BFH Beschluss v. - III B 177/05

Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung

Gesetze: EStG § 33

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden im Streitjahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie u.a. Aufwendungen in Höhe von 17 381 DM als außergewöhnliche Belastungen erfolglos geltend. Dabei handelt es sich um Folgekosten eines von den Klägern geführten Mietprozesses, in welchem die Kläger zur Zahlung rückständiger Miete und zur Räumung der Mietwohnung verurteilt worden sind. Im Klageverfahren trugen die Kläger vor, die CDU hätte ihre Vermieter, die Mitglieder dieser Partei seien, wegen einer Wahlprüfungsbeschwerde des Klägers aus dem Jahr 1990 veranlasst, den Räumungsprozess zu führen, wobei die Vermieter über die Gerichtspräsidenten auf die jeweiligen Zivilrichter Einfluss genommen hätten. Das Urteil des Amtsgerichts sei nicht vom gesetzlichen Richter gefällt worden und —ebenso wie das Urteil des Landgerichts— nicht ordnungsgemäß verkündet worden. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde berufen sich die Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), die Erforderlichkeit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und rügen die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Zu klären sei die Frage, in welchem Umfang Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) einen Wähler gegen staatliche und politische Willkür schütze. Auch sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob die wirtschaftlichen Folgen von Entscheidungen, die unter Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht ordnungsgemäß verkündet worden seien, als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen seien. Das FG habe entgegen der Rechtsprechung des BFH für die Beurteilung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen im Streitfall nicht den Streitgegenstand und die Ursachen des Streits berücksichtigt (, BFHE 77, 487, BStBl III 1963, 499, und vom III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Weiter tragen sie sinngemäß vor, das FG hätte aufklären müssen, dass die Urteile im Mietprozess unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zu Stande gekommen seien.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Die Kläger haben keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, ist die Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Fall voraussichtlich auch klärbar ist, darzulegen. Die Beurteilung der Rechtsfrage muss mithin entscheidungserheblich sein. Dazu ist auszuführen, dass die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage von einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängt. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen (vgl. Senatsbeschluss vom III B 33/05, BFH/NV 2006, 568).

Soweit die Kläger die Frage aufgeworfen haben, in welchem Umfang Art. 38 Abs. 1 GG einen Wähler gegen staatliche und politische Willkür schütze, haben sie nicht dargelegt, weshalb die Klärung dieser Rechtsfrage für die Entscheidung des Streitfalles entscheidungserheblich sein sollte. Ob die Aufwendungen im Streitfall als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, beurteilt sich im Übrigen allein nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung. Art. 38 Abs. 1 GG ist für die Anwendung des § 33 EStG völlig irrelevant.

In Bezug auf die Frage, ob die wirtschaftlichen Folgen von Entscheidungen, die unter Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht ordnungsgemäß verkündet worden sind, als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen seien, haben sich die Kläger nicht mit der Rechtsprechung des BFH auseinander gesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten —für sonstige Leistungsverpflichtungen aufgrund oder infolge gerichtlicher Entscheidungen gilt nichts anderes— nicht auf die Zwangsläufigkeit der Zahlungsverpflichtung selbst abzustellen, sondern darauf, ob das Ereignis, durch das der Rechtsstreit letztlich veranlasst worden ist, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war, er mithin dem Prozess aufgrund einer rechtlichen oder sittlichen Verpflichtung oder einer tatsächlichen Zwangslage nach den Gegebenheiten des Einelfalles nicht ausweichen konnte (vgl. , BFH/NV 2001, 1391, m.w.N.). Danach ist für die Beurteilung der Außergewöhnlichkeit der Kosten eines Prozesses und dessen Folgekosten unerheblich, ob die zivilprozessuale Entscheidung —die nur Folge der Prozessführung ist— unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist (vgl. Senatsbeschluss vom III B 55/02, BFH/NV 2003, 1324).

2. Aus den gleichen Gründen ist die Revision auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen. Auch der Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts erfordert als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) die Darlegung einer klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage (vgl. Senatsbeschluss vom III B 2/05, BFH/NV 2006, 910, m.w.N.).

3. Die Kläger haben nicht dargelegt, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) eine Entscheidung des BFH erfordert. Wird eine Divergenz gerügt, ist zumindest das Aktenzeichen oder die Fundstelle der BFH-Entscheidung anzugeben. Außerdem sind die tragenden abstrakten Rechtssätze aus dem FG-Urteil und aus der angeblich abweichenden BFH-Entscheidung so genau zu bezeichnen, dass eine Abweichung erkennbar wird (, BFH/NV 2005, 1758). Im Streitfall fehlt es an der Bezeichnung eines abstrakten Rechtssatzes aus dem FG-Urteil. Soweit die Kläger eine Divergenz behaupten, weil das FG entgegen den angeführten BFH-Urteilen, den individuellen Streitgegenstand und die Ursachen des Streites nicht berücksichtigt habe, wenden sie sich im Kern gegen die inhaltliche Richtigkeit des Urteils, womit die Zulassung der Revision indessen nicht erreicht werden kann (vgl. , BFH/NV 2002, 1331, m.w.N.). Die Kläger haben auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung (vgl. z.B. , BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.) dargelegt, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO führt. Ein solcher Rechtsanwendungsfehler ist auch nicht ersichtlich. Das FG hat im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH nachvollziehbar begründet, dass die im Streitfall geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen sind.

4. Schließlich haben die Kläger den geltend gemachten Verfahrensmangel der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht ordnungsgemäß gerügt, da sie nicht dargelegt haben, warum sich die Notwendigkeit einer Beweiserhebung dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen (vgl. , BFH/NV 2005, 921). Nach Auffassung des FG kam es für die Annahme einer außergewöhnlichen Belastung —im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH— allein auf die Zwangsläufigkeit des den Prozess auslösenden Ereignisses an. Verfahrens- bzw. materiell-rechtliche Fehler von gerichtlichen Entscheidungen sah es als für die Beurteilung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen unbeachtliche Folgen der Prozessführung an.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2251 Nr. 12
NAAAC-17274