Jugendstrafe: Berücksichtigung des Erziehungsgedankens bei der Strafzumessung
Gesetze: § 17 Abs 2 JGG, § 18 Abs 2 JGG
Instanzenzug: LG Rostock Az: 12 KLs 57/11 - 3
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zur Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision.
2Nach den Feststellungen hielt der Angeklagte die sich wehrende Geschädigte, mit der er zuvor einvernehmlichen vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt hatte, mit den Händen fest, drückte sie auf das Bett und führte gegen ihren Willen den Analverkehr durch.
3Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen begegnet der Strafausspruch durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
4Die Strafkammer hat gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG auf den zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alten Angeklagten rechtsfehlerfrei Jugendstrafrecht angewendet und einen minder schweren Fall der Vergewaltigung (gemeint ist ein Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB) verneint. Zur Erforderlichkeit der Verhängung von Jugendstrafe und deren Dauer hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der Angeklagte habe das Vertrauen der Geschädigten ausgenutzt, sie mit der Ausübung des Analverkehrs in besonderem Maße erniedrigt und bei ihr schwere psychische Schäden hervorgerufen. Die Verhängung einer Jugendstrafe sei auch aus erzieherischen Gesichtspunkten geboten, weil er durch die Tatbegehung Defizite in der Bereitschaft gezeigt habe, ein normgerechtes Leben zu führen. Eine Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten sei unter Abwägung aller für (Abstand zur Tat von zwei Jahren; nicht ausschließbare alkoholische Enthemmung) und gegen (konkrete Tatausführung, Tatfolgen, Vorahndungen, Verwirklichung von zwei Delikten) den Angeklagten sprechenden Umstände schuldangemessen.
5Diese Strafzumessung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar hat die Jugendkammer unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe im Ergebnis noch ausreichend dargelegt, dass wegen der Schuldschwere die Verhängung von Jugendstrafe erforderlich ist. Ihre Ausführungen zur Strafhöhe begründen jedoch die Besorgnis, sie habe nicht bedacht, dass sich auch bei einer wegen Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe gemäß § 18 Abs. 2 JGG deren Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten bemisst (, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 10; Beschluss vom - 4 StR 313/92, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 8; Eisenberg, JGG, 15. Aufl., § 18 Rn. 13, 20 f.). Den Erziehungsgedanken hat sie lediglich bei der Begründung der Schuldschwere pauschal mit den durch die Tatbegehung hervorgetretenen Defiziten in der Bereitschaft, ein normgerechtes Leben zu führen, angesprochen. Da solche Defizite regelmäßig bei der Begehung einer Straftat hervortreten, ist diese Begründung nicht geeignet, den erforderlichen Erziehungsbedarf ausreichend zu begründen. Bei der konkreten Strafzumessung verhalten sich die Urteilsgründe zum Erziehungsgedanken überhaupt nicht und stellen - wie bei einem Erwachsenen - ausschließlich auf das Gewicht des Tatunrechts und die Tatfolgen ab. Ob und welche Erziehungsdefizite zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung, die fast zwei Jahre nach der Tat stattfand, vorlagen, lässt sich den Ausführungen des Landgerichts nicht zweifelsfrei entnehmen. Zudem fehlt die erforderliche Abwägung zwischen dem Tatunrecht und den Folgen der Verbüßung der verhängten Jugendstrafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten (, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 3; , BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 7).
6Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Menges
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Fundstelle(n):
EAAAE-06177