BFH Beschluss v. - VII B 54/06

Milchabgabe: Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht

Leitsatz

1. Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 1788/2003 ist die gemeinschaftsrechtliche Grundlage für die Erhebung einer Abgabe für vermarktete Mengen von Kuhmilch oder anderen Milcherzeugnissen, die die einzelstaatliche Referenzmenge überschreiten.

2. Die nationale Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Milchabgabe ist § 19 MilchAbgV. Diese Vorschrift findet eine ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage in § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 MOG. Die fehlende Bezeichnung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlage in der Rechtsverordnung stellt keinen Verstoß gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG dar.

3. Ernstliche Zweifel, dass § 19 MilchAbgV mit höherrangigem Recht vereinbar ist, werden weder dadurch begründet, dass die VO Nr. 1788/2003 den Mitgliedstaaten bezüglich der Saldierung mit ungenutzten Teilen der einzelstaatlichen Referenzmenge Spielräume belässt, noch dadurch, dass den Mitgliedstaaten die Einführung eines neuen Systems für die Übertragung von Referenzmengen eröffnet worden ist.

Gesetze: GG Art. 80 Abs. 1 Satz 2GG Art. 80 Abs. 1 Satz 3VO Nr. 1788/2003 VO Nr. 1788/2003 Art. 1 Abs. 1MOG § 1 Abs. 2MOG § 12 Abs. 2MilchAbgV § 19AO 1977 AO 1977 § 150AO 1977 § 168FGO § 69 Abs. 3

Instanzenzug:

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Milcherzeuger und beliefert eine Molkerei. Im Zwölf-Monats-Zeitraum 2004/2005 überlieferte er die ihm zugeteilte Anlieferungs-Referenzmenge. Gegen die entsprechende Abgabeanmeldung durch die Molkerei erhob er Einspruch, über den der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) noch nicht entschieden hat; den daneben gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das HZA ab.

Den daraufhin beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag auf AdV, den der Antragsteller auf gemeinschaftsrechtliche und verfassungsrechtliche Mängel des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I 1995, 1146) und der Verordnung zur Durchführung der EG-Milchabgabenregelung (MilchabgabenverordnungMilchAbgV—) vom (BGBl I 2004, 2143) stützt, lehnte das FG ebenfalls ab. Das FG entschied, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Abgabenfestsetzung nicht bestünden; diese sei mit den Vorschriften der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung —ZusAbgV—) vom (BGBl I 2000, 27) sowie der MilchAbgV vereinbar und finde ihre Rechtsgrundlage in § 19 MilchAbgV. Die MilchAbgV verstoße nicht gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 des Grundgesetzes (GG) und finde in § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 MOG eine ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage. Auch sei dem Verordnungsgeber nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise die Entscheidung übertragen worden, ob überhaupt und unter welchen Bedingungen eine Abgabe erhoben und wie diese berechnet werde. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass —wie der Antragsteller meine— aufgrund der in den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften eingeräumten Ermächtigung ein Paradigmenwechsel insoweit eingetreten sei, dass das vorherige Übertragungssystem durch ein anderes ersetzt worden sei, denn die vorgetragenen damit zusammenhängenden verfassungsrechtlichen Bedenken beträfen nur die Einführung des neuen Übertragungssystems, deren Regelungen vorliegend nicht streitentscheidend seien.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein auf AdV der Abgabenfestsetzung gerichtetes Begehren weiter. Sowohl § 12 MOG als auch § 2 MilchAbgV seien nicht ausreichend bestimmt; die Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht reiche insoweit nicht. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe die Ansicht vertreten, dass der durch die im Streitfall maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen eingetretene Paradigmenwechsel durch eine grundsätzliche Entscheidung des nationalen Gesetzgebers hätte nachvollzogen werden müssen. Die Ansicht des FG, dass sich die Einführung des Übertragungssystems für Referenzmengen auf die Abgabenerhebung nicht auswirke, sei unzutreffend, denn es bestehe ein enger Zusammenhang zwischen Verfügbarkeit der Quote und Höhe der Abgabe. Die nach Ansicht des BVerwG nicht verfassungsgemäße Einführung des Börsensystems habe neben der Erhöhung der Quotenpreise bei gleichzeitigem Sinken der Milchpreise dazu geführt, dass es den Milcherzeugern erheblich erschwert werde, Quoten zu erwerben und wachstumsorientiert zu wirtschaften, so dass sie darauf angewiesen seien, ihre Quoten zu überliefern. Das Börsensystem habe das Risiko, am Ende des Milchwirtschaftsjahres mit einer Abgabe belastet zu werden, deutlich erhöht. Die einzige Möglichkeit, die Überlieferung zu vermeiden, liege in der Stilllegung des Betriebs, was aber bei einem spezialisierten Milchviehbetrieb mangels anderer Geschäftsfelder nicht möglich sei. Wegen der somit bestehenden Wechselwirkung zwischen dem Börsensystem und der Höhe der Abgabenbelastung betreffe die vom BVerwG festgestellte Verfassungswidrigkeit des § 8 MOG auch die Verordnungsermächtigung des § 12 MOG.

Jedenfalls sei mit dem Erlass der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 (VO Nr. 1788/2003) des Rates vom über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (Amtsblatt der Europäischen Union —ABlEU— Nr. L 270/123) ein eigenständiger Paradigmenwechsel eingetreten, den der nationale Gesetzgeber nicht hätte ignorieren dürfen. Die Entscheidung über die durch das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten bei der Abgabenerhebung eingeräumten Spielräume sei nicht vom Gesetzgeber getroffen worden.

Des Weiteren entspreche die Erhebung der Milchabgabe auch nicht den für Sonderabgaben nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) geltenden Anforderungen. Die Auffassung des FG, dass diese Anforderungen nicht auf die Milchabgabe anwendbar seien, treffe nicht zu. Die nationalrechtliche Einführung des Börsensystems sowie die nationalrechtliche Entkoppelung der Milchprämie von der Quote bildeten außerdem aus abgabenrechtlicher Sicht einen eigenständigen nationalen Faktor, da durch diese nationalen Vorschriften das Abgabenrisiko des Milcherzeugers in beträchtlichem Maße erhöht werde. Eine Prüfung dieses nationalen Faktors auf seine Vereinbarkeit mit den Grundrechten führe zu dem Ergebnis, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt sei, denn die Milchabgabe entfalte im Zusammenhang mit den nationalen Vorschriften eine erdrosselnde Wirkung.

Es bestünden zudem Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung für die Erhebung einer Milchabgabe, da durch die Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 (VO Nr. 1255/1999) des Rates vom über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 160/48) der Grundtatbestand für die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor aufgehoben worden sei.

Schließlich fehle es auch an einem wirksam bekannt gegebenen Abgabenbescheid.

Das HZA trägt vor, dass Überlieferungen durch den Milcherzeuger nicht —wie der Antragsteller meine— unausweichlich seien. Vielmehr habe der Milcherzeuger die Möglichkeit, die Milchproduktion zu reduzieren oder Referenzmengen hinzuzuerwerben. Das Börsensystem stelle insoweit kein Hemmnis, sondern vielmehr eine Vereinfachung dar; auch sei der Quotenpreis seit der Einführung des Börsensystems tendenziell gesunken. Die Rechtsprechung des BVerfG zu Sonderabgaben sei auf die Milchabgabe als gemeinschaftsrechtliche Abgabe nicht anwendbar.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat den Antrag auf AdV zu Recht abgelehnt, da —wie das FG zutreffend ausgeführt hat— ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Abgabenfestsetzung nicht bestehen.

1. Die für den Streitfall maßgebliche Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Milchabgabe ist § 19 MilchAbgV. Nach Abs. 4 der Vorschrift übersendet die Molkerei dem zuständigen HZA innerhalb von vier Monaten nach dem Ablauf des jeweiligen Zwölf-Monats-Zeitraums eine Abgabeanmeldung für jeden Milcherzeuger, die (u.a.) die Höhe der Überschreitung der Anlieferungs-Referenzmenge und den Abgabebetrag enthält. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) steht diese Abgabeanmeldung einer Abgabenfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (Senatsbeschluss vom VII B 53/85, BFHE 143, 523, BStBl II 1985, 553; Senatsurteil vom VII R 9/99, BFHE 191, 162). Die an das HZA gerichtete Steueranmeldung ist somit kein Verwaltungsakt, sondern eine Steuererklärung i.S. des § 150 AO 1977, die lediglich einem Verwaltungsakt gleichgestellt ist; die Wirkungen einer Steueranmeldung, die —wie im Streitfall— keine Zustimmung der Finanzbehörde gemäß § 168 Satz 2 AO 1977 benötigt, treten mit ihrer Abgabe gegenüber der Finanzbehörde ein, einer gesonderten Bekanntgabe —wie sie die Beschwerde fordert— bedarf es daher nicht (vgl. dazu: , BFHE 186, 297, BStBl II 1998, 649). Das bedeutet indes nicht, dass der Milcherzeuger ohne Kenntnis von der beim HZA angemeldeten Abgabe bleibt, da die Molkerei ihm nach § 19 Abs. 6 MilchAbgV Mitteilung über die dem HZA nach § 19 Abs. 4 MilchAbgV übermittelten Daten zu machen hat.

2. Anders als die Beschwerde meint, fehlt es nicht an einer gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung für die Erhebung einer Milchabgabe. Zutreffend ist zwar, dass der 1984 eingefügte Art. 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (VO Nr. 804/68) des Rates vom über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABlEG Nr. L 148/13) die Grundvorschrift darstellte, der zufolge für die genannten nachfolgenden Zwölf-Monats-Zeiträume die Milchabgabe zu erheben war, und dass die VO Nr. 1255/1999, mit der die VO Nr. 804/68 aufgehoben worden ist, eine entsprechende Vorschrift nicht enthält. Allerdings fand sich diese Grundvorschrift bereits mit Wirkung ab dem nicht mehr in der VO Nr. 804/68 (vgl. die Änderungs-Verordnung (EWG) Nr. 2071/92 des Rates vom —ABlEG Nr. L 215/64—), sondern in Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 (VO Nr. 3950/92) des Rates vom über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABlEG Nr. L 405/1), wonach die Abgabe für weitere sieben Zwölf-Monats-Zeiträume ab dem zu erheben war. Diese Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 1 der (zeitgleich mit der VO Nr. 1255/1999 erlassenen) Änderungs-Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABlEG Nr. L 160/73) geändert worden; danach war die Abgabe für weitere acht Zwölf-Monats-Zeiträume ab dem zu erheben. Schließlich findet sich diese Grundvorschrift in Art. 1 Abs. 1 der im Streitfall anwendbaren VO Nr. 1788/2003, welche die VO Nr. 3950/92 abgelöst hat; dort heißt es, dass für elf aufeinander folgende Zwölf-Monats-Zeiträume ab dem eine Abgabe für vermarktete Mengen von Kuhmilch oder anderen Milcherzeugnissen erhoben wird, die die einzelstaatlichen Referenzmengen überschreiten. Der offenbar von der Beschwerde vertretenen Ansicht, dass die Grundvorschrift über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor auch in der Grundverordnung über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse enthalten sein müsse, ist nicht zu folgen. Anders als die Beschwerde meint, handelte bzw. handelt es sich bei den Ratsverordnungen VO Nr. 3950/92 und VO Nr. 1788/2003 nicht um bloße Ausführungsverordnungen, die einer Grundverordnung bedürfen.

3. Wie diese nach der genannten gemeinschaftsrechtlichen Regelung vorgeschriebene Milchabgabe zu erheben ist, wird —wie ausgeführt— in § 19 MilchAbgV geregelt. Anders als die Beschwerde meint, verstößt diese Vorschrift nicht gegen höherrangiges Recht und ist deshalb nicht nichtig.

a) Der Senat hat bereits zur früheren Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) entschieden, dass insoweit § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 MOG eine ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage i.S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt und dass die in jener Vorschrift enthaltene dynamische Verweisung auf das Gemeinschaftsrecht verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 309/02, BFHE 203, 243, m.w.N.). Zum einen ist der Gesetzgeber befugt, mit einer Verweisung auf Gemeinschaftsrecht Inhalt, Zweck und Ausmaß einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen näher zu bestimmen. Zum anderen sind die für die Erhebung der Milchabgabe maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auch ausreichend bestimmt. Die für den Streitfall geltende VO Nr. 1788/2003 regelt in Art. 1 Abs. 1 die Voraussetzungen für das Entstehen der Abgabenschuld, in Art. 2 die Höhe der Abgabe und in Art. 8 ff. die Berechnung der Abgabe, während die Durchführungsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 595/2004 der Kommission vom (ABlEU Nr. L 94/22) detaillierte Bestimmungen hinsichtlich der Berechnung und der Zahlung der Abgabe enthalten.

b) Des Weiteren hat sich der Senat in dem Beschluss in BFHE 203, 243 der Auffassung des BVerwG angeschlossen, dass ein Verstoß gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG nicht darin zu sehen ist, dass in einer Rechtsverordnung lediglich das zugrunde liegende einzelstaatliche förmliche Parlamentsgesetz, nicht jedoch auch die gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage angegeben ist (vgl.   3 C 10.02, BVerwGE 118, 70).

c) Der Umstand, dass die VO Nr. 3950/92 durch die VO Nr. 1788/2003 und die MGV durch die MilchAbgV abgelöst worden sind, gibt dem Senat keinen Anlass, von diesen Rechtsansichten abzugehen.

aa) Dass Art. 10 Abs. 3 VO Nr. 1788/2003 den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Frage der Zuweisung ungenutzter Teile der einzelstaatlichen Referenzmenge (sog. Saldierung) in verfahrensrechtlicher Hinsicht Spielräume überlässt, ist gegenüber der früheren Regelung des Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 3950/92 keine wesentliche Änderung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtslage. Auch die dazugehörige nationale Vorschrift des § 14 MilchAbgV entspricht im Wesentlichen der früheren Vorschrift des § 7b MGV. Der Gesetzgeber hat die durch Art. 10 Abs. 3 VO Nr. 1788/2003 nicht wesentlich geänderten gemeinschaftsrechtlichen Saldierungsvorschriften nicht zum Anlass genommen, den insoweit den Mitgliedstaaten eingeräumten Regelungsspielraum selbst auszufüllen und musste dies auch nicht tun, denn es handelt sich bei den insoweit eröffneten Saldierungsalternativen um verfahrensrechtliche Einzelheiten, deren Regelung nicht dem Gesetzgeber vorzubehalten ist. Am Grundprinzip der Milchabgabenregelung, dass der Milcherzeuger für die Überschreitung der einzelbetrieblichen Referenzmenge durch Zahlung des auf ihn entfallenden Teils der Abgabe einzustehen hat (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 48/05, zur Veröffentlichung bestimmt), hat sich durch die VO Nr. 1788/2003 und die Saldierungsregelungen ihres Art. 10 Abs. 3 nichts geändert.

bb) Soweit sich die Beschwerde auf den vom BVerwG in seinem Urteil vom 3 C 35.03 (BVerwGE 121, 382) festgestellten Paradigmenwechsel stützt, betrifft dieser —wie das BVerwG in dem Urteil ausdrücklich betont— nur die Einführung eines neuen Systems für die Übertragung von Referenzmengen. Von diesen Regelungen ist der Antragsteller im Streitfall nicht betroffen, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob er im maßgeblichen Zwölf-Monats-Zeitraum Referenzmengen hinzuerworben hat oder nicht, denn die Vorschriften über die Übertragung von Referenzmengen sind für die hier streitige Frage, ob die Milchabgabe rechtmäßig gegen den Antragsteller festgesetzt worden ist, nicht entscheidend.

Daran ändert auch das Vorbringen der Beschwerde nichts, mit dem sie versucht, einen engen Zusammenhang zwischen Verfügbarkeit der Quote und Höhe der Abgabe darzustellen. Auch wenn die Behauptung der Beschwerde zutreffen sollte, dass die Einführung des Börsensystems für die Übertragung von Referenzmengen und die daraus resultierende Erhöhung der Quotenpreise es den Milcherzeugern erheblich erschwere, Quoten zu erwerben (was das HZA bestreitet), ist kein tatsächlicher Zusammenhang —und erst recht kein rechtlicher Zusammenhang— zu der vom Milcherzeuger im Fall der Überlieferung zu zahlenden Milchabgabe erkennbar. Auch wenn ein Milcherzeuger keine oder nicht genug zusätzliche Referenzmengen erwerben konnte, weiß er doch, welche Referenzmenge in einem Zwölf-Monats-Zeitraum von ihm beliefert werden kann. Er kann seine Produktion darauf einstellen und sie im Fall einer drohenden Überlieferung drosseln. Überschreitet er mit seinen Lieferungen gleichwohl die ihm zustehende einzelbetriebliche Referenzmenge, dürfte dies oftmals beabsichtigt sein und in der Hoffnung geschehen, durch spätere Saldierungen der Überlieferungen mit Unterlieferungen der Zahlung der Milchabgabe entgehen zu können.

Selbst wenn es aber zutreffen sollte, dass —wie es die Beschwerde beschreibt— viele Milcherzeuger durch das Börsensystem und die Entkoppelung der Milchprämie von der Quote —was die Beschwerde den „nationalen Faktor” nennt— im Zusammenhang mit gleichzeitig sinkendem Milchpreis aus wirtschaftlichen Gründen zur Überlieferung und zur Spekulation auf die Saldierung gezwungen wären, um wachstumsorientiert zu wirtschaften, gäbe es gleichwohl keinen rechtlichen Zusammenhang zwischen diesem sog. „nationalen Faktor” und den Vorschriften, welche die Erhebung der Milchabgabe betreffen. Wie ausgeführt, hat sich an dem Grundprinzip der Milchabgabenregelung, wonach für die Liefermengen, welche in einem Zwölf-Monats-Zeitraum die festgesetzte Referenzmenge überschreiten, eine Abgabe zu zahlen ist, auch durch die im Streitfall anwendbaren gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften nichts geändert. Soweit daher der nationale Verordnungsgeber durch § 12 Abs. 2 Satz 1 MOG in Verbindung mit den früheren gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften betreffend die Milchabgabe in verfassungsrechtlich ausreichend bestimmter Weise zum Erlass von Durchführungsvorschriften betreffend die Abgabenerhebung ermächtigt war, ist er auch unter der Geltung der derzeitigen Gemeinschaftsverordnungen zur Beibehaltung dieser Durchführungsvorschriften ermächtigt. Die von der Beschwerde angegriffenen und als „nationaler Faktor” bezeichneten Vorschriften sind für den Streitfall nicht entscheidend. Wenn der Antragsteller meint, dass Milch erzeugende Betriebe wegen des sinkenden Milchpreises wachstumsorientiert wirtschaften müssten, hieran aber durch das vom nationalen Verordnungsgeber eingeführte Börsensystem gehindert würden, weil dieses den Erwerb der benötigten zusätzlichen Referenzmengen erschwere oder gar unmöglich mache, und wenn er aus diesem Grund das neue System für die Übertragung von Referenzmengen angreifen will, so ist die Anfechtung der Milchabgabenfestsetzung jedenfalls nicht der richtige rechtliche Rahmen, um dieses Ziel zu erreichen.

d) Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Milchabgabenerhebung bestehen schließlich auch nicht in Anbetracht der Rechtsprechung des BVerfG zu Sonderabgaben, auf die die Beschwerde sich stützt. Das BVerfG hat Kriterien entwickelt, nach denen sich außersteuerliche Abgaben von Steuern unterscheiden lassen, um die bundesstaatliche Finanzverfassung sowie die Budgethoheit des Parlaments vor Störungen zu schützen und den Erfordernissen des Individualschutzes der Steuerpflichtigen Rechnung zu tragen, und hat Sonderabgaben nur in engen verfassungsrechtlichen Grenzen für zulässig erachtet (, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, 256; , BVerfGE 91, 186). Diese verfassungsrechtlichen Grenzen betreffen somit —wie das FG zutreffend ausgeführt hat— nur nationale Sonderabgaben, um die es im Streitfall nicht geht. Die Milchabgabe ist eine gemeinschaftsrechtliche Abgabe. Dass dem nationalen Gesetzgeber —wie ausgeführt— durch mögliche Saldierungen ein Spielraum bei der Abgabenerhebung eingeräumt ist, ändert daran nichts.

Im Übrigen kann darauf verwiesen werden, dass die Milchabgabe sowohl vom beschließenden Senat als auch vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mehrfach auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht geprüft und bisher nicht grundsätzlich beanstandet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom VII S 21/98, BFH/NV 1999, 532, m.w.N.).

4. Dass die AdV der Abgabenfestsetzung wegen unbilliger Härte geboten ist, ist nicht ersichtlich. Gegen die diesbezüglichen Ausführungen des FG wendet sich die Beschwerde nicht.

Fundstelle(n):
BB 2007 S. 92 Nr. 2
BFH/NV 2007 S. 381 Nr. 2
DStRE 2007 S. 497 Nr. 8
HFR 2007 S. 261 Nr. 3
KÖSDI 2007 S. 15425 Nr. 2
StB 2007 S. 46 Nr. 2
StBW 2007 S. 7 Nr. 1
JAAAC-33458