Zurückweisung eines in einem anderen Mitgliedstaat der EU niedergelassenen Steuerberaters als Bevollmächtigter; Dienstleistungsfreiheit nach EG-Recht
Gesetze: FGO § 62 Abs. 2, StBerG § 3, EG Art. 49, EG Art. 50, EG Art. 43
Instanzenzug:
Gründe
I. In dem vor dem Finanzgericht Köln (FG) geführten Klageverfahren 6 K 2811/04 hat das FG den Prozessbevollmächtigten der Kläger gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen unbefugter geschäftsmäßiger Hilfe in Steuersachen mit Beschluss vom zurückgewiesen. Dagegen hat der zurückgewiesene Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen fristgerecht Beschwerde eingelegt, der das nicht abgeholfen hat.
II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des FG wird als unbegründet zurückgewiesen (§ 132 FGO). Das FG hat den Beschwerdeführer mit Recht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO als Bevollmächtigten zurückgewiesen, weil er nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt war (vgl. , BFH/NV 2000, 326, 327).
1. In der Sache folgt der erkennende Senat den rechtlichen Ausführungen des VII. Senats des , VII S 41/02 (BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422), der ebenfalls den Beschwerdeführer betrifft.
a) Der Beschwerdeführer war nicht nach § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, weil seine Bestellung als Steuerberater zum maßgebenden Zeitpunkt durch Bescheid des Finanzministeriums bestandskräftig widerrufen worden war. Der Widerrufbescheid ist durch rechtskräftiges Urteil des FG bestätigt worden. Die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der (BFH/NV 2002, 1499) zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen worden ().
b) Dahingestellt bleiben kann, ob der Beschwerdeführer nach dem Recht der Staaten (Belgien und Niederlande), in denen er niedergelassen zu sein behauptet, überhaupt zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt ist.
c) Die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen, von deren Fehlen das FG im Streitfall ausgegangen ist, steht nach § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater (7.StBÄndG) vom (BGBl I 2000, 874) auch Personen und Vereinigungen zu, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung eine Dienstleistung nach Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza (EG) vom (konsolidierte Fassung: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 2002 Nr. C 325/1) erbringen. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum 7.StBÄndG heißt es insoweit, dass mit der Beschränkung dieses Erlaubnistatbestands auf Erbringer von Dienstleistungen in Steuersachen im Anwendungsbereich des Art. 50 EG den Anforderungen des Vertrages im Bereich der Dienstleistungsfreiheit bei grenzüberschreitender Hilfeleistung in Steuersachen Rechnung getragen werde (BTDrucks 14/2667, S. 27).
Von dem für § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG somit maßgebenden Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG werden nur grenzüberschreitende vorübergehende Hilfeleistungen in Steuersachen erfasst. Dienstleistungen i.S. des Art. 50 EG sind danach zeitlich beschränkte Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Satz 3 EG: „vorübergehend”) in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. 205/84, EuGHE 1986, 3755, 3801; vom Rs. C-55/94, EuGHE 1995, I-4165, 4195; vom Rs. C-215/01, EuGHE 2003, I-14847; BFH-Beschlüsse in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422, m.w.N.; vom VII B 99/03, BFH/NV 2004, 827).
Der vorübergehende Charakter einer grenzüberschreitenden Dienstleistung ist nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen, und er schließt nicht die Möglichkeit für den Dienstleistungserbringer i.S. des Art. 50 EG aus, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder einer Kanzlei) auszustatten, soweit diese Infrastruktur für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist. Wer dagegen in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, fällt unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das FG den vorübergehenden Charakter der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Inland zutreffend verneint. Wer, wie der Beschwerdeführer, im Inland nicht nur einzelne, sondern mehrere Steuerpflichtige an verschiedenen Orten berät und vor verschiedenen Finanzämtern und Finanzgerichten in einer Vielzahl von Verfahren vertritt, ist nicht nur vorübergehend im Inland tätig, sondern erbringt seine Leistungen in stabiler und kontinuierlicher Weise und überschreitet somit den durch die Dienstleistungsfreiheit gezogenen Rahmen. Deshalb geht auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf den vom Bundesgerichtshof (BGH) in einer Strafsache mit Urteil vom 3 StR 385/04 (Neue Juristische Wochenschrift 2005, 3732) entschiedenen Fall ins Leere, in dem der BGH von einer lediglich vorübergehenden Dienstleistung ausging.
2. Die diesen Überlegungen zugrunde liegenden Grundsätze beruhen auf einer gefestigten Rechtsprechung des EuGH und des BFH. Der angerufene Senat hat daher keine Zweifel daran, dass durch § 3 Nr. 4 StBerG die in Art. 43 ff. EG gewährleistete Niederlassungsfreiheit und die in Art. 49 ff. EG gewährleistete Dienstleistungsfreiheit nicht unzulässig beeinträchtigt werden (BFH-Beschlüsse in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; in BFH/NV 2004, 827). Zu der vom Beschwerdeführer begehrten Anrufung des EuGH zum Zwecke einer Vorabentscheidung über die Auslegung der für den Streitfall maßgeblichen Vorschriften des EG besteht daher kein Anlass.
3. § 3 StBerG, der die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen dem dort bezeichneten Personenkreis vorbehält, steht mit der nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierten Berufsfreiheit in Einklang (vgl. , BFHE 134, 206, BStBl II 1982, 43, und vom VII R 27/82, BFHE 138, 129, BStBl II 1983, 318).
Es handelt sich insoweit nicht um eine unzumutbare Einschränkung der Berufsfreiheit. Die Steuerberatung ist ein Teil der Rechtsberatung. Die Berufsaufgaben des Steuerberaters dienen der Steuerrechtspflege und damit einem wichtigen Gemeinschaftsgut. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass es —wie es das BVerfG für den Bereich des Handwerks mit Beschluss vom 1 BvR 1730/02 (Deutsches Verwaltungsblatt 2006, 244; Steuerberatung 2006, 146) angenommen hat— zweifelhaft erscheinen muss, ob die Voraussetzungen, die § 3 StBerG für die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen aufstellt, mit Blick auf die Veränderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Umstände noch zumutbar sind. Die Anforderungen, die eine zuverlässige Hilfeleistung in Steuersachen stellt, sind in Anbetracht der allseits unbestrittenen Kompliziertheit des deutschen Steuersystems eher gestiegen. Angesichts dieses Umstandes ist nicht ersichtlich, dass sich Steuerberater in Deutschland einer ähnlich ernsthaften Konkurrenz von Dienstleistern aus anderen Mitgliedstaaten im Rahmen grenzüberschreitender vorübergehender steuerlicher Dienstleistungen gegenübersehen, wie sie das BVerfG für das Handwerk angenommen hat (vgl. dazu , BFH/NV 2007, 785). Zu einer Vorlage an das BVerfG besteht daher kein Anlass.
Fundstelle(n):
OAAAC-51982