BGH Beschluss v. - XII ZB 166/09

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Ausgangskontrolle bei Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax; Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nach Fristablauf

Gesetze: § 85 Abs 2 ZPO, § 139 ZPO, § 233 ZPO, § 234 Abs 1 ZPO, § 236 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Az: I-30 U 41/09 Beschlussvorgehend LG Siegen Az: 5 O 187/08

Gründe

I.

1Mit Telefaxschreiben seines Prozessbevollmächtigten vom legte der Beklagte Berufung gegen das ihm am zugestellte Urteil des Landgerichts ein, mit dem er zur Zahlung von 11.534,61 € nebst Zinsen verurteilt wurde. Als Empfänger wies der Schriftsatz das Oberlandesgericht aus. Die Berufungsschrift ging am zwischen 14.54 Uhr und 15.15 Uhr auf dem Telefaxgerät der Generalstaatsanwaltschaft ein und wurde am an die Posteingangsstelle des Oberlandesgerichts weitergeleitet. Mit einem am (Dienstag nach Ostern) eingegangenen Schriftsatz begründete der Beklagte seine Berufung.

2Mit einem dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am zugestellten Schreiben wies das Oberlandesgericht auf die versäumte Berufungsfrist hin und räumte dem Prozessbevollmächtigten eine Stellungnahmefrist hierzu von zwei Wochen ein. Mit Schriftsatz vom beantragte der Prozessbevollmächtigte eine Verlängerung dieser Frist bis zum . Auf den Hinweis des dass die Frist für die Wiedereinsetzung nicht verlängert werden könne, stellte ein Vertreter des Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom , eingegangen beim Oberlandesgericht am , Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die von der Kanzleimitarbeiterin verwendete Telefaxnummer im Telefonverzeichnis der Anwaltskanzlei als die Nummer des Oberlandesgerichts eingetragen sei. Eine Ausgangskontrolle durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten habe nicht erfolgen können, weil dieser aufgrund einer an diesem Tag bei ihm durchgeführten Darmspiegelung gesundheitliche Beschwerden gehabt habe. Mit Schriftsatz vom legte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten erneut Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts ein und wiederholte seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung wurde nunmehr vorgetragen, dass eine bislang zuverlässige Kanzleiangestellte bei der Übermittlung des Schriftsatzes versehentlich die Telefaxnummer der im gleichen Haus befindlichen Generalstaatsanwaltschaft in das Gerät eingegeben habe, weil sie in dem in der Kanzlei vorgehaltenen Telefon- und Faxnummernverzeichnis sowohl bei der Eingabe als auch bei der Kontrolle der Nummer in die falsche Zeile gerutscht sei. Die Eingangsbestätigung des Berufungsgerichts sei dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten erst am anlässlich einer Besprechung mit seinen Mitarbeitern vorlegt worden. Aufgrund eines Kanzleiversehens sei das Schreiben falsch abgeheftet worden.

3Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und den Antrag des Beklagten vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und der Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt und die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht zur erneuten Entscheidung erreichen will.

II.

4Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Beklagten ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Senats ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem Verstoß gegen den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG i.V.m. § 139 ZPO), noch verletzt sie den Anspruch des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281).

51. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhe, welches sich der Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Die Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft seien nicht verpflichtet gewesen, die am per Telefax eingegangene Berufungsschrift noch an diesem Tag an das Oberlandesgericht weiterzuleiten. Dem Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in die ebenfalls versäumte Wiedereinsetzungsfrist könne  ebenfalls nicht entsprochen werden, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten jedenfalls nach Eingang der Verfügung des Vorsitzenden des Berufungsgerichts am Anlass zur Überprüfung gehabt hätte, wie es zu dem fehlerhaften Faxversand gekommen sei. Deshalb könne das weitere Vorbringen, wonach eine Kanzleimitarbeiterin sowohl bei der Eingabe als auch bei der Kontrolle der Telefaxnummer versehentlich in eine falsche Zeile des Telefonverzeichnisses gerutscht sei, nicht berücksichtigt werden.

62. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

7Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Berufungsschrift nicht innerhalb der am abgelaufenen Frist beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Der Umstand, dass bei der Generalstaatsanwaltschaft ein Eingangsfach für an das Oberlandesgericht gerichtete Schriftstücke vorhanden war, ändert nichts daran, dass die an das Telefaxgerät der Generalstaatsanwaltschaft gesendete Berufungsschrift erst am und somit nach Ablauf der Berufungsfrist in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Oberlandesgerichts gelangte ( - NJW-RR 2007, 1429, 1430).

83. Dem Beklagten ist die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt worden, weil nach seinem Vortrag ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.

9a) Die Rechtsbeschwerde geht zwar zutreffend davon aus, dass eine Partei sich das einmalige Versehen einer als zuverlässig bekannten, hinreichend unterrichteten und bewährten Kanzleimitarbeiterin ihres Prozessbevollmächtigten grundsätzlich nicht zurechnen lassen muss (Senatsbeschluss vom - XII ZR 32/01 - NJW-RR 2001, 1071 für den vergleichbaren Fall einer zweimaligen Falscheingabe einer Faxnummer durch eine bislang zuverlässige Kanzleikraft; - NJW-RR 2001, 779, 780). Denn die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO führt lediglich zur Zurechnung eines Verschuldens des Prozessbevollmächtigten selbst. Ein Eigenverschulden des Prozessbevollmächtigten liegt jedoch dann vor, wenn für die Fristversäumnis eine mangelhafte Büroorganisation ursächlich war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsanwalt, der unter Einschaltung seines Büropersonals fristgebundene Schriftsätze per Telefax einreicht, verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413; vom - XII ZB 34/07 - NJW 2008, 2508, 2509 und vom - XII ZB 117/09 - juris, Tz. 6; BGH Beschlüsse vom - VIII ZB 101/05 - NJW 2007, 996, 997; vom - VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690, 1691; vom - XI ZB 30/06 - juris, Tz. 5 und vom - IX ZR 20/03 - BGH-Report 2004, 978). Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle der Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um Fehler bei der Eingabe, der Ermittlung der Faxnummer oder deren Übertragung in den Schriftsatz feststellen zu können (Senatsbeschluss vom - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413; - NJW-RR 2007, 1429, Tz. 8). Erst nach der Überprüfung, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Adressaten erfolgt ist, darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschluss vom - XII ZB 34/07 - NJW 2008, 2508, Tz. 11 m.w.N.).

10b) Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle im Büro des Beklagtenvertreters ist nicht dargetan worden. Im Schriftsatz vom wurde das Wiedereinsetzungsgesuch zunächst nur damit begründet, dass die von der Kanzleimitarbeiterin benutzte Telefaxnummer im Telefonverzeichnis der Kanzlei als Nummer des Oberlandesgerichts eingetragen sei. Weiteren Vortrag, insbesondere zur Organisation der Ausgangskontrolle bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax, enthält dieser Schriftsatz nicht. Die fehlerhafte Zuordnung der Telefaxnummer im Telefonverzeichnis der Anwaltskanzlei würde ein Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten darstellen, das sich der Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste.

11c) Die Behauptung, eine Kanzleimitarbeiterin sei sowohl bei der Eingabe als auch bei der Kontrolle der verwendeten Telefaxnummer im Telefonverzeichnis versehentlich in die falsche Zeile geraten, hat der Beklagte erstmals im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom aufgestellt, also nach Ablauf der am endenden Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht deshalb zu Recht nicht berücksichtigt.

12(1) Grundsätzlich müssen nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden (Senatsbeschluss vom - XII ZB 232/06 - NJW 2007, 3212). Jedoch dürfen nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 42/05 - BGH-Report 2006, 119 m.w.N. und vom - XII ZB 232/06 - NJW 2007, 3212) erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden.

13(2) Das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom zu dem behaupteten zweimaligen Versehen der Kanzleikraft bei der Eingabe der Telefaxnummer stellt jedoch einen völlig neuen Sachvortrag dar, der in dem Wiedereinsetzungsantrag vom nicht einmal im Ansatz erwähnt wurde. Der Beklagte kann daher mit diesem Vorbringen nur dann gehört werden, wenn ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu gewähren ist (Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 234 Rdn. 4). Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht insoweit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt.

14(3) Dabei kann offen bleiben, ob dem Schriftsatz vom überhaupt ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO entnommen werden kann. Denn ausdrücklich hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Wiedereinsetzung in die abgelaufene Frist gemäß § 234 Abs. 1 ZPO dort nicht beantragt. Aber selbst wenn der gestellte Antrag unter Einbeziehung der Antragsbegründung, des Zeitpunkts der Antragstellung und des Rechtsschutzzieles dahingehend auszulegen wäre, dass hiermit auch die grundsätzlich mögliche Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO beantragt werden sollte, kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht, weil das Versäumnis auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht, das sich der Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

15(4) Nach allgemeiner Ansicht muss bei der Prüfung des Verschuldens auf die für eine Prozessführung erforderliche, übliche Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts abgestellt werden ( - NJW 1985, 1710 m.w.N.; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 30. Aufl. § 233 Rdn. 13; Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 233 Rdn. 13). Erkennt ein Rechtsanwalt, dass er eine gesetzliche oder richterlich gesetzte Frist nicht einhalten kann, muss er durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung dafür Sorge tragen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht notwendig wird (Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 233 Rdn. 23 "Fristverlängerung"). Kommt eine Verlängerung der einzuhaltenden Frist etwa aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht, gebietet es die anwaltliche Sorgfalt, die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung der Frist zu ergreifen (Zöller/Greger, aaO; in diesem Sinne auch - FamRZ 2010, 370).

16(5) Diesen Anforderungen ist der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen werden, erhielt der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am Kenntnis von dem gerichtlichen Hinweis auf die Nichteinhaltung der Berufungsfrist. Obwohl der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wusste, dass er am eine Auslandsreise antreten werde, beschränkte er sich darauf, mit Schriftsatz vom eine Verlängerung der vom Berufungsgericht gesetzten Frist zur Stellungnahme um zwei Wochen zu beantragen. Bei Anwendung der erforderlichen und ihm zumutbaren anwaltlichen Sorgfalt hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten bereits am erkennen können, dass er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Berufungsfrist hätte stellen müssen und ihm hierzu nur eine Frist von zwei Wochen zur Verfügung stand, die mit der Kenntnis von dem gerichtlichen Hinweis am zu laufen begann (§ 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO). Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hätte sich daher in dem Zeitraum bis zum Antritt seiner Auslandsreise um Aufklärung bemühen müssen, welche Umstände zu der Versäumung der Berufungsfrist geführt haben. Dies wäre ihm auch zumutbar gewesen. Zwar hat er im Berufungsverfahren dargelegt, in welchem Umfang er in der Zeit vom bis terminlich gebunden war. Dadurch kann er sich jedoch nicht entlasten. Aufgrund der Dringlichkeit im vorliegenden Verfahren hätte er organisatorische Maßnahmen ergreifen müssen, um einen fristgerechten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorbereiten und stellen zu können. Dabei ist von einem Rechtsanwalt auch die Kenntnis zu verlangen, dass eine richterliche Verlängerung der Wiedereinsetzungsfrist gem. § 224 Abs. 2 ZPO grundsätzlich ausgeschlossen ist (OLG Zweibrücken MDR 2007, 294 m.w.N.; Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 233, Rdn. 23 "Rechtsanwalt"). Hierzu findet sich jedoch weder in dem Berufungsvorbringen noch in der Rechtsbeschwerde ein ausreichender Sachvortrag. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hätte sich lediglich die Akten vorlegen lassen und bei seinen Kanzleimitarbeitern nachfragen müssen, weshalb die Berufungsschrift an eine falsche Telefaxnummer übermittelt worden ist. Dies wäre ihm trotz der verschiedenen Auswärtstermine, die er zwischen dem und wahrnehmen musste, zumutbar gewesen. Schließlich hatte er auch die Zeit gefunden, sich mit der Sache zu befassen und mit Schriftsatz vom beim Berufungsgericht eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu beantragen.

17Das Berufungsgericht hat daher dem Beklagten zu Recht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewährt.

184. Schließlich wird die Versäumung der Berufungsfrist auch nicht dadurch entschuldigt, dass die Generalstaatsanwaltschaft die per Telefax eingegangene Berufungsschrift nicht noch am an das Oberlandesgericht weitergeleitet hat.

19a) Die Rechtsbeschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Rechtsuchender grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass ein einmal mit der Sache befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird (BVerfGE 93, 99, 115 f.; BVerfG NJW 2001, 1343). Eine weitergehende Verpflichtung, etwa eine beschleunigte Weiterleitung an das zuständige Gericht oder eine Verpflichtung, die Partei oder deren Prozessbevollmächtigten durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung der Berufung bei einem unzuständigen Gericht zu unterrichten, ergibt sich von Verfassungs wegen jedoch nicht (BVerfG NJW 2001, 1343). Denn sonst würde der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien vollständig abgenommen und dem unzuständigen Gericht übertragen (BVerfG aaO). Offen gelassen hat das Bundesverfassungsgericht bislang die Frage, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn die Berufung bei einem Gericht eingereicht wurde, das bislang mit der Sache nicht befasst war (BVerfG aaO). Der Bundesgerichtshof wendet die gleichen Grundsätze an und sieht keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen und vorher mit der Sache noch nicht befassten Gerichts, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern (statt vieler - NJW-RR 2004, 1655, 1656 m.w.N.).

20b) Auf dieser rechtlichen Grundlage ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Die Berufungsschrift ist am bei der Generalstaatsanwaltschaft, mithin einer völlig unzuständigen Behörde eingegangen. Da selbst ein Gericht, das mit dem Verfahren vorbefasst war, nur verpflichtet ist, für eine Weiterleitung der Berufungsschrift im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs zu sorgen, können sich für die Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft keine weitergehenden Pflichten ergeben. Da die Berufung am zwischen 14.54 Uhr und 15.15 Uhr bei der Generalstaatsanwaltschaft einging, war eine Weiterleitung des Schriftsatzes an diesem Tag im ordentlichen Geschäftsgang nicht mehr möglich. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass nicht als besonders eilig gekennzeichnete Faxeingänge nur einmal täglich nach Eingang der Post (regelmäßig zwischen 09.30 Uhr und 10.00 Uhr) abgetragen werden und daher im Rahmen des ordentlichen Geschäftsverkehrs ein Zutrag an das Berufungsgericht erst am nächsten Tag erfolgen konnte. Das Berufungsgericht hat zudem festgestellt, dass der Schriftsatz vom nicht als besonders eilbedürftig gekennzeichnet war. Der baldige Ablauf der Berufungsfrist wäre daher nur durch eine konkrete Fristberechnung anhand des Inhalts des Schriftsatzes möglich gewesen. Dazu waren die Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft jedoch nicht verpflichtet.

Dose                                Vézina                              Klinkhammer

               Schilling                                Günter

Fundstelle(n):
HAAAD-42425