BSG Urteil v. - B 4 AS 97/09 R

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - kein Leistungsausschluss bei Teilnahme an einer gem § 77 SGB 3 geförderten Maßnahme der beruflichen Weiterbildung - Abgrenzung der Weiterbildungs- von Ausbildungsmaßnahmen)

Leitsatz

Das Durchlaufen einer nach objektiven Kriterien als Weiterbildungsmaßnahme iS des SGB 3 zu bewertenden Bildungsmaßnahme führt nicht zum Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2, auch dann nicht, wenn die Maßnahme, würde sie als Ausbildung durchgeführt, grundsätzlich nach dem BAföG förderfähig wäre.

Gesetze: § 7 Abs 5 S 1 SGB 2, § 60 SGB 3, § 77 Abs 1 S 1 SGB 3, § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 BAföG, § 10 Abs 3 S 1 BAföG

Instanzenzug: Az: S 31 (11) AS 14/07 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 19 AS 60/08 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 1768/11 Nichtannahmebeschluss

Tatbestand

1Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom bis - über Leistungen für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II hinaus - während ihrer Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin.

2Die am 1956 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und lebt mit ihrer 1990 geborenen Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft. Die Klägerin absolvierte zwischen 1989 und 1995 ein Studium, das sie mit der Prüfung zur Diplom-Ingenieurin im Bereich Architektur beendete. In den letzten Jahren vor dem hier streitigen Zeitraum arbeitete sie nicht mehr in diesem Beruf. Zwischen und bezog sie erstmals Leistungen nach dem SGB II, damals noch in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann. Durch Bescheid vom hob die Beklagte die Bewilligung vom mit der Begründung auf, der Bedarf der Familie sei durch Einkommen aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Ehemannes gedeckt.

3Am beantragte die Klägerin erneut Leistungen nach dem SGB II, nachdem ihr Ehemann und sie sich getrennt hatten und dieser keinen Unterhalt mehr zahlte. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom für den Zeitraum vom 1.2. bis Leistungen für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II und der Tochter Sozialgeld einschließlich der kopfteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Für die Zeit vom bis lehnte sie eine Leistungsgewährung mit der Begründung ab, der Bedarf der Klägerin und ihrer Tochter sei durch Vermögen des Kindes gedeckt. Weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Klägerin gewährte die Beklagte nicht, weil die Klägerin nach § 7 Abs 5 SGB II - mit Ausnahme der Leistungen für Mehrbedarf - von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Bei dieser Auffassung verblieb sie auch für den hier streitigen Zeitraum (Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ). Die Klägerin hatte am eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin an den H-Schulen in B begonnen. Die Ausbildung ist nach Auskunft der Bezirksregierung K und der Schulleitung nach § 2 BAföG förderfähig. Die schulische Ausbildung war bis Ende August 2008 geplant. Danach sollte ein halbjähriges Apothekenpraktikum ( bis ) folgen. Für diese außerbetriebliche Ausbildung stellte ihr die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Bonn - am einen Bildungsgutschein gemäß § 77 Abs 3 SGB III aus, mit Zusage der Übernahme der Lehrgangskosten bis zu 24 Monaten, einschließlich eines notwendigen Betriebspraktikums in Vollzeit sowie Fahrtkosten.

4Das SG Köln hat die Klage auf Alg II für die Klägerin abgewiesen (Gerichtsbescheid vom ). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom sei zwar entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verspätet eingelegt worden. Die Klägerin habe jedoch gleichwohl keinen Anspruch auf weitere SGB II-Leistungen. Sie habe eine dem Grunde nach, gemäß § 2 Abs 1 Nr 2 BAföG förderfähige Ausbildung durchlaufen und sei daher nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Ausnahme der Leistungen für Mehrbedarf ausgeschlossen. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin hiergegen mit der gleichen Begründung zurückgewiesen (Urteil vom ). Ergänzend hat es ausgeführt, im Falle der Klägerin führten lediglich individuelle Versagensgründe - hier die Überschreitung der maximalen Altersgrenze für Förderleistungen nach dem BAföG - zum Ausschluss von Ausbildungsleistungen zur Lebensunterhaltssicherung. Die Gewährung von Alg II würde mithin im Falle der Klägerin zu einer Ausbildungsförderung auf einer weiteren Ebene (neben BAföG/SGB III) führen, was dem reinen Existenzsicherungszweck der Leistungen nach dem SGB II zuwider laufe. Es sei hier auch nicht deswegen eine Ausnahme zu machen, weil die Maßnahme mit einem Bildungsgutschein der BA nach § 77 SGB III gefördert worden sei. Unter Heranziehung von objektiven Kriterien zur Bestimmung des Charakters der Maßnahme im Sinne der Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von Aus- und Weiterbildung (SozR 4-4300 § 77 Nr 2; B 11a AL 23/05 R und B 7/7a AL 68/06 R) handele es sich hier um Ausbildung und nicht um Weiterbildung. Die staatlicher Regelung unterliegende Schulung ziele auf den Erwerb von Kenntnissen in einem anerkannten Ausbildungsberuf ab. Sie setze zwar einen mittleren Berufsabschluss, jedoch keine berufliche Vorerfahrung oder Qualifikation voraus. Insoweit seien die Entscheidungen des AS ER) und des Schleswig-Holsteinischen ) nicht übertragbar. Daher könne es auch dahinstehen, ob und ggf aus welchem Grund der Gesetzgeber von einem Leistungsausschluss nach dem SGB II im Falle von nach § 77 SGB III förderbaren Maßnahmen Abstand genommen habe.

5Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 7 Abs 5 SGB II. Diese Vorschrift sei im Falle einer beruflichen Weiterbildung nach ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck nicht anwendbar. Jede andere Handhabung würde dem Prinzip des Forderns und Förderns zuwider laufen, denn die Ablehnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bedeute letztlich, dass sie die Ausbildung abbrechen müsse, um ggf mit einer anderen Fördermaßnahme zu einer Chance zu gelangen die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Zudem könne es nicht darauf ankommen, dass die Maßnahme nach Auffassung des LSG keine zur Weiterbildung sei, denn insoweit müsse ihr Vertrauensschutz iS des Vertrauens in die Richtigkeit der sie begünstigenden Entscheidung der BA zugestanden werden.

6Die Klägerin beantragt,das und den aufzuheben, den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr im Zeitraum vom bis Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe - über die Leistungen für Mehrbedarf für Alleinerziehung hinaus - als Zuschuss zu gewähren.

7Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

8Sie verweist auf die Ausführungen des LSG und führt ergänzend aus, bereits die Förderfähigkeit der Ausbildung der Klägerin nach den Vorschriften des BAföG schließe eine Leistungsgewährung nach dem SGB II aus. Die Klägerin habe zudem nicht auf die Entscheidung der BA vertrauen können, denn die Weiterbildungsleistung sei unter der Bedingung bewilligt worden, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln sicher stellen könne. Der Klägerin sei in einem Vermittlungsgespräch bei der Beklagten vor Antritt der Maßnahme auch bereits dargelegt worden, dass eine Förderung der Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin durch den SGB II-Leistungsträger nicht erfolgen könne. Leistungen in Darlehensform habe sie nicht begehrt.

Gründe

9Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.

10Der Senat vermochte nicht abschließend zu entscheiden, ob der Klägerin im Zeitraum vom bis Alg II nach dem Gesetz über die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) - über die bereits bewilligten Leistungen für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II hinaus - zustehen.

11Streitgegenstand ist der Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom , mit dem die Beklagte für den Zeitraum vom bis ua die Gewährung von Alg II an die Klägerin - über Leistungen für Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II hinaus - abgelehnt hat. Zwar betreffen auch die Bescheide vom und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom und der Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB X vom Leistungen für die Klägerin im zuvor benannten Zeitraum. Die Beteiligten haben jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG und schriftlich sowie zur Niederschrift der mündlichen Verhandlung gegenüber dem erkennenden Senat erklärt, sich insoweit der rechtskräftigen Entscheidung über den eingangs benannten Bescheid zu unterwerfen. Die Klägerin hat den Streitgegenstand durch ihren Antrag bereits im Klageverfahren auf Leistungen für sich und durch den Berufungsantrag auf den Zeitraum vom bis begrenzt. In der mündlichen Verhandlung vor dem BSG hat sie zudem auf ein Darlehen nach § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II verzichtet, sodass nur noch Zuschussleistungen im Streit stehen. Bescheide für weitere Leistungszeiträume sind auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden. § 96 SGG greift in Angelegenheiten des SGB II nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht durch (s nur B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; B 7b AS 4/06 R; B 11b AS 45/06 R).

12Der Anspruch der Klägerin auf die begehrten Leistungen scheitert nicht bereits daran, dass der Bescheid vom bindend geworden wäre, weil sie den Widerspruch nicht innerhalb der Frist des § 84 Abs 1 Satz 1 SGG bei der Beklagten eingelegt hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hat die Klägerin innerhalb der Widerspruchsfrist Widerspruch bei der Oberbürgermeisterin der Stadt B eingelegt. Damit hat sie fristgerecht Widerspruch erhoben, denn nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGG gilt die Frist zur Erhebung des Widerspruchs auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde eingegangen ist. Die Ausführungen des LSG zur Fristwahrung dieser Handlung sind nicht zu beanstanden.

13Die Klägerin ist auch grundsätzlich leistungsberechtigt nach dem SGB II. Aus den bindenden Feststellungen des LSG in Verbindung mit dem Akteninhalt folgt, dass sie, wie nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl I 2003, 2954) erforderlich, das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, 2. erwerbsfähig und 3. hilfebedürftig ist sowie 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Sie ist damit eine erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne der zuvor benannten Norm.

14Allerdings vermochte der Senat nicht abschließend zu entscheiden, ob dem Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II entgegensteht. Insoweit gilt hier: Die nach den Feststellungen des LSG dem Grunde nach im Rahmen des BAföG förderungsfähige Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin an den H-Schulen bewirkt grundsätzlich einen Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II. Unerheblich ist, dass die Klägerin gleichwohl keine Leistungen nach dem BAföG erhält, denn hierfür sind nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II unbeachtliche, in ihrer Person liegende Gründe verantwortlich (1.). Unabhängig von der grundsätzlichen Förderfähigkeit der Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin nach dem BAföG könnte die Klägerin allerdings dann einen Anspruch auf die Regelleistung sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung haben, wenn sie diese Ausbildung nicht als schulische Berufsausbildung, sondern im Rahmen einer beruflichen Weiterbildung iS des § 77 SGB III absolviert haben sollte. Die Förderung einer "Ausbildung" nach § 77 SGB III führt nicht zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II. Ob es sich im konkreten Fall um eine "Weiterbildungsmaßnahme" handelt, wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu klären haben (2.).

151. Die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses sind im vorliegenden Fall grundsätzlich erfüllt. Keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist. Sollte es sich bei der von der Klägerin am begonnenen Maßnahme um eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin handeln, wäre diese dem Grunde nach förderungsfähig im Sinne dieser Vorschrift.

16Nach den bindenden Feststellungen des LSG befindet sich die Klägerin seit dem in einer Bildungsmaßnahme zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin. Als Ausbildung ist die Maßnahme grundsätzlich nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BAföG förderfähig. Nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BAföG idF des 13. Gesetzes zur Änderung des BAföG vom (BGBl I 2982, mWv ) wird Ausbildungsförderung geleistet für den Besuch von Berufsfachschulklassen und Fachschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, sofern sie in einem zumindest zweijährigen Bildungsgang einen berufsqualifizierenden Abschluss vermitteln. Diesen Voraussetzungen entspricht die Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin nach den vom LSG beigezogenen Auskünften der Bezirksregierung K vom und der Schulleitung der H-Schulen vom dem Grunde nach. Die Klägerin wäre damit grundsätzlich von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen.

17Unerheblich ist insoweit, dass sie tatsächlich - aus den Gründen des § 10 Abs 3 Satz 1 BAföG (idF des BAföG vom , BGBl I 645) - kein BAföG erhält. Nach § 10 Abs 3 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung nicht geleistet, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er Ausbildungsförderung beantragt, das 30. Lebensjahr vollendet hat. Das war am - dem Beginn der Ausbildung - bei der am geborenen Klägerin der Fall. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme hiervon nach Satz 2 des Abs 3 dieser Vorschrift idF des 21. Gesetzes zur Änderung des BAföG (vom , BGBl I 3127 mWv ) erfüllt die Klägerin nicht. Das Vorliegen individueller Versagensgründe steht dem Leistungsausschluss iS des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II jedoch nicht entgegen. Entscheidend ist nicht die tatsächliche Förderung der betreffenden Person, sondern die Förderfähigkeit der Ausbildung selbst. Allein letztere zieht bereits die Folge des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II nach sich ( B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6; , SozR 4-4200 § 7 Nr 9; s auch zum Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II eines Studenten, dessen Hochschulstudium nach § 2 BAföG abstrakt förderungsfähig ist, der aber Ausbildungsförderung nicht bezieht, ua weil er die Altersgrenze des § 10 Abs 3 BAföG überschritten hat, ; vgl auch Brühl/Schoch in Münder, SGB II, 3. Aufl 2007, § 7 RdNr 114; S. Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 7 SGB II RdNr 36 auch im Hinblick auf die Altersgrenze; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 95; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Feb IV/08, RdNr 87). Eine der in § 7 Abs 6 SGB II geregelten Ausnahmen liegt hier nicht vor (vgl hierzu , SozR 4-4200 § 7 Nr 9; , zur Veröffentlichung vorgesehen).

182. Die Klägerin könnte allerdings dann von der Wirkung des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II ausgenommen sein, wenn die Ausbildungsförderung nach den Regeln der §§ 77 ff SGB III erfolgt ist. Denn Maßnahmen im Rahmen der beruflichen Weiterbildung begründen keinen Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dieses gilt unabhängig von der grundsätzlichen Förderfähigkeit der schulischen Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin nach dem BAföG.

19Die Ausnahme vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II bei Weiterbildungsmaßnahmen folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Es werden dort ausdrücklich nur die Förderungen nach dem BAföG und der beruflichen Ausbildung nach §§ 60 bis 62 SGB III erwähnt (vgl Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 7 RdNr 119; Valgolio in Hauck/Noftz SGB II, Stand IV/2008, § 7 RdNr 90 ff). Als gesetzgeberisches Versehen kann dies nicht gewertet werden.

20Die Gesetzesbegründung legt nahe, dass vom Leistungsausschluss nur diejenigen Personen erfasst werden sollen, deren Ausbildung tatsächlich nach dem BAföG oder den §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderfähig ist. In der Gesetzesbegründung wird auf den Gleichklang des SGB II mit dem Referenzsystem des SGB XII Bezug genommen (Ausschussbericht BT-Drucks 15/1749, S 31). Auch dort wird heute (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB XII) ausschließlich auf die Förderfähigkeit der Ausbildung nach dem BAföG bzw den §§ 60 bis 62 SGB III abgestellt. Insoweit knüpft das SGB XII an die Regelungen des § 26 BSHG an. Doch nicht erst zu § 26 BSHG in der bis geltenden Fassung, sondern bereits zu den Vorfassungen, in denen der Leistungsausschluss in Abhängigkeit zur Förderfähigkeit von "Ausbildung" im Rahmen des BAföG oder AFG stand, hat das BVerwG in ständiger Rechtsprechung entschieden, die berufliche Weiterbildung sei nicht unter den Begriff der "Ausbildung" zu subsumieren (so auch Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 25; Niewald in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 22 RdNr 21). Zur Begründung führt es aus: Mit dem, mit Wirkung vom durch Art 21 Nr 8 und 10 2. HStruktG neu eingefügten § 26 BSHG werde zwar das Ziel verfolgt, die Sozialhilfe (ursprünglich in der Gestalt der Ausbildungshilfe, später in der Gestalt der Hilfe zum Lebensunterhalt) von Kosten zu befreien, die mit der Finanzierung von Ausbildungen verbunden seien. Angesichts dessen hätte es jedoch einer ausdrücklichen und eindeutigen gesetzlichen Verlautbarung bedurft, nach der auch Personen, die sich im Rahmen des AFG einer dem Grunde nach förderungsfähigen Umschulung unterziehen, im Regelfall von der Leistung von Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen sein sollten. Aus dem verwendeten Wort "Ausbildung" lasse sich weder nach dessen Inhalt (Sinn), noch dem allgemeinen Sprachgebrauch herleiten, etwa eine Umschulung werde von § 26 Satz 1 BSHG erfasst; denn der Ausschluss vom Anspruch auf die Hilfe zum Lebensunterhalt solle nur für eine Ausbildung gelten, die entweder im Rahmen des BAföG oder im Rahmen des AFG dem Grunde nach förderungsfähig sei. Daher müsse der Begriff "Ausbildung" aus der Sicht des einen oder des anderen Gesetzes interpretiert werden. Insbesondere das AFG differenziere jedoch zwischen "Ausbildung" und "Fort- bzw Weiterbildung". Sie unterschieden sich konzeptionell, begrifflich und inhaltlich. Unter dem Begriff "Ausbildung im Rahmen des AFG" in § 26 Satz 1 BSHG sei in Abgrenzung zur beruflichen Fortbildung und zur beruflichen Umschulung allein die berufliche Ausbildung zu verstehen. Sie müsse als berufliche Ausbildung nach dem AFG dem Grunde nach förderungsfähig sein (, BVerwGE 82, 125; , NZS 1994, 240; ; s auch Bs IV 245/94, FEVS 46, 167). Wenn der Gesetzgeber in Kenntnis dieser langjährigen Rechtsprechung auf das Referenzsystem des SGB XII verweist, muss davon ausgegangen werden, dass auch im SGB II zumindest die Förderung der heutigen "Weiterbildung" nach §§ 77 ff SGB III zu keinem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II führt.

21Dieses Ergebnis wird durch einen Blick auf die systematischen Zusammenhänge innerhalb des SGB II bestätigt. Dabei ist nicht nur abzustellen auf den Grundsatz des Förderns und Forderns (§ 1 Abs 1 SGB II) oder das Ziel des SGB II, die Leistungen auf die Überwindung oder Minderung der Hilfebedürftigkeit auszurichten (§ 1 Abs 1 Satz 4 Nr 1 SGB II; vgl AS ER). Entscheidend ist das Zusammenwirken dieser Grundsätze mit der konkreten Ausgestaltung der Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs 1 SGB II. Nach § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II in der zum Zeitpunkt der Antragstellung der Klägerin geltenden Fassung (Art 1a Gesetz zur Anpassung des Dienstrechts der BA vom BGBl I 1457, mWv u d Art 2 4. Gesetz zur Änderung des SGB III vom BGBl I 2329, mWv ) kann der Grundsicherungsträger die Übrigen im Dritten Kapitel, im Ersten bis Dritten und Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels, im Fünften Kapitel, im Ersten, Fünften und Siebten Abschnitt des Sechsten Kapitels und die in den §§ 417, 421f, 421g, 421i, 421k, 421m, 421n, 421o, 421p und 421q SGB III geregelten Leistungen erbringen. Er kann mithin auch Leistungen zur beruflichen Weiterbildung - anders als berufliche Ausbildungsleistungen - als Eingliederungsmaßnahme gewähren (6. Abschnitt 4. Kapitel SGB III). Alsdann wäre es jedoch systemwidrig, die Teilnehmer an solchen Maßnahmen zugleich von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (durch Subsumtion unter § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II) auszuschließen. Denn auch die Gewährung von Eingliederungsleistungen setzt im Regelfall voraus, dass Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II vorliegt (vgl ausführlich ). Dann sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in dem zur Bedarfsdeckung erforderlichen Umfang jedoch immer - gleichsam als "Annex" - mit den Eingliederungsleistungen verbunden.

22Die Überprüfung der Rechtsqualität der von der Klägerin durchlaufenen Maßnahme ist auch nicht deswegen überflüssig, weil die Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin, wenn sie als "Regelausbildung" durchlaufen wird, dem Grunde nach nach dem BAföG förderfähig ist und damit grundsätzlich einen Leistungsausschluss nach dem § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II nach sich zieht. Erfüllt die konkrete Maßnahme die Voraussetzungen der §§ 77 ff SGB III fällt sie - aus den oben benannten systematischen Gründen - aus dem Anwendungsbereich des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II heraus (vgl Bs IV 245/94, FEVS 46, 167 und Beschluss vom - Bs IV 1/93, FEVS 44, 337).

23Mit dem LSG geht der erkennende Senat jedoch davon aus, dass die Leistungsbewilligung nach §§ 77 ff SGB III durch die BA - für sich genommen - nicht ausreicht, um die Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin hier als Weiterbildungsmaßnahme zu qualifizieren. Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin insoweit nicht berufen. Anderenfalls würde die gesetzlich nicht vorgesehene Möglichkeit eröffnet, dass die BA, die keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt für die Klägerin zu erbringen hatte, mit ihrer Qualifizierung der Maßnahme als Weiterbildungsmaßnahme den Grundsicherungsträger im Hinblick auf die Gewährung von Alg II bindet. Insofern birgt die Bezeichnung der Maßnahme als "Ausbildung" zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin noch keine abschließende Aussage über die Art der Maßnahme, denn im technischen Sinn stellt jede Maßnahme der beruflichen Bildung eine Form von Ausbildung dar, wenn man darunter die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten mit dem Ziel einer bestimmten beruflichen Befähigung versteht. Infolgedessen ist weder wegen der Bezeichnung "Ausbildung" allein, noch der Förderfähigkeit einer "Ausbildung" eine Aussage über die Maßnahmeart möglich. Vielmehr kommt es auf die Abgrenzungsmerkmale im Einzelnen an (vgl , BSGE 37, 163 = SozR 4100 § 41 Nr 1). Nach der langjährigen Rechtsprechung des BSG ist die Abgrenzung zwischen Aus- und Weiterbildung ausschließlich unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien vorzunehmen (vgl B 7/7a AL 68/06 R, BSGE 100, 6 = SozR 4-4300 § 60 Nr 1; s auch B 7a/7 AL 20/04 R, SozR 4-4300 § 77 Nr 2; B 11a AL 23/05 R). Entscheidend für die Abgrenzung ist dabei nicht das Ziel der Maßnahme, sondern der Weg auf dem das Ziel erreicht werden soll (vgl insoweit B. Schmid in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand VIII/09, Vor §§ 77 - 96 RdNr 2b). Die Weiterbildungsangebote sollen grundsätzlich auf dem bereits vorhandenen beruflichen Wissen aufbauen. Es handelt sich insoweit um die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach dem Abschluss der ersten Ausbildungsphase (vgl insoweit B. Schmid in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand VIII/09, Vor §§ 77 - 96 RdNr 1) oder sonstiger beruflicher Betätigung ohne vorherigen Berufsabschluss (Zur Bedeutung der Erstmaligkeit der Bildungsmaßnahme vgl Eicher in Udsching/Rolfs <Hrsg>, Jahrbuch des Sozialrechts der Gegenwart, Band 27, S 363, 371 - § 77 Abs 2 SGB III), die deswegen vielfach mit einer verkürzten Ausbildungsdauer einhergeht (§ 85 Abs 2 SGB III).

24Nach der Ausbildungsverordnung handelt es sich bei der Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin um eine bundesweit einheitlich geregelte schulische Ausbildung, die einen mittleren Bildungsabschluss voraussetzt (vgl www.berufsnet.arbeitsagentur.de - Stichwort PTA - Steckbrief; Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Pharmazeutisch-technische Assistenten/Assistentinnen vom , BGBl I 2352; § 2 Abs 1 Nr 4 Gesetz über den Beruf des Pharmazeutisch-technischen Assistenten, BGBl I 1997, 2350). Weitere Voraussetzungen sind nicht geregelt. Daraus schließt das LSG, dass die Ausbildung somit keine berufliche Vorerfahrungen oder andere berufliche Qualifikationen voraussetze (vgl insoweit B. Schmid in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand VIII/09, Vor §§ 77 - 96 RdNr 2b), sodass eine Qualifizierung als Weiterbildungsmaßnahme ausscheide. Allein nach den Vorschriften einer Ausbildungsverordnung ist jedoch nicht zu beurteilen, ob ein bestimmtes Lernziel im Wege der Ausbildung oder der Weiterbildung erreicht wird. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung der konkreten Maßnahme angezeigt, die sowohl die einschlägigen Ausbildungsvorschriften als auch die Ausbildungswirklichkeit in den Blick nimmt, insbesondere, ob Vorkenntnisse eines Lernwilligen verwertbar sind (vgl 9b RAr 5/90, SozR 3-4100 § 47 Nr 2 zur Abgrenzung Fortbildung - Umschulung nach dem AFG) und die Ausgestaltung der konkreten Ausbildung mitbeeinflusst haben. Hieran mangelt es vorliegend. Das LSG hat lediglich festgestellt, dass auch die von der Klägerin absolvierte Maßnahme einen mittleren Bildungsabschluss voraussetze. Zur Begründung verweist es jedoch nicht auf eine Auskunft über die konkret von der Klägerin durchlaufene Maßnahme, sondern auf die Ausführungen der BA im Internet zu der Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin. Hieraus kann aber lediglich auf den Regelfall geschlossen werden, nicht jedoch, ob das auch im konkreten Fall zutrifft. So fehlt es insbesondere an Feststellungen dazu, ob die Bildungsmaßnahme der Klägerin etwa auf einen kürzeren Zeitraum als nach der Ausbildungsverordnung vorgesehen angelegt war oder andere Veränderungen des Lehrstoffs auf Grund von beruflicher Vorbildung erfolgt sind. Diese Feststellungen wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

25Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2010:300810UB4AS9709R0

Fundstelle(n):
TAAAD-55550