BFH Beschluss v. - VII B 61/04

Zeitausgleich im Fall einer zu korrigierenden Aufgabenstellung bei Steuerberaterprüfung

Gesetze: DVStB § 18 Abs. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erzielte im schriftlichen Teil der Steuerberaterprüfung 1998 die Durchschnittsnote 4,33 und in der mündlichen Prüfung die Durchschnittsnote 4,35, woraus sich die Gesamtnote 4,34 und damit das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung ergab. Für die Anfertigung der schriftlichen Arbeiten war der Klägerin auf ihren Antrag eine Schreibzeitverlängerung aus Krankheitsgründen von jeweils einer Stunde gewährt worden. Darüber hinaus war die Schreibzeit im Fach Buchführung und Bilanzwesen wegen eines nachträglich korrigierten Fehlers im Aufgabentext für alle Bewerber um eine halbe Stunde verlängert worden.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, dass die Prüfungsentscheidung auf einer Vielzahl von Verfahrens- und Bewertungsfehlern beruhe, und rügte u.a., dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses in der mündlichen Prüfung Fragen zu der seinerzeit noch gar nicht geltenden sog. Ökosteuer gestellt habe, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses ihr gegenüber befangen gewesen seien und dass ihr —in Anbetracht der ihr ohnehin gewährten krankheitsbedingten Schreibzeitverlängerung— hinsichtlich des Fehlers im Aufgabentext der Aufsichtsarbeit eine um fünf Minuten längere Schreibzeitverlängerung als den übrigen Bewerbern hätte bewilligt werden müssen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1166 veröffentlichten Gründen ab.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 2. Alternative und Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. Die Beschwerde hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die Prüfungsbehörde bei der Bewilligung von Schreibzeitverlängerungen wegen Beeinträchtigungen der Prüfung verpflichtet ist, denjenigen Bewerbern einen anteilig längeren Zeitausgleich zu gewähren, denen bereits eine generelle Schreibzeitverlängerung gemäß § 18 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) gewährt worden ist.

Der Senat kann es offen lassen, ob insoweit die Zulassungsvoraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ausreichend schlüssig dargelegt sind, da sich diese Frage nur in der Weise beantworten lässt, wie es das FG getan hat, und die Frage somit nicht klärungsbedürftig ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Zeitausgleich, der für eine während der Anfertigung einer schriftlichen Prüfungsarbeit notwendige Berichtigung der Aufgabenstellung bewilligt wird, nur pauschal für alle Bearbeiter der betreffenden Aufsichtsarbeit ohne Rücksicht auf die unterschiedlichen fachlichen Fähigkeiten und Belastbarkeiten einzelner Prüfungsteilnehmer gewährt werden kann und dass deshalb die Prüfungsbehörde hinsichtlich der Angemessenheit bzw. Zumutbarkeit des Zeitausgleichs auf einen durchschnittlichen Prüfungsteilnehmer abzustellen hat (Senatsurteil vom VII R 96/00, BFHE 196, 470, BStBl II 2002, 58).

Es ist weder von der Beschwerde dargelegt noch ersichtlich, dass insoweit eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung erforderlich ist, etwa weil die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten ist, insbesondere neue gewichtige, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden. Die für die genannte Entscheidung des Senats in BFHE 196, 470, BStBl II 2002, 58 maßgebliche Erwägung, dass sich im Einzelnen nicht feststellen lasse, in welche Schwierigkeiten jeder einzelne Prüfungsteilnehmer durch eine zunächst fehlerhafte Aufgabenstellung geraten ist, gilt in gleicher Weise hinsichtlich solcher Prüflinge, denen bereits im Voraus wegen einer körperlichen Behinderung Erleichterungen für die Fertigung der Aufsichtsarbeiten gemäß § 18 Abs. 3 DVStB gewährt worden sind. Die Annahme, dass ein solcher Prüfling im Fall einer zu korrigierenden Aufgabenstellung regelmäßig einen längeren Zeitausgleich als andere Bewerber benötigt, ist nicht gerechtfertigt. Im Streitfall kommt hinzu, dass aus Gründen einer vorliegenden Körperbehinderung eines Bewerbers die Bearbeitungszeit für eine Aufsichtsarbeit nach § 18 Abs. 3 Satz 2 DVStB bis zu höchstens einer Stunde verlängert werden kann. Eine solche Schreibzeitverlängerung war der Klägerin ohnehin schon gewährt worden, so dass die in ihrer Person bestehenden Krankheitsgründe einen weiteren Zeitausgleich nicht rechtfertigen konnten.

2. Anders als die Beschwerde meint, ist die Revision auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) erforderlich, weil das Urteil des FG hinsichtlich der Befangenheitsbesorgnis der Klägerin gegenüber den Prüfern angeblich auf einer greifbar gesetzeswidrigen Auslegung und Anwendung der §§ 83, 84 der Abgabenordnung (AO 1977) beruhe.

Vielmehr ist insofern der rechtliche Ausgangspunkt des FG (S. 12 des FG-Urteils) zutreffend, dass die Frage, ob ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Amtsträgers zu rechtfertigen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), objektiv aus der Sicht eines verständigen Bewerbers zu beantworten ist und dass eine bloße subjektive Besorgnis des jeweiligen Bewerbers nicht genügt (vgl. insoweit: Klein/ Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 83 Rz. 2; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 51 Rz. 47). Wenn die Beschwerde insoweit rügt, dass das FG in der Äußerung eines Mitglieds des Prüfungsausschusses, dass man „im dritten Versuch bessere Vornoten vorlegen müsse”, keinen Befangenheitsgrund gesehen habe, so wendet sie sich gegen die Tatsachenwürdigung und damit gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. , BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).

3. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, auf denen die Entscheidung des FG beruhen kann, sind nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO schlüssig dargelegt.

a) Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines vom FG übergangenen Beweisantrags gehört nach ständiger Rechtsprechung (u.a.) auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und , BFH/NV 1998, 608). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge (Senatsbeschluss vom VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597). An entsprechenden Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall; auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt sich kein Hinweis, dass die Klägerin Beweisanträge gestellt oder das Übergehen zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisanträge gerügt hat. Vielmehr hat sie den Klageantrag gestellt und nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage rügelos zur Sache verhandelt.

b) Die schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) erfordert Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines —insoweit maßgeblichen— Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat; schließlich, welches genaue Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93).

Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerde nicht gerecht. Anders als die Beschwerde meint, hätte das FG von seinem rechtlichen Standpunkt aus nicht Beweis darüber erheben müssen, ob die Benotung des letzten Abschnitts der mündlichen Prüfung der Klägerin maßgeblich auf ihr mangelndes Wissen hinsichtlich der sog. Ökosteuer zurückzuführen war. Das FG hat nämlich die Ansicht vertreten, dass mit Fragen zur Ökosteuer der in § 37 Abs. 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) beschriebene Bereich der Prüfungsgegenstände nicht verlassen worden sei. Daher durfte nach dem Rechtsstandpunkt des FG die Prüfungsleistung der Klägerin bezüglich des Themas Ökosteuer in die Leistungsbewertung einbezogen werden.

Soweit das FG die Ansicht vertreten hat, dass in der Steuerberaterprüfung auch Wissensgebiete gestreift werden dürften, die nicht zu den Prüfungsgebieten gemäß § 37 Abs. 3 StBerG gehörten, solange die dabei gezeigten Leistungen der Bewerber nicht in den Kernbereich der Leistungsbewertung einbezogen würden und der Prüfer sich bewusst sei, dass es sich hierbei um Grenzbereiche des eigentlichen Prüfungsgebietes handele, bezieht sich diese Aussage des Urteils allein auf die in der mündlichen Prüfung gestellten Fragen zum Finanzverfassungsrecht. Dass die gezeigten Prüfungsleistungen der Klägerin in diesem Bereich die Benotung maßgeblich beeinflusst haben und dass entsprechendes Vorbringen der Klägerin vom FG in verfahrensfehlerhafter Weise übergangen worden ist, ist weder von der Beschwerde dargelegt noch ersichtlich.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 921 Nr. 6
QAAAB-50836