BVerwG Urteil v. - 5 C 10/15 D

Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer; Begriff des Verfahrens; Zusammenhang mehrerer Verfahren

Leitsatz

1. Der entschädigungsrechtliche Begriff des Verfahrens (Art. 23 ÜberlVfRSchG, §§ 198 ff. GVG) knüpft an den Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens an. Bei der Rechtsverfolgung verschiedener prozessualer Ansprüche liegt nur dann ein Gerichtsverfahren im entschädigungsrechtlichen Sinne vor, wenn die Streitgegenstände in einem Ausgangsverfahren verbunden sind und verbunden bleiben.

2. Für die "Einleitung" des Verfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG und damit für den Beginn des materiellen Bezugsrahmens des Entschädigungsanspruchs ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens anhängig gemacht worden ist.

3. Eine im Stammverfahren zuerkannte Entschädigung für die bis zur Abtrennung erlittenen immateriellen Nachteile ist nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG auf die im abgetrennten Verfahren zu gewährende Entschädigung anzurechnen.

4. Zu den im Sinne des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehören jedenfalls solche Beschwerden nicht, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK (juris: MRK) zweifelsfrei nicht wahren.

Gesetze: Art 23 S 1 ÜberlVfRSchG, § 198 Abs 1 GVG, § 198 Abs 5 S 1 GVG, § 198 Abs 6 Nr 1 GVG, Art 6 Abs 1 S 1 MRK, Art 35 Abs 1 MRK, § 198 Abs 2 S 4 GVG

Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 29 C 1241/12.E Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in Bezug auf dreizehn Gerichtsverfahren.

2Der Kläger zu 1 ist Nießbrauchsberechtigter und der Kläger zu 2 Eigentümer eines denkmalgeschützten Anwesens in W. Die Kläger haben in Bezug auf dieses Anwesen gegen die Stadt W. zahlreiche verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten geführt, die sich zum Teil über viele Jahre erstreckten. In diesen Verfahren standen im Wesentlichen Abgabenbescheide der Stadt W. im Streit. Zudem ging es um Ansprüche auf Erlass und Änderung von Abrechnungsbescheiden, deren Vollstreckung oder Vollstreckungsandrohung, die Erstattung des von der Stadt W. Erlangten nach der Aufhebung von Gebührenbescheiden sowie um Zinsansprüche. Zwei Verfahren betrafen Restitutionsklagen gegen Urteile des Verwaltungsgerichts W. in den abgabenrechtlichen Streitigkeiten.

3Mit der am beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Klage haben die Kläger die Überlänge der Verfahren gerügt und die Gewährung einer angemessenen Entschädigung für immaterielle Nachteile begehrt. Außerdem haben sie die Feststellung beantragt, dass ihnen alle materiellen Nachteile zu ersetzen seien, die als adäquat kausale Folge erheblicher Grundrechtsverletzungen entstanden seien oder entstehen würden.

4Der Verwaltungsgerichtshof hat der Klage zum Teil stattgegeben. Er hat die Beklagte verurteilt, an die Kläger jeweils eine Entschädigung in Höhe von 7 100 € nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen. Darüber hinaus hat er festgestellt, dass die Dauer des Verfahrens 1 K 667/05 - 1 E 633/98 vor dem Verwaltungsgericht W. unangemessen war. Zum überwiegenden Teil hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf sieben Verfahren hat er sie bereits als unzulässig angesehen, weil die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG für eine Anwendung des § 198 Abs. 1 GVG nicht erfüllt seien. Dabei ist er entgegen der Auffassung der Kläger davon ausgegangen, dass mehrere Verfahren nicht schon dann als ein Gerichtsverfahren im Sinne der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG und der Anspruchsgrundlage des § 198 GVG anzusehen seien, wenn deren Streitgegenstände in einem unmittelbaren Zusammenhang zueinander ständen. Vielmehr sei jede Klage isoliert zu betrachten. Soweit die Übergangsvorschrift des Weiteren darauf abstelle, dass ein abgeschlossenes Verfahren Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sei oder noch werden könne, bedeute dies, dass die Beschwerde dort zulässigerweise, also insbesondere auch unter Wahrung der Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK erhoben worden sei oder noch erhoben werden könne. Handele es sich wie im Falle der überlangen Verfahrensdauer um eine fortdauernde Verletzung eines Konventionsrechts und sei ein effektiver Rechtsbehelf nicht vorhanden, beginne die Frist mit dem Ende der Situation. Dementsprechend werde die Frist bei Beschwerden wegen der Verletzung des Rechts auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK mit der Zustellung der verfahrensabschließenden Entscheidung in Lauf gesetzt. Die Einhaltung der Frist sei für jedes einzelne Verfahren gesondert zu prüfen. Mit Blick auf Art. 35 Abs. 1 EMRK und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur sogenannten fortdauernden Situation sei entgegen der Auffassung der Kläger keine Auslegung dahin geboten, Verfahren aufgrund eines engen sachlichen Zusammenhangs wie im Falle der Verfahren gegen Gebührenbescheide und deren Vollzug als Einheit zu betrachten mit der Folge, dass die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK erst mit dem Abschluss des letzten Verfahrens aus diesem Sachzusammenhang beginne. Des Weiteren sei die aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen Sürmeli/Bundesrepublik Deutschland gezogene Schlussfolgerung der Kläger nicht gerechtfertigt, es sei seit dieser Entscheidung sicher gewesen, dass der deutsche Gesetzgeber den von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelf schaffen werde, weshalb es nicht zum Rechtsverlust führen könne, wenn ein Kläger auf den Gerichtshof vertraut und auf den neuen Rechtsbehelf gewartet habe, statt innerhalb von sechs Monaten eine mangels Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe absehbar unzulässige Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu erheben. Soweit der Verwaltungsgerichtshof die Klage hinsichtlich sechs Verfahren nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG für zulässig erachtet hat, hat er aus den im Einzelnen dargelegten Gründen nur die Dauer des Verfahrens 1 K 667/05 - 1 E 633/98 im Umfang von 71 Monaten als unangemessen angesehen. Zudem hat er angesichts der Verfahrensdauer von über 11 Jahren in der ersten Instanz auf einen schwerwiegenden Fall erkannt und zusätzlich zur Gewährung der Entschädigung die Feststellung der unangemessenen Verzögerung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausgesprochen. Die von den Klägern begehrte Feststellung der Entschädigungspflicht scheide hingegen aus, da die Kläger nicht aufgezeigt hätten, dass ihnen infolge der überlangen Dauer des Verfahrens 1 K 667/05 - 1 E 633/98 materielle Nachteile entstanden seien.

5Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren mit einem Haupt- und zwei Hilfsanträgen weiter. Sie machen geltend, das gerichtliche Verfahren sei in vielfacher Hinsicht fehlerhaft gewesen, und rügen zudem die Verletzung materiellen Rechts.

6Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Gründe

7Dem Antrag der Kläger auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht zu entsprechen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO ist ausgeschlossen, wenn - wie hier - in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, ein Endurteil verkündet worden ist (§ 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das folgt aus der Funktion der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Diese besteht darin, die Prozesslage (wieder-)herzustellen, in der die durch Verfassung und einfaches Prozessrecht für das gerichtliche Erkenntnisverfahren geforderten bzw. gewährleisteten Handlungen und Erklärungen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten noch stattfinden können. Ist aber eine die Instanz abschließende Entscheidung verkündet worden, kann das Gericht, schon weil es gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO an dieses Endurteil gebunden ist, es also auch nicht ändern oder aufheben kann, keine der Urteilsfindung vorausgehenden Verfahrenshandlungen mehr vornehmen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 9 B 56.91 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25 S. 10 und vom - 6 B 61.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 57 S. 2).

8Die zulässige Revision der Kläger ist hinsichtlich des Haupt- (I.), des ersten (II.) und des weiteren Hilfsantrages (III.) unbegründet.

9I. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ist nicht aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Ihm haftet zwar ein Verfahrensmangel an, soweit der Verwaltungsgerichtshof die Entschädigungsklage im Hinblick auf die Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren - ÜberlVfRSchG - vom (BGBl. I S. 2302) als unzulässig abgewiesen hat (1.). Dies führt aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof, da sich die Klageabweisung aus materiellrechtlichen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2.). Eine Aufhebung und Zurückverweisung ist auch nicht wegen eines anderen Verfahrensfehlers geboten (3.).

101. Die Abweisung der Entschädigungsklage hinsichtlich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 als unzulässig anstatt als unbegründet ist verfahrensfehlerhaft.

11Eine Entscheidung durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil stellt einen Verfahrensfehler dar, wenn sie auf einer fehlerhaften Anwendung einer prozessualen Vorschrift beruht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 8 C 110.67 - BVerwGE 30, 111 <113>, vom - 3 B 70.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 68 Rn. 20 und vom - 1 B 79.16 - InfAuslR 2016, 449 Rn. 2, jeweils m.w.N.). Dem steht gleich, wenn die Vorinstanz eine materielle Norm in Verkennung ihrer Rechtsnatur als Prozessrechtsnorm behandelt und eine Klage aufgrund dessen zu Unrecht als unzulässig abweist. So verhält es sich hier.

12Der Verwaltungsgerichtshof hat die Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG dem Prozessrecht zugeordnet und das Vorliegen ihrer Voraussetzungen als Sachurteilsvoraussetzung angesehen. Die Vorschrift gehört jedoch dem materiellen Recht an, soweit sie den zeitlichen Geltungsbereich der materiellrechtlichen Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren regelt. Demzufolge ist die Frage, ob ein Kläger gemäß Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG seinen Entschädigungsanspruch auf den nach § 173 Satz 2 VwGO im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom (BGBl. I S. 1254), stützen kann, eine solche der Begründetheit (vgl. B 10 ÜG 9/13 B - NJW 2014, 253 Rn. 21).

132. Bei einer fehlerhaften Prozessabweisung der Klage kann das Revisionsgericht in der Sache entscheiden, wenn die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen eine hinreichende Grundlage für eine Sachentscheidung bieten und auch im Falle einer Zurückverweisung kein anderes Ergebnis möglich erscheint (stRspr, vgl. etwa 4 C 4.01 - BVerwGE 116, 169 <175> m.w.N.). So ist es hier. Die Klage ist bezüglich der genannten Verfahren unbegründet.

14Nach Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG gilt das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten, also am , bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann. Bei den genannten Verfahren handelt es sich jeweils um ein Verfahren im Sinne des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG (a). Sie waren auch am abgeschlossen (b). Deren Dauer war zu diesem Zeitpunkt aber weder Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, noch konnte sie es werden (c).

15a) Für den Begriff des Verfahrens im Sinne des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG gilt die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG enthaltene Legaldefinition des Gerichtsverfahrens. Dem steht nicht entgegen, dass Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG durchgängig den Begriff des Verfahrens verwendet. Dieser gegenüber dem Begriff des Gerichtsverfahrens allgemeinere Begriff wird auch in der Legaldefinition des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ("ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren") aufgegriffen. Für einen identischen Begriffsinhalt spricht, dass grundsätzlich von einem planvollen Handeln des Gesetzgebers ausgegangen werden darf und dass dieser dementsprechend dem zentralen Begriff eines Regelungskomplexes, hier dem des Gerichtsverfahrens, mit dem Rechte und Pflichten zugewiesen werden, in den verschiedenen Vorschriften des Regelungskomplexes ein einheitliches Begriffsverständnis zugrunde legen wollte. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.). Daran fehlt es hier. Vielmehr unterstreicht der sich aus der Entstehungsgeschichte ergebende Zweck der Vorschrift den engen Zusammenhang zu § 198 GVG und dessen Abs. 6 Nr. 1. Mit der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG soll die Anwendung der Entschädigungsklage nach § 198 GVG auf Altfälle erstreckt werden, um weitere Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu entlasten (BT-Drs. 17/3802 S. 31).

16Nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung, wo die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren gilt. Der Begriff der "Einleitung" erfasst alle Formen, mit denen ein Verfahren in Gang gesetzt werden kann, unabhängig davon, ob dies durch Antrag oder Klageerhebung geschieht oder ein Verfahren von Amts wegen eingeleitet wird. Mit dem "rechtskräftigen Abschluss" ist die Beendigung durch formell rechtskräftige Entscheidung sowie durch anderweitige Erledigung des Verfahrens insbesondere durch Antrags- oder Klagerücknahme, Einstellung, Vergleich oder Erledigungserklärung gemeint (stRspr, vgl. etwa 5 C 5.14 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 24).

17Bei dem Begriff "Gerichtsverfahren" geht das Gesetz von einer Orientierung an der Hauptsache aus, so dass nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren ein eigenständiges Verfahren darstellt (vgl. B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 2 Rn. 15; - NJW 2014, 2443 Rn. 11 und vom - III ZR 73/13 - BGHZ 199, 190 Rn. 20). Mit der Hauptsache ist im entschädigungsrechtlichen Kontext der geltend gemachte Anspruch gemeint, über den innerhalb eines Verfahrens eine Entscheidung des Gerichts erstrebt wird. Ausgehend davon knüpft das Gesetz den Begriff des Gerichtsverfahrens mit der Orientierung an der Hauptsache an den Streitgegenstand. Der Streitgegenstand wird auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach dem sogenannten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff bestimmt und als der prozessuale Anspruch verstanden, der durch die erstrebte, im Klageantrag umschriebene Rechtsfolge und den Klagegrund, d.h. den Lebenssachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (stRspr, vgl. etwa 9 B 63.13 - NVwZ-RR 2014, 856 Rn. 13 m.w.N.; s.a. - BGHZ 189, 56 Rn. 3). Die Hauptsache kann dabei aus einem oder mehreren Streitgegenständen bestehen. Bei der Rechtsverfolgung verschiedener prozessualer Ansprüche ist für die Annahme eines Gerichtsverfahrens im entschädigungsrechtlichen Sinn (Art. 23 ÜberlVfRSchG, §§ 198 ff. GVG) entscheidend, dass die Streitgegenstände in einem Ausgangsverfahren verbunden sind und verbunden bleiben. Dieses Auslegungsergebnis ergibt sich anhand der anerkannten Auslegungskriterien (aa). Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen (bb).

18aa) Die streitgegenstandsbezogene Betrachtung ist bereits im Gesetzeswortlaut angelegt. Der Begriff des Gerichtsverfahrens wird in den §§ 198 ff. GVG durchgängig im Singular verwandt (vgl. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG: "... infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens ..."; § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG: "Im Sinne dieser Vorschrift ist ... ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von ..."; § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG: "... das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt ..."). Hätte der Gesetzgeber einen Entschädigungsanspruch (auch) für Ansprüche begründen wollen, die lediglich in einem materiellen Sachzusammenhang stehen, aber prozessual in getrennten Verfahren verfolgt werden, wäre eine Formulierung angezeigt gewesen, die das hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, wie beispielsweise in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG "... infolge unangemessener Dauer von Gerichtsverfahren ..." oder in § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG "die Gerichtsverfahren, von deren Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt ...".

19Das Begriffsverständnis wird in systematischer Hinsicht insbesondere durch § 90 Satz 2 VwGO gestützt. Diese Vorschrift bestimmt den Beginn der Rechtshängigkeit der Streitsache in Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens. Die danach mit der Zustellung der Klage rechtshängig werdende Streitsache wird gekennzeichnet durch den Streitgegenstand. Entsprechendes gilt für den mit der Rechtshängigkeit korrespondierenden Begriff der Rechtskraft, deren Wirkungen in § 121 VwGO geregelt sind. Danach binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Allein der Streitgegenstand gibt klar und eindeutig Auskunft, worüber das Gericht zu entscheiden hat.

20Die Anknüpfung des Verfahrensbegriffs an den Streitgegenstand entspricht vor allem dem sich aus der Entstehungsgeschichte der §§ 198 ff. GVG ergebenden Gesetzeszweck und der Funktion des Rechtsschutzes bei überlangen Gerichtsverfahren. Dieser dient der Verwirklichung und Wahrung eines Verfahrensrechts. Die Regelungen der §§ 198 ff. GVG sollen den Anspruch eines Verfahrensbeteiligten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - in der Fassung vom (BGBl. 2010 II S. 1198) auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit durch einen effektiven Rechtsbehelf sichern. Hierzu wird dem betroffenen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit eingeräumt, sein Recht auf ein zügiges Gerichtsverfahren durch die Verzögerungsrüge durchzusetzen (präventive Wirkung) und im Falle einer Verletzung seines Rechts einen Ausgleich für erlittene Nachteile zu erhalten (kompensatorische Wirkung; BT-Drs. 17/3802 S. 1, 15 f. und 18). Im Hinblick auf das zu sichernde Verfahrensrecht ist eine streitgegenstandsbezogene Betrachtung geboten. Es wäre damit nicht vereinbar, wenn für das Gerichtsverfahren im entschädigungsrechtlichen Sinn ein materieller Sachzusammenhang von Ansprüchen, die in unterschiedlichen gerichtlichen Ausgangsverfahren verfolgt werden, als ausreichend angesehen wird.

21Dieses Ergebnis wird durch weitere historisch-genetische Hinweise bestätigt. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber auch bei auf Dauer angelegten Verfahren von einer formellen, an dem jeweiligen Streitgegenstand ausgerichteten Sichtweise ausgegangen ist. Denn er legt sich darauf fest, bei den auf Dauer angelegten Betreuungs- und Vormundschaftsverfahren den Rechtsgedanken zu beachten, wonach jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, entschädigungsrechtlich ein selbstständiges Verfahren darstellt (BT-Drs. 17/3802 S. 23).

22bb) Eine abweichende Auslegung ist mit Blick auf die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht geboten. Das gilt auch und gerade unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung dieser Konvention hat (vgl. 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 22).

23Der Gerichtshof räumt dem staatlichen Gesetzgeber bei der gesetzlichen Ausgestaltung des von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelfs einen weiten Beurteilungsspielraum ein, damit dieser den Rechtsbehelf so ausgestalten kann, dass er mit seinem Rechtssystem und seiner Rechtstradition in Einklang steht (vgl. etwa EGMR, Urteile vom - Nr. 36813/97, Scordino/Italien - NVwZ 2007, 1259 Rn. 189 und vom - Nr. 53126/07, Taron/Bundesrepublik Deutschland - NVwZ 2013, 47 Rn. 41; s.a. 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 24). Der vom Gerichtshof zugebilligte Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Art und Weise, wie der von Art. 13 EMRK verlangte Rechtsbehelf zur Verfügung gestellt und der Verpflichtung nach dieser Vorschrift nachgekommen werden soll, umfasst auch die Bestimmung, wie der Begriff des Gerichtsverfahrens inhaltlich ausgefüllt wird. Es gibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Grund zu der Annahme, dass der mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom eingeführte Rechtsbehelf die damit verfolgten Ziele nicht erreicht und daher den Anforderungen der Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK nicht genügt (vgl. EGMR, Urteile vom - Nr. 53126/07 - NVwZ 2013, 47 Rn. 41 und vom - Nr. 62198/11, Kuppinger/Bundesrepublik Deutschland - NJW 2015, 1433 Rn. 126 und 139; s.a. 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 24). Das gilt auch für den Inhalt des zentralen Begriffs des Gerichtsverfahrens.

24Eine andere Beurteilung ist insbesondere nicht wegen des Urteils des Gerichtshofs vom (Nr. 62198/11 - NJW 2015, 1433) angezeigt. Der Gerichtshof hat den eingeführten Rechtsbehelf zur Rüge einer gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK überlangen gerichtlichen Verfahrensdauer in dieser Entscheidung lediglich mit Blick auf den hier nicht einschlägigen Art. 8 EMRK beanstandet. Die durch das Rechtsschutzgesetz eingeführten Bestimmungen würden nicht den konkreten Anforderungen gerecht, die an einen Rechtsbehelf zu stellen seien, mit dem der Staat seinen positiven Verpflichtungen aus Art. 8 EMRK in Verfahren nachkommen solle, die das Recht eines Elternteils auf Umgang mit seinem kleinen Kind zum Gegenstand habe (a.a.O. Rn. 141). Hieraus lässt sich für die inhaltliche Ausgestaltung des Begriffs des Gerichtsverfahrens nichts herleiten. Insbesondere ergibt sich daraus kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass eine Anbindung des Begriffs an den sogenannten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff als den zentralen prozessualen Maßstab aller innerstaatlichen Gerichtsverfahrensordnungen mit Konventionsrecht nicht vereinbar ist.

25Die Annahme der konventionsgerechten Ausgestaltung des innerstaatlichen Verfahrensbegriffs wird vielmehr durch die vor dem Inkrafttreten der §§ 198 ff. GVG ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs gestützt. Der Gerichtshof hat in einem Verfahren drei Individualbeschwerden, denen verschiedene innerstaatlich als selbstständige Gerichtsverfahren geführte Sorge- und Umgangsrechtsverfahren zugrunde lagen, die nach seiner Feststellung in hohem Maße zusammenhingen, so dass es zwischen ihnen allgemeine sachliche Verknüpfungen gab und die Beschwerden selbst bei der Schilderung des Sachverhalts und der Rügen aufeinander Bezug nahmen, lediglich gemäß Art. 42 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung verbunden (EGMR, Urteil vom - Nrn. 21980/06, 26944/07 und 36948/08, Kuhlen-Rafsandjani/Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 62) und diese auch im Übrigen konventionsrechtlich nicht als ein Verfahren behandelt. Denn er hat die Zulässigkeit der Individualbeschwerden für die innerstaatlichen Verfahren weitestgehend getrennt geprüft (EGMR, Urteil vom - Nrn. 21980/06, 26944/07 und 36948/08 - juris Rn. 70 ff.). In gleicher Weise ist der Gerichtshof auch in einem von beiden Klägern geführten Beschwerdeverfahren vorgegangen. Die Kläger hatten in jenem Verfahren eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK im Hinblick auf die Dauer von fünf Verwaltungsgerichtsverfahren und eines zivilgerichtlichen Amtshaftungsverfahrens gerügt. Der Gerichtshof prüfte auch in diesem Fall die Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde für jedes innerstaatlich als selbstständiges Gerichtsverfahren geführte Verfahren gesondert, obwohl die Verfahren in einem engen materiellen Sachzusammenhang standen (vgl. EMRG, Urteil vom - Nr. 40009/04, von Koester/Bundesrepublik Deutschland - juris).

26b) Ein Verfahren ist im Sinne von Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG "abgeschlossen", wenn es im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG endgültig erledigt ist. Das folgt aus dem aufgezeigten systematischen Zusammenhang zwischen § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG und Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG sowie der dargelegten Zielsetzung der Übergangsvorschrift. In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben waren die Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 am abgeschlossen.

27aa) Das Verfahren 1 E 489/98 wurde gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO am durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Kläger (mit Schriftsatz vom ) und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. (mit Schriftsatz vom ) beendet. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt, in dem die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten dem Gericht vorgelegen haben.

28bb) Das Verfahren 1 E 421/99 wurde mit der nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO mit Ablehnung des Antrags der Kläger auf Zulassung der Berufung am eintretenden Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom abgeschlossen. Abgelehnt ist der Zulassungsantrag - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs - nicht schon in dem Zeitpunkt, zu dem der Beschluss gefasst wird, sondern erst in dem Zeitpunkt, in dem der Urkundsbeamte die Ausfertigung des ablehnenden Beschlusses - wie hier am - zur Zustellung hinausgibt (vgl. - NJW 1993, 51).

29Die unter den Aktenzeichen 1 E 1838/03 und 1 K 504/07 geführten Restitutionsklagen der Kläger ändern daran nichts. Das durch Nichtigkeits- oder Restitutionsklage eingeleitete Wiederaufnahmeverfahren nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 578 ff. ZPO bildet nach den vorstehenden Ausführungen zum Begriff des Gerichtsverfahrens entschädigungsrechtlich ein eigenständiges Gerichtsverfahren (s.a. B 10 ÜG 9/13 B - NJW 2014, 253 Rn. 23, 26 und Urteil vom - B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 2 Rn. 16). Denn es hat einen anderen Streitgegenstand als die mit einer Nichtigkeits- oder Restitutionsklage angefochtene Entscheidung. Streitgegenstand der Wiederaufnahmeklage ist allein die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und des früheren - rechtskräftig abgeschlossenen - Verfahrens (Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 153 Rn. 20). Dem steht - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht entgegen, dass im Falle einer erfolgreichen Wiederaufnahmeklage das Gericht, soweit der Wiederaufnahmegrund reicht, gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 590 Abs. 1 ZPO in eine erneute Verhandlung der Hauptsache eintritt, die Rechtskraft des angefochtenen Urteils mit rückwirkender Kraft beseitigt und die Sache erneut rechtshängig wird (vgl. insoweit 9 C 5.88 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 88 S. 98 m.w.N.; s.a. 9a RV 39/91 - SozSich 1993, RsprNr. 4491). Es reicht für die Annahme eines Gerichtsverfahrens im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG und damit auch des Verfahrens im Sinne von Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG nicht aus, dass gerichtlich verfolgte Klageansprüche gegebenenfalls einen inhaltlichen Bezug aufweisen. Entscheidend ist vielmehr, dass diese auch formal in einem Verfahren verbunden sind und verfolgt werden. Das trifft auf das durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossene Verfahren und das Verfahren der Wiederaufnahme nicht zu.

30(cc) Das von dem Kläger zu 2 geführte Verfahren 1 E 1838/03, in dem der Kläger zu 1 gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beigeladen worden war, wurde am abgeschlossen. Haben - wie in jenem Verfahren - der Kläger und der notwendig Beigeladene eines Verfahrens einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, tritt die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO erst mit der Ablehnung des Rechtsmittels gegenüber dem letzten Beteiligten ein. Denn im Fall der notwendigen Beiladung kann gemäß § 65 Abs. 2 VwGO die Entscheidung nur einheitlich gegenüber allen Beteiligten ergehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat als letztes Rechtsmittel den Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers zu 1 durch Beschluss vom abgelehnt. Dessen Ausfertigung wurde vom Urkundsbeamten am zur Zustellung herausgegeben.

31Die gegen die ablehnenden Zulassungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs von den Klägern beim Bundesverwaltungsgericht eingelegten und gemäß § 152 Abs. 1 VwGO nicht statthaften Beschwerden haben den Eintritt der formellen Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom nicht verhindert.

32Soweit die unter dem Aktenzeichen 1 K 504/07 geführte Restitutionsklage die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom - 1 E 1838/03 - zum Gegenstand hat, wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Diese gelten hier entsprechend, so dass die Restitutionsklage dem auf den datierten Abschluss des Verfahrens 1 E 1838/03 nicht entgegensteht.

33(dd) Das Verfahren 1 E 2114/05 wurde am gemäß § 106 Satz 1 VwGO durch Vergleich zwischen dem Kläger zu 2 und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. erledigt.

34(ee) Das Verfahren 1 E 512/97 wurde mit Ablauf der Rechtsmittelfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom am beendet (vgl. 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 19).

35Es ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof in der im Urteil fehlenden Entscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO über die Kosten des Beigeladenen, keinen Hinderungsgrund für den Abschluss des Verfahrens 1 E 512/97 gesehen hat. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat der Kläger zu 2 den insoweit nach § 120 Abs. 1 VwGO erforderlichen Antrag auf Ergänzung des Urteils nicht binnen der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO gestellt, wodurch die Rechtshängigkeit des übergangenen Antrags endete ( 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269 < 273 f.>).

36Des Weiteren ist der Verwaltungsgerichtshof im Einklang mit Bundesrecht davon ausgegangen, es sei für die Annahme des Abschlusses des Verfahrens 1 E 521/97 unschädlich, dass das Urteil vom nicht gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren entscheide. Das Fehlen einer derartigen Entscheidung kann keinen Einfluss auf den Abschluss des Verfahrens haben, weil diese nicht Teil der gemäß § 161 Abs. 1 VwGO von Amts wegen im Urteil zu treffenden Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist ( 4 C 5.01 - NVwZ-RR 2003, 246 m.w.N.).

37Einen Antrag nach § 164 VwGO auf Kostenfestsetzung haben die Kläger nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht gestellt, so dass sich die Frage, ob eine ausstehende Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren einen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verhindern kann, hier nicht stellt (vgl. insoweit B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 2 Rn. 13 und vom - B 10 ÜG 11/13 R - BSGE 118, 102 Rn. 23).

38Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht dahin erkannt, dass der Abschluss des Verfahrens 1 E 512/97 durch die Erhebung einer Anhörungsrüge in dem Verfahren 1 E 425/04 nicht verhindert wurde. Denn das Anhörungsrügeverfahren stellt ein eigenständiges Verfahren im Sinne von Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG dar. Die nach der Trennung der Verfahren erhobene Anhörungsrüge im Verfahren 1 E 425/04 kann daher keine Auswirkung auf die Dauer des hier insoweit allein streitgegenständlichen Verfahrens 1 E 512/97 haben. Aus dem gleichen Grund hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend angenommen, dass die nach Angaben der Kläger mit dem Verfahren 1 E 512/97 im Zusammenhang stehenden rechtshängigen zivilgerichtlichen Streitigkeiten dem Abschluss des Verfahrens 1 E 512/97 nicht entgegenstehen.

39(ff) Das Verfahren 1 E 442/99 wurde gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO am durch übereinstimmende Erledigungserklärungen des Klägers zu 1 (mit am bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom ) und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. (mit Schriftsatz vom ) beendet.

40(gg) Das Verfahren 1 E 2113/05 wurde mit dem nach gerichtlichem Vergleich erlassenen Anerkenntnisurteil des Verwaltungsgerichts vom beendet.

41c) Zu den im Sinne des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehören jedenfalls solche Beschwerden nicht, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht wahren (vgl. - NJW 2014, 218 Rn. 9, 14 ff. und B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 Rn. 12; s.a. B 10 ÜG 9/13 B - NJW 2014, 253 Rn. 25). Nach dieser Vorschrift muss die Beschwerde sechs Monate nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung erhoben werden. Das gilt sowohl für Beschwerden, die am beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bereits anhängig waren als auch für solche, die zu diesem Zeitpunkt noch anhängig gemacht werden konnten (aa). Die Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK beginnt für die im Sinne von Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG abgeschlossenen Verfahren mit deren innerstaatlichem Abschluss (bb). Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom (Nr. 75529/01, Sürmeli/Bundesrepublik Deutschland - NJW 2006, 2389) steht dem nicht entgegen (cc). Nach diesen rechtlichen Vorgaben fehlt es im Hinblick auf die Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 an einer im Sinne des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG anhängigen Beschwerde (dd).

42aa) Für den Ausschluss jedenfalls solcher Beschwerden, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht wahren, spricht vor allem der sich aus der Entstehungsgeschichte ergebende Zweck der Übergangsvorschrift, weitere Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden. Die Gefahr einer Verurteilung besteht allein bei solchen Individualbeschwerden, die innerhalb der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK erhoben wurden, werden oder noch werden können. Sie ist nicht gegeben, wenn die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht eingehalten wurde, wird oder werden kann. Denn bei dieser Frist handelt es sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte um eine zwingende Vorschrift, die vom Gerichtshof von Amts wegen anzuwenden ist (EGMR <GK>, Urteil vom - Nr. 27396/06, Sabri Günes/Türkei - NJW 2012, 2943 Rn. 29) und die die zeitlichen Grenzen einer Überprüfung durch den Gerichtshof bestimmt (EGMR <GK>, Urteile vom - Nr. 5826/03, Idalov/Russland - Rn. 128 und vom - Nr. 27396/06 - NJW 2012, 2943 Rn. 40). Würde Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG die Anwendung des § 198 GVG auch für solche Altfälle eröffnen, die Gegenstand von Beschwerden sind, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht wahren, ginge der Vermeidungszweck ins Leere (vgl. - NJW 2014, 218 Rn. 15). Entsprechendes gilt für den weiteren Zweck der Übergangsvorschrift, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu entlasten (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 31). Auch dieser Zweck kann bei Beschwerden, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht wahren, allenfalls eingeschränkt zum Tragen kommen.

43Die Gesetzesmaterialien unterstreichen diesen Befund. Dort wird unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK ausgeführt, dass der Verfahrensabschluss nicht länger als sechs Monate zurückliegen darf (BT-Drs. 17/3802 S. 31; so auch - NJW 2014, 218 Rn. 9 und 15).

44Das Auslegungsergebnis überschreitet nicht die Wortlautgrenze. Nach Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG gilt dieses Gesetz für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann. Zwar weist die Verwendung des Begriffs "anhängige Beschwerden" in Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG bei isolierter Betrachtung tendenziell in die entgegengesetzte Richtung. Denn nach der herkömmlichen Definition setzt die Anhängigkeit in der Regel nur voraus, dass ein verfahrenseinleitendes Schriftstück bei Gericht eingeht. Käme es hierauf allein an, hätte es genügt, im Weiteren das Verb "ist" zu verwenden. Stattdessen hat der Gesetzgeber die Formulierung "noch werden kann" hinzugefügt. Dies deutet darauf hin, dass in Bezug auf die Anhängigkeit von einem weiter gefassten Begriffsverständnis auszugehen ist. Die Möglichkeit, eine Beschwerde noch anhängig zu machen, stellt ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal mit einem konstitutiven Regelungsgehalt dahingehend dar, dass für die Anhängigkeit mehr erforderlich ist als nur die Einreichung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks (vgl. - NJW 2014, 218 Rn. 9 und 16 f.).

45Die Auslegung des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG, wonach jedenfalls solche Beschwerden nicht zu den anhängigen Beschwerden zählen, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht wahren bzw. nicht wahren können, begegnet insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit dadurch Verfahren, deren Dauer am nicht Gegenstand einer fristgerechten Beschwerde war und deren Abschluss zu diesem Zeitpunkt länger als sechs Monate zurücklag, vom zeitlichen Anwendungsbereich des § 198 GVG ausgeschlossen sind, weil eine Beschwerde nicht mehr fristgerecht anhängig gemacht werden kann, handelt es sich um eine für eine Fristenregelung typische und im Ergebnis hinzunehmende Ungleichbehandlung. Sie kann angesichts des weiten gesetzgeberischen Ermessens gerade hinsichtlich des Wirksamwerdens einer den Rechtsschutz verbessernden Neuregelung unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG nicht beanstandet werden. Zudem ist sie durch die Gesetzeszwecke sachlich hinreichend gerechtfertigt und demzufolge hinzunehmen.

46bb) Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist bei nach Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG am abgeschlossenen Verfahren für den Beginn der Sechsmonatsfrist in der Regel auf den Abschluss in der allgemeinen bzw. Fachgerichtsbarkeit abzustellen (vgl. insoweit EGMR, Urteil vom - Nrn. 21980/06, 26944/07 und 36948/08 - juris Rn. 76 f.). Ausnahmsweise ist die Zustellung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung maßgeblich, wenn ein Verfahrensbeteiligter - anders als die Kläger in den hier in Rede stehenden Verfahren - vor dem Urteil in Sachen Sürmeli/Bundesrepublik Deutschland vom gegen eine Entscheidung der allgemeinen bzw. Fachgerichtsbarkeit Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt hat (vgl. EGMR, Urteil vom - Nrn. 21980/06, 26944/07 und 36948/08 - juris Rn. 71).

47Die Anbindung des Fristbeginns an den innerstaatlichen Abschluss auch bezüglich der Verfahren, die am abgeschlossen waren, folgt aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur sogenannten fortdauernden Situation. Danach wird die Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK erst mit der Beendigung einer derartigen Situation in Gang gesetzt, wenn ein innerstaatlicher Rechtsbehelf zu ihrer Behebung fehlt (vgl. EGMR <GK>, Urteil vom - Nr. 27396/06 - NJW 2012, 2943 Rn. 54 sowie Beschluss vom - Nr. 6817/02, Iordache/ Rumänien - Rn. 50, jeweils m.w.N.). Diesen Vorgaben entspricht die hier zu beurteilende Situation. Nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt die behauptete Verletzung des Anspruchs auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit eine fortdauernde Situation dar, für deren Behebung die Bundesrepublik Deutschland bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am keinen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK bereitstellte (vgl. etwa EGMR, Urteil vom - Nr. 25756/09 - juris Rn. 30 m.w.N.).

48Der Begriff der fortdauernden Situation wird vom Gerichtshof für eine Sachlage verwandt, in der die Beschwerdeführer durch fortdauerndes Handeln seitens des Staates zu Opfern werden. Erforderlich ist eine unmittelbare Betroffenheit des Beschwerdeführers. Es genügt nicht, dass ein Ereignis über einen Zeitraum wesentliche Folgen hat (EGMR, Beschluss vom - Nr. 6817/02 - Rn. 49 m.w.N.). Eine entsprechende Sachlage wird unter anderem in Fallkonstellationen angenommen, in denen die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten einer Person ein Recht gewährt, das eine positive (Schutz-)Pflicht für den Konventionsstaat begründet (vgl. EGMR <GK>, Urteil vom - Nr. 16064/90 u.a., Varnava u.a./Türkei - NVwZ-RR 2011, 251 Rn. 148 f.). Hierzu zählt insbesondere auch das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK. Danach hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf unter anderem ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Der Begriff der "zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen" im Sinne dieser Vorschrift umfasst auch Verfahren, die nach innerstaatlichem Recht dem "öffentlichen Recht" zugeordnet werden, wenn das Ergebnis - so wie auch bei den hier in Rede stehenden Verfahren - für private Ansprüche und Verpflichtungen entscheidend wäre (EGMR, Urteil vom - Nr. 38033/02, Stork/Bundesrepublik Deutschland - NVwZ 2007, 1035 Rn. 26). Mit dem Recht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK korrespondiert die Pflicht des Staates, über derartige Streitigkeiten innerhalb angemessener Frist zu verhandeln und zu entscheiden. Solange die Gerichte dieser Verpflichtung nicht nachkommen, begründet dies die fortdauernde Situation, dass das Recht des betroffenen Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit kontinuierlich verletzt wird.

49cc) Das Auslegungsergebnis wird durch das Urteil in Sachen Sürmeli/Bundesrepublik Deutschland vom nicht in Frage gestellt.

50Aus diesem Urteil ist - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht herzuleiten, dass zumindest für die Verfahren, deren innerstaatlicher Abschluss am nicht länger als sechs Monate zurücklag, die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift als erfüllt anzusehen seien bzw. die Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK seit dem erst mit dem rechtskräftigen Abschluss eines Entschädigungsverfahrens nach § 198 GVG beginne. Die Kläger führen insoweit aus, es sei seit dem Urteil des Gerichtshofs vom als gesichert anzusehen gewesen, dass der deutsche Gesetzgeber den von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelf schaffen werde. Es könne nicht zum Rechtsverlust führen, wenn ein Verfahrensbeteiligter darauf vertraut und auf den neuen Rechtsbehelf gewartet habe, statt innerhalb von sechs Monaten nach dem innerstaatlichen Abschluss des Verfahrens eine absehbar unzulässige Beschwerde beim Gerichtshof einzulegen. Denn es sei zu erwarten gewesen, dass der Gerichtshof die Beschwerde, wenn sie nach dem Inkrafttreten des neuen Rechtsbehelfs noch anhängig gewesen wäre, mit dem Hinweis darauf als unzulässig abgewiesen hätte, es seien noch nicht alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft. Die Inanspruchnahme des erst nach einem langen völkerrechtswidrigen Zustand geschaffenen neuen Rechtsbehelfs könne nicht davon abhängig gemacht werden, dass eine mangels Erschöpfung des Rechtsweges absehbar unzulässige Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig gemacht werde. Diese Ausführungen überzeugen schon deshalb nicht, weil die Prämisse der Kläger unzutreffend ist, der Gerichtshof werde nach dem die bei ihm anhängigen Beschwerden oder noch anhängig werdenden Beschwerden mangels Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe als unzulässig abweisen.

51Der Gerichtshof hat Entsprechendes in seinem Urteil vom weder ausdrücklich erklärt noch angekündigt. Die Prämisse der Kläger ist durch nachfolgende Entscheidungen des Gerichtshofs widerlegt. Insoweit ist auf das Urteil des Gerichtshofs vom (Nr. 46344/06, Rumpf/Bundesrepublik Deutschland - NJW 2010, 3355) zu verweisen. Die diesem Urteil zugrunde liegende Beschwerde war am , und damit nach dem Urteil in Sachen Sürmeli/Bundesrepublik Deutschland anhängig gemacht worden. Des Weiteren ist das Urteil des Gerichtshofs vom (Nrn. 21980/06, 26944/07 und 36948/08 - juris) anzuführen, das drei Individualbeschwerden zum Gegenstand hatte, denen verschiedene Sorge- und Umgangsrechtsverfahren zugrunde lagen. Die Beschwerden stammten vom , und . Die vor dem Sürmeli-Urteil eingereichte Beschwerde vom erklärte der Gerichtshof ohne weitere Begründung für zulässig (a.a.O. Rn. 78). Auch die Zulässigkeit der beiden nach dem Sürmeli-Urteil eingereichten Beschwerden verneinte der Gerichtshof - entgegen der Annahme der Kläger - nicht wegen Nichterschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe. Hinsichtlich der Beschwerde vom erkannte er vielmehr dahin, dass diese innerhalb der Sechsmonatsfrist eingereicht worden sei. Dabei stellt er für den Beginn der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK auf die Zustellung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab, weil die Verfassungsbeschwerde noch anhängig gewesen sei, als das Sürmeli-Urteil ergangen sei. Vor Erlass des Sürmeli-Urteils habe ein Verfahrensbeteiligter zu Recht noch davon ausgehen können, dass die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein wirksamer Rechtsbehelf gegen überlange Verfahren sei, sodass dem Betroffenen zuzugestehen sei, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten (a.a.O. Rn. 71). Die Beschwerde vom wies der Gerichtshof dagegen mangels Einhaltung der Sechsmonatsfrist als unzulässig zurück. Insoweit sei es angemessen, die Sechsmonatsfrist ab dem Tag der letzten Entscheidung der Familiengerichte zu berechnen. Der Beschwerdeführer habe zwar die Dauer des den Gegenstand dieser Beschwerde bildenden familiengerichtlichen Verfahrens mit einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht beanstandet. Da die Einlegung der Verfassungsbeschwerde aber ein Jahr nach dem Sürmeli-Urteil erfolgt sei, sei dies für den Beginn der Frist ohne Belang (a.a.O. Rn. 77).

52Der aus den beiden Urteilen abzuleitende Befund wird durch das Urteil des Gerichtshofs vom (Nr. 62198/11 - NJW 2015, 1433) nicht entkräftet. Mit ihm wird zwar der Teil der am anhängig gemachten Beschwerde, der sich auf die behauptete Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK bezieht, mangels Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe als unzulässig zurückgewiesen (a.a.O. Rn. 127). Diese Einzelfall gebliebene Entscheidung bildet aber keine hinreichend tragfähige Grundlage für eine allgemeingültige Schlussfolgerung in Bezug auf die Behandlung von Beschwerden durch den Gerichtshof nach dem Erlass des Sürmeli-Urteils, zumal der Schwerpunkt der Entscheidung in der behaupteten Verletzung der staatlichen Verpflichtungen aus Art. 8 EMRK in Verfahren, die das Recht eines Elternteils auf Umgang mit seinem kleinen Kind zum Gegenstand haben, liegt.

53dd) Gemessen an dem dargelegten rechtlichen Maßstab ist bezüglich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 zum maßgeblichen Zeitpunkt keine anhängige Beschwerde gegeben.

54Hinsichtlich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03 und 1 E 2114/05 war beim Gerichtshof am keine Beschwerde anhängig. Da deren Verfahrensabschluss zu diesem Zeitpunkt - wie dargelegt - jeweils länger als sechs Monate zurücklag, konnten auch keine Beschwerden unter zweifelsfreier Einhaltung der Sechsmonatsfrist mehr anhängig gemacht werden.

55Die bezüglich der Verfahren 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs jeweils am erhobenen Beschwerden wahren mit Blick auf deren dargelegten innerstaatlichen Abschluss nicht die Sechsmonatsfrist. Dies gilt bezüglich des Verfahrens 1 E 2113/05 unabhängig davon, ob das Verfahren mit der Verkündung des Anerkenntnisurteils in der mündlichen Verhandlung am , mit der Zustellung der Sitzungsniederschrift an den letzten Beteiligten am oder mangels Fehlens einer Rechtsbehelfsbelehrung erst nach Ablauf der Frist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO am als im Sinne des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG abgeschlossen anzusehen ist.

563. Das erstinstanzliche Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof leidet an keinem weiteren Verfahrensfehler, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof berechtigt.

57a) Die Kläger rügen zu Unrecht, das angefochtene Urteil leide an einem Verfahrensfehler, weil der Tatbestand völlig unzureichend sei, insbesondere nicht den Mindestanforderungen des § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO genüge, und das Urteil deshalb im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen sei.

58Die Vorschrift des § 138 Nr. 6 VwGO bezieht sich auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils nach § 117 Abs. 2 VwGO. Mithin gehört zu den Gründen im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO auch der Tatbestand im Sinne von § 117 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ( 7 C 34.90 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 23 S. 23). In ihm ist nach § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Die Tatbestandsschilderung soll eine aus sich heraus verständliche Darstellung des gesichteten und geordneten Prozessstoffes geben und das Parteivorbringen beurkunden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 314 Satz 1 ZPO; vgl. 5 C 83.77 - juris Rn. 29). Dem Begründungserfordernis genügt es, wenn der Urteilstatbestand den aus der Sicht des Gerichts für seine Entscheidung wesentlichen Sachverhalt wiedergibt. Denn für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers ist die materiellrechtliche Ansicht des entscheidenden Gerichts maßgeblich. Eine erschöpfende Wiedergabe aller Tatsachen und allen Vorbringens ist nicht nötig (BVerwG, Beschlüsse vom Beschluss vom - 4 B 121.76 - Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 10 S. 6 und vom - 5 B 193.95 - juris Rn. 4). Ebenso wenig verlangen § 117 Abs. 2 Nr. 4 und 5 VwGO eine äußere Trennung des Tatbestandes von den Entscheidungsgründen. Es reicht daher aus, wenn die nach Sicht des Gerichts erforderlichen tatsächlichen Feststellungen in den Entscheidungsgründen enthalten sind ( 9 B 80.09 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 41 Rn. 7 m.w.N.). Bezogen auf den Tatbestand ist eine Entscheidung im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO daher nur dann nicht mit Gründen versehen, wenn sie in tatsächlicher Hinsicht so mangelhaft begründet ist, dass die Tatbestandsschilderung ihre doppelte Funktion nicht mehr erfüllen kann. Das ist der Fall, wenn ein Tatbestand vollständig fehlt, sich der Entscheidung die maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen nicht - auch nicht kurz und knapp - entnehmen lassen oder diese als Entscheidungsgrundlage gänzlich unbrauchbar sind ( 2 C 14.91 - juris Rn. 29 und vom - 4 C 8.09 u.a. - juris Rn. 571; Clausing/Kimmel, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 117 Rn. 17). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.

59Es ist weder überzeugend vorgetragen noch ersichtlich, dass das angefochtene Urteil keine tatsächlichen Feststellungen enthält oder diese gänzlich unbrauchbar und daher nicht geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen. Die aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs entscheidungserheblichen Tatsachen, insbesondere auch zu Gegenstand und Verlauf der einzelnen streitgegenständlichen Ausgangsverfahren finden sich im Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils. Dass die Kläger die Sachverhaltsdarstellung unter Zugrundelegung ihrer abweichenden Rechtsauffassung für nicht ausreichend erachten, macht die angefochtene Entscheidung nicht zu einer solchen ohne Begründung im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO.

60b) Ohne Erfolg bleibt auch die gesondert erhobene Rüge der Verletzung des § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO, die nach Ansicht der Kläger durch die rechtswidrige Bescheidung der Tatbestandsberichtigungsanträge der Kläger mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom "verdeutlicht" werde.

61Soweit Verstöße gegen diese Vorschrift - wie hier - damit begründet werden, dass der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten oder Unklarheiten enthalte, können diese ausschließlich mit einem Berichtigungsantrag nach § 119 Abs. 1 VwGO geltend gemacht werden. Die Entscheidung über einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung ist gemäß § 119 Abs. 2 Satz 2 VwGO unanfechtbar. Das hat zur Folge, dass sie nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht der Nachprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht unterliegt. Eine Verfahrensrüge, die im Zusammenhang mit einer unanfechtbaren Vorentscheidung erhoben wird, ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn sie einen Mangel betrifft, der als Folge der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend der angefochtenen Sachentscheidung anhaftet ( 7 B 21.15 - juris Rn. 8). Von einem derartigen Ausnahmefall könnte zwar auch auszugehen sein, wenn die Vorinstanz den Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes überhaupt nicht geprüft hat (vgl. Clausing/Kimmel, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 119 Rn. 9 m.w.N.). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Tatbestandsberichtigungsanträge in der Sache geprüft.

62c) Erfolglos rügen die Kläger als verfahrensfehlerhaft, dass die Beklagte vor dem Verwaltungsgerichtshof unter Verletzung des § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO von einem Richter als Beistand vertreten worden sei, der zu dieser Zeit Mitglied eines Spruchkörpers dieses Gerichts gewesen sei.

63Nach § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO dürfen Richter nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Das Vertretungsverbot umfasst seinem Sinn und Zweck nach auch das Auftreten als Prozessbeistand. Die Trennung von richterlicher Tätigkeit und dem Auftreten als Bevollmächtigter dient dazu, den Anschein einer Voreingenommenheit des Gerichts zu vermeiden und Interessenkollisionen von vornherein auszuschließen (vgl. BT-Drs. 16/3655 S. 89 f., 94 und 98). Hierfür ist es unerheblich, ob der Richter vor dem Gericht, dem er angehört, als Prozessvertreter oder Prozessbeistand tätig wird. Die Rüge hat aber keinen Erfolg, weil die Kläger nicht in einer § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise substantiiert darlegen, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Denn sie setzen sich - was erforderlich gewesen wäre - nicht damit auseinander, dass die Beklagte abgesehen davon auch ordnungsgemäß durch eine Bedienstete im Statusamt einer Oberstaatsanwältin vertreten war.

64d) Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) bleibt ohne Erfolg.

65Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, zu dem gesamten Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Das Gericht darf bei seiner Entscheidung nur solche Teile des Prozessstoffes berücksichtigen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Dies setzt deren Kenntnis vom Prozessstoff voraus. Darüber hinaus darf das Gericht seine Entscheidung nicht ohne einen vorherigen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützen, mit dem auch ein sorgfältiger Verfahrensbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. etwa 5 C 24.08 - juris Rn. 34 sowie Beschlüsse vom - 5 B 75.13 - juris Rn. 12 und vom - 2 B 64.15 - juris Rn. 19, jeweils m.w.N.). Eine Rüge der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs erfordert regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 5 B 16.09 - juris Rn. 12, vom - 5 B 41.13 - juris Rn. 3 und vom - 4 B 36.16 - juris Rn. 3, jeweils m.w.N.). Gemessen daran ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hier nicht festzustellen.

66aa) Soweit die Kläger eine Gehörsverletzung darin sehen, dass der Verwaltungsgerichtshof ihren Antrag auf Tatbestandsberichtigung, insbesondere ohne hierzu vorab mündlich zu verhandeln und auch im Übrigen rechtswidrig, abgelehnt habe, bleibt die Rüge schon wegen der Unanfechtbarkeit des insoweit ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom erfolglos.

67bb) Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe erst in der mündlichen Verhandlung und damit zu spät gebotene Hinweise erteilt, die außerdem zu wenig konkret gewesen seien (vgl. § 86 Abs. 3, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 139 Abs. 4 ZPO), genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Gehörsverletzung. Die Kläger haben jedenfalls nicht aufgezeigt, warum die Hinweise zu vage gewesen sind und was von ihnen noch vorgebracht worden wäre, wenn der Verwaltungsgerichtshof vor der mündlichen Verhandlung aus ihrer Sicht ordnungsgemäße Hinweise erteilt hätte.

68cc) Das Vorbringen, die erteilten gerichtlichen Hinweise seien zudem zu spät, nämlich erst zu einem Zeitpunkt protokolliert worden, als der Kläger zu 2 wegen Erschöpfung nicht mehr verhandlungsfähig gewesen sei, ist nicht geeignet, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darzutun. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet für das Gericht zwar gegebenenfalls eine Hinweispflicht, wenn und soweit dies zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung notwendig ist. Er verpflichtet das Gericht aber nicht, die Hinweise, die demjenigen erteilt wurden, dem rechtliches Gehör im Verfahren zu gewähren ist, auch zu protokollieren. Sofern das Prozessrecht vorsieht, dass ein gerichtlicher Hinweis aktenkundig zu machen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO) oder zu protokollieren (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO) ist, dient dies allein dem Nachweis bzw. der Dokumentation für das Rechtsmittelgericht.

69dd) Ohne Erfolg rügen die Kläger die Ablehnung ihrer in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge auf Vertagung als gehörsverletzend. Auch insoweit sind bereits die Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO nicht erfüllt. Die Kläger zeigen namentlich nicht substantiiert auf, was sie bei einer Vertagung noch hätten vortragen wollen und dass dies entscheidungserheblich gewesen wäre.

70ee) An einer ordnungsgemäßen Geltendmachung der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör fehlt es auch, soweit die Kläger die Ablehnung ihres Antrags auf Gewährung eines Schriftsatznachlasses (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 283 Satz 1 ZPO) beanstanden. Die Kläger legen nicht in einer dem Darlegungserfordernis genügenden Weise dar, was sie bei Gewährung des Schriftsatznachlasses noch Entscheidungserhebliches vorgetragen hätten. Hierfür wäre erforderlich, dass die von ihnen insoweit angeführten Erwägungen den geltend gemachten Entschädigungs- und Feststellungsanspruch grundsätzlich zu stützen in der Lage sind. Das ist auf der Grundlage des Klägervortrags nicht ausreichend erkennbar. Ihren Ausführungen zu der beanstandeten unterlassenen Beiziehung der Akten der Eilverfahren und dazu, dass sie bei einer sach- und zeitgerechten Förderung der Hauptsacheverfahren die Eilverfahren nicht in dem erfolgten Umfang verloren hätten, ist ein hinreichend konkreter Bezug zum Entschädigungs- und Feststellungsanspruch nicht zu entnehmen. Gleiches gilt für das weitere Vorbringen, aus den nicht beigezogenen Akten der Eilverfahren hätte sich ergeben, dass das Rechtsschutzbegehren von Anfang an auch auf die Beseitigung von rechtswidrigen Vollzugsfolgen gezielt habe, ihnen zunächst kein bzw. kein hinreichend effektiver Rechtsschutz gewährt worden sei und hierdurch für sie unzumutbare Belastungen, auch mit Verfahrenskosten bewirkt worden seien. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang darauf abstellen, der Verwaltungsgerichtshof hätte ihre Klage mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG nicht als unzulässig, sondern unbegründet ansehen müssen, ist nicht ersichtlich, inwiefern dies im Ergebnis eine für sie günstigere Entscheidung hätte herbeiführen können. Des Weiteren fehlt eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs. Die Kläger verhalten sich weder dazu, dass ein weiterer Vortrag nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs nicht mehr erforderlich erscheine (Verhandlungsniederschrift über die öffentliche Sitzung vom S. 9) noch dazu, dass sich weder in der mündlichen Verhandlung noch unmittelbar davor neue Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art ergeben hätten, zu denen eine Stellungnahme nicht möglich gewesen wäre. Der Vortrag der Kläger erschöpft sich vielmehr im Kern in abstrakt bleibenden allgemeinen Ausführungen. Ein solches Vorbringen ist nicht geeignet, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufzuzeigen.

71ff) Soweit die Kläger kritisieren, der Verwaltungsgerichtshof habe ihren Vortrag nicht berücksichtigt, wonach das Verfahren 1 K 504/07 zumindest für den Kläger zu 2 eine Fortsetzung des Verfahrens 1 E 1838/03 sei und die Streitgegenstände der Verfahren 1 E 1838/03, 1 K 504/07 und 1 K 484/13 teilidentisch seien, was nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte genüge, um eine fortgesetzte Situation anzunehmen, begründet dies nicht den Vorwurf einer Gehörsverletzung. Denn der Verwaltungsgerichtshof geht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auf dieses Vorbringen ein. Dass er dabei zu anderen Schlussfolgerungen als die Kläger kommt, begründet keinen Gehörsverstoß. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 5 B 5.16 - juris Rn. 4 und vom - 8 B 22.15 - juris Rn. 2, jeweils m.w.N.).

72gg) Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen, weil er den Klägern in dem angefochtenen Urteil vorgeworfen habe, rechtsmissbräuchlich zu handeln, wenn sie "sich mehr als neun Jahre nach Abschluss des Verfahrens 1 E 425/04 auf eine unterbliebene gerichtliche Entscheidung über die am erhobene Anhörungsrüge beriefen", ist unbeachtlich, weil sie nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 3 VwGO erhoben worden ist ((1)). Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ändert daran nichts ((2)).

73(1) Die Revisionsbegründungsfrist endete nach der gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 VwGO vom Vorsitzenden verfügten letztmaligen Verlängerung bis zum Samstag, dem , am Montag, dem (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). Die Rüge wurde erst mit Schriftsatz vom 28./ erhoben. Dem steht nicht entgegen, dass die Kläger in dem ergänzenden Schriftsatz vom , der innerhalb der verlängerten Revisionsbegründungsfrist beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen ist, namentlich auf den Schriftsatz vom Bezug genommen haben, in dem gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs als überraschend beanstandet wird. Der Bezugnahme ist nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Kläger das angefochtene Urteil auch gegenüber dem Revisionsgericht als Überraschungsentscheidung rügen. Denn die Inbezugnahme des Schriftsatzes vom ist nicht im Rahmen der Begründung einer vermeintlich den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzenden Überraschungsentscheidung erfolgt, sondern im Zusammenhang mit den Ausführungen zu angeblichen Defiziten des Tatbestandes.

74(2) Für die von den Klägern beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO ist kein Raum. Zwar kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen grundsätzlich auch gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gewährt werden. So verhält es sich hier aber nicht. Die Kläger haben ihre Revision unter anderem mit Schriftsätzen vom , und fristgerecht begründet. Mittels des Wiedereinsetzungsantrags wollen sie die fristgerechte Revisionsbegründung um die in Rede stehende Gehörsrüge ergänzen. Die nachträgliche Ergänzung der Revisionsbegründung kann jedoch nicht Gegenstand eines Wiedereinsetzungsantrags sein. Sie steht der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht gleich. Verfahrensrügen können nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist weder nachgeschoben noch durch ergänzendes Vorbringen nachträglich schlüssig gemacht werden ( 8 C 44.65 - BVerwGE 28, 18 <21 f.> und vom - 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 S. 9).

75hh) Aus demselben Grund führt auch die wegen angeblich verspäteter Entscheidung über den Aussetzungsantrag zum zweiten Sachkomplex erhobene Rüge einer das rechtliche Gehör verletzenden Überraschungsentscheidung nicht zum Erfolg. Diese wird im Kern auf drei Gründe gestützt, die jeweils erst nach dem unterbreitet wurden. So berufen sich die Kläger erstmals im Schriftsatz vom darauf, der Verwaltungsgerichtshof habe eine Überraschungsentscheidung erlassen, soweit er die Zulässigkeit der Klage zum zweiten Sachkomplex verneint und ihren Antrag, das Entschädigungsverfahren hinsichtlich der zum zweiten Sachkomplex gehörenden Ausgangsverfahren auszusetzen, abgelehnt habe. Außerdem führen sie erstmals in diesem Schriftsatz aus, der Verwaltungsgerichtshof hätte über ihren Antrag, das Entschädigungsverfahren hinsichtlich der zum zweiten Sachkomplex gehörenden Ausgangsverfahren auszusetzen, entscheiden müssen, bevor er den Beschluss vom zur Abtrennung des Entschädigungsverfahrens betreffend das Ausgangsverfahren 1 K 504/07 erlassen habe, was ihrer Ansicht nach ebenfalls zu einer Überraschungsentscheidung führt. In den Schriftsätzen vom 21. und machen die Kläger erstmals im Zusammenhang mit der Gewährung rechtlichen Gehörs geltend, über den Aussetzungsantrag hinsichtlich der zum zweiten Sachkomplex gehörenden Ausgangsverfahren sei nicht rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung, sondern erst durch die Ladung bzw. im angefochtenen Urteil entschieden worden, statt ihnen zuvor gemäß ihrem Antrag auf Bewilligung eines Schriftsatznachlasses Kenntnis von den nunmehr zentralen Erwägungen des Gerichts zu geben, die teilweise von der Begründung des die Aussetzung ablehnenden Beschlusses vom abwichen, und eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen. Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ermöglicht keine andere Entscheidung. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen, die hier entsprechend gelten.

76e) Die Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahrens und auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK) geht fehl.

77Dabei braucht hier nicht entschieden zu werden, welche Maßstäbe im Einzelnen anzulegen sind, um unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens bzw. effektiven Rechtsschutzes von einem Verfahrensmangel auszugehen, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zwingt (vgl. bezüglich des Grundsatzes des fairen Verfahrens etwa 2 WD 34.10 - Buchholz 450.2 § 91 WDO 2002 Nr. 6 Rn. 31 sowie Beschlüsse vom - 8 B 95.07 - ZOV 2008, 109 f.; vom - 5 B 2.12 - juris Rn. 11 und vom - 2 B 101.15 - juris Rn. 6, jeweils m.w.N.). Denn es fehlt in jedem Fall an der erforderlichen, hinreichend substantiierten Darlegung eines derartigen Verstoßes.

78aa) Das gilt zunächst für die von den Klägern behauptete, vom Verwaltungsgerichtshof herbeigeführte Überforderung des Klägers zu 2 als Prozessbevollmächtigten. Soweit die Kläger eine Überforderung insbesondere daraus herleiten, dass der Verwaltungsgerichtshof durch seine Verfahrensgestaltung ihren Prozessbevollmächtigten, den Kläger zu 2, gezwungen habe, die Rechtsverteidigung in dem Entschädigungsverfahren wiederholt parallel zu dem bei ihm zeitgleich anhängigen Verfahren 5 A 1992/13 zu betreiben, enthält ihr Vortrag keine substantiierten und nachvollziehbaren Angaben dazu, weshalb ihr Prozessbevollmächtigter ein oder mehrere Mandate nicht an einen vertretungsbereiten Anwalt abgegeben hat bzw. hat abgeben können. Dies wäre hingegen geboten gewesen, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein überlasteter Rechtsanwalt grundsätzlich gehalten ist, das eine oder andere Mandat an einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt weiterzuleiten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 4 BN 18.14 - juris Rn. 10 und vom - 9 B 31.15 - juris Rn. 14). Zu einer substantiierten Darlegung, warum der Prozessbevollmächtigte das Verfahren trotz angeblicher Überlastung weiterbetrieben hat, hätte auch deshalb Anlass bestanden, weil dieser bereits im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom vorgetragen hat, "der Umfang der an sich zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes bestehenden Rechtsverteidigungserfordernisse ist dabei derart, dass diese vom Unterzeichner schon seit Jahren nicht mehr vollständig geleistet werden können (...)". Soweit die Kläger weiter vortragen, an den Kläger zu 2 als Prozessbevollmächtigten seien durch die "faktisch erzwungene Mitwirkung" an den Verhandlungen vom und "gnadenlose" Anforderungen gestellt worden, legen sie nicht dar, inwiefern durch die Ladung eines Rechtsanwalts zu zwei im Abstand von drei Monaten anberaumten mündlichen Verhandlungen eine Überforderung eintritt. Hinsichtlich des weiteren Vorwurfs, der Verwaltungsgerichtshof habe die Verfahrensgrundrechte der Kläger, insbesondere das Recht auf effektiven Rechtsschutz auch in dem Verfahren 5 A 1992/13 verletzt, wird nicht aufgezeigt, inwiefern etwaige Verfahrensfehler in einem anderen Verfahren das Verfahren des Entschädigungsrechtsstreits in rechtlich relevanter Weise beeinflusst haben sollen.

79bb) An einer ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers fehlt es auch, soweit die Kläger eine Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren bzw. auf effektiven Rechtsschutz darin sehen, dass der Verwaltungsgerichtshof den beantragten Schriftsatznachlass trotz der nachdrücklich geltend gemachten Erschöpfung des Klägers zu 2 abgelehnt habe. Die Kläger haben - wie bereits erwähnt - nicht dargetan, was sie bei Gewährung des Schriftsatznachlasses noch Entscheidungserhebliches vorgetragen hätten.

80cc) Soweit die Kläger die Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren darauf stützen, der Verwaltungsgerichtshof habe das Entschädigungsverfahren bis zur ersten mündlichen Verhandlung am in Bezug auf die an sie gestellten Anforderungen "überbeschleunigt", jedoch über die von ihnen bereits seit der Klageerhebung begehrte Aussetzung der zum zweiten Sachkomplex gehörenden Ausgangsverfahren erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung (negativ) entschieden, haben sie nicht substantiiert ausgeführt, inwiefern das angefochtene Urteil auf diesem vermeintlichen Verfahrensfehler beruhen soll. Dessen ungeachtet ist dieses erstmals im Schriftsatz vom unterbreitete Vorbringen auch verfristet, und eine diesbezügliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet aus den dargelegten Gründen aus.

81dd) Schließlich genügt auch das Vorbringen der Kläger, es sei mit dem Erfordernis der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, dass der Verwaltungsgerichtshof das Entschädigungsverfahren betreffend die Ausgangsverfahren 1 K 504/07 und 1 K 1297/12 abgetrennt und erst im Anschluss daran über den Antrag auf Aussetzung des Entschädigungsverfahrens hinsichtlich der zum zweiten Sachkomplex gehörenden Ausgangsverfahren entschieden habe, nicht den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Kläger beschränken sich insoweit auf die Darlegung einer bloßen Vermutung, indem sie ausführen, diese Vorgehensweise beeinträchtige ihren effektiven Rechtsschutz, "[...], wenn und soweit dies im Ergebnis dazu führt, dass [...] nun die Übergangsvorschrift des Art. 23 GRÜG nicht mehr genutzt werden kann und aufgrund der Legaldefinition des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG das frühere Verfahren nicht mehr Gegenstand einer Klage gemäß § 198 GVG sein kann". Die Darlegung einer Vermutung stellt indes keine ordnungsgemäße Bezeichnung des Verfahrensmangels dar.

82f) Soweit die Kläger einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz als Verfahrensfehler rügen, ist fraglich, ob ein Verstoß gegen eine das gerichtliche Verfahren regelnde Bestimmung beanstandet wird. Dies kann hier aber offengelassen werden, weil die von den Klägern in diesem Zusammenhang gerügten Verfahrensweisen jedenfalls nicht die Annahme rechtfertigen, dass der Verwaltungsgerichtshof einen derartigen Verstoß begangen hat.

83aa) Eine das Ergebnis des Entschädigungsverfahrens beeinflussende, sachlich nicht gerechtfertigte Verletzung des Gleichheitssatzes wird von den Klägern nicht aufgezeigt, soweit sie geltend machen, in den Ausgangsverfahren seien an die anwaltliche Vertretung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar hohe Ansprüche gestellt worden verglichen mit der jahrelangen Nachsicht bzw. Begünstigung der beklagten Stadt W. durch das Verwaltungsgericht W. sowie im Vergleich zu den besonders großzügigen Anforderungen bzw. Kriterien für eine noch hinreichende Rechtsschutzgewährung durch das Ausgangsgericht. Der darin enthaltene Vorwurf der angeblich ungleichen Anforderungen an das Verhalten der Kläger und das Verhalten der Stadt W. in den Ausgangsverfahren richtet sich an das Verwaltungsgericht W. als Ausgangsgericht und bezieht sich nicht auf den Ablauf des Entschädigungsverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof. Soweit die Kläger darüber hinaus den Gestaltungsspielraum beanstanden, den der Verwaltungsgerichtshof im Entschädigungsverfahren dem Verwaltungsgericht W. bezogen auf das jeweilige Ausgangsverfahren zuerkennt, wenden sie sich gegen die Auslegung und Anwendung des § 198 Abs. 1 GVG durch die Vorinstanz. Die Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im Rahmen der Sachprüfung berührt indessen ebenfalls nicht den Verfahrensablauf, also den Weg zum angefochtenen Urteil und die Art und Weise seines Erlasses (vgl. 5 B 7.14 - juris Rn. 8 m.w.N.).

84bb) Aus demselben Grund bezeichnen die Kläger auch keinen Mangel des Entschädigungsverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, soweit sie die Bewertung der nicht gerechtfertigten Verzögerung in den Ausgangsverfahren 1 E 633/98, 1 K 667/05 und 1 K 777/09 durch den Verwaltungsgerichtshof als Beispiel für die angebliche Ungleichbehandlung anführen.

85cc) Die Rüge, in der Ablehnung des beantragten Schriftsatznachlasses sei auch eine willkürliche prozessuale Ungleichhandlung zu Lasten der Kläger zu sehen, greift schon mangels ordnungsgemäßer Darlegung der Verfahrensrüge nicht durch. Es fehlt insoweit vor allem - wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt - an einer substantiierten Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichtshofs für die Ablehnung des Schriftsatznachlasses, ohne die die behauptete willkürliche Ungleichbehandlung nicht ordnungsgemäß bezeichnet ist.

86g) Auch die von den Klägern jedenfalls der Sache nach erhobene Rüge, der Verwaltungsgerichtshof sei seiner Pflicht zur umfassenden Ermittlung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht ordnungsgemäß nachgekommen, bleibt ohne Erfolg.

87Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts liegt nur dann vor, wenn das Gericht die Aufklärung eines Sachverhalts unterlassen hat, auf den es nach seiner eigenen materiellrechtlichen Rechtsauffassung ankommt. Lehnt ein Gericht einen Beweisantrag zu Recht mit der Begründung ab, die mit ihm behauptete Tatsache sei für die Entscheidung unerheblich, liegt ein Aufklärungsmangel nur vor, wenn das Gericht entgegen seiner eigenen Erklärung die behauptete Tatsache doch als für die Entscheidung bedeutsam behandelt (vgl. 7 B 31.89 - juris Rn. 17). Das ist gegebenenfalls von dem Kläger schlüssig darzutun. Im Übrigen muss für die ordnungsgemäße Begründung einer Verletzung der Aufklärungspflicht grundsätzlich vorgetragen werden, welche Tatsachen auf der Grundlage der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig gewesen wären. Außerdem ist darzulegen, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und inwiefern das angefochtene Urteil auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann (stRspr, vgl. etwa 5 C 8.15 - NJW 2016, 1602 Rn. 33 und Beschluss vom - 5 B 2.16 D - juris Rn. 9, jeweils m.w.N.). Lehnt ein Gericht eine beantragte Beweiserhebung ab, ist zudem darzutun, dass die Ablehnung im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 9 B 397.95 - InfAuslR 1996, 28 m.w.N. und vom - 7 B 68.11 - UPR 2013, 107 Rn. 14). Dem wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht.

88aa) Soweit die Kläger beanstanden, ihre "Aufklärungs-/Beweiserhebungsanträge zu einer erheblichen Unterauslastung des zuständigen Verwaltungsgerichts und Verwaltungsgerichtshofs in der streitgegenständlichen Zeit (mindestens von 2004 bis 2012) sowie zu einer vorrangigen Förderung zeitlich späterer Verfahren ohne sachgerechte Ermessensausübung" seien nicht als erforderlich angesehen worden, übersehen sie, dass es nach der maßgeblichen und mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung übereinstimmenden (vgl. etwa 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 28 m.w.N.) Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs auf die von ihnen für erforderlich gehaltenen Ermittlungen für den Ausgang des Entschädigungsverfahrens nicht ankommt. Danach sind die Bearbeitungs- und Belastungsgegebenheiten des jeweils zuständigen Spruchkörpers für die Bemessung des dem Gericht zur Entscheidung zuzugestehenden Zeitraums nicht entscheidungserheblich. Demzufolge ist eine etwaige Unterauslastung der Ausgangsgerichte in gleicher Weise wie deren etwaige Überlastung für die Bemessung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums ohne Belang. Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit steht im Einklang mit Prozessrecht. Die Kläger tragen nichts dafür vor, dass der Verwaltungsgerichtshof die angefochtene Entscheidung gleichwohl entscheidungstragend auf die Bearbeitungs- und Belastungsgegebenheiten des jeweils zuständigen Spruchkörpers gestützt hat.

89bb) Soweit die Kläger einen weiteren Aufklärungsmangel in Bezug auf die unterlassene "Beiziehung weiterer Verfahrensakten von im Sachzusammenhang stehenden Verfahren" sehen, geben sie in diesem Kontext die Aktenzeichen der betreffenden Verfahren nicht an. Soweit sie sich in anderem Zusammenhang auf Akten von Eilverfahren beziehen, zeigen sie nicht substantiiert auf, was sich aus diesen Akten ergeben hätte und inwiefern diese Erkenntnisse geeignet wären, die angefochtene Entscheidung unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Ebenso wenig setzen sie sich mit der Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs auseinander, für die Bemessung der immateriellen Nachteile komme es auf die Belastung und Beeinträchtigung der Kläger durch andere von ihnen geführte Gerichtsverfahren, auch der Eilverfahren, nicht an.

90h) Die Rüge der Kläger, die Voraussetzungen des § 93 Satz 2 VwGO für eine Abtrennung der sich auf die Ausgangsverfahren 1 K 504/07 - 1 K 484/13 sowie die Ausgangsverfahren 1 K 1297/12 und 1 K 348/13 beziehenden Entschädigungsverfahren hätten nicht vorgelegen, bleibt schon deshalb erfolglos, weil sie erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom bzw. vom erhoben worden und damit verspätet ist.

91i) Weitere Verfahrensrügen werden von den Klägern auch bei wohlwollender Auslegung ihres Vorbringens jedenfalls nicht hinreichend substantiiert und fristgerecht erhoben.

92II. Der erste Hilfsantrag, der nur für den Fall der Erfolglosigkeit des Hauptantrags gelten soll, ist unbegründet. Das Revisionsverfahren ist nicht auszusetzen, soweit es die Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 K 504/07, 1 K 484/13, 1 E 2114/05, 1 K 768/09, 1 K 820/12, 1 K 1297/12, 1 K 348/13 betrifft. Aus den unter I. dargelegten Gründen scheidet eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof "im Übrigen", d.h. hinsichtlich der verbleibenden streitgegenständlichen Verfahren aus.

93Der Senat lässt offen, ob die Unbegründetheit des Antrags auf Aussetzung der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03 und 1 E 2114/05 schon daraus folgt, dass auch für die Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 201 GVG die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG erfüllt sein müssen (vgl. hierzu BSG, Beschlüsse vom - B 10 ÜG 1/13 B - juris Rn. 11 und - B 10 ÜG 9/13 B - NJW 2014, 253 Rn. 20), was - wie dargelegt - nicht der Fall ist. Diese Frage bedarf hier keiner Entscheidung, weil jedenfalls auch bezüglich dieser Verfahren die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann das Entschädigungsgericht das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. Für den Begriff des Gerichtsverfahrens im Sinne des § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG gilt die Legaldefinition des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen unter I.2. a) verwiesen wird. Dementsprechend handelt es sich bei jedem der von den Klägern im ersten Hilfsantrag bezeichneten Gerichtsverfahren jeweils um ein eigenständiges Gerichtsverfahren. Der Entschädigungsanspruch hängt von den genannten Gerichtsverfahren nicht ab (1.) oder diese dauern nicht noch an (2.).

941. Eine Aussetzung bezüglich der Verfahren 1 K 504/07, 1 K 484/13, 1 K 820/12, 1 K 1297/12 und 1 K 348/13 scheidet schon deshalb aus, weil der geltend gemachte Entschädigungsanspruch nicht von deren Dauer abhängt.

95Ein Anspruch nach § 198 GVG hängt im Sinne des § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG von der Dauer eines Gerichtsverfahrens ab, wenn und solange das Gerichtsverfahren noch Gegenstand der Entschädigungsklage ist. Das ist bezüglich der genannten Verfahren zu verneinen.

96Der Verwaltungsgerichtshof hat die Entscheidung über die unangemessene Dauer dieser Verfahren durch Beschlüsse vom und gemäß § 93 Satz 2 VwGO abgetrennt. Die Trennungsbeschlüsse sind gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.

972. Die Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05 und 1 K 768/09 sind zwar Gegenstand der Entschädigungsklage, da sie in der Klageschrift vom aufgeführt waren und die Entscheidung über die unangemessene Dauer dieser Verfahren nicht abgetrennt wurde. Keines dieser Verfahren dauert aber noch an.

98Der Begriff "noch andauert" in § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG korrespondiert mit dem Begriff "beendet" in § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG sowie dem Begriff "rechtskräftiger Abschluss" in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG und weist demzufolge einen reziproken Begriffsinhalt auf. Ein Verfahren dauert daher noch an, solange es nicht durch rechtskräftige Entscheidung oder eine anderweitige Erledigung beendet worden ist. Das trifft auf die genannten Verfahren nicht zu.

99Hinsichtlich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05 wird insoweit auf die vorstehenden Ausführungen unter I. 2. b) verwiesen. Das Verfahren 1 K 768/09 wurde gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO am durch in der mündlichen Verhandlung abgegebene übereinstimmende Erledigungserklärungen des Klägers zu 2 und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. beendet.

100III. Der für den Fall der Erfolglosigkeit des Haupt- und des ersten Hilfsantrages gestellte weitere Hilfsantrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils und Zuerkennung einer weiteren Entschädigung für immaterielle Nachteile nebst Rechtshängigkeitszinsen sowie Feststellung einer Entschädigungspflicht sowohl für alle weiteren immateriellen als auch für alle künftigen materiellen Nachteile hat keinen Erfolg.

101Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt, soweit es die Entschädigungsklage betrifft, zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Denn der Verwaltungsgerichtshof hat - wie unter I. 1. dargelegt - die Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG fehlerhafterweise dem Prozessrecht zugeordnet und daher die Entschädigungsklage hinsichtlich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 als unzulässig abgewiesen. Die Entscheidung über die Entschädigungsklage stellt sich aber im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil die Klage hinsichtlich dieser Verfahren - wie unter I. 2. aufgezeigt - aus demselben Grund unbegründet ist und den Klägern mit Blick auf die verbleibenden Verfahren die von ihnen geltend gemachte weitere Entschädigung nicht zusteht. Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof die Feststellungsklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Das Zahlungsbegehren bezüglich des Verfahrens 1 K 768/09 ist unzulässig (1.). Ebenso ist die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens zu verneinen (2.). Das Zahlungsbegehren im Hinblick auf die übrigen streitgegenständlichen Verfahren ist unbegründet (3.).

1021. Der mit Blick auf das Verfahren 1 K 768/09 gestellte Antrag des Klägers zu 2 auf Zahlung einer weiteren Entschädigung ist mangels Einhaltung der Wartefrist nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO unzulässig.

103Nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG kann eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Einhaltung der Wartefrist ist eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist ( B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 5 Rn. 19; - NJW 2014, 2588 Rn. 17 f.; - BFH/NV 2015, 1255 Rn. 11). Mit ihr soll dem Gericht hinreichend Zeit gegeben werden, auf die Verzögerungsrüge zu reagieren und das Verfahren in einer angemessenen Zeit abzuschließen oder in bereits verzögerten Verfahren eine Verlängerung der Verzögerung zu vermeiden ( 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 42 m.w.N.). Sie ist in der Regel auch bei Verfahren zu wahren, die - wie das Verfahren 1 K 768/09, das am eingeleitet und am beendet worden ist - im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am anhängig waren (vgl. Umkehrschluss zu Art. 23 Satz 5 ÜberlVfRSchG). Das ist hier nicht geschehen.

104Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs haben die Kläger in dem Verfahren 1 K 768/09 mit einem am beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz vom Verzögerungsrüge erhoben. Die Wartefrist endete mithin erst am Montag, dem (vgl. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG, § 173 Satz 2, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO). Die Entschädigungsklage wurde indessen bereits am und damit vor Ablauf der Wartefrist erhoben.

105Die Einhaltung der Wartefrist war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Das Fristerfordernis des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG ist im Wege der teleologischen Reduktion dahin einzuschränken, dass es keine Anwendung findet, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der - hier am endenden - Sechsmonatsfrist abgeschlossen wurde ( 5 C 5.14 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 18 ff. m.w.N.). Das trifft auf das am beendete Verfahren 1 K 768/09 nicht zu.

1062. Soweit die Kläger die Feststellung begehren, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihnen alle weiteren immateriellen Nachteile zu erstatten, handelt es sich um eine nach § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässige Klageänderung im Revisionsverfahren. Die Kläger haben im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof keine entsprechende Feststellung beantragt, sondern dort allein die Feststellung der Entschädigungspflicht für materielle Nachteile begehrt. Der auf alle weiteren materiellen Nachteile gerichtete Feststellungsantrag begegnet zwar unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität keinen durchgreifenden Zulässigkeitsbedenken (a). Die Kläger verfügen aber nicht über das hierfür nötige Feststellungsinteresse (b).

107a) Der auf alle weiteren materiellen Nachteile gerichtete Feststellungsantrag ist nicht wegen des Vorrangs der Gestaltungs- oder Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) unzulässig. Wo eine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren nicht droht, steht § 43 Abs. 2 VwGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet (stRspr, vgl. etwa 11 C 6.00 - BVerwGE 112, 253 <256> und vom - 5 C 12.15 - LKV 2016, 216 Rn. 7, jeweils m.w.N.). So verhält es sich hier.

108Durch die Wahl der Feststellungsklage droht keine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren, da die Kläger ihr Begehren nicht in zulässiger Weise durch eine derartige Klage verfolgen können. Im Hinblick auf künftige Schäden gewährt die Feststellungsklage zudem einen wirkungsvolleren bzw. intensiveren Rechtsschutz als die auf Entschädigung der (bereits entstandenen) materiellen Nachteile gerichtete allgemeine Leistungsklage.

109b) Für die begehrte Feststellung der Entschädigungspflicht hinsichtlich aller weiteren materiellen Nachteile fehlt den Klägern ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO.

110Das berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO stellt eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses dar. Darunter ist jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art zu verstehen ( 8 C 38.09 - BVerwGE 136, 75 Rn. 54 m.w.N.). Das Feststellungsinteresse muss spätestens im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegeben sein (vgl. 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 Rn. 19). Wird - wie hier - Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger materieller Schäden erhoben, gehört hierzu insbesondere eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. zur vergleichbaren Konstellation bei § 256 Abs. 1 ZPO - juris Rn. 20; - NJW-RR 2006, 923 Rn. 11 jeweils m.w.N.). Daran mangelt es hier.

111Weder aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs noch aus dem Revisionsvorbringen der Kläger ergeben sich hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ihnen in der Zukunft weitere materielle Nachteile durch eine etwaig eingetretene sachlich nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerung entstehen können, die nicht bereits durch die anhängige Klage abzudecken gewesen wären. Jedenfalls ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines weiteren Schadenseintritts nicht ansatzweise dargetan.

1123. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die von ihnen begehrte weitere Entschädigung für immaterielle Nachteile. Die Entschädigungsklage ist bezüglich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 - wie unter I. 2. dargelegt - schon deswegen unbegründet, weil die Anwendung des § 198 Abs. 1 GVG mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG ausscheidet. Gleiches gilt - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - auch für das Verfahren 1 E 633/98 (a). Bezüglich der Verfahren 1 K 350/10, 1 K 565/07, 1 K 667/05 und 1 K 777/09 sind die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG erfüllt (b). Die Dauer des Verfahrens 1 K 350/10 kann allerdings schon mangels Erhebung der erforderlichen Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG keinen Anspruch auf eine weitere Entschädigung begründen (c). Die Dauer der Verfahren 1 K 565/07, 1 K 667/05 und 1 K 777/09 führt jedenfalls nicht auf eine höhere als die den Klägern durch das angefochtene Urteil zugesprochene Entschädigung (d).

113a) Das Begehren der Kläger auf Zahlung einer weiteren Entschädigung für immaterielle Nachteile scheitert hinsichtlich des Verfahrens 1 E 633/98 bereits an dem materiellrechtlichen Erfordernis einer im Sinne des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG am bereits anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

114Das Verfahren 1 E 633/98 wurde gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO am durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Kläger (mit Schriftsatz vom ) und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. (mit am 2. Juni bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom ) beendet. Es war nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs am zwar Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, da sich die am beim Gerichtshof eingereichte Beschwerde bezüglich des Verfahrens 1 K 667/05 auch auf das Verfahren 1 E 633/98 bezogen hat. Diese Beschwerde wahrt im Hinblick auf das Verfahren 1 E 633/98 aber zweifelsfrei nicht die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK von sechs Monaten nach dem innerstaatlichen Verfahrensabschluss.

115b) Für die Verfahren 1 K 350/10, 1 K 565/07, 1 K 667/05 und 1 K 777/09 ist der Anwendungsbereich des § 198 Abs. 1 GVG nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG eröffnet. Für die Verfahren 1 K 350/10 und 1 K 777/09 folgt die Anwendbarkeit aus Art. 23 Satz 1 Alt. 1 ÜberlVfRSchG (aa). Für die Verfahren 1 K 565/07 und 1 K 667/05 findet das Gesetz nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG Anwendung (bb).

116aa) Die Verfahren 1 K 350/10 und 1 K 777/09 waren - wie von Art. 23 Satz 1 Alt. 1 ÜberlVfRSchG vorausgesetzt - beim Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am bereits anhängig.

117Das am vom Verfahren 1 K 565/07 abgetrennte Verfahren 1 K 350/10 wurde erst mit Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom abgeschlossen, die nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO mit Ablehnung des Antrags des Klägers zu 1 auf Zulassung der Berufung am eingetreten ist. Denn am hat der Urkundsbeamte die Ausfertigung des ablehnenden Beschlusses zur Zustellung herausgegeben. Dass der Verwaltungsgerichtshof für den innerstaatlichen Abschluss auf den abgestellt hat, an dem der ablehnende Beschluss dem Kläger zu 2 als Prozessbevollmächtigtem zugestellt wurde, ist für die hier zu treffende Entscheidung ohne Belang.

118Die Anhängigkeit des am vom Verfahren 1 K 667/05 abgetrennten Verfahrens 1 K 777/09 wurde gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO am durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Kläger (mit Schriftsatz vom ) und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. (mit Schriftsatz vom ) beendet.

119bb) Die Verfahren 1 K 565/07 und 1 K 667/05 waren - wie von Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG gefordert - am abgeschlossen und deren Dauer in Anwendung der unter I. 2. c) dargelegten Anforderungen jeweils Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

120Das Verfahren 1 K 565/07 wurde am gemäß § 106 Satz 1 VwGO durch Vergleich zwischen dem Kläger zu 1 und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. erledigt. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs war die Dauer dieses Verfahrens Gegenstand einer am und damit innerhalb der Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK eingereichten Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

121Entsprechendes gilt für das Verfahren 1 K 667/05. Dieses wurde mit Ablauf der Monatsfrist des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs - 5 A 3081/09 - vom am Montag, dem (vgl. § 125 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO) rechtskräftig abgeschlossen. Der Antrag der Kläger auf Tatbestandsberichtigung vom ändert daran nichts. Denn der Tatbestand des Urteils vom wurde daraufhin nicht wie von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 518 Satz 1 ZPO vorausgesetzt durch eine entsprechende Entscheidung ergänzt, die den Klägern innerhalb der Frist des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO zugestellt worden wäre.

122Die Kläger haben in Bezug auf das Verfahren 1 K 667/05 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am Beschwerde erhoben. Gleichwohl ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerde die Sechsmonatsfrist zweifelsfrei nicht gewahrt hat. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beginnt die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK mit dem Tag der Zustellung zu laufen, wenn der Betroffene - wie hier die Kläger nach § 116 Abs. 1 Satz 2 VwGO - einen Anspruch auf Zustellung einer Kopie der Entscheidung hat (EGMR, Urteil vom - Nr. 22714/93, 83/1996/702/894, Worm/Österreich - Rn. 33). Eine derartige Kopie ist den Klägern nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs am zugestellt worden, sodass die Beschwerde vom nicht zweifelsfrei verfristet war.

123c) Aus der Dauer des Verfahrens 1 K 350/10 kann der Kläger zu 1 einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Entschädigung schon deshalb nicht ableiten, weil er die insoweit erforderliche Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG nicht erhoben hat. Soweit der Verwaltungsgerichtshof die am eingegangene Verzögerungsrüge des Klägers zu 1 vom , die den Vorgaben des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG entspricht, als ausreichend erachtet hat, beruht das angefochtene Urteil auf einer Verletzung von Bundesrecht.

124Die Erhebung einer Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG stellt eine materiellrechtliche Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs dar ( 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 14 m.w.N.). Diese Anspruchsvoraussetzung gilt nach Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG auch für anhängige Verfahren, die bei dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden muss. Eine derartige Sachverhaltskonstellation liegt bezüglich des Verfahrens 1 K 350/10 nicht vor.

125Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am war das Verfahren 1 K 350/10 vor dem erstinstanzlich mit der Sache befassten Verwaltungsgericht bereits abgeschlossen. Daher bedurfte es nach Art. 23 Satz 4 ÜberlVfRSchG im Hinblick auf eine etwaige in der ersten Instanz erfolgte Verzögerung keiner Verzögerungsrüge. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, das bei dem Inkrafttreten des Gesetzes noch anhängig war, greift die Vorschrift des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG - anders als der Verwaltungsgerichtshof meint - ebenfalls nicht ein, weil das Verfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verzögert war (vgl. 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 31 m.w.N.). Ob ein Verfahren bei dem Inkrafttreten des Gesetzes im Sinne des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG schon verzögert ist, bestimmt sich nach dem Maßstab des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG. Das folgt aus der ausdrücklichen Bezugnahme des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG auf § 198 Abs. 3 GVG. Dementsprechend kann die Verzögerungsrüge im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG nur erhoben werden, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird. Ein solcher Anlass besteht, wenn der Verfahrensbeteiligte Anhaltspunkte dafür hat, dass das Verfahren keinen angemessenen zügigen Fortgang nimmt. Es muss die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung bestehen. Andernfalls kann die Verzögerungsrüge ihre präventive Funktion nicht erfüllen (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 20). Am bestand für den Kläger zu 1 kein Anlass für eine derartige Besorgnis. Das Berufungszulassungsverfahren war zu diesem Zeitpunkt erst etwa vier Monate anhängig. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1, der Kläger zu 2, hat die Verzögerungsrüge vom ausdrücklich "höchst vorsorglich" erhoben und erklärt, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass eine weitere Intensivierung der Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK durch das zweitinstanzliche Gericht drohen könnte. Demzufolge ist die nach Maßgabe des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG unverzüglich erhobene Verzögerungsrüge vom zur Begründung eines Entschädigungsanspruchs nicht geeignet. Für das Verfahren 1 K 350/10 blieb es vielmehr bei der Notwendigkeit einer Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG, an der es nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils fehlt.

126d) Den Klägern steht infolge der Dauer der Verfahren 1 K 565/07, 1 K 667/05 und 1 K 777/09 kein Anspruch auf Entschädigung ihrer immateriellen Nachteile zu, der über den ihnen jeweils zuerkannten Betrag von 7 100 € nebst Rechtshängigkeitszinsen hinausgeht.

127Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils folgt für alle drei Verfahren jeweils aus § 173 Satz 2 VwGO i.V.m. § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG. Danach wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Materieller Bezugsrahmen der geltend gemachten Entschädigungsansprüche ist gemäß § 198 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Nr. 1 GVG jeweils das gesamte verwaltungsgerichtliche Verfahren in den vorgenannten Ausgangsverfahren. Die Dauer der Verfahren bemisst sich danach vom Zeitpunkt seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss. Bezüglich der beiden aus einer Prozesstrennung hervorgegangenen Verfahren 1 K 667/05 und 1 K 777/09 ist für die Einleitung jeweils auf den Zeitpunkt der Erhebung der Klage im Stammverfahren 1 E 633/98 abzustellen (aa). Der Verwaltungsgerichtshof hat im Ergebnis zutreffend dahin erkannt, dass lediglich die Dauer der Verfahren 1 K 667/05 und 1 K 777/09 unangemessen war, wodurch die Kläger jeweils nicht auf andere Weise wiedergutzumachende immaterielle Nachteile erlitten haben (bb). Das führt im Ergebnis allerdings nicht auf die geltend gemachte weitere Entschädigung. Denn die sich aus der unangemessenen Dauer der Verfahren 1 K 667/05 und 1 K 777/09 errechnende Entschädigung beträgt für jeden der Kläger insgesamt 5 700 € und bleibt damit hinter dem Betrag zurück, der ihnen vom Verwaltungsgerichtshof jeweils rechtskräftig zugesprochen worden ist.

128aa) Für die "Einleitung" des Verfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG und damit für den Beginn des materiellen Bezugsrahmens des Entschädigungsanspruchs ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens anhängig gemacht worden ist. Das gilt auch für Verfahren, die nach § 93 Satz 2 VwGO von einem anderen Verfahren abgetrennt werden. Mithin ist bezüglich eines durch Abtrennung entstandenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - wie der Verwaltungsgerichtshof der Sache nach zutreffend angenommen hat - insoweit auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Streitgegenstand des abgetrennten Verfahrens im Stammverfahren anhängig gemacht worden ist. Das ist hinsichtlich der Verfahren 1 K 667/05 und 1 K 777/09 mit Eingang der Klage in dem Stammverfahren 1 E 633/98 am der Fall gewesen. Das Ende des materiellen Bezugsrahmens eines durch Abtrennung entstandenen Verfahrens wird - wie bei jedem anderen Gerichtsverfahren auch - durch den Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung oder den Zeitpunkt der anderweitigen Erledigung des abgetrennten Verfahrens markiert.

129Schon das dem Fachsprachgebrauch entsprechende Begriffsverständnis, von dem der Gesetzgeber in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ausgegangen ist, weist deutlich in die Richtung, dass mit der Einleitung im Sinne dieser Vorschrift das Anhängigmachen eines Streitgegenstandes bei Gericht gemeint ist. Denn der Begriff der Einleitung wird ausweislich der Gesetzesbegründung gemäß seinem juristischen Bedeutungsgehalt verwendet (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 22). In diesem Sinne setzt er im Verwaltungsprozessrecht die Einreichung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei Gericht oder die Erhebung des Rechtsschutzbegehrens zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle voraus (§ 81 Abs. 1 VwGO). Die in der Gesetzesbegründung erwähnte weitere Möglichkeit der Verfahrenseinleitung von Amts wegen ändert daran nichts. Sie bezieht sich erkennbar nur auf solche gerichtlichen Verfahren wie etwa den Strafprozess, in denen - anders als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - die Offizialmaxime Anwendung findet.

130Diese Auslegung wird durch systematische Erwägungen gestützt. Der Verwaltungsprozess unterliegt der Dispositionsmaxime, die im Hinblick auf die Einleitung des Verfahrens durch die Vorschriften der §§ 81, 82 VwGO konkretisiert wird. Danach wird ein Rechtsstreit nur durch Klageerhebung oder Antragstellung anhängig. Dem liefe es zuwider, im Rahmen des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ein Gerichtsverfahren auch durch eine seitens des Gerichts nach § 93 Satz 2 VwGO vorgenommene Verfahrenstrennung als eingeleitet zu betrachten. Denn durch die Abtrennung wird ein Streitgegenstand gerade nicht neu anhängig gemacht. Die Abtrennung setzt vielmehr einen bereits anhängigen Streitgegenstand voraus, der bzw. von dem ein abtrennbarer Teil aus Gründen der Zweckmäßigkeit verfahrenstechnisch abgesondert wird, um über ihn in einem eigenständigen, unter einem anderen Aktenzeichen geführten Verfahren zu entscheiden.

131Für dieses Verständnis des Begriffs der Einleitung spricht in gewichtiger Weise die Zweckbestimmung des § 198 Abs. 1 GVG (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 18). Mit dem innerstaatlichen Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren in Form des Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG hat der Gesetzgeber - wie dargelegt - auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte reagiert. Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist die Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit ( 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 37 m.w.N.). Der Verwirklichung und Wahrung dieses Verfahrensrechts wird in dem rechtlich gebotenen Maße nur dann Rechnung getragen, wenn die Dauer des abgetrennten Verfahrens von dem Zeitpunkt an berechnet wird, in dem der Verfahrensbeteiligte den Streitgegenstand des abgetrennten Verfahrens bei Gericht anhängig gemacht hat. Denn eine übermäßig lange Zeitspanne des Zuwartens auf eine gerichtliche Entscheidung über den Streitgegenstand oder auf dessen anderweitige Erledigung ist Anlass und Grund für den Rechtsbehelf. Diese Zeitspanne beginnt im Klageverfahren mit dem Eingang des Schriftsatzes oder mit der Erklärung zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 81 Abs. 1 VwGO), durch den bzw. durch die der Streitgegentand im Rahmen des Stammverfahrens anhängig gemacht wird. Das würde gänzlich vernachlässigt werden, wenn für den Beginn des materiellen Bezugsrahmens auf den Zeitpunkt der Abtrennung des Verfahrens durch das Gericht abgestellt würde. Zudem würde der Rechtsbehelf in diesem Fall seine Effektivität einbüßen. Die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Verfahrenstrennung würde Manipulationsgefahren bergen. Die Gerichte könnten die Trennung von Verfahren nach § 93 Satz 2 VwGO nutzen, um jedenfalls die Dauer des abgetrennten Verfahrens formal zu verkürzen und hierdurch einen andernfalls bestehenden Entschädigungsanspruch zu unterlaufen, zumal es im Belieben des Gerichts steht, welcher von den Streitgegenständen, die voneinander getrennt werden, unter dem bisherigen Aktenzeichen fortgeführt und welcher unter einem neuen Aktenzeichen geführt wird.

132In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe beginnt der materielle Bezugsrahmen im Falle des Verfahrens 1 K 565/07 mit dem Eingang der diesbezüglichen Klageschrift beim Verwaltungsgericht am und endet mit dem - bereits erwähnten - Abschluss des Verfahrens am . Der materielle Bezugsrahmen des in Bezug auf das Verfahren 1 K 667/05 geltend gemachten Entschädigungsanspruchs erstreckt sich von der Erhebung der Klage im Stammverfahren 1 E 633/98 am - wie erwähnt - bis zu der - dargelegten - Beendigung des Verfahrens 1 K 667/05 am . Aus diesem Verfahren ist durch eine weitere Abtrennung das Verfahren 1 K 777/09 entstanden. Gegenstand des diesbezüglichen Entschädigungsanspruchs ist folglich der Zeitraum vom bis zu dem aufgezeigten Abschluss des Verfahrens 1 K 777/09 am .

133bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend angenommen, dass die Dauer des allein vom Kläger zu 1 geführten Verfahrens 1 K 565/07 nicht unangemessen im Sinne der Anspruchsgrundlage war ((1)), die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, aber in den Verfahren 1 K 667/05 ((2)) und 1 K 777/09 ((3)), an denen beide Kläger beteiligt waren, verletzt wurde.

134(1) Die Dauer des Verfahrens 1 K 565/07 von 35 Monaten und vier Tagen erweist sich unter Berücksichtigung der relevanten Umstände des Einzelfalls nicht als unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

135Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne dieser Vorschrift, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eingetreten sind, bei Berücksichtigung des den Ausgangsgerichten insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind (stRspr, vgl. etwa 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 37 und 42 sowie vom - 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 15 m.w.N.). In Übereinstimmung mit dem dargelegten rechtlichen Maßstab hat sich der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht zu Recht nicht von festen Zeitvorgaben oder abstrakten Orientierungs- bzw. Anhaltswerten leiten lassen, sondern eine Einzelfallprüfung vorgenommen ( 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 29 ff. und vom - 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 16 m.w.N.). Die tatsächliche Würdigung und Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichtshofs ist im Hinblick auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien der Schwierigkeit des Verfahrens ((a)), seiner Bedeutung für den Kläger zu 1 ((b)) und des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((c)) sowie mit Blick auf die Verfahrensführung durch das Gericht ((d)) nicht zu beanstanden.

136(a) Der Schwierigkeitsgrad des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist als überdurchschnittlich anzusehen. Die Bewertung des Verwaltungsgerichtshofs, das Verfahren 1 K 565/07 entspreche dem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad einer abgabenrechtlichen Streitigkeit, hält der revisionsgerichtlichen Prüfung zwar im Hinblick auf die aufgeworfenen und zu lösenden Rechtsfragen stand. Ausgehend von den zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweisen des Verwaltungsgerichts vom waren die zu erörternden rechtlichen Gesichtspunkte überschaubar. Auch stellten sich danach keine Fragen, die über Standardprobleme eines Verwaltungsrechtsstreits hinausgehen, der einen Anspruch auf Rückzahlung vermeintlich zu Unrecht im Wege der Zwangsvollstreckung erlangter Abgaben, einschließlich eines Anspruchs auf Zahlung von Prozesszinsen zum Gegenstand hat. Mit diesem Befund kann die Bewertung der Schwierigkeiten aber - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - nicht ihr Bewenden haben. Ergänzend sind die sehr umfangreichen und inhaltlich zum Teil nicht leicht erschließbaren Ausführungen des Klägers zu 2, des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1, sowie der Umfang der vorgelegten Verwaltungsvorgänge in den Blick zu nehmen, wodurch dem Verfahren ein das normale Maß einer abgabenrechtlichen Streitigkeit überschreitender Schwierigkeitsgrad verliehen wird (vgl. - BFH/NV 2014, 1050 Rn. 27; B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 Rn. 34; - BGHZ 199, 87 Rn. 37; vom - III ZR 37/13 - BGHZ 200, 20 Rn. 42 und vom - III ZR 311/13 - NJW 2014, 1183 Rn. 41).

137(b) Dem Verwaltungsgerichtshof ist unter Berücksichtigung der von ihm insoweit getroffenen Feststellungen darin beizupflichten, dass der Kläger zu 1 wegen seines fortgeschrittenen Alters ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens hatte. Eine andere Bewertung ist vor allem nicht deshalb geboten, weil es in dem Verfahren lediglich um eine Geldforderung ging, die - wie den im Vergleich vom genannten Zahlen zu entnehmen ist - zwar nicht unbedeutend war, aber mangels entsprechender Anhaltspunkte für den Kläger zu 1 keine wirtschaftlich existenzielle Bedeutung hatte.

138(c) Der Verwaltungsgerichtshof hat das in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich genannte Kriterium des "Verhaltens der Verfahrensbeteiligten" richtig erfasst, soweit er der Sache nach angenommen hat, dass im Einzelfall ausnahmsweise auch durch zulässiges Prozessverhalten eines Verfahrensbeteiligten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen in dessen Verantwortungsbereich fallen können. Das gilt etwa für die beantragte Verlängerung von Begründungsfristen ( 5 B 3.16 D - juris Rn. 37). Ebenso darf ein Verfahrensbeteiligter keinen entschädigungsrechtlichen Vorteil daraus ziehen, dass er unstrukturierte umfangreiche Schriftsätze und Stellungnahmen bei Gericht einreicht oder Anträge (z.B. Befangenheitsanträge) stellt, denen das Gericht nachgehen muss, auch wenn dies letztlich nicht zur Kenntniserlangung oder Verfahrensförderung beiträgt oder sich in der Wiederholung immer gleichen Vorbringens erschöpft ( B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 5 Rn. 40). Auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens kommt es insoweit nicht an. Dem Gericht ist die Zeit, die zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein derartiges Verhalten erforderlich ist, nicht zuzurechnen (vgl. - VersR 2015, 575 Rn. 42 und vom - III ZR 91/13 - FamRZ 2014, 933 Rn. 43; s.a. B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 39, jeweils m.w.N.).

139Dementsprechend durfte der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Abwägungsentschädigung berücksichtigen, dass der Kläger zu 1 durch seine Anträge auf Einräumung weiterer Äußerungsmöglichkeiten, seine Rüge der Unvollständigkeit der vorgelegten Verwaltungsakten verbunden mit dem Antrag auf Einsicht in diese Akten sowie seine Anträge auf Verlängerung der ihm gesetzten Fristen Verfahrensverzögerungen verursacht hat, die nicht in den Verantwortungsbereich des Verwaltungsgerichts fallen. Entsprechendes gilt für die Verzögerung infolge der beantragten Fristverlängerung zur Stellungnahme durch die in jenem Verfahren beklagte Stadt W.

140(d) Aus den in dem angefochtenen Urteil zur Verfahrensführung getroffenen Feststellungen ist unter Berücksichtigung der zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Gesichtspunkten angestellten Bewertungen und der gerichtlichen Gestaltungsfreiheit zu schließen, dass das Verwaltungsgericht den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer gerecht geworden ist.

141Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Chronologie des Verfahrens 1 K 565/07 ist wertend zu folgern, dass die Entscheidungsreife - verstanden als Zeitpunkt der hinreichenden tatsächlichen Aufbereitung wie auch der Gewährung rechtlichen Gehörs - mit Eingang der vollständigen Verwaltungsvorgänge beim Verwaltungsgericht am gegeben war.

142Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts vom Eingang der Klage bis zum Eintritt der Entscheidungsreife zu keiner ungerechtfertigten Verzögerung geführt hat. Das Verfahren 1 K 565/07 wurde vom Verwaltungsgericht nach Klageerhebung bis zum durch Weiterleitung der ausgetauschten Schriftsätze an den jeweils anderen Beteiligten kontinuierlich betrieben. Unter dem entsprach das Verwaltungsgericht dem Antrag des Klägerbevollmächtigten, d.h. des Klägers zu 2, auf Einräumung einer Frist von einem Monat zur weiteren Stellungnahme und Überprüfung seiner Klageanträge mit Blick auf den von der beklagten Stadt W. angekündigten Widerspruchsbescheid zu dem zwischenzeitlich ergangenen weiteren Abrechnungsbescheid vom . Infolgedessen war es sachlich gerechtfertigt, dass das Verwaltungsgericht jedenfalls im Umfang der hier in Rede stehenden Zeitspanne von rund dreieinhalb Monaten mit der Fortführung des Verfahrens zuwartete. Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am und Eingang der klägerischen Stellungnahme vom , in der der Klägerbevollmächtigte die Gewährung einer neuen Frist von mindestens acht Wochen für weitere Darlegungen und eine detaillierte Antragstellung begehrte, wurde das Verfahren durch die gerichtliche Verfügung vom angemessen gefördert. Die dem Klägerbevollmächtigten danach unter Erteilung sachdienlicher Hinweise gewährte Frist bis zum begegnete vor dem Hintergrund seines Antrags keinen Bedenken. Entsprechendes gilt für die vom Verwaltungsgericht auf entsprechende Anträge des Klägerbevollmächtigten gewährten Verlängerungen dieser Frist bis zuletzt Mitte Mai 2008. Es unterliegt keiner Beanstandung und ist vom gerichtlichen Gestaltungsspielraum vor der Entscheidungsreife gedeckt, dass das Verwaltungsgericht den Klägerbevollmächtigten nicht unmittelbar nach Ablauf der zuletzt gesetzten Frist, sondern erst am telefonisch und sodann mit Beschluss vom unter Hinweis auf die Folgen des (weiteren) Nichtbetreibens förmlich zum Betreiben des Verfahrens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Beschlusses aufforderte. Ebenso handelte das Verwaltungsgericht bei Berücksichtigung des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums nicht pflichtwidrig, als es dem Klägerbevollmächtigten, nachdem dieser der Betreibensaufforderung fristgerecht nachgekommen war, wie von ihm beantragt, nochmals eine Frist zur Äußerung bis zum gewährte. Soweit das Verwaltungsgericht nach der Weiterleitung des klägerischen Schriftsatzes vom zur Stellungnahme binnen drei Wochen an die beklagte Stadt W. deren Antrag auf Fristverlängerung bis zum stattgab, ist dies schon angesichts der dem Klägerbevollmächtigten wiederholt gewährten Fristverlängerungen nicht zu beanstanden. Schließlich kann dem Verwaltungsgericht auch für die Zeit zwischen dem Eingang der Stellungnahme der beklagten Stadt W. am bis zum keine ungerechtfertigte Verzögerung des Verfahrens angelastet werden. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht - entgegen der Auffassung der Kläger - die Vorlage aller das Verfahren betreffenden Akten nicht unzureichend gefördert. Es forderte die einschlägigen Akten bereits mit der Eingangsverfügung von der beklagten Stadt W. an. Es stellt auch keine Verletzung der Verfahrensförderungspflicht dar, dass das Verwaltungsgericht die beklagte Stadt W. nicht unmittelbar nach Ablauf der für die Aktenvorlage gesetzten Frist von drei Wochen an die Erledigung seiner Verfügung erinnerte. Angesichts der vom Klägerbevollmächtigten entgegen seiner Ankündigung vom August 2008 in den Folgemonaten bis Anfang Dezember 2008 unterlassenen Klarstellung der Klageanträge und Ergänzung der Klagebegründung durfte sich das Verwaltungsgericht erst einmal darauf beschränken, weiter darauf hinzuwirken, dass der Kläger zu 1 seiner Ankündigung nachkommt. Nachdem der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom einen Akteneinsichtsantrag gestellt und nach Einsichtnahme mit Schriftsätzen vom und die Unvollständigkeit der vorgelegten Akten gerügt hatte, forderte das Verwaltungsgericht die beklagte Stadt W. jeweils unverzüglich zur ergänzenden Aktenvorlage auf. Es ist angesichts des Umfangs der Vorgänge nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht im Wiederholungsfall die zunächst bis zum gesetzte Frist auf Antrag der beklagten Stadt W. zum verlängerte.

143Das Verwaltungsgericht hat auch im Zeitraum ab Eintritt der Entscheidungsreife bis zum Abschluss des Verfahrens 1 K 565/07 keine ungerechtfertigte Verzögerung des Verfahrens verursacht. Es setzte den Klägerbevollmächtigten unmittelbar nach Übermittlung der letzten Verwaltungsvorgänge am davon in Kenntnis, dass er nun Akteneinsicht nehmen könne. Die Grenzen des gerichtlichen Gestaltungsspielraums sind nicht deshalb überschritten, weil das Verwaltungsgericht im Anschluss daran bis zur telefonischen Absprache des Termins zur mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten am - abgesehen von der zweimaligen Weiterleitung eines Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten an die beklagte Stadt W. - keine verfahrensfördernden Handlungen vorgenommen hat. Die Untätigkeit des Verwaltungsgerichts war durch die Mitteilungen des Klägerbevollmächtigten, er könne die Akteneinsicht erst im Verlauf der ersten beiden Septemberwochen 2009 bzw. voraussichtlich erst Ende Januar/Anfang Februar 2010 vornehmen, sachlich gerechtfertigt. Der zwischen der Ladung vom und der mündlichen Verhandlung vom liegende Zeitraum von annähernd drei Monaten war ebenfalls durch den Gestaltungsspielraum des Verwaltungsgerichts gedeckt, weil das Verfahren vorzubereiten und seine Terminierung den übrigen Verhandlungsterminen der Kammer anzupassen war. In Anwendung der oben dargelegten rechtlichen Maßstäbe ist insoweit bei der Bemessung des Gestaltungsspielraums zu berücksichtigen, dass das Verfahren mit Blick auf den Klägervortrag und den Umfang der vorgelegten Verwaltungsvorgänge als überdurchschnittlich schwierig einzuordnen ist und der Klägerbevollmächtigte bis zum Zeitpunkt der Ladung von der ihm auf Antrag gewährten Akteneinsicht noch keinen Gebrauch gemacht hatte. Im Übrigen war das Verwaltungsgericht in diesem Zeitraum auch nicht untätig, sondern widmete sich dem Verfahren insoweit, als es die Beteiligten mit Verfügung vom auf mehrere rechtliche Gesichtspunkte zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hinwies und die beklagte Stadt W. auf Rüge des Klägerbevollmächtigten zur ergänzenden Aktenvorlage aufforderte bzw. um Prüfung bat, ob weitere Behördenakten vorhanden seien.

144(2) Die Dauer des Verfahrens 1 K 667/05 war bei der gebotenen Gesamtabwägung - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - lediglich im Umfang von insgesamt 54 Monaten unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG (a bis g), wovon 18 Monate auf das Stammverfahren 1 E 633/98, 30 Monate auf das erstinstanzliche Verfahren 1 K 667/05 und sechs Monate auf das Berufungsverfahren 5 A 3081/09 entfallen. Hierdurch haben die Kläger jeweils immaterielle Nachteile erlitten, die nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden können (h) und jeweils in Höhe von 5 400 € zu entschädigen sind (i).

145(a) Die Bewertung des Verwaltungsgerichtshofs, das Verfahren "1 K 667/05 - 1 E 633/98" sei tatsächlich und rechtlich überdurchschnittlich schwierig, ist unter Berücksichtigung seiner hierzu getroffenen Feststellungen revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, soweit sie sich auf das Stammverfahren und das erstinstanzliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bezieht. Denn ein in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht umfangreicher Klägervortrag kann - wie dargelegt - einen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad begründen, zumal wenn - wie hier für diese beiden Verfahrensstadien - hinzukommt, dass ein Kläger vor demselben Spruchkörper eine Vielzahl weiterer Verfahren parallel betreibt und zum Teil Schriftsätze einreicht, die sich auf mehrere Verfahren beziehen, so dass diese dahingehend ausgewertet werden müssen, inwieweit sie für welches Verfahren entscheidungserhebliches Vorbringen enthalten. Angesichts dessen erforderte jedenfalls das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht einen das übliche Maß übersteigenden Bearbeitungsaufwand. Dem steht nicht entgegen, dass die anstehenden Rechtsfragen des abgabenrechtlichen Verfahrens als durchschnittlich schwierig einzuordnen sind. Letzteres wirkt sich allein auf den Schwierigkeitsgrad des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof aus, der dementsprechend als durchschnittlich einzustufen war.

146(b) Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, das Verfahren sei für die Kläger nicht von einer besonderen Bedeutung gewesen, was dahin zu verstehen ist, dass ihm eine durchschnittliche Bedeutung beizumessen ist, unterliegt im Ergebnis keiner revisionsgerichtlichen Beanstandung. Das gilt insbesondere insoweit, als der Verwaltungsgerichtshof aus dem im diesbezüglichen Kontext ebenfalls konstatierten hohen Alter des Klägers zu 1 nicht dieselbe Schlussfolgerung wie in dem zuvor behandelten Verfahren 1 K 565/07 gezogen und auf ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens erkannt hat. Die unterschiedliche Bewertung ist mit Rücksicht darauf gerechtfertigt, dass sich die im Verfahren 1 K 633/98 und 1 K 667/09 streitgegenständlichen Straßenreinigungsgebühren mit dem festgesetzten Betrag von umgerechnet jährlich 3 329,37 € in einer - auch gegenüber dem Verfahren 1 K 565/07 vergleichsweise - überschaubaren Größenordnung bewegten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass mit dem angefochtenen Bescheid nicht nur die Gebühren für das Jahr 1998, sondern auch für die Folgejahre im Voraus festgesetzt wurden und die Klage keine aufschiebende Wirkung hatte (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Kläger durch den geforderten Betrag auch in seiner Addition bei fortschreitender Dauer des Verfahrens in ihrer wirtschaftlichen Existenz betroffen waren oder sonst eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für sie vorgelegen hat.

147(c) Der Verwaltungsgerichtshof ist bezüglich des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten von den oben dargelegten und damit von rechtlich zutreffenden Maßstäben ausgegangen. In Anwendung dieser Vorgaben hat er im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung den Klägern und der in den Verfahren 1 E 633/98 und 1 K 667/05 beklagten Stadt W. zu Recht jeweils die Verzögerungen zugerechnet, die durch ihre Anträge auf Fristverlängerung verursacht wurden. Gleiches gilt, soweit der Verwaltungsgerichtshof Verzögerungen, die im Zusammenhang mit der Vorlage der Akten durch die beklagte Stadt W. und den Anträgen des Klägers zu 2 auf Akteneinsicht auftraten, den Beteiligten in dem Umfang zugerechnet hat, in dem ihr jeweiliges Verhalten hierfür ursächlich war. Ferner begegnet es keinen Bedenken, dass der Verwaltungsgerichtshof auch berücksichtigt hat, inwieweit der Kläger zu 2 mit ihm obliegenden Verfahrenshandlungen wie beispielsweise der Klagebegründung säumig war. Ebenso ist es nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof beim Kriterium des Verhaltens der Beteiligten nochmals in Rechnung gestellt hat, dass der Kläger zu 2 das Verfahren verkomplizierte, indem er ungeordnete und den noch anhängigen Verfahren nicht eindeutig zuzuordnende Ausführungen machte. Überdies hat der Verwaltungsgerichtshof die auf den Terminverlegungsantrag des Klägers zu 2 zurückzuführende Verzögerung im Berufungsverfahren zu Recht als in dessen Verantwortungsbereich liegend bewertet.

148Aus revisionsgerichtlicher Sicht zu beanstanden ist allerdings die Würdigung insbesondere der Befangenheitsanträge des Klägers zu 2, die er im Verfahren 1 E 512/97 gestellt hat, welches vom Verwaltungsgericht der Sache nach als Leitverfahren durchgeführt wurde. Die Verfahrenslaufzeit, die für die angemessene Bearbeitung eines Befangenheitsantrags benötigt wird, ist gemäß der dargelegten rechtlichen Vorgaben bei der Bewertung der angemessenen Verfahrensdauer nicht zu Gunsten des betreffenden Verfahrensbeteiligten zu berücksichtigen. Es kann einem Verfahrensbeteiligten zwar nicht angelastet werden, dass er von der prozessualen Möglichkeit, einen Befangenheitsantrag zu stellen, Gebrauch macht. Er darf aber aus dem Zeitverlust, der dadurch eintritt, dass das Gericht einem derartigen Antrag nachgehen muss, grundsätzlich keinen entschädigungsrechtlichen Vorteil ziehen. Für das Verfahren, in dem der Befangenheitsantrag gestellt wird, folgt dies aus dem normativen Verbot, vor der Erledigung des Ablehnungsgesuchs andere als unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO; vgl. B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 5 Rn. 40; - VersR 2010, 1516 Rn. 24). Dieses Verbot erstreckt sich zwar nicht auf andere bei demselben Spruchkörper gegebenenfalls anhängige (Parallel-)Verfahren des betreffenden Verfahrensbeteiligten (vgl. und 1 Z 78/79 - Rpfleger 1980, 193 <194>). Die Entscheidung, von weiteren Verfahrenshandlungen in einem anderen Verfahren des Verfahrensbeteiligten Abstand zu nehmen, bis über das Ablehnungsgesuch im Leitverfahren entschieden ist, ist aber grundsätzlich vom richterlichen Gestaltungsspielraum gedeckt. Demzufolge ist die durch die angemessene Bearbeitung des Ablehnungsgesuchs im Leitverfahren bedingte Untätigkeit des Gerichts in dem anderen Verfahren nicht zu Gunsten des Verfahrensbeteiligten als ungerechtfertigte Verzögerung zu werten. In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben sind den Klägern bei Beurteilung der Angemessenheit der Dauer des Stammverfahrens 1 E 633/98 nicht nur die Verzögerungen zuzurechnen, die durch die angemessene Bearbeitung der dort gestellten Befangenheitsanträge bedingt waren. Vielmehr sind zu ihren Lasten auch die Zeiträume zu berücksichtigen, in denen das Verwaltungsgericht die Ablehnungsgesuche des Klägers zu 1 im Verfahren 1 E 512/97 angemessen bearbeitet hat.

149(d) Mit Blick auf die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts und bei Gewichtung und Abwägung der zuvor erörterten Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ergibt sich, dass das Stammverfahren 1 E 633/98 18 Monate ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht gefördert wurde.

150Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Chronologie des Verfahrens ist wertend zu folgern, dass im Verfahren 1 E 633/98 bis zum Zeitpunkt der Abtrennung des Verfahrens 1 K 667/05 am keine Entscheidungsreife vorgelegen hat. Denn das Verwaltungsgericht hat gegenüber der beklagten Stadt W. nochmals mit Schreiben vom auf seine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Straßenreinigungsgebührensatzes hingewiesen und die Übersendung weiterer Kalkulationsunterlagen angefordert. Somit sind nach der insoweit maßgeblichen Ex-ante-Sicht des Verwaltungsgerichts zum Zeitpunkt der Abtrennung noch weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich gewesen. Ebenso wenig konnte die Gewährung rechtlichen Gehörs als abgeschlossen angesehen werden.

151Im Zeitraum vom Eingang der Klage im Stammverfahren am bis Mitte Juli 1999 ist eine ungerechtfertigte Verzögerung nicht eingetreten.

152Entsprechendes gilt für den anschließenden Zeitraum bis Ende November 1999. Das Verwaltungsgericht musste den Kläger zu 2 - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - insbesondere nicht Mitte September 1999 an die Beantwortung der gerichtlichen Anfrage vom erinnern, ob sich das an den Spruchkörper adressierte, unter einem anderen Aktenzeichen verfasste Ablehnungsgesuch vom auch auf das Verfahren 1 E 633/98 beziehe. Aus dem Inhalt der Gerichtsakte 1 E 512/97 ergibt sich, dass der Kläger zu 2 diese Frage in dem dort eingereichten Schriftsatz vom verneint hat. Im Übrigen ist es unter Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums vor Entscheidungsreife sachlich gerechtfertigt, dass das Verwaltungsgericht bis zum eine weitere Förderung des Verfahrens 1 E 633/98 unterlassen hat, weil es den Ausgang der Beschwerdeverfahren in den korrespondierenden Eilverfahren hat abwarten wollen.

153Am vermerkte die Berichterstatterin in der Akte, dass der Kläger zu 2 mit einem weiteren an den Spruchkörper adressierten, unter einem anderen Aktenzeichen verfassten Schriftsatz vom auch im Verfahren 1 E 633/98 einen Befangenheitsantrag gestellt habe. Dieser ist vom Verwaltungsgericht bis zum angemessen bearbeitet worden.

154Im Zeitraum vom bis zum hat das Verwaltungsgericht zwar keine Handlungen vorgenommen, um die Erledigung des Verfahrens 1 E 633/98 zu fördern. Insoweit kann eine entschädigungsrelevante Verzögerung - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - aber nur für die Zeiträume von Anfang Januar 2001 bis Ende Mai 2001 und vom bis zum , also mithin für insgesamt 11 Monate, angenommen werden. In den verbleibenden drei Zeiträumen war das Nichtbetreiben des Verfahrens 1 E 633/98 mit Blick darauf, dass das Verwaltungsgericht währenddessen das von ihm als Leitverfahren durchgeführte Verfahren 1 E 512/97 betrieben hat, sachlich gerechtfertigt.

155In jenem Verfahren wurde um die Rechtmäßigkeit der Kalkulation des Straßenreinigungsgebührensatzes für frühere Zeiträume gestritten. Dabei wurden vergleichbare Rechtsfragen aufgeworfen wie im Verfahren 1 E 633/98, in dem es um die Kalkulation des Straßenreinigungsgebührensatzes ab dem Jahre 1998 ging. Der dem Gericht zukommende Gestaltungsspielraum vor Entscheidungsreife umfasst - auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährten richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) - die Befugnis, bei anhängigen Parallelverfahren eines von ihnen als Leitverfahren zu behandeln und vordringlich zu fördern, wenn zu erwarten ist, dass in ihm Erkenntnisse gewonnen werden, die auch für die übrigen Verfahren von Relevanz sind. Solange das Gericht das Leitverfahren bearbeitet und dort die gebotenen verfahrensfördernden Handlungen vornimmt, ist es vertretbar, wenn es einen parallel geführten Rechtsstreit vorläufig "faktisch", d.h. ohne förmliche Anordnung nach § 94 VwGO aussetzt. Die mit einer Bearbeitung oder Förderung des Leitverfahrens korrespondierende Zeit der faktischen Aussetzung ist bei der Bewertung der angemessenen Dauer des Parallelverfahrens nicht zu Lasten des Staates zu berücksichtigen (vgl. B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 47 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundlage und der sich aus der Akte 1 E 512/97 ergebenden Verfahrenschronologie ist im Zeitraum von Mitte Januar 2000 bis Ende August 2000 keine dem Staat zurechenbare Verzögerung eingetreten, weil das Verwaltungsgericht in dieser Zeit das Verfahren 1 E 512/97 im Hinblick auf eine im Sommer bzw. Herbst 2000 ins Auge gefasste mündliche Verhandlung kontinuierlich gefördert hat. Gleiches gilt für die Zeiträume von Ende August 2000 bis Ende Dezember 2000, von Juni 2001 bis zum sowie vom bis zum , in denen zwei Befangenheitsanträge, die der Kläger zu 1 im Verfahren 1 E 512/97 gestellt hat, von dem Verwaltungsgericht angemessen bearbeitet wurden. Abgesehen davon war die Untätigkeit im Verfahren 1 E 633/98 in diesen Zeiträumen auch deshalb von dem Verwaltungsgericht nicht zu vertreten, weil die für eine Förderung und Entscheidung des Verfahrens benötigten Behördenakten von der Beklagten nur einmal vorgelegt wurden und im Verfahren 1 E 512/97 jedenfalls in den Zeiträumen unabkömmlich waren, in denen das Verwaltungsgericht die Befangenheitsanträge fortgesetzt bearbeitet hat. Dem steht nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht keine Dublette der Behördenakten angefordert hat. Denn hierzu war es nicht verpflichtet. Demgegenüber ist eine gerichtliche Förderung des Verfahrens 1 E 512/97 für die Zeiträume von Anfang Januar 2001 bis Ende Mai 2001 und vom bis zum nicht festzustellen, was auf den gerichtlichen Gestaltungsspielraum im Verfahren 1 E 633/98 negativ durchschlägt.

156In dem Zeitraum vom bis zum hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht keine ungerechtfertigte Verzögerung festgestellt.

157Soweit der Akte 1 E 633/98 im Anschluss an die Verfügung vom , mit der das Verwaltungsgericht das bei ihm am Vortag eingegangene Schreiben der beklagten Stadt W. vom unter anderem an den Kläger zu 2 weitergeleitet hat, bis zur Hinweis- und Aufklärungsverfügung vom keine verfahrensfördernde Handlung zu entnehmen ist, ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - lediglich auf eine entschädigungsrelevante Verzögerung von vier Monaten zu erkennen. Denn das Verwaltungsgericht hat die Grenzen des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - auch bei Berücksichtigung einer ihm im Hinblick auf das weitere Betreiben des Verfahrens 1 E 633/98 zuzubilligenden Überlegungsfrist - nur insoweit überschritten, als es nach Beendigung des Leitverfahrens, die - wie dargelegt - auf den zu datieren ist, über die Monatsmitte Juli 2004 hinaus nicht tätig geworden ist, um die Erledigung des Verfahrens 1 E 633/98 zu fördern. Im Zeitraum vom bis zum war die Untätigkeit des Verwaltungsgerichts im Verfahren 1 E 633/98 dagegen erneut durch das kontinuierliche Betreiben des Verfahrens 1 E 512/97 sachlich gerechtfertigt. Ausweislich der sich aus der Akte 1 E 512/97 ergebenden Verfahrenschronologie hat sich das Verwaltungsgericht im Zeitraum vom bis zur ersten, auf den bestimmten mündlichen Verhandlung der Förderung jenes Verfahrens im Hinblick auf den Verhandlungstermin sowie der Bearbeitung von weiteren Befangenheitsanträgen und zwei Vertagungsanträgen des Klägers zu 1 gewidmet. Anschließend hat das Verwaltungsgericht das Verfahren 1 E 512/97 mit Blick auf den Fortsetzungstermin am weiter stetig gefördert. Mit Beschluss vom hat es seinen zur Verfahrensbeendigung in der Fortsetzungsverhandlung angekündigten und mit den Beteiligten in den Einzelheiten erörterten Vergleichsvorschlag unterbreitet. Nachdem der Kläger zu 1 den Vergleichsvorschlag innerhalb der hierfür gesetzten Frist nicht angenommen hatte, hat das Verwaltungsgericht an dem hierfür in der Fortsetzungsverhandlung auf den bestimmten Termin das Urteil verkündet und den im Verfahren 1 E 512/97 angefochtenen Bescheid - soweit hier von Interesse - wegen durchgreifender Bedenken gegen die Kalkulation des Straßenreinigungsgebührensatzes aufgehoben. Die Zeit zwischen dem Verkündungstermin und der Absendung der Urteilsausfertigung am von knapp drei Monaten war durch den Umfang des Verfahrens und des Urteils gerechtfertigt. Ebenso ist es vom gerichtlichen Gestaltungsspielraum umfasst, dass das Verwaltungsgericht die Rechtskraft des Urteils im Verfahren 1 E 512/97 abgewartet hat, bevor es im Verfahren 1 E 633/98 mit Blick auf die Urteilsgründe eine Klaglosstellung des Klägers zu 1 angeregt und verneinendenfalls die beklagte Stadt W. aufgefordert hat, weitere Unterlagen vorzulegen.

158Schließlich ist es in dem Verfahrensabschnitt vom bis zum - abweichend vom Verwaltungsgerichtshof - zu einer ungerechtfertigten Verzögerung von drei Monaten gekommen. Aus dem festgestellten Verfahrensablauf ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren 1 E 633/98 in dem Zeitraum vom bis zum in keiner Weise inhaltlich gefördert hat. Die am verfügte Übersendung eines Schriftsatzes an die beklagte Stadt W. mit der Bitte um Stellungnahme sowie die anschließend verfügten Wiedervorlagen waren hierfür unzureichend. Erst mit seinem Schreiben vom , in dem nochmals auf die Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Kalkulation des Straßenreinigungsgebührensatzes hingewiesen und die Übersendung weiterer Kalkulationsunterlagen angefordert wurden, hat das Verwaltungsgericht eine weitere Handlung vorgenommen, um die Erledigung des Verfahrens 1 E 633/98 zu fördern.

159(e) Für das am abgetrennte Verfahren 1 K 667/05 ist bei rechtlich zutreffender Gewichtung und Abwägung der vorstehend dargelegten Bewertungen zu den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG und der Berücksichtigung des gerichtlichen Spielraums bei der Verfahrensgestaltung auf eine unangemessene Verfahrensdauer von 30 Monaten zu erkennen.

160Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Chronologie des Verfahrens ist wertend zu folgern, dass das Verfahren 1 K 667/05 am entscheidungsreif war. Zu diesem Zeitpunkt war der Sachverhalt bezüglich der in diesem Verfahren streitgegenständlichen Straßenreinigungsgebühren für die Jahre 1999 bis 2004 in tatsächlicher Hinsicht ausreichend aufgearbeitet. Dem steht nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht die beklagte Stadt W. am auf eine entsprechende Rüge des Klägers zu 2 aufgefordert hat, weitere Unterlagen vorzulegen. Dabei handelte es sich um die Kalkulation der Straßenreinigungsgebührensätze ab dem Jahr 2005, über die im Verfahren 1 K 667/05 letztlich nicht zu entscheiden war. Denn das diesbezügliche Verfahren wurde abgetrennt. Ebenso war den Beteiligten bis zum zu allen bis dahin im Verfahren 1 K 667/05 vom Verwaltungsgericht für relevant gehaltenen Fragen in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden. Dafür spricht, dass das Verwaltungsgericht mit Verfügung vom dem Kläger zu 2 ein Schreiben der beklagten Stadt W. lediglich mit der Aufforderung zugeleitet hat, gegebenenfalls abschließend Stellung zu nehmen.

161Für den Zeitraum vom bis zum hat der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage seiner Feststellungen zum Verfahrensablauf den Eintritt einer ungerechtfertigten Verzögerung zu Recht verneint, zumal der Kläger zu 2 mit Schriftsatz vom eine Verlängerung der ihm gewährten Stellungnahmefrist bis zum beantragt hat.

162Des Weiteren ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof für den Zeitraum vom bis zum auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung von 18 Monaten erkannt hat. Für diesen Verfahrensabschnitt finden sich in der Gerichtsakte lediglich mehrere Wiedervorlageverfügungen, die jeweils mehrere Monate umfassten. Für das Nichtbetreiben des Verfahrens sind keine hinreichenden Gründe ersichtlich. Das gilt auch für den Umstand, dass der Präsident eines Gerichts neben seiner Funktion als Vorsitzender eines Spruchkörpers Behördenleiter ist und damit auch Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen hat. Darauf zurückgehende Schwierigkeiten bei der Terminierung oder Bearbeitung eines Verfahrens können überlange Verfahrenszeiten nicht rechtfertigen. Eine andere Betrachtungsweise ist auch bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums ab Entscheidungsreife nicht veranlasst. Bei der Bestimmung seines Umfangs ist im konkreten Fall nicht nur - wie sonst auch - in Rechnung zu stellen, dass sich der Gestaltungsspielraum nach Entscheidungsreife dadurch auszeichnet, dass einer Entscheidung des Verfahrens "an sich" nichts mehr entgegensteht ( 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 40). Entscheidendes Gewicht ist vielmehr dem Umstand beizumessen, dass das konkrete Verfahren bei Entscheidungsreife bereits acht Jahre und fünf Monate anhängig war. Angesichts dessen war dem Verwaltungsgericht ab dem bis zum Eintritt des Berichterstatterwechsels infolge der Mitte November 2008 beschlossenen Änderung der kammerinternen Geschäftsverteilung zunächst kein weiterer (Gestaltungs-)Zeitraum für seine Entscheidung zuzugestehen, wann und wie es das Verfahren im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Prozesses fördert.

163Als fehlerhaft erweist sich indessen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, im Zeitraum vom bis zur mündlichen Verhandlung am sei keine Verzögerung des Verfahrens eingetreten. Insoweit ist von einer entschädigungsrelevanten Verzögerung von 12 Monaten auszugehen. Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zum Verfahrensgang ist zu folgern, dass das Verwaltungsgericht im Zeitraum vom bis zum Berichterstatterwechsel infolge der Mitte November 2008 beschlossenen Änderung der kammerinternen Geschäftsverteilung keinen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt oder den Abschluss des Verfahrens auf sonstige Weise gefördert hat, ohne dass hierfür eine hinreichende Rechtfertigung gegeben war. Eine solche lässt sich - wie dargelegt - insbesondere nicht aus dem gerichtlichen Gestaltungsspielraum ableiten. Somit ist das Verwaltungsgericht zunächst rund sechs Monate ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund untätig geblieben. Soweit das Verwaltungsgericht nach dem Berichterstatterwechsel mit der mündlichen Verhandlung weitere sieben Monate zugewartet hat, ergibt sich eine weitere Verzögerung von sechs Monaten. Es erscheint im konkreten Fall angemessen, dem neuen Berichterstatter einen Zeitraum von (mindestens) einem Monat für die Einarbeitung in das Verfahren zuzubilligen. Die Bemessung des zugestandenen Zeitraums berücksichtigt zum einen den Umfang des Beteiligtenvortrags sowie die durch das Vorbringen des Klägers zu 2 begründeten Schwierigkeiten. Zum anderen trägt sie dem Umstand Rechnung, dass das Verfahren seit dem anhängig und bis zum Berichterstatterwechsel bereits erheblich verzögert war.

164Soweit der Verwaltungsgerichtshof der Sache nach davon ausgegangen ist, dass der Zeitraum zwischen der Urteilsverkündung und der Zustellung der Urteilsausfertigung an den Kläger zu 2 von knapp zwei Monaten als vertretbar anzusehen ist, gibt dies keinen Anlass zur Beanstandung. Daher kann hier offengelassen werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Zeitspanne zwischen Herausgabe der Urteilsausfertigung durch den Urkundsbeamten zur Zustellung - hier am - und der im Empfangsbekenntnis quittierten Entgegennahme der Urteilsausfertigung - hier durch den Kläger zu 2 am - dem Staat entschädigungsrechtlich anzulasten ist.

165(f) Die in dem angefochtenen Urteil zur Verfahrensführung des Verwaltungsgerichtshofs getroffenen Feststellungen schließen es aus, die Dauer des zweitinstanzlichen Verfahrens noch als angemessen anzusehen. Der Verwaltungsgerichtshof ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass das Berufungszulassungsverfahren keine Verzögerung aufwies, sondern vom Eingang des Antrags auf Zulassung der Berufung am bis zu dessen Stattgabe am vom Ausgangsgericht zügig betrieben wurde. Allerdings ist für das Berufungsverfahren 5 A 3081/09 - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - unter Berücksichtigung der vorstehend zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien angestellten Bewertungen und des dem Gericht bei der Verfahrensgestaltung zukommenden Spielraums eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung von sechs Monaten festzustellen.

166Aus der festgestellten Chronologie ist - abweichend vom Verwaltungsgerichtshof - zu folgern, dass die Entscheidungsreife des Berufungsverfahrens bereits Ende Juli 2010 mit Eingang der Stellungnahme der beklagten Stadt W. vom gegeben war. Denn der Verwaltungsgerichtshof leitete diese Stellungnahme und alle danach von den Beteiligten noch eingereichten Schriftsätze dem jeweils anderen Beteiligten lediglich mit der Bitte zur Kenntnisnahme bzw. eventuellen Stellungnahme zu (vgl. 5 C 5.14 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 41).

167Die Bewertung des Verwaltungsgerichtshofs, dass es nach der Zulassung der Berufung bis Ende Juli 2010 zu keiner dem Staat zurechenbaren Verzögerung gekommen ist, hält der revisionsgerichtlichen Prüfung stand. Das gilt in Anwendung der dargelegten rechtlichen Vorgaben vor allem auch für seine Bewertung, dass Verzögerungen, die in diesem Zeitraum durch das Nachsuchen um Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung, zur Berufungserwiderung und zur Replik eintraten, dem jeweiligen Beteiligten zuzurechnen waren.

168Dagegen ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht in der Annahme zu folgen, dass die Führung des Berufungsverfahrens ab Entscheidungsreife bis zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom keine ungerechtfertigte Verzögerung bewirkt hat. Aus den zur Verfahrensführung getroffenen Feststellungen ist zu schließen, dass der Verwaltungsgerichtshof in dieser Zeit keine Handlungen vorgenommen hat, um die Erledigung des Berufungsverfahrens zu fördern. Die Untätigkeit des Verwaltungsgerichtshofs ab Entscheidungsreife war aufgrund des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums nur im Umfang von einem Monat sachlich gerechtfertigt. Für die Bemessung dieses Zeitraums ist die Belastung des konkreten Spruchkörpers, auf die der Berichterstatter im Berufungsverfahren wiederholt hingewiesen hat, ohne erheblichen Belang. Sie ist nicht erkennbar durch außergewöhnliche oder unvorhersehbare Umstände bedingt, sondern kann gerichtsorganisatorisch behoben werden und gehört daher zu den strukturellen Mängeln, die sich der Staat zurechnen lassen muss und die er zu beseitigen hat (vgl. 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 24 m.w.N.). Maßgeblich sind insoweit vielmehr das berechtigte Anliegen des Gerichts, die Sache rechtlich durchdringen zu können, bevor ein Termin zur mündlichen Verhandlung des Verfahrens in Abstimmung mit anderen bei ihm anhängigen Sachen bestimmt oder eine Entscheidung zur Sache getroffen wird, die Bewertung des konkreten Berufungsverfahrens - wie dargelegt - als durchschnittlich schwierig und die bis Ende Juli 2010 angefallene Gesamtverfahrensdauer. Angesichts dessen war die fehlende Bearbeitung bzw. Förderung des Verfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof für die Kläger ab Anfang September 2010 nicht mehr hinnehmbar. Da die nächste verfahrensfördernde Handlung am mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am vorgenommen wurde, war das Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt sechs Monate ungerechtfertigt verzögert.

169Für den Zeitraum vom bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens am hat der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage seiner Feststellungen zum Verfahrensablauf den Eintritt einer ungerechtfertigten Verzögerung zu Recht verneint, zumal die Verlegung des Termins auf Antrag des Klägers zu 2 erfolgte.

170(g) Die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof war bei der gebotenen Gesamtabwägung im Umfang von 54 Monaten unangemessen.

171Bei dem streitgegenständlichen, am eingeleiteten und am beendeten Verfahren 1 K 667/05 sind die unangemessenen Verzögerungen vor dem Verwaltungsgericht vor und nach dem Trennungsbeschluss sowie diejenige vor dem Verwaltungsgerichtshof zu addieren. Sie sind weder innerhalb eines Stadiums des Verfahrens noch in einzelnen Verfahrensabschnitten innerhalb einer anderen Phase des Verfahrens ausgeglichen worden (vgl. 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 43 m.w.N.).

174(h) Die Kläger haben durch die überlange Dauer des Verfahrens 1 K 667/05 jeweils immaterielle Nachteile im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG erlitten, die nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden können.

173Nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt.

174Eine Entschädigung ist auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ausgeschlossen. Danach kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles ( 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 45 m.w.N.). Die bloße Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ist hier mit Blick auf Gesamtverfahrensdauer und den Umfang der Verzögerung nicht ausreichend. Der Umstand, dass das Verfahren für die Kläger keine besondere Bedeutung im entschädigungsrechtlichen Sinne besaß und der Kläger zu 2 durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat, vermag das Gewicht der durch die Verzögerung von 54 Monaten bei einer Gesamtverfahrensdauer von 13,5 Jahren bedingten immateriellen Nachteile nicht entscheidend zu mindern.

175(i) Der Entschädigungsbetrag beträgt für jeden Kläger 5 400 €.

176Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach ist der immaterielle Nachteil in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Für Zeiträume unter einem Jahr lässt diese Regelung eine zeitanteilige Berechnung zu. Nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen, wenn der Betrag von 1 200 € nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich.

177(3) Die Dauer des ebenfalls mit der Erhebung der Klage im Stammverfahren 1 E 633/98 eingeleiteten Verfahrens 1 K 777/09 war bei der gebotenen Gesamtabwägung - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - um insgesamt 51 Monate unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Bezüglich des Zeitraums bis zur Abtrennung vom Verfahren 1 K 667/05 in der mündlichen Verhandlung vom wird auf die vorstehenden Ausführungen zu III. 3. d) bb) (2) verwiesen. Danach beträgt die Verzögerung bis zur Abtrennung 48 Monate. Nach der Abtrennung ist es in Anwendung des oben dargelegten rechtlichen Maßstabes unter Berücksichtigung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Gesichtspunkte der Schwierigkeit des Verfahrens (a), seiner Bedeutung für die Kläger (b) und des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten (c) sowie mit Blick auf die Verfahrensführung durch das Gericht (d) zu einer nicht gerechtfertigten Verzögerung von drei Monaten gekommen. Die Kläger haben durch die überlange Dauer des Verfahrens 1 K 777/09 jeweils immaterielle Nachteile erlitten, die nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden können (e) und für die ihnen jeweils ein Entschädigungsbetrag von 300 € zu zahlen ist (f).

178(a) Der Verwaltungsgerichtshof nimmt zutreffend an, dass das Verfahren 1 K 777/09 als überdurchschnittlich schwierig zu bewerten ist. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen zum Verfahren 1 K 667/05 verwiesen. Ergänzend ist zu bemerken, dass der Kläger zu 2 auch nach dem Trennungsbeschluss vom umfangreich vorgetragen und Schriftsätze eingereicht hat, die sich auf mehrere Verfahren bezogen haben und demzufolge dahingehend ausgewertet werden mussten, inwieweit sie für welches Verfahren entscheidungserhebliches Vorbringen enthielten.

179(b) Auch die Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs, dass das Verfahren 1 K 777/09 für die Kläger nicht von einer besonderen Bedeutung gewesen ist, hält der revisionsgerichtlichen Prüfung stand. Die zur Bedeutung des Verfahrens 1 K 667/05 angestellten Bewertungen gelten hier entsprechend. Im Verfahren 1 K 777/09 ging es mit den streitgegenständlichen Straßenreinigungsgebühren ab dem Jahr 2005 ebenfalls nur um eine Geldforderung in überschaubarer Höhe.

180(c) Des Weiteren ist der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Gesamtabwägung zu Recht davon ausgegangen, dass den Verfahrensbeteiligten jeweils die Verzögerungen zuzurechnen waren, die durch ihre Anträge auf Fristverlängerung und im Fall der Kläger darüber hinaus durch ihre Befangenheitsanträge und eine Anhörungsrüge bewirkt wurden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zum Verfahren 1 K 667/05 wird Bezug genommen.

181(d) Revisionsgerichtlich zu beanstanden ist hingegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass durch die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts nach Abtrennung keine ungerechtfertigte Verzögerung eingetreten ist. Aus den zur Verfahrensführung getroffenen Feststellungen ist vielmehr zu schließen, dass das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums das Verfahren im Zeitraum vom bis zum , also für drei Monate, ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht gefördert hat.

182Der festgestellten Chronologie des Verfahrens ist bei wertender Betrachtung zu entnehmen, dass das Verfahren am entscheidungsreif war. An diesem Tag endete die dem Kläger zu 2 gesetzte Frist zur Stellungnahme zu den Wirtschaftsprüfungsberichten für die Jahre 2005 bis 2008 sowie der Nachkalkulation der Straßenreinigungsgebühren für diesen Zeitraum, die die beklagte Stadt W. dem Verwaltungsgericht in Erfüllung einer entsprechenden gerichtlichen Aufforderung vom am vorgelegt hatte. Mit der Vorlage der anforderten Unterlagen und der dem Kläger zu 2 anschließend eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme war der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht ausreichend aufgearbeitet und den Beteiligten in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden.

183Der Verwaltungsgerichtshof hat für den Zeitraum nach Abtrennung bis zum Eintritt der Entscheidungsreife zu Recht nicht auf eine dem Staat zurechenbare Verzögerung erkannt. Die Grenzen des gerichtlichen Gestaltungsspielraums sind insbesondere nicht deshalb überschritten, weil das Verwaltungsgericht die zur Ermittlung der Tatsachengrundlage benötigten Unterlagen nicht unmittelbar nach Abtrennung von der beklagten Stadt W. angefordert hat. Es ist angemessen, dem Verwaltungsgericht hier einen Zeitraum von einem Monat zuzugestehen, um die Sache rechtlich und tatsächlich aufzubereiten und zu entscheiden, welche prozessleitende Maßnahme zu ergreifen ist, um den Rechtsstreit alsbald entscheidungsreif zu machen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger zu 2 mit Schriftsatz vom erneut umfangreich vorgetragen und zudem einen gerichtlichen Hinweis beantragt hat, warum der Rechtsstreit über die Straßenreinigungsgebühren ab dem Jahr 2005 nicht als entscheidungsreif angesehen und abgetrennt worden sei. Ebenso wenig sind dem Staat die in diesem Zeitraum eingetretenen weiteren Verzögerungen anzulasten, da diese durch das (zulässige) prozessuale Verhalten der Beteiligten (Anträge auf Fristverlängerung, Akteneinsicht und Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit) bewirkt wurden.

184Des Weiteren ist für den Zeitraum ab Entscheidungsreife bis zum der Eintritt einer ungerechtfertigten Verzögerung zu verneinen. Den Feststellungen zum Verfahrensablauf ist zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht in dieser Zeit zwar nicht im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Rechtsstreits tätig geworden ist. Dadurch wird aber keine entschädigungsrelevante Verzögerung begründet. Die Ankündigung des Klägers zu 2 im Schriftsatz vom , er beabsichtige eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom zu erheben, mit dem das Verwaltungsgericht sein Ablehnungsgesuch vom abgelehnt hat, stellt jedenfalls bis zum einen sachlich vertretbaren Grund für das zeitliche Hinausschieben der Verfahrensförderung dar. Soweit das Verwaltungsgericht nach Eingang der Anhörungsrüge am , deren Begründung der Kläger mit Schriftsätzen vom 8. und vertiefte, keine verfahrensfördernde Handlung vorgenommen hat, ist dies dem Staat nicht anzulasten. In Anwendung der dargelegten rechtlichen Vorgaben fällt die durch die angemessene Bearbeitung der Anhörungsrüge bedingte Verzögerung vielmehr in den Verantwortungsbereich der Kläger. Gleiches gilt für die Untätigkeit des Verwaltungsgerichts im Zeitraum nach Eingang eines weiteren Befangenheitsantrags der Kläger am bis zu dessen Entscheidungsreife am . An diesem Tag lagen dem Verwaltungsgericht die vollständigen Anlagen zum Schriftsatz des Klägers zu 2 vom vor. Soweit sich der Kläger zu 2 in nachfolgenden Schriftsätzen zum erneuten Ablehnungsgesuch verhielt, vertiefte er lediglich seinen bis zum unterbreiteten Vortrag. Der Senat kann hier offenlassen, ob das Verwaltungsgericht seine Verfahrensförderungspflicht im Zusammenhang mit der Bearbeitung des in Rede stehenden Befangenheitsantrags dadurch verletzt hat, dass es dem mehrfachen Ersuchen des Klägers zu 2 um Verlängerung der Frist zur weiteren Äußerung entsprochen hat bzw. nach Ablauf der letztmalig bis zum bestimmten Frist der Bitte des Klägers zu 2 nachgekommen ist, eine angestrebte weitere ergänzende Begründung des Befangenheitsantrags abzuwarten. Denn die Kläger könnten aus einer etwaigen Pflichtverletzung keinen entschädigungsrechtlichen Vorteil ziehen. Einem Verfahrensbeteiligten, der durch sein Prozessverhalten die wesentliche Ursache für die Überlänge eines Verfahrens setzt, darf dies entschädigungsrechtlich nicht zu Gute kommen.

185Das Unterlassen einer verfahrensfördernden Entscheidung oder Handlung im Zeitraum vom bis zum findet schließlich seine sachliche Rechtfertigung darin, dass das Verwaltungsgericht - wie seinem Schreiben vom zu entnehmen ist - die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 5 A 3081/09 abgewartet hat. Dieses Vorgehen ist von dem gerichtlichen Gestaltungsspielraum gedeckt. Denn er erlaubt - insbesondere auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Prozessökonomie und des Interesses an einer einheitlichen Rechtsprechung -, für eine angemessene Zeit die Entscheidung einer höheren Instanz in einem Parallelverfahren abzuwarten, wenn - wie hier - damit zu rechnen ist, dass in ihm Erkenntnisse gewonnen werden, die auch für das in der unteren Instanz anhängige Verfahren von Relevanz sind. Es ist daher grundsätzlich vertretbar, wenn ein unterinstanzliches Gericht bis zum Eintritt der Rechtskraft der verfahrensabschließenden Sachentscheidung der höheren Instanz bzw. der anderweitigen Erledigung jenes Verfahrens von der (weiteren) Förderung des bei ihm anhängigen Verfahrens absieht. Für die Ermittlung der angemessenen Verfahrensdauer gilt in diesem Fall dasselbe wie - vorstehend dargelegt - bei einer vordringlichen Förderung eines in derselben Instanz anhängigen Leitverfahrens, d.h. die dadurch verursachte Verzögerung kann auch ohne förmliche Aussetzung nach § 94 VwGO eine unangemessene Verfahrensdauer regelmäßig nicht begründen.

186Demgegenüber kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch unter Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums im Zeitraum vom bis zum - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - kein Rechtfertigungsgrund für die andauernde Untätigkeit des Verwaltungsgerichts festgestellt werden, so dass für diesen Zeitraum von einer nicht gerechtfertigten Verzögerung des Rechtsstreits ausgegangen werden muss.

187Für den Zeitraum vom bis zur Beendigung des Verfahrens am ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend davon ausgegangen, dass das Verwaltungsgericht zügig auf die beiderseitigen Erledigungserklärungen hingewirkt hat.

188Die Dauer des am eingeleiteten und am beendeten Verfahrens 1 K 777/09 war bei der gebotenen Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der ungerechtfertigten Verzögerungen vor und nach dem Trennungsbeschluss vom im Umfang von 51 Monaten unangemessen. Die unangemessenen Verzögerungen vor und nach Abtrennung sind in keinem Stadium des Verfahrens ausgeglichen worden.

189(e) Dass die Kläger jeweils Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art erlitten haben, ergibt sich aus der Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG, die hier nicht widerlegt ist.

190Aus den im Zusammenhang mit dem Verfahren 1 K 667/05 dargelegten Gründen ist auch im Hinblick auf das Verfahren 1 K 777/09 eine Wiedergutmachung insbesondere durch eine schlichte Feststellungsentscheidung nicht ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG.

191(f) Die Kläger sind jeweils in Höhe von 300 € zu entschädigen.

192Sie müssen sich nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG auf den Betrag gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigung anrechnen lassen, die ihnen im Verfahren 1 K 667/05 bereits zur Abgeltung der bis zur Abtrennung des Verfahrens 1 K 777/09 erlittenen immateriellen Nachteile zugesprochen wurde. Demzufolge ist die im Verfahren 1 K 777/09 nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG jeweils mit 5 100 € zu bemessende Entschädigung jeweils um 4 800 € zu reduzieren.

193Unbilligkeit im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG ist auch anzunehmen, wenn bei kumulativer Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen unangemessener Dauer sowohl des Stammverfahrens als auch des davon abgetrennten Verfahrens die bis zur Abtrennung erlittenen immateriellen Nachteile bei der Bemessung der Entschädigung im abgetrennten Verfahren erneut berücksichtigt werden. Denn dies würde im Ergebnis dazu führen, dass ein Verfahrensbeteiligter für ein und dieselben Nachteile nicht vermögensrechtlicher Art mehrfach entschädigt würde. Das steht mit dem Zweck des Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Verfahrensdauer nicht in Einklang. Der betreffende Verfahrensbeteiligte soll lediglich einen Ausgleich für die durch die Verfahrensverzögerung erlittenen immateriellen Nachteile wie beispielsweise psychische Belastungen, körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen erhalten (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 19). Aus diesem Grund muss er sich eine im Stammverfahren für die bis zur Abtrennung erlittenen immateriellen Nachteile zuerkannte Entschädigung auf die im abgetrennten Verfahren zu gewährende Entschädigung anrechnen lassen.

194IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2016:141116U5C10.15D0

Fundstelle(n):
CAAAF-88956