen” Wesentlichkeitsgrenzen nach § 1 Absatz 3 Satz 2 i. V. m. § 1a Absatz 1 Nummer 2 Satz 3 EStG – erfüllt (Ziffer XVI Protokoll zum DBA 2012), wird hingewiesen.

4. Übergangsregelung für das Kalenderjahr 2016

Nach Artikel 33 Absatz 6 DBA 2012 kann eine Person i. S. d. Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe d) DBA 2012 wählen, ob für das Kalenderjahr 2016 noch das DBA vom i. d. F. des Dritten Zusatzprotokolls vom (DBA 1959) [7] angewendet werden soll. Macht eine Person von der Übergangsregelung für das Kalenderjahr 2016 Gebrauch, wird das örtlich zuständige Finanzamt auf ihren Antrag hin ohne Prüfung, ob sich die betreffende Person dadurch tatsächlich steuerlich günstiger stellt, das DBA 1959 in seiner Gesamtheit und nicht nur im Verhältnis zu einzelnen Artikeln des DBA 2012 anwenden. Das Wahlrecht nach Artikel 33 Absatz 6 DBA 2012 kann von jeder Person ausgeübt werden, die sowohl nach dem DBA 2012 abkommensberechtigt ist, als auch nach dem DBA 1959 abkommensberechtigt gewesen wäre.

Gegenüber der deutschen Finanzverwaltung ist die Ausübung des Wahlrechts (Antrag) bei dem örtlich zuständigen Finanzamt zu erklären. Sofern die Wahlrechtsausübung bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren erfolgt, hat ein entsprechender Antrag bei dem für den Lohnsteuerabzug zuständigen Finanzamt zu erfolgen, in allen anderen Fällen bei dem für die Veranlagung zuständigen Finanzamt. Ein besonderes Formerfordernis besteht hierbei nicht. Das Wahlrecht kann grundsätzlich bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 AO ausgeübt werden, es wird aber mit Eintritt der Bestandskraft des betreffenden Steuerbescheides beschränkt. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung können Wahlrechte grundsätzlich nur noch ausgeübt oder widerrufen werden, soweit die Steuerfestsetzung nach §§ 129, 164, 165, 172 ff. AO oder nach entsprechenden Regelungen in den Einzelsteuergesetzen korrigiert wird; dabei sind §§ 177 und 351 Absatz 1 AO zu beachten (vgl. Nummer 8 des Anwendungserlasses vor §§ 172 – 177 AO).

Über die Ausübung des Wahlrechts und dessen Änderung informiert das zuständige Finanzamt das Königreich der Niederlande durch Spontanauskunft nach § 8 Absatz 2 Nummer 2 EUAHiG. Auf die Regelungen des Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen ( BStBl 2015 I S. 928) – insbesondere auf die dortige Tz. 6.1.1 – wird hingewiesen.

5. Anwendungsregelung

Dieses Schreiben ist für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2016 anzuwenden. Macht eine Person von der Übergangsregelung des Artikels 33 Absatz 6 DBA 2012 Gebrauch, ist für das Kalenderjahr 2016 noch das DBA 1959 anzuwenden (siehe 4.).

BMF v. - IV B 3 - S 1301-NDL/15/10002


Fundstelle(n):
BStBl 2017 I Seite 147
DStR 2017 S. 262 Nr. 5
ErbStB 2017 S. 136 Nr. 5
NAAAG-36161

1 BGBl 2012 II S. 1414, 1415, BStBl 2016 I S. 47, 48)

2Einkommensteuergesetz

3Abgabenordnung

4Einkommensteuer-Zuständigkeitsverordnung

5§ 19 Absatz 6 AO i. V. m. § 1 EStZustV

6Auf die besondere Zuständigkeitsregelung des § 46 Absatz 2 Nummer 7 Buchstabe b EStG wird hingewiesen.

7 BGBl 1960 II S. 1781, 1782, BGBl 2004 II S. 1653, 1655