BGH Beschluss v. - XII ZB 207/06

Leitsatz

[1] Hat eine anwaltlich vertretene Partei innerhalb der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe beantragt, so beginnt die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist spätestens in dem Zeitpunkt, in dem das Gericht ihr unter eingehender Darlegung der Berechnungen mitteilt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe (hier: nach § 115 Abs. 4 ZPO) nicht vorliegen. Jedenfalls von diesem Zeitpunkt an muss sie mit der Ablehnung ihres Prozesskostenhilfegesuchs rechnen; sie darf deshalb mit ihrem Wiedereinsetzungsgesuch und der Nachholung der versäumten Prozesshandlung nicht über die 14-Tage-Frist (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) hinaus zuwarten, bis das Gericht über ihr Gesuch entscheidet.

Gesetze: ZPO § 115 Abs. 4; ZPO § 234 Abs. 1 B; ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2

Instanzenzug: AG Steinfurt 10 F 139/05 vom OLG Hamm 8 UF 218/05 vom

Gründe

I.

Die Ehe der Parteien wurde durch Verbundurteil vom geschieden, der Zugewinnausgleich geregelt und der jetzige Kläger zur Tragung von 70 % der Verfahrenskosten verurteilt. Im vorliegenden Verfahren wendet sich der Kläger mit der Vollstreckungsgegenklage unter Berufung auf eine von den Parteien am geschlossene außergerichtliche Vereinbarung gegen die Vollstreckung aus dem zugunsten der Beklagten ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Klage mit einem dem Kläger am zugestellten Urteil abgewiesen. Mit einem am (Montag) eingegangenen Schriftsatz vom hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers um "Prozesskostenhilfe für die einzulegende Berufung" nachgesucht und mitgeteilt, den "Entwurf der Berufung" beizufügen. Dem Gesuch war ein Schriftsatz vom beigefügt, der als "Berufung" überschrieben und vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichnet war. Das die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsmittel mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht die am begründete Berufung als unzulässig verworfen. Der Schriftsatz des Klägers vom sei nur als Entwurf einer Berufungsschrift anzusehen; durch die späteren Schriftsätze des Klägers vom und habe die Berufungsfrist nicht mehr gewahrt werden können. Die vom Kläger nachgesuchte Prozesskostenhilfe rechtfertige eine Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist nicht, da die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingereicht worden sei, der Prozesskostenhilfeantrag keine hinreichende Bezugnahme auf die Erklärung erster Instanz enthalte und der Kläger nachträglich eingeräumt habe, dass dies wegen einer zwischenzeitlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geschehen sei.

Mit einem am eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten II. Instanz hat der Kläger um Prozesskostenhilfe zur Durchführung einer Rechtsbeschwerde gegen diese ihm am zugestellte Entscheidung nachgesucht. Der Rechtspfleger beim Bundesgerichtshof hat den Prozessbevollmächtigten mit einem am zugegangenen Schreiben unter eingehender Darlegung seiner Berechnung darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vorlägen. Das einzusetzende Einkommen des Klägers verpflichte diesen zu Ratenzahlungen; die voraussichtlichen Prozesskosten würden sich nur auf das 2,4-fache der danach zu leistenden Monatsrate belaufen (vgl. § 115 Abs. 4 ZPO). Der Prozessbevollmächtigte II. Instanz hat gleichwohl um eine Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch gebeten. Der Senat hat daraufhin mit einem dem Prozessbevollmächtigten II. Instanz am zugestellten Beschluss den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe unter Hinweis auf § 115 Abs. 4 ZPO abgelehnt. Mit einem am eingegangenen Schriftsatz haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers Rechtsbeschwerde erhoben und Wiedereinsetzung in die Rechtsbeschwerdefrist beantragt. Die Rechtsbeschwerde haben sie mit einem am eingegangenen Schriftsatz begründet und zugleich Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde begehrt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, aber unzulässig.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht innerhalb der am (Montag) abgelaufenen Rechtsbeschwerdefrist (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingelegt worden. Dem Kläger kann insoweit auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Zwar ist einer Partei auch nach Ablehnung eines innerhalb der Frist für die versäumte Prozesshandlung angebrachten vollständigen Prozesskostenhilfegesuchs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung ihres Gesuchs rechnen musste. Diese Voraussetzung war jedoch spätestens in dem Zeitpunkt entfallen, in dem der Rechtspfleger beim Bundesgerichtshof dem anwaltlich vertretenen Kläger - unter eingehender Darlegung des Zahlenmaterials - mitgeteilt hatte, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 115 Abs. 4 ZPO nicht vorlägen. Jedenfalls nach dieser seinem Prozessbevollmächtigten am zugegangenen Mitteilung durfte der Kläger nicht mehr davon ausgehen, dass seinem Prozesskostenhilfegesuch entsprochen werde. Daran ändert auch der Hinweis der Rechtsbeschwerde nichts, dass § 115 Abs. 4 ZPO rechtspolitisch umstritten sei. Der Kläger durfte insbesondere nicht zuwarten, bis der Senat sein Prozesskostenhilfegesuch - mit der bereits vom Rechtspfleger gegebenen und jedenfalls für seinen Prozessbevollmächtigten ohne weiteres nachvollziehbaren - Begründung ablehnen würde. Vielmehr hätte der anwaltlich vertretene Kläger binnen der bereits mit dem ausführlich begründeten Bescheid des Rechtspflegers beginnenden 14-Tage-Frist (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand antragen und die versäumte Rechtsbeschwerde nachholen müssen. Das ist indes nicht geschehen. Der Kläger hat vielmehr erst am - mithin nach Ablauf der am beginnenden 14tägigen Wiedereinsetzungsfrist - die Wiedereinsetzung in die Rechtsbeschwerdefrist beantragt und die Rechtsbeschwerde durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt eingelegt. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist deshalb ohne Erfolg und die Rechtsbeschwerde unzulässig.

2. Die Rechtsbeschwerde ist aber auch deshalb unzulässig, weil ein Zulassungsgrund (§ 574 Abs.1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) nicht vorliegt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichthofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Die angefochtene Entscheidung lässt Rechtsfehler nicht erkennen, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Berufungsschriften und erschwert dem Kläger den Zugang zum Berufungsgericht nicht in unzumutbarer Weise.

a) Das Oberlandesgericht hat zu Recht die Berufungsfrist als nicht gewahrt angesehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Einlegung der Berufung mit dem Gesuch um Prozesskostenhilfe verbunden werden, wenn der Rechtsmittelführer unabhängig von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe bereits zur Durchführung der Berufung entschlossen ist. Hierfür muss ein von einem zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichneter Schriftsatz eingereicht werden, der inhaltlich den Anforderungen des § 519 ZPO entspricht und darüber hinaus als Vornahme der Prozesshandlung - Einlegung der Berufung - bestimmt ist. Das ist nicht der Fall, wenn sich trotz Erfüllung der Voraussetzungen des § 519 ZPO aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt, dass der Schriftsatz nicht zur Einlegung des Rechtsmittels, sondern nur zur Darlegung der Erfolgsaussicht dienen soll (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschlüsse BGHZ 165, 318, 320 f. = FamRZ 2006, 400 f., vom ­ XII ZB 25/04 ­ FamRZ 2004, 1553, 1554 und vom ­ XII ZB 114/99 ­ FamRZ 2001, 907). So liegen die Dinge hier. Zwar erfüllt der als Berufung überschriebene und vom Prozessbevollmächtigten unterzeichnete Schriftsatz des Klägers vom für sich allein die formalen Voraussetzungen einer Berufungsschrift. Der Kläger hat in seinem Prozesskostenhilfegesuch jedoch ausdrücklich und zweifelsfrei klargestellt, dass dieser Schriftsatz nur den Entwurf einer Berufungsschrift darstellen solle. Das ergibt sich, worauf das Oberlandesgericht zu Recht hinweist, aus dem Umstand, dass dieser dem Prozesskostenhilfegesuch als Anlage beigefügte Schriftsatz im Prozesskostenhilfegesuch ausdrücklich als "Entwurf" bezeichnet wird und das Gesuch insoweit von einer (erst noch) "einzulegenden" Berufung spricht. Die Tatsache, dass der als Berufung überschriebene Schriftsatz ein früheres Datum () als das Prozesskostenhilfegesuch () trägt, ändert daran nichts. Ebenso vermag auch der im Schriftsatz vom enthaltene Antrag, die Zwangsvollstreckung einstweilen ohne Sicherheitsleistung einzustellen, nichts an dem objektiv-eindeutigen Entwurfscharakter dieses Schreibens zu ändern.

b) Das Oberlandesgericht hat dem Kläger auch zu Recht eine Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist verwehrt. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass die Formulierungen seines Prozesskostenhilfegesuchs, die den beigefügten Schriftsatz vom nur als den Entwurf einer Berufungsschrift erscheinen lassen, auf einem "Redaktionsversehen" seines Prozessbevollmächtigten II. Instanz beruhen, kann dies den Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO nicht entlasten. Andere Gründe, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

3. Schließlich ist die Rechtsbeschwerde auch deshalb unzulässig, weil der Kläger die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde nicht gewahrt und die Wiedereinsetzung in diese Frist zwar beantragt, aber diesen Antrag nicht, wie von § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO verlangt, begründet hat. Eine Wiedereinsetzung kann zwar nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch von Amts wegen gewährt werden, wenn die versäumte Prozesshandlung innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt wird. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung offenkundig sind (vgl. Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 236 Rdn. 5 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 793 Nr. 12
PAAAC-41154

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja