BFH Beschluss v. - IV B 8/09

Begriff des Grundbesitzes in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG; keine erweiterte Kürzung bei obligatorischen Nutzungsrechten an fremdem Boden

Leitsatz

Ein obligatorisches Nutzungsrecht an fremdem Grund und Boden führt nach grundsteuerrechtlichen Maßstäben nicht zu einer Belastung mit Grundsteuer und braucht folglich auch nicht im Rahmen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG Berücksichtigung zu finden.

Gesetze: GewStG § 9 Nr. 1 Satz 2, BewG § 68, BewG § 70, GrStG § 2, GrStG § 10 Abs. 1, GG Art. 103 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2, FGO § 96 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

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Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung entspricht jedenfalls teilweise schon nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—); im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Dies ist nur der Fall, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt; die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom V B 80/05, BFH/NV 2006, 1250; vom V B 222/06, BFHE 217, 310, BStBl II 2008, 163; vom VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45; vom VI B 70/07, BFH/NV 2008, 216, jeweils m.w.N.). Eine Rechtsfrage ist u.a. nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen (BFH-Beschlüsse vom IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587; vom XI B 242/03, BFH/NV 2005, 1236).

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a) Es kann offen bleiben, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon deshalb nicht hinreichend schlüssig dargelegt hat, weil sie einerseits —anders als das Finanzgericht (FG)— davon ausgeht, sie habe mit dem Pachtzins für das streitbefangene Parkplatzgelände für einen Überbau entschädigt werden sollen, sich andererseits aber sinngemäß dem FG darin anschließt, dass ein (obligatorisches) Nutzungsrecht der Klägerin an dem Parkplatzgelände bestanden habe, und daran anknüpfend als grundsätzlich bedeutsam die Frage aufwirft, ob auch ein „gefestigtes obligatorisches Nutzungsrecht” an fremdem Boden zu „eigenem Grundbesitz” i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und damit zu einer sog. erweiterten Kürzung i.S. dieser Vorschrift führen könne.

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b) Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage lässt sich anhand der bisherigen Rechtsprechung des BFH —im Sinne der vom FG vertretenen Rechtsauffassung— beantworten. Nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Meinung im Schrifttum ist der Begriff „Grundbesitz” in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ebenso wie in Satz 1 dieser Bestimmung im (gegenüber dem Einkommensteuerrecht engeren) bewertungsrechtlichen Sinne zu verstehen (vgl. Senatsurteil vom IV R 19/05, BFHE 219, 190, m.w.N.). Diese Begriffsbestimmung ist auf den Zweck des § 9 Nr. 1 GewStG zurückzuführen. Die Vorschrift dient der Vermeidung einer Doppelbelastung von Grundbesitz innerhalb der Realsteuern durch Gewerbesteuer und Grundsteuer (z.B. , BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359; vom VIII R 3/03, BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778; vom I R 56/07, BFH/NV 2008, 1359; in BFHE 219, 190; vom IV R 80/06, BFH/NV 2009, 1279; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 45, jeweils m.w.N.). Ein Unterschied zwischen den Kürzungsbestimmungen des § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG einerseits und § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG andererseits besteht nur insoweit, als § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG lediglich zu einer Verminderung der Doppelbelastung von Grundbesitz mit Grund- und Gewerbesteuer führt, wohingegen § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG die Doppelbelastung in vollem Umfang vermeidet, allerdings nur für Grundstücksunternehmen und im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 219, 190, m.w.N.). Bei Erträgen, die nicht auf die Nutzung und Verwaltung von Grundbesitz im bewertungsrechtlichen Sinne zurückzuführen sind, ist eine Doppelbelastung durch Grundsteuer und Gewerbesteuer nicht zu befürchten (vgl. Senatsurteil in BFHE 219, 190, m.w.N.). Denn in diesem Fall scheidet eine Belastung mit Grundsteuer aus, weil Steuergegenstand bei der Grundsteuer nach § 2 des Grundsteuergesetzes (GrStG) der Grundbesitz i.S. des Bewertungsgesetzes (BewG) ist. Dazu zählt Nr. 2 der Vorschrift auch die Grundstücke i.S. der §§ 68, 70 BewG. § 70 Abs. 1 BewG bestimmt, dass jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein Grundstück i.S. dieses Gesetzes bildet. Der Begriff des Grundvermögens im bewertungsrechtlichen Sinne ergibt sich aus § 68 BewG. Danach gehören zum Grundvermögen insbesondere der Grund und Boden, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Als rechtliche Bestandteile gehören auch die mit dem Grundstück verbundenen subjektiv-dinglichen Rechte (so etwa Grunddienstbarkeiten, § 1018 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zum Grundvermögen (vgl. , BFHE 222, 57, BStBl II 2009, 132; Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 68 BewG Rz 11). Obligatorische Nutzungsrechte zählen hingegen nicht als solche rechtliche Bestandteile. Demnach führt ein obligatorisches Nutzungsrecht nach grundsteuerrechtlichen Maßstäben nicht zu einer Belastung mit Grundsteuer und braucht folglich auch nicht im Rahmen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG Berücksichtigung zu finden. Ob nicht der Steuerschuldner der Grundsteuer —nach § 10 Abs. 1 GrStG derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist—, sondern ein Dritter aufgrund zivilrechtlicher Verträge wirtschaftlich mit Grundsteuer belastet wird, ist im Rahmen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht von Bedeutung. Deshalb führte auch nicht zu einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, wenn auf die Klägerin, die nach den Feststellungen des FG nach den Regelungen des zwischen ihr und der X geschlossenen „Vertrags über Parkraumbewirtschaftung” die laufenden Kosten der Parkraumbewirtschaftung zu tragen hatte, das Grundstück der X betreffende Grundsteuer ganz oder teilweise abgewälzt worden wäre.

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c) Soweit dem Vorbringen der Klägerin darüber hinaus —sinngemäß— die Frage zu entnehmen ist, inwieweit sie an dem streitbefangenen Parkplatzgelände auch im Rahmen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG beachtliches wirtschaftliches Eigentum (vgl. dazu Blümich/Gosch, § 9 GewStG, Rz 20 und 65) erlangt haben könnte, wirft sie gleichfalls keine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage auf. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Abgabenordnung setzt wirtschaftliches Eigentum an einem Wirtschaftsgut voraus, dass der Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausgeschlossen werden kann. Dies jedoch bestimmt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 39 AO Rz 24, m.w.N.) und kann schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung erlangen. Soweit nach dem auch für § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG maßgeblichen bewertungsrechtlichen Maßstab des § 70 Abs. 3 BewG abweichend von den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften als Grundstück auch ein Gebäude gilt, das auf fremdem Grund und Boden errichtet worden ist, liegt diese Situation —ungeachtet der Frage, inwieweit hieraus ein Revisionszulassungsgrund folgen könnte— im Streitfall nicht vor.

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2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als u.a. der BFH oder ein anderes FG. Das abweichende Gericht muss seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (BFH-Beschlüsse vom VI B 154/05, BFH/NV 2007, 51; in BFH/NV 2008, 216). In der Beschwerdebegründung müssen deshalb rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze in den jeweiligen Entscheidungen so genau bezeichnet werden, dass die Abweichung erkennbar ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom IV B 128/05, BFH/NV 2007, 243, m.w.N.; vom IV B 53/08, juris). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift der Klägerin indes nicht gerecht. Im Übrigen wendet sich die Klägerin im Kern gegen die Würdigung des FG, bei der dieses die Annahme eines (obligatorischen) Nutzungsrechts der Klägerin an dem im Eigentum der X stehenden (überwiegenden) Teil des streitbefangenen Parkplatzgeländes auf den im Dezember 1988 zwischen der Klägerin und der X abgeschlossenen „Vertrag über Parkplatzbewirtschaftung” gestützt hat. Eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen, die fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles oder bloße Subsumtionsfehler des FG können jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (z.B. BFH-Beschlüsse vom VII B 334/03, BFH/NV 2004, 974; vom IX B 38/05, BFH/NV 2006, 772; vom I B 56-59/05, BFH/NV 2006, 96). Ein offensichtlicher Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung (vgl. z.B. , BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.), der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO führt, ist von der Klägerin weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

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3. Die Zulassung der Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geboten. Die Klägerin hat nicht hinreichend schlüssig vorgetragen, dass das FG eine Überraschungsentscheidung erlassen und dadurch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt hat. Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom IV B 96/95, BFH/NV 1996, 919; vom IX B 258/07, BFH/NV 2008, 1180; vom IX B 74/09, juris; vom III B 205/08, juris). Rechtskundig vertretene Beteiligte müssen grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einrichten (z.B. , BFH/NV 2007, 1135, m.w.N.). Wenn einerseits die Klägerin rügt, dass die vor dem FG erörterten „zivilrechtlichen Vorfragen” —darunter die Auslegung des „Vertrags über Parkplatzbewirtschaftung"— nicht streitentscheidend gewesen seien, andererseits das FG seine Entscheidung u.a. auf eine auch unter Einbeziehung einer von der Klägerin vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme vorgenommene Würdigung des genannten, zwischen der Klägerin und der X geschlossenen Vertrags gestützt hat, so lässt dies nach den zuvor genannten Maßstäben keinen Gehörsverstoß erkennen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 464 Nr. 3
LAAAD-37053