BFH Beschluss v. - VIII B 172/05

Rüge einer überlangen Verfahrensdauer als Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG; keine Revisionszulassung wegen angeblicher Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils; Divergenz und Identität des Sachverhalts und der Rechtsfrage

Gesetze: FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keine der in § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO abschließend geregelten Zulassungsgründe entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. a) Soweit der Kläger Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung relevant sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (, BFH/NV 2003, 1325).

Gleiches gilt hinsichtlich der vom Kläger behaupteten unzulänglichen Beweiswürdigung, die revisionsrechtlich ebenfalls dem materiellen Recht zuzuordnen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 67/00, BFH/NV 2002, 45, 46; vom VIII B 191/03, BFH/NV 2005, 1318).

b) Einen sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehler, der ausnahmsweise die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO erfordert, hat der Kläger weder schlüssig dargetan, noch sind angesichts der ausführlichen Würdigung des Sachverhalts Anhaltspunkte hierfür ersichtlich.

Dafür kommen nur offensichtliche materielle oder formelle Fehler des Finanzgerichts (FG) im Sinne einer willkürlichen Entscheidung in Betracht. Dazu reicht indes nicht eine bloß fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles aus (BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom III B 143/04, BFH/NV 2005, 1632).

2. a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen (, BFH/NV 2005, 224).

b) Das vom Kläger benannte (BFHE 157, 80, BStBl II 1989, 776) betrifft Fragen der Steuerermäßigung nach § 34f des Einkommensteuergesetzes (EStG) und damit offensichtlich nicht die im Streitfall maßgebende Rechtsfrage nach dem Beginn eines Gewerbebetriebes.

Im Streitfall hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) und ihm folgend das FG für den Geschäftsbeginn der KG ausdrücklich das weite Verständnis dieses Begriffes hervorgehoben, wonach bereits bloße Vorbereitungshandlungen darunter fielen. Es hat jedoch als entscheidend angesehen, dass mangels wirksamer Einzelvertretung der KG gemäß § 125 des Handelsbesetzbuchs (HGB) im Verhältnis zu Dritten ein Geschäftsbeginn erst nach Zustimmung aller Gesellschafter in Betracht komme, jedoch der Kläger einen solchen einvernehmlichen Geschäftsbeginn bereits für das Jahr 1991 nicht nachgewiesen habe.

Für das FG war mithin nicht das Vorliegen von Vorbereitungshandlungen entscheidungserheblich. Es hat folglich auch keinen abweichenden Rechtssatz gegenüber dem (BFHE 124, 52, BStBl II 1978, 193) zum Beginn eines gewerblichen Grundstückshandels aufgestellt.

Das vom Kläger angeführte weitere (BFHE 133, 217, BStBl II 1981, 560) betrifft die Annahme inländischen Betriebsvermögens i.S. von § 121 Abs. 2 Nr. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft die im Inland eine Zweigniederlassung errichtet hat.

Für eine schlüssige Divergenzrüge hätte der Kläger jedoch insbesondere ausführen müssen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 38/02, BFH/NV 2002, 1443; vom VIII B 3/98, BFH/NV 1999, 1079; vom VIII B 97/99, nicht veröffentlicht —n.v.—, juris).

In der vermeintlichen Divergenzentscheidung führt der BFH zudem aus, der Kläger habe im Inland vor dem streitigen Stichtag bereits Aktivitäten entfaltet, die über bloße Vorbereitungshandlungen hinausgegangen seien.

Soweit der Kläger schließlich behauptet, das FG sei von einer früheren Entscheidung zu Az. 1 K 54/97 abgewichen, in welcher es den Beginn des Geschäftsbetriebes abweichend festgelegt habe, lässt sich anhand des Vortrags nicht ansatzweise erkennen, ob eine Divergenz in Betracht kommen könnte.

3. Soweit der Kläger eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch das FG durch Unterlassen einer Zeugeneinvernahme sowie der Beiziehung der Handelsregisterakten HRA 75 vom Amtsgericht A rügt, bezeichnet er ebenfalls nicht hinreichend Verfahrensmängel.

a) Der Kläger hat den Vorsteher des beklagten FA als Zeugen dafür benannt, dass „in die steuerliche Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung bei der KG steuerliche Erklärungen einer GbR seit 1990/91 einflössen”. Das FG hat diesen Beweisantrag zutreffend als unsubstantiiert beurteilt. Unsubstantiierten Beweisanträgen musste das FG jedoch nicht nachgehen (, BFH/NV 2003, 825).

Es fehlt bereits an der Angabe, um welche GbR es sich handeln soll.

Im Übrigen kommt es bei der Beurteilung, ob dem FG ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, auf dessen —ggf. auch unrichtigen— materiell-rechtlichen Standpunkt an (vgl. , BFH/NV 2005, 1811, m.w.N.).

Das FG hat jedoch eine Erklärungspflicht der KG erst für den Zeitraum nach dem angenommen und ausweislich der beigezogenen Akten des FA des Weiteren festgestellt, dass für die Jahre 1990 und 1991 auch keine Feststellungserklärungen von der KG eingereicht worden seien.

b) Ebenso wenig musste das FG —wie es zutreffend ausgeführt hat— die Handelsregisterakten HRA 75 des Amtsgerichts A mit sämtlichen Neben- und Beiakten beiziehen; denn der Kläger hatte nicht substantiiert dargelegt, welche für den —vom FG als entscheidungserheblich erachteten— gemeinsamen Beginn des Gewerbebetriebs durch die KG vor dem bedeutsamen Umstände diesen Akten zu entnehmen sein könnten. Überdies hat der Kläger auf Nachfrage des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung erklärt, bei seiner Akteneinsicht beim Registergericht keine über seinen bisherigen Vortrag hinausgehenden Tatsachen oder Beweismittel entdeckt zu haben.

4. Soweit sich der Kläger wegen einer angeblichen überlangen Verfahrensdauer auf Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskommission (MRK) beruft, sind die Artikel der MRK wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters der Besteuerung bereits nicht anwendbar (, BFH/NV 2003, 1603, m.w.N.).

Darüber hinaus hat der Kläger aber auch nicht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) eine dem FG anzulastende überlange Verfahrensdauer schlüssig dargelegt.

Hierzu müssten Umstände vorgetragen werden, die der Finanzverwaltung oder dem FG angelastet werden könnten und die Dauer des Verfahrens als unverständlich und nicht gerechtfertigt erscheinen ließen.

Der Kläger muss für eine zulässige Verfahrensrüge darlegen, worauf die Dauer des Verfahrens beruht und dass es bei einer kürzeren Verfahrensdauer zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können (, BFH/NV 2002, 1481, m.w.N.).

Bereits am Vortrag der Entscheidungserheblichkeit der beanstandeten Verfahrensdauer fehlt es.

Das konkrete Streitverfahren beruht im Übrigen auf einer erst im Jahr 2001 gegen die Einspruchsentscheidung vom eingereichten Klage. Der Kläger hat keine Umstände dargelegt, weshalb das FG dieses Klageverfahren, das einen umfangreichen Prüfungsstoff zum Gegenstand hat, in unangemessener langer Zeit entschieden hätte.

Das als Sprungklage unter Az. 1 K 494/98 anhängige Verfahren, das infolge der abgelehnten Zustimmung des FA ohne dies kraft Gesetzes als außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren weiter zu behandeln war (§ 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 FGO) ist im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens nicht zu beurteilen.

Der Kläger hat schließlich keine erstmals oder erneut klärungsbedürftige Rechtsfrage bezeichnet, um den angesprochenen Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO schlüssig darzutun.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 799 Nr. 4
WAAAB-77623