Bayerisches Landesamt für Steuern - FG 2026.2.1-11/2 St42

Änderung und Ersetzung von Verwaltungsakten während des finanzgerichtlichen Verfahrens

1. Voraussetzungen des § 68 FGO

§ 68 FGO entspricht § 365 III AO im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren. Da das Finanzamt auch während eines finanzgerichtlichen Verfahrens aufgrund seiner fortbestehenden Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand und der Verpflichtung, den Sachverhalt zu ermitteln (§ 76 Abs. 4 FGO), Verwaltungsakte ändern oder ersetzen darf, bestimmt § 68 FGO, dass das Verfahren mit dem neuen Verwaltungsakt fortgesetzt wird. Entsprechendes gilt, wenn ein Verwaltungsakt nach § 129 AO berichtigt oder erneut bekanntgegeben wird, weil der angefochtene Verwaltungsakt wegen eines Bekanntgabemangels nicht wirksam geworden ist (, BFH/NV 1999, 1117).

Die Vorschrift des § 68 FGO setzt voraus, dass hinsichtlich des ursprünglichen und des neuen Verwaltungsaktes Identität der Beteiligten und des Besteuerungsgegenstandes besteht. Der Änderungsbescheid muss den Regelungsgehalt des Ausgangsbescheids in sich aufgenommen und die Wirkung des angefochtenen Bescheids suspendiert haben (, BStBl 1972 II 1973 S. 231, , BFH/NV 2009, 410). Die Rechtsfolgen des § 68 FGO treten auch ein, wenn die Änderung nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, aber vor Klageerhebung erfolgt (, BStBl 1987 II S. 435).

Dem Gesetzeszweck entsprechend soll der Steuerpflichtige durch die Korrektur des VA verfahrensrechtlich weder schlechter noch besser gestellt werden. Durch die Auswechslung des Verfahrensgegenstandes kann eine zuvor unzulässige Klage daher nicht geheilt werden (, BStBl 2000 II S. 490).

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BFH ist § 68 FGO weit auszulegen.

2. Bekanntgabe eines Änderungs- bzw. Ersetzungsbescheids und Unterrichtung des Gerichts

Eine Änderung oder Ersetzung liegt erst vor, wenn der neue VA bekanntgegeben und damit wirksam geworden ist. Zeitlich muss diese Bekanntgabe nach der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung liegen.

Ein während eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergehender Änderungs- bzw. Ersetzungsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten bekannt zu geben (, BStBl 1994 II S. 806, und , BStBl 1998 II S. 266; AEAO zu § 122, Nr. 1.7.2). Dies gilt auch dann, wenn der Prozessbevollmächtigte den Steuerpflichtigen nur in diesem Verfahren vertritt.

§ 68 Satz 3 FGO verpflichtet die Finanzbehörde, dem Gericht eine Abschrift des neuen VA zu übermitteln.

Um die Vorlage von Abschriften von Änderungs- und Ersetzungsbescheiden an das Finanzgericht, die von der Veranlagung während eines finanzgerichtlichen Verfahrens erteilt werden (z. B. nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO), sicherzustellen, unterrichtet die Rechtsbehelfsstelle unmittelbar nach Einlegung des gerichtlichen Rechtsbehelfs die jeweilige Arbeitseinheit über das finanzgerichtliche Verfahren. Hierfür steht die Vorlage „Unterrichtung anhä Klage _ Revisionsverfahren” (Ordner Rechtsbehelfsstelle) zur Verfügung.

Der Rechtsbehelfsstelle sind dann bei jeder Änderung des angefochtenen VA jeweils zwei Abschriften zuzuleiten. Die zweite Ausfertigung ist von der Rechtsbehelfsstelle dem Finanzgericht zu übersenden (Vorlage „Mitteilung nach § 68 S.3 FGO”).

3. Fortsetzung des Verfahrens mit verändertem Verfahrensgegenstand

Seit der Vereinfachung der Vorschrift zum wird der neue Verwaltungsakt kraft Gesetzes zum Verfahrensgegenstand. Ein Einspruch gegen den geänderten Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen (§ 68 S. 2 FGO). Hinweise zu den Rechtsfolgen § 68 FGO sind in den Rechtsbehelfsbelehrungen der Verwaltungsakte enthalten.

Legt der Steuerpflichtige dennoch Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ein, so ist dieser als unzulässig zu verwerfen.

Ergehen während eines laufenden Klageverfahrens mehrere Änderungsbescheide, wird nur der letzte Bescheid Gegenstand des anhängigen finanzgerichtlichen Verfahrens (, BFH/NV 2000, 680).

Wird während des Verfahrens ein Änderungs- oder Ersetzungsbescheid erlassen, durch den dem Klagebegehren entsprochen wird, wird zwar der neue Bescheid Gegenstand des Verfahrens, gleichzeitig erledigt sich der Rechtsstreit in der Hauptsache. Falls dieser von den Beteiligten nicht für erledigt erklärt wird, hat das Gericht durch Urteil die Erledigung der Hauptsache festzustellen und die Klage als unzulässig zu verwerfen bzw. in der Sache zu entscheiden.

4. Sachlicher Anwendungsbereich

Die Rechtsfolgen des § 68 FGO finden sowohl im Klage- als auch im Revisionsverfahren Anwendung. Entsprechendes gilt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde sowie im gerichtlichen Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung.

5. Anwendung des § 68 FGO bei Haftungsbescheiden

Dem Wortlaut nach gilt § 68 FGO auch für Ermessensverwaltungsakte wie z. B. Haftungsbescheide.

Bei Haftungsbescheiden kommt § 68 FGO jedoch nur dann zur Anwendung, wenn der angefochtene Bescheid aufgehoben und durch Erlass eines neuen Bescheids ersetzt wird und wenn beide Bescheide „dieselbe Steuersache” betreffen. Das bedeutet, dass der Haftungsbescheid nur insoweit im Sinne des § 68 FGO geändert oder ersetzt ist und in der Folge Gegenstand des Verfahrens wird, als ihm derselbe Haftungstatbestand zugrunde liegt.

Soweit im Rahmen einer erneuten Haftungsinanspruchnahme ein weiterer Haftungstatbestand hinzukommt, wird der aufgehobene Haftungsbescheid weder geändert noch ersetzt im Sinne des § 68 FGO mit der Folge, dass gegen den Bescheid insoweit Einspruch eingelegt werden kann.

Bei einem derartigen Haftungsbescheid, der die Funktion eines teilbaren Sammelbescheids hat, ist daher für jeden Teil gesondert zu prüfen, ob und inwieweit die Voraussetzungen des § 68 FGO vorliegen (, BStBl 1997 II S. 79).

Zur Frage der Ersetzung bei Aufhebung des Haftungsbescheids wegen mangelnder Ermessenserwägungen und inhaltsgleicher Wiederholung, vgl. , BStBl 2009 II S. 539.

Eine Änderung oder Ersetzung im Sinne des § 68 FGO liegt nicht vor, wenn die Haftungssumme durch Teilrücknahme oder Teilwiderruf herabgesetzt wird, ohne dass das Finanzamt den ursprünglichen Bescheid aufhebt. In diesen Fällen wird das finanzgerichtliche Verfahren gegen den Regelungsinhalt des Erstbescheids fortgesetzt (, BStBl 1997 II S. 79). Dem Finanzgericht ist jedoch ein Abdruck des Teilrücknahmebescheids zu übersenden.

6. Bindungswirkung von Zusagen des Finanzamts

Hat das Finanzamt in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht den Erlass eines Änderungsbescheides zugesagt und erklären daraufhin die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, so ist das Finanzamt nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an diese Zusage gebunden. Lehnt das Finanzamt den Erlass des zugesagten Änderungsbescheids ab, kann der Kläger den Rechtsstreit unter entsprechender Anwendung der §§ 68, 100 FGO ohne Durchführung eines Vorverfahrens mit dem Begehren fortsetzen, das Finanzamt zum Erlass des Änderungsbescheids zu verpflichten (, BStBl 1988 II S. 121).

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Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Fundstelle(n):
BAAAE-96708