Aussetzender Forstbetrieb; keine Befreiung von der Grundsteuer für eine sich selbst überlassene Waldfläche
Leitsatz
Bei Waldungen, deren Bestände nur aus einer oder aus wenigen Altersklassen bestehen - wie dies etwa für Bauernwaldungen typisch ist -, kann sich der Bogen von der Anpflanzung bis zur Ernte über einen langen Zeitraum erstrecken, ohne dass zwischenzeitlich eine nachhaltige Bestandspflege oder ein Holzeinschlag stattfindet. Es liegt dann sowohl ertragsteuer- als auch bewertungsrechtlich ein aussetzender Forstbetrieb vor.
Er ist auch Forstbetrieb in der Hand eines Eigentümers oder eines Nutzers, der die Waldflächen in dieser Zeit zwischen Aufforstung und Ernte erwirbt und wieder veräußert bzw. das Nutzungsrecht an diesen Waldungen erlangt und wieder verliert, weil er bereits durch den natürlichen Baumwuchs schon in der Gegenwart etwa durch den Veräußerungserlös an der künftigen Fruchtziehung partizipiert.
Ein aussetzender Forstbetrieb liegt nicht vor, wenn zu dem maßgebenden Bewertungsstichtag aufgrund objektiver Kriterien feststeht, dass eine Ernte des zu diesem Stichtag vorhandenen Baumbestandes künftig unterbleiben wird.
Bei Grundstücken, die nicht rechtsförmlich als Naturschutzgebiete ausgewiesen sind, macht die bloße Absicht desjenigen, der im Bewertungszeitpunkt Eigentümer bzw. Nutzer der Waldflächen ist, die Ernte dieses Holzes künftig zu unterlassen, das Unterbleiben der Ernte noch nicht zur feststehenden Tatsache.
Das gilt auch dann, wenn es sich bei dem Eigentümer/Nutzer um eine Körperschaft handelt, deren Satzung ausdrücklich eine künftige Holzernte untersagt. Vielmehr müssten in einem derartigen Fall zusätzlich sowohl der Fortbestand der Körperschaft aus auch deren Eigentümerstellung bzw. Nutzungsberechtigung bis zum spätestmöglichen Zeitpunkt einer gedachten, aber satzungsgemäß zu unterlassenden Holzernte gesichert sein.
Gesetze: BewG § 125 Abs. 2, GrStG § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b, GrStG § 6
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) verfolgt als eingetragener Verein gemeinnützige Zwecke im Naturschutz. Er erwarb bis dahin land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen, um diese sich selbst zu überlassen.
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Für die aus landwirtschaftlich genutzten Flächen von 0,8921 ha bestehende Nutzungseinheit war gegen ihn im Wege der Nachveranlagung auf den ein Grundsteuermessbescheid ergangen, mit dem der Messbetrag bei einem Ersatzwirtschaftswert von 1.500 DM auf 9 DM festgesetzt worden war.
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Unter dem Datum des übersandte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) dem Kläger eine „Mitteilung über Neuveranlagungsberechnung”, mit der er ihn darüber unterrichtete, dass trotz der Veränderung im Grundstücksbestand der Nutzungseinheit —Zugang von zwei Waldflächen im Gesamtumfang von 8,7546 ha; Abgang bei den landwirtschaftlich genutzten Flächen von 0,4641 ha— und eines sich daraus ergebenden Ersatzwirtschaftswerts von 1.800 DM für die Gesamtfläche von (8,7546 + 0,4280 =) 9,1826 ha eine Neuveranlagung auf den nicht in Betracht komme, da die Wertgrenzen des § 22 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht überschritten seien. Auf diese Mitteilung reagierte der Kläger mit einem als „Widerspruch” bezeichneten Schreiben, mit dem er verlangte, ihm Grundsteuerbefreiung zu gewähren, da er die Grundstücke nicht nutze, sondern sich selbst überlasse (natürliche Sukzession).
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Das FA behandelte dieses Schreiben als Einspruch, den es sodann als unbegründet zurückwies. Dagegen erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, das FA zu verpflichten, bei einem Ersatzwirtschaftswert von 0 DM den Grundsteuermessbetrag auf den auf 0 DM festzusetzen, hilfsweise den Ersatzwirtschaftswert sowie den Grundsteuermessbetrag unter der Annahme zu berechnen, dass die streitgegenständlichen Flächen Geringst- oder Unland seien.
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Das Finanzgericht (FG) hielt die Mitteilung vom nicht für einen Verwaltungsakt, sah aber in dem Einspruch des Klägers einen Antrag auf Neufestsetzung des Grundsteuermessbetrags auf den , der spätestens mit der Einspruchsentscheidung abgelehnt worden sei. Davon ausgehend hielt es die Klage für zulässig und insofern für teilweise begründet, als die ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen seiner Ansicht nach gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b des Grundsteuergesetzes (GrStG) von der Grundsteuer befreit seien. Diese Flächen würden für den steuerbegünstigten Zweck des Naturschutzes benutzt, ohne gleichzeitig landwirtschaftlich genutzt zu werden, sodass § 6 GrStG nicht einschlägig sei. Anders sei die Rechtslage bei den Waldflächen. Bezüglich dieser Flächen dauere die forstwirtschaftliche Nutzung nach den Grundsätzen des (BFH/NV 2000, 1455) über den Eigentumserwerb durch den Kläger hinaus fort. Bei einem sogenannten aussetzenden Forstbetrieb verkörpere nämlich allein der natürlich wachsende Baumbestand bereits den Betrieb.
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Die Steuerbefreiung der landwirtschaftlich genutzten Flächen führte zu einer Ermäßigung des Ersatzwirtschaftswerts auf 1.000 DM. Damit waren die Wertgrenzen für eine Neufestsetzung des Grundsteuermessbetrags auf den (Herabsetzung auf 6 DM) überschritten. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1815 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung des § 6 GrStG sowie eine mangelnde Sachaufklärung durch Übergehen eines Beweisangebots. Er, der Kläger, unterhalte keinen aussetzenden Forstbetrieb, da er die erworbenen Waldflächen auf Dauer —d.h. unter Ausschluss jeder künftigen Holzernte— sich selbst überlasse.
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Der Kläger beantragt, das FA unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Ablehnungsverfügung in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom zu verpflichten, den Grundsteuermessbetrag für die streitbefangene Nutzungseinheit —bestehend aus 0,4280 ha ehemals landwirtschaftlich genutzter Fläche und 8,7546 ha Waldfläche— auf den bei einem Ersatzwirtschaftswert von 0 DM auf 0 DM festzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Recht eine Grundsteuerbefreiung für die streitbefangene Nutzungseinheit verneint.
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1. Das FG hat zutreffend die Klage als zulässig angesehen. Dem Erfordernis des § 44 Abs. 1 FGO ist genügt. Die Einspruchsentscheidung ist zu Recht als solche bezeichnet und stellt nicht etwa lediglich einen einfachen Verwaltungsakt dar (vgl. zu den unterschiedlichen Rechtsfolgen: Bartone in Beermann/Gosch, § 348 AO Rz 4). Sollte die „Mitteilung” des FA vom , wonach auf den keine Neuveranlagung durchzuführen sei, noch keine Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des Steuerrechts dargestellt haben (§ 118 Satz 1 der Abgabenordnung —AO—) und daher noch kein Verwaltungsakt gewesen sein, wären jedoch dem Schriftwechsel zwischen dem Kläger und dem FA in der Zeit vom bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung sowohl ein Antrag auf Neuveranlagung auf den als auch dessen Ablehnung durch die Behörde und ein Einspruch des Klägers zu entnehmen. Der Antrag läge dann in dem als Widerspruch bezeichneten Schreiben, die Ablehnung entweder in dem Schriftsatz des FA vom oder in dem vom und der Einspruch in dem Schriftsatz des Klägers vom . Der Einspruch wäre auf jeden Fall fristgemäß eingelegt, da weder der Schriftsatz vom noch derjenige vom eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt (§ 356 Abs. 2 Satz 1 AO).
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2. Gemäß § 125 Abs. 2 Satz 1 BewG werden im Beitrittsgebiet für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (mit Ausnahme der Wohngebäude und des zu diesen Gebäuden gehörenden Grund und Bodens) anstelle der Einheitswerte und damit abweichend von § 19 Abs. 1 BewG Ersatzwirtschaftswerte ermittelt und ab der Besteuerung zugrunde gelegt. Diese Ersatzwirtschaftswerte sind gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2 BewG für sogenannte Nutzungseinheiten zu ermitteln, in die alle von derselben Person (Nutzer) regelmäßig selbst genutzten Wirtschaftsgüter des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens i.S. des § 33 Abs. 2 BewG einbezogen werden, und zwar auch dann, wenn der Nutzer nicht Eigentümer ist. Gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 BewG gelten die Ersatzwirtschaftswerte für die Grundsteuer und sind als unselbständige Besteuerungsgrundlagen im Grundsteuermessbetragsverfahren zu ermitteln. Wird wegen Änderung des Ersatzwirtschaftswerts eine Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrages erforderlich, gelten nach § 126 Abs. 1 Satz 2 BewG sinngemäß die Fortschreibungsgrenzen des § 22 Abs. 1 BewG. Diese Grenzen sind vorliegend überschritten.
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3. Mangels einer gesonderten Feststellung der Ersatzwirtschaftswerte ist über das Vorliegen eines der Befreiungstatbestände der §§ 3 und 4 GrStG im Grundsteuermessbetragsverfahren zu entscheiden (vgl. dazu , BFHE 144, 201, BStBl II 1986, 128).
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a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG ist —soweit hier maßgebend— Grundbesitz einer Körperschaft, die nach Satzung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient, von der Grundsteuer befreit. Wird ein solchermaßen gemeinnützigen Zwecken dienender Grundbesitz zugleich land- und forstwirtschaftlich genutzt, gilt jedoch gemäß § 6 GrStG die Befreiung nur, wenn weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Scheidet deren Erfüllung —wie hier— von vornherein aus, ist entscheidend, ob tatsächlich eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung vorliegt. Anders als gemäß § 33 Abs. 1 BewG, nach dem auch dann auf die Zweckbestimmung zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung abzustellen ist, wenn das Grundstück auf bestimmte oder unbestimmte Zeit nicht bewirtschaftet wird (vgl. dazu , BFHE 220, 508, BStBl II 2008, 951), muss im Anwendungsbereich des § 6 GrStG eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung tatsächlich vorliegen (so , BFHE 181, 515, BStBl II 1997, 228, sowie Gr, BG, EFG 2006, 528, 529; vgl. auch Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums vom - G 1102 - 18 - 34, Der Betrieb 1981, 1164; dagegen widersprüchlich: Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2006, § 6 Rz 2).
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b) Unter Land- und Forstwirtschaft versteht man die planmäßige und nachhaltige Ausnutzung der natürlichen Kräfte des Grund und Bodens zur Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse sowie deren unmittelbare Verwertung durch Verkauf und/ oder Selbstverbrauch (so BFH in BFHE 181, 515, BStBl II 1997, 228, unter II.2.b). Die Forstwirtschaft weist jedoch Besonderheiten auf. Während nämlich bei der Landwirtschaft die planmäßige Nutzung des Grund und Bodens durch Fruchtziehung in der Regel Jahr für Jahr der Jahreszeit entsprechende Arbeiten erfordert und jedes Jahr Erträge erwirtschaftet werden können, liegen die Verhältnisse bei der Forstwirtschaft insofern grundsätzlich anders, als zwischen der Aufforstung einer Waldfläche und der Holzernte je nach Umtriebszeit und Holzart mehrere Jahrzehnte vergehen können (so , BFHE 118, 441, BStBl II 1976, 482, 483). Insbesondere bei Waldungen, deren Bestände nur aus einer oder aus wenigen Altersklassen bestehen —wie dies etwa für Bauernwaldungen typisch ist—, kann sich der Bogen von der Anpflanzung bis zur Ernte über einen langen Zeitraum erstrecken, ohne dass zwischenzeitlich eine nachhaltige Bestandspflege oder ein Holzeinschlag stattfindet (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1455, unter 2.c). Man spricht dann sowohl ertragsteuer- als auch bewertungsrechtlich von einem aussetzenden Forstbetrieb. Er ist auch Forstbetrieb in der Hand eines Eigentümers oder (im Anwendungsbereich des § 125 Abs. 2 BewG) eines Nutzers, der die Waldflächen in dieser Zeit zwischen Aufforstung und Ernte erwirbt und wieder veräußert bzw. das Nutzungsrecht an diesen Waldungen erlangt und wieder verliert, weil er bereits durch den natürlichen Baumwuchs schon in der Gegenwart etwa durch den Veräußerungserlös an der künftigen Fruchtziehung partizipiert (BFH-Urteil in BFHE 118, 441, BStBl II 1976, 482, 484).
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c) Die Rechtsprechung zum aussetzenden Forstbetrieb beruht auf der Annahme, auf den betroffenen Waldflächen werde es in der Zukunft zu einer Holzernte kommen. Stünde zu dem maßgebenden Bewertungsstichtag aufgrund objektiver Kriterien fest, dass eine Ernte des zu diesem Stichtag vorhandenen Baumbestandes künftig unterbleiben wird, wäre dieser Annahme der Boden entzogen. Jedenfalls bei Grundstücken, die nicht rechtsförmlich als Naturschutzgebiete ausgewiesen sind, macht aber die bloße Absicht desjenigen, der im Bewertungszeitpunkt Eigentümer bzw. Nutzer der Waldflächen ist, die Ernte dieses Holzes künftig zu unterlassen, das Unterbleiben der Ernte noch nicht zur feststehenden Tatsache. Das gilt auch dann, wenn es sich bei dem Eigentümer/Nutzer um eine Körperschaft handelt, deren Satzung ausdrücklich eine künftige Holzernte untersagt. Vielmehr müssten in einem derartigen Fall zusätzlich sowohl der Fortbestand der Körperschaft als auch deren Eigentümerstellung bzw. Nutzungsberechtigung bis zum spätestmöglichen Zeitpunkt einer gedachten, aber satzungsgemäß zu unterlassenden Holzernte gesichert sein. Daran fehlt es im Streitfall.
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4. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung greift im Streitfall nicht durch. Unter der auch vom FG vertretenen Annahme eines aussetzenden Forstbetriebs ist das Unterlassen jeglicher Bestandspflege nicht rechtserheblich. Infolgedessen brauchte den dazu erfolgten Beweisanträgen nicht entsprochen zu werden.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 466 Nr. 3
RAAAD-35175