Zu § 11 BewG
8. Ermittlung des gemeinen Werts bei der Regelbewertung
(1) 1Als gemeiner Wert ist der Betrag anzusetzen, den ein Käufer für den Erwerb eines Anteils aufwenden würde. 2Bei der Bemessung des Kaufpreises wird ein Käufer im allgemeinen neben dem Vermögenswert auch die Ertragsaussichten berücksichtigen. 3Die Ertragsaussichten beurteilt er weniger nach der Verzinsung des Nennkapitals der Gesellschaft als vielmehr nach der Rendite des Kapitals, das er zum Erwerb des Anteils aufwenden muß. 4Er wird deshalb die auf den Anteil entfallenden Erträge der Gesellschaft mit den Zinsen vergleichen, die das von ihm aufzuwendende Kapital, falls er es in anderer Weise anlegt, erbringen würde. 5Im allgemeinen wird er nur insoweit bereit sein, einen über dem Vermögenswert liegenden Kaufpreis zu bezahlen, als in einem übersehbaren Zeitraum die Erträge des Anteils den Betrag dieser Zinsen übersteigen. 6Er wird entsprechend weniger bezahlen, wenn die Erträge des Anteils unter diesem Betrag liegen. 7Es kann davon ausgegangen werden, daß ein Käufer, der sein Kapital in anderer Weise angelegt hätte, nach den wirtschaftlichen Verhältnissen vom Stichtag mit einer Verzinsung von etwa 9 v. H. rechnen konnte. 8Bei den anschließenden Berechnungen ist von einem Zinssatz von 9 v. H. auszugehen. [1] 9Als noch übersehbar ist ein Zeitraum von 5 Jahren anzunehmen.
(2) 1Der gesuchte, in einem Hundertsatz ausgedrückte gemeine Wert eines Anteils (X) ergibt sich demnach aus dem Vermögenswert des Anteils (V), erhöht oder gemindert um den Unterschiedsbetrag zwischen dem Ertragshundertsatz des Anteils, berechnet auf 5 gedachte Jahre (5 E), und der Verzinsung des aufzuwendenden Kapitals, ebenfalls berechnet auf 5 gedachte Jahre. 2Da die Höhe des aufzuwendenden Kapitals gleich dem gesuchten gemeinen Wert ist, ist dieser letztere Hundertsatz mit
Tabelle in neuem Fenster öffnen
5 ( | 9 X | ) in die Rechnung
einzusetzen. |
100 |
3Insgesamt ergibt sich folgende Gleichung:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
X = V + 5 (E - | 9X | ). |
100 |
4Die Auflösung der Gleichung ergibt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
X = | 68,97 | (V + 5 E). |
100 |
5Der Hundertsatz von 68,97 wird zur Vereinfachung auf 68 abgerundet. 6Als gemeiner Wert sind also 68 v. H. der Summe aus Vermögenswert und fünffachem Ertragshundertsatz anzusetzen.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammkapital | 90 000 DM | ||
Vermögen | 120 000 DM | ||
Vermögenswert | 120 000
DM | = | 133,33 v.
H. |
90 000 DM | |||
Jahresertrag | 9 000 DM | ||
Ertragshundersatz | 9 000 DM | = | 10 v.
H. |
90 000 DM | |||
Gemeiner Wert | 68 | x (133,33 v. H. + 5 x 10 v. H.)
= | |
100 | |||
68 | x 183,33 v. H. = | 124,66 v.
H. | |
100 | |||
abgerundet | 124 v. H. |
(3) 1Besondere Umstände, die in den bisherigen Berechnungen nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen sind, können durch Zu- und Abschläge zu dem Vomhundertsatz nach Absatz 2 berücksichtigt werden. [2] 2Ein Abschlag ist z. B. bei den Gesellschaften geboten, bei denen nachhaltig unverhältnismäßig geringe Erträge einem großen Vermögen gegenüberstehen. 3Bei der Entscheidung, ob unverhältnismäßig geringe Erträge vorliegen, sind die Erträge aus Beteiligungen mit zu berücksichtigen, denn die Höhe der Verzinsung richtet sich nach der nachhaltigen Verzinsung des eingesetzten Gesamtkapitals. [3] 4Unverhältnismäßig geringe Erträge werden unterstellt, wenn die Rendite, d. h. das Verhältnis von Ertragshundertsatz zu Vermögenswert, weniger als 4,5 v. H. ausmacht. 5In diesem Fall beträgt der Abschlag jeweils 3 v. H. des gemeinen Werts vor Abschlag für eine Renditenminderung von 0,45 v. H. 6Hiernach ergeben sich folgende Abschläge:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
bei einer Rendite | Abschlag in v. H. |
unter 4,50 v. H. bis 4,05 v. H. | 3 |
unter 4,05 v. H. bis 3,60 v. H. | 6 |
unter 3,60 v. H. bis 3,15 v. H. | 9 |
unter 3,15 v. H. bis 2,70 v. H. | 12 |
unter 2,70 v. H. bis 2,25 v. H. | 15 |
unter 2,25 v. H. bis 1,80 v. H. | 18 |
unter 1,80 v. H. bis 1,35 v. H. | 21 |
unter 1,35 v. H. bis 0,90 v. H. | 24 |
unter 0,90 v. H. bis 0,45 v. H. | 27 |
unter 0,45 v. H. | 30 |
7Demgemäß ergibt sich bei einem Ertragshundertsatz von 0 v. H. ein gemeiner Wert von 47,6 v. H. des Vermögenswerts, abgerundet auf einen vollen Punkt nach unten.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Vermögenswert | 133,33 v. H. | ||
Durchschnittsertrag | - 2 700 DM | ||
Ertragshundertsatz | 0 v. H. | ||
Gemeiner Wert vor Abschlag | |||
68 | x (133,33 v. H.
+ 0 v. H.) = | 90,66 v. H. | |
100 | |||
Abschlag bei einer Rendite von 0 v. H.30 v. H. von
90,66 v. H. = | - 27,20 v. H. | ||
63,46 v. H. | |||
abgerundet | 63 v. H. |
(4) 1Die schwere Verkäuflichkeit der Anteile und die Zusammenfassung aller oder mehrerer Anteile in einer Hand begründen nicht ohne weiteres einen Abschlag oder einen Zuschlag. 2Umstände, die auf den persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter beruhen, müssen bei der Wertermittlung außer Betracht bleiben (,BStBl 1972 II S. 313). 3Bei der Bewertung der Anteile einer Familien-GmbH, bei der sich die nahe verwandten Anteilseigner gegenseitige Beschränkungen bei Veräußerung und Vererbung der Anteile auferlegt haben, kommt wegen dieser Beschränkungen kein Abschlag in Betracht (,BStBl III S. 666). 4Sind am Stichtag außer Gründungsgesellschaftern auch andere Anteilseigner an der Gesellschaft beteiligt, kommt ein Abschlag bei den später eingetretenen Gesellschaftern in Betracht. 5Für die Bewertung der Anteile der Gründungsgesellschafter gilt dies dann, wenn die Gesellschafter einzeln oder gemeinsam die für eine Änderung des Gesellschaftsvertrags erforderliche Mehrheit nicht haben (,BStBl 1972 II S. 4). 6Ob die Verfügungsbeschränkung in diesen Fällen eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung darstellt, ist gesondert zu prüfen. [4] 7Ein Abschlag ist nicht gerechtfertigt, wenn Verkäufe zwar nicht an Außenstehende, jedoch an Gesellschafter und an die Gesellschaft mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung zulässig sind (,BStBl II S. 374 unter Nr. 4 der Gründe). 8Ein Sonderabschlag wegen der bei einem Verkauf der Anteile oder bei einer Liquidation der Gesellschaft anfallenden Ertragsteuern kommt nicht in Betracht (,BStBl III S. 253). 9Bei einer Unterkapitalisierung kann sich ein verhältnismäßig sehr hoher gemeiner Wert ergeben. 10Dieser Umstand rechtfertigt für sich allein keinen Abschlag. 11Ein Abschlag wegen Fehlens eigener Betriebsgrundstücke und -gebäude kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, insbesondere wenn mit einer alsbaldigen Beendigung der Nutzungsmöglichkeiten zu rechnen ist und der Betriebsablauf dadurch nachhaltig beeinträchtigt wird (,BStBl II S. 547). 12Vorteile, die eine Kapitalgesellschaft aus der Verbindung zu anderen Unternehmen der Anteilseigner zieht, sind nicht durch einen Abschlag zu berücksichtigen (,BStBl 1983 II S. 192).
Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
MAAAA-59280
1Der Zinssatz von 9 % ist aus der Mitte 1994 ermittelten Emissionsrendite festverzinslicher Wertpapiere abgeleitet worden. Wegen der Länge des Hauptveranlagungszeitraums und der damit verbundenen Unsicherheiten bezüglich eintretender Zinsänderungen ist der zunächst vorgesehene Zinssatz im Rahmen der Verabschiedung der VStR 1995 von 8 % auf 9 % angehoben worden.
2Das allgemeine
politische Risiko eines bestimmten Marktes kann nicht berücksichtigt
werden ( BStBl II 404).
Zu den persönlichen
Umständen, die nicht berücksichtigt werden können, gehört
z. B. •der
Ausschluß vom KSt-Anrechnungsverfahren bei beschränkt
Steuerpflichtigen (BStBl II
349); •die Bindungen durch das
öffentliche Stiftungsrecht, denen die in einer Familienstiftung
gehörenden Anteile unterliegen, EFG 82 S.
452.Die Abschläge nach Abs. 3 (geringe
Rendite) und Abs. 4 (Verfügungsbeschränkungen und sonstige) sind als
eine Einheit zu sehen und zu einem Gesamtabschlag zusammenzufassen, Erl. FinMin
NW (VSt-Kartei NW § 11 BewG - Anteilsbewertung - A Nr.
20).
3Mit Beteiligungserträgen sind nur die Erträge gemeint, die nicht aus Beteiligungen im Sinne des Abschn. 11 Abs. 4 Nr. 1 herrühren. Es müssen Erträge aus Beteiligungen sein, die auch im Vermögenswert enthalten sind und nicht einer Sonderregelung unterliegen. Die Regelung geht zurück auf (BStBl 72 II 5). Dieses Urteil befaßt sich ausschließlich mit Beteiligungserträgen aus einer GbR und kann deshalb nicht auf die Fälle des Beteiligungsbesitzes (Abschn. 11 Abs. 3) übertragen werden.
4Wegen der Verfügungsbeschränkungen kommen Abschläge von 5 bis 15 % in Betracht.