Umsatzsteuerrechtliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG); Nichtunternehmer als Teil eines Organkreises (Konsequenzen der , und ); Konsequenzen des , sowie der , BStBl 2014 II S. 417, und , BStBl 2014 II S. 428; Änderung der Regelungen zur organisatorischen Eingliederung in Abschnitt 2.8 UStAE
Bezug: (BStBl 2013 I S. 333);
Bezug: (BStBl 2013 I S. 1625)
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Folgendes:
I. Nichtunternehmer als Teil eines Organkreises (Konsequenzen der , und )
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).
Eine Eingliederung von Nichtunternehmern in Organkreise ist ausgeschlossen. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG steht – auch unter Berücksichtigung des – im Einklang mit Artikel 11 MwStSystRL. Nach Auffassung des EuGH geht aus Artikel 11 Abs. 1 MwStSystRL nicht hervor, dass nichtsteuerpflichtige Personen nicht in eine Mehrwertsteuergruppe einbezogen werden können. Hieraus ist jedoch nicht zu folgern, dass Nichtunternehmer zwingend in die Regelungen zur Organschaft einzubeziehen sind. Vielmehr können die Mitgliedstaaten – wenn sie von der Option des Artikels 11 MwStSystRL Gebrauch machen – auch Nichtunternehmer in eine Mehrwertsteuergruppe einbeziehen; sie sind hierzu jedoch nicht verpflichtet. Dies ergibt sich auch aus dem , wonach die Mitgliedstaaten eine Umsetzung von Artikel 11 Abs. 1 MwStSystRL auf bestimmte Personen beschränken können.
Der Ausschluss von Nichtunternehmern durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beruht auf Artikel 11 Abs. 2 MwStSystRL, wonach ein Mitgliedstaat, der die Gruppenregelung umgesetzt hat, die erforderlichen Maßnahmen treffen kann, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen. Die nationale Beschränkung der Organschaft auf Unternehmer verhindert, dass durch Einbeziehung von Nichtunternehmern in den Anwendungsbereich des Umsatzsteuersystems insbesondere der Vorsteuerabzug entgegen der Bestimmungen des § 15 UStG auf von diesem Personenkreis bezogene Leistungen missbräuchlich ausgeweitet wird.
Im Übrigen bleibt der Ausgang der vom BFH in den Verfahren XI R 17/11 und XI R 38/12 dem EuGH vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen (siehe Abschnitt II) abzuwarten.
II. Konsequenzen des , sowie der und
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH kommt es für die Annahme der organisatorischen Eingliederung darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder aber zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet. Mit , hat der BFH seine Rechtsprechung geändert. Danach ist es für die organisatorische Eingliederung nicht ausreichend, dass die Muttergesellschaft lediglich sicherstellt, dass eine von ihrem Willen abweichende Willensbildung bei der Tochtergesellschaft nicht stattfindet. Vielmehr muss sie in der Lage sein, ihren Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. In Insolvenzfällen endet die organisatorische Eingliederung, wenn das Insolvenzgericht für die Organgesellschaft einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und zugleich gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO anordnet, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.
Darüber hinaus hat der und [1] ausgesetzt und dem EuGH die folgenden Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:
Nach welcher Berechnungsmethode ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen, wenn die Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene steuerpflichtige Dienstleistungen gegenüber diesen Gesellschaften erbringt?
Steht die Bestimmung über die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG einer nationalen Regelung entgegen, nach der (erstens) nur eine juristische Person – nicht aber eine Personengesellschaft – in das Unternehmen eines anderen Steuerpflichtigen (sog. Organträger) eingegliedert werden kann und die (zweitens) voraussetzt, dass diese juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses) „in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist”?
Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Kann sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG berufen?
Vor dem Hintergrund der Vorabentscheidungsersuchen wird die Veröffentlichung des , und damit dessen allgemeine Anwendung über den entschiedenen Einzelfall hinaus bis auf weiteres zurückgestellt.
III. Änderung der Regelungen zur organisatorischen Eingliederung in Abschnitt 2.8 UStAE
Abschnitt 2.8 Abs. 9 UStAE enthält Aussagen zur organisatorischen Eingliederung in den Fällen, in denen leitende Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft tätig sind. Die Regelungen gehen auf Rechtsprechung des BFH zurück, die auf der Annahme beruht, dass der leitende Mitarbeiter des Organträgers dessen Weisungen bei der Geschäftsführung der Organgesellschaft aufgrund eines zum Organträger bestehenden Anstellungsverhältnisses und einer sich hieraus ergebenden persönlichen Abhängigkeit befolgen wird und er bei weisungswidrigem Verhalten vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft uneingeschränkt abberufen werden kann. Dieses Abhängigkeitsverhältnis besteht jedoch nicht nur bei leitenden, sondern bei allen Mitarbeitern des Organträgers. Die Urteile des BFH sind grundsätzlich weiter anzuwenden, jedoch wird künftig auf das Merkmal der Leitungsfunktion des Mitarbeiters verzichtet. Hierdurch werden zudem Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden.
Daneben ist es notwendig, die in Abschnitt 2.8 Abs. 8 Satz 10 und Abs. 10 Satz 4 und 5 UStAE enthaltenen Aussagen zur Vermittlung der organisatorischen Eingliederung in Beteiligungsketten bzw. zur Annahme einer organisatorischen Eingliederung in Beherrschungs- und Eingliederungsfällen klarstellend näher zu erläutern.
Vor diesem Hintergrund wird Abschnitt 2.8 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom , BStBl 2010 I S. 846, der zuletzt durch das , BStBl 2014 I S. 816 geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
Absatz 8 wird wie folgt geändert:
Satz 10 wird gestrichen.
Der bisherige Satz 11 wird der neue Satz 10.
Absatz 9 wird wie folgt gefasst:
„(9) 1Neben dem Regelfall der personellen Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft kann sich die organisatorische Eingliederung aber auch daraus ergeben, dass Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft tätig sind (vgl. , BStBl 2010 II S. 863). 2Die Berücksichtigung von Mitarbeitern des Organträgers bei der organisatorischen Eingliederung beruht auf der Annahme, dass ein Mitarbeiter des Organträgers dessen Weisungen bei der Geschäftsführung der Organgesellschaft aufgrund eines zum Organträger bestehenden Anstellungsverhältnisses und einer sich hieraus ergebenden persönlichen Abhängigkeit befolgen wird und er bei weisungswidrigem Verhalten vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft uneingeschränkt abberufen werden kann (vgl. , BStBl 2013 II S. 218). 3Demgegenüber reicht es nicht aus, dass ein Mitarbeiter des Mehrheitsgesellschafters nur Prokurist bei der vermeintlichen Organgesellschaft ist, während es sich beim einzigen Geschäftsführer der vermeintlichen Organgesellschaft um eine Person handelt, die weder Mitglied der Geschäftsführung noch Mitarbeiter des Mehrheitsgesellschafters ist (vgl. , BStBl 2011 II S. 391).”
In Absatz 10 wird Satz 5 wie folgt gefasst und es werden die neuen Sätze 6 und 7 angefügt:
„ 5In diesen Fällen ist der Organträger berechtigt, dem Vorstand der Organgesellschaft nach Maßgabe der §§ 308 bzw. 323 Abs. 1 AktG Weisungen zu erteilen.
6Soweit rechtlich zulässig muss sich dieses Weisungsrecht jedoch grundsätzlich auf die gesamte unternehmerische Sphäre der Organgesellschaft erstrecken.
7Aufsichtsrechtliche Beschränkungen stehen der Annahme einer organisatorischen Eingliederung nicht entgegen.”
Nach Absatz 10 wird folgender neuer Absatz 10a eingefügt:
„(10a) 1Die organisatorische Eingliederung kann auch über eine Beteiligungskette zum Organträger vermittelt werden. 2Die in den Absätzen 7 bis 10 enthaltenen Regelungen kommen grundsätzlich auch in diesen Fällen zur Anwendung. 3Sofern sichergestellt ist, dass der Organträger die Organgesellschaften durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht, ist es jedoch ausreichend, wenn die der organisatorischen Eingliederung dienenden Maßnahmen zwischen zwei Organgesellschaften ergriffen werden. 4Dies gilt auch dann, wenn diese Maßnahmen nicht der Struktur der finanziellen Eingliederung folgen (z. B. bei Schwestergesellschaften). 5Es ist zudem ausreichend, wenn die organisatorische Eingliederung mittelbar über eine unternehmerisch oder nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft des Organträgers erfolgt. 6Eine nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft wird dadurch jedoch nicht zum Bestandteil des Organkreises.
Beispiel 1:1Der Organträger O ist zu 100 % an der Tochtergesellschaft T 1 beteiligt. 2Die Geschäftsführungen von O und T 1 sind personenidentisch. 3T 1 ist zu 100 % an der Enkelgesellschaft E beteiligt. 4Einziger Geschäftsführer der E ist ein bei der Tochtergesellschaft T 1 angestellter Mitarbeiter.
5Die Tochtergesellschaft T 1 ist aufgrund der personenidentischen Geschäftsführungen organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers O eingegliedert. 6Dies gilt auch für die Enkelgesellschaft E, da durch das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers bei T 1 sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei E nicht stattfindet.
Beispiel 2:1Der Organträger O ist zu 100 % an der Tochtergesellschaft T 1 beteiligt, die als Finanzholding kein Unternehmer i. S. d. § 2 UStG ist. 2Die Geschäftsführungen von O und T 1 sind personenidentisch. 3T 1 ist zu 100 % an der grundsätzlich unternehmerisch tätigen Enkelgesellschaft E beteiligt. 4Aufgrund eines abgeschlossenen Beherrschungsvertrages i. S. d. § 291 AktG beherrscht T 1 die E. 5Die Enkelgesellschaft E ist organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers O eingegliedert. 6Aufgrund der personenidentischen Geschäftsführungen von O und T 1 sowie des zwischen T 1 und E abgeschlossenen Beherrschungsvertrags ist sichergestellt, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei E nicht stattfindet. 7Die nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft T 1 wird hierdurch jedoch nicht zum Bestandteil des Organkreises.
Beispiel 3:1Der Organträger O ist zu 100 % an den Tochtergesellschaften T 1 und T 2 beteiligt. 2Die Geschäftsführungen von O und T 1 sind personenidentisch. 3Einziger Geschäftsführer der T 2 ist ein bei der Tochtergesellschaft T 1 angestellter Mitarbeiter.
4Die Tochtergesellschaft T 1 ist aufgrund der personenidentischen Geschäftsführungen organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers O eingegliedert. 5Dies gilt auch für die Tochtergesellschaft T 2, da durch das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers bei T 1 sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei T 2 nicht stattfindet.
Beispiel 4:1Der im Ausland ansässige Organträger O unterhält im Inland eine Zweigniederlassung. 2Daneben ist er zu 100 % an der im Inland ansässigen Tochtergesellschaft T 1 beteiligt. 3Einziger Geschäftsführer der T 1 ist der bei O angestellte Leiter der inländischen Zweigniederlassung.
4Die Tochtergesellschaft T 1 ist organisatorisch ist das Unternehmen des Organträgers O eingegliedert. 5Durch das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers bei O ist sichergestellt, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei T 1 nicht stattfindet. 6Die Wirkungen der Organschaft sind jedoch auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt.”
Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für vor dem ausgeführte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn sich die am vermeintlichen Organkreis Beteiligten bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts übereinstimmend auf Abschnitt 2.8 Abs. 9 UStAE in der am geltenden Fassung berufen.
Die Anwendung der Übergangsregelung des in der Fassung des Schreibens vom bleibt unberührt.
BMF v. - IV D 2 -
S 7105/11/10001IV D 2 - S
7105/13/10003
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2014 I Seite 820
DStR 2014 S. 955 Nr. 19
GmbHR 2014 S. 614 Nr. 11
StBW 2014 S. 491 Nr. 13
Ubg 2014 S. 402 Nr. 6
WPg 2014 S. 587 Nr. 11
ZIP 2014 S. 40 Nr. 20
DAAAE-63810
1Die Beschlüsse werden zeitgleich im Bundessteuerblatt II veröffentlicht.