Oberfinanzdirektion Chemnitz - S 2290 - 19/10 - St 22

Leitfaden zur steuerlichen Behandlung von Abfindungsleistungen (Stand 12/2004)

Bezug:

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Im Folgenden veröffentlicht die OFD den überarbeiteten Leitfaden zur steuerlichen Behandlung von Abfindungsleistungen. Der mit Verfügung vom veröffentlichte Leitfaden ist damit überholt.

Neu eingefügt wurden insbesondere Ausführungen zu folgenden Punkten:

  • Beendigung des Dienstverhältnisses wegen Erreichen der Altersgrenze (Tz. II.2.4.2)

  • Zusätzliche Entschädigungsleistungen des Arbeitgebers aus sozialer Fürsorge (Tz. III.2.1.3.1)

  • Vergütungen für mehrjährige Tätigkeit (Tz. III.2.2)

  • Ergänzende Hinweise zur Veranlagung (Tz. VI).

Die sich durch das (BStBl 2004 I S. 505, berichtigt in BStBl 2004 I S. 633) ergebenden Änderungen wurden berücksichtigt.

Im Übrigen wurden die DM-Beträge durch EUR-Beträge ersetzt.

Die Anlage 1 wurde ebenfalls überarbeitet.

I Allgemeines

Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses sind nach § 3 Nr. 9 EStG bis zu bestimmten Höchstbeträgen steuerfrei. Der diese Höchstbeträge übersteigende Teil der Abfindungen ist ermäßigt zu besteuern, wenn er die Voraussetzungen nach § 34 Abs. 1 i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 (§ 24 Nr. 1) oder § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllt.

Es ist grundsätzlich getrennt zu prüfen, ob

  1. die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 9 EStG greift

    und/oder

  2. außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 EStG vorliegen, die – in den VZ 1999 und 2000 auf Antrag – ermäßigt zu besteuern sind.

Der Arbeitnehmer hat in seiner Einkommensteuererklärung (Anlage N) neben dem steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn Entschädigungen einzutragen, die ermäßigt besteuert werden sollen. Zudem wird der Arbeitnehmer in der Anlage N gebeten, die Vertragsunterlagen beizufügen.

Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer im Lohnsteuer-Verfahren ermäßigt besteuerte Entschädigungsleistungen gesondert auf der Lohnsteuerbescheinigung ausweisen. Es ist zu beachten, dass hierin ein möglicher Freibetrag i. S. d. § 3 Nr. 9 EStG nicht enthalten ist.

Um die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 9 EStG bzw. ermäßigten Besteuerung i. S. d. § 34 EStG prüfen zu können, müssen insbesondere folgende Unterlagen vorliegen:

  • Vereinbarung der Entschädigungsleistungen

  • Kündigungsschreiben bzw. Aufhebungsvertrag oder entsprechende Unterlagen über die gerichtliche Auflösung des Dienstverhältnisses (z. B. Arbeitsgerichtsvergleich)

Aus den Unterlagen muss sich Art, Höhe und Zahlungszeitpunkt der Entschädigung ergeben (vgl. Anlage 1).

→ Hinweis zu Abfindungsleistungen an beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer:

Mit dem Steueränderungsgesetz 2003 wurde mit Wirkung zum geregelt, dass Abfindungsentschädigungen i. S. d. § 24 Nr. 1 EStG an beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG sind, soweit die Einkünfte, die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogen wurden, der inländischen Besteuerung unterlegen haben (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG). Die Lohnsteuerabzugsverpflichtung ergibt sich aus § 39d Abs. 3 EStG.


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Beispiel:
Das Dienstverhältnis des Arbeitnehmers A (50 Jahre) wird nach einer 25jährigen Beschäftigung für den Arbeitgeber B in Deutschland zum gegen eine Abfindung i. H. v. 40.000 EUR aufgelöst. A zieht am in die Schweiz um. Die Abfindung wird am ausgezahlt.
Lösung:
Die bisherigen Einkünfte (Arbeitslohn) unterlagen der inländischen Besteuerung, so dass die Abfindung als inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegt. § 3 Nr. 9 EStG ist anzuwenden. Eine ermäßigte Besteuerung des steuerpflichtigen Teils kommt im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht in Betracht (§ 39d Abs. 2 EStG, § 50 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG)
Da der Arbeitnehmer im VZ 01 jedoch teilweise beschränkt, teilweise unbeschränkt steuerpflichtig war, sind die während der beschränkten Steuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte in eine Veranlagung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht einzubeziehen, weshalb die Anwendung des § 34 EStG im Rahmen der Veranlagung zu prüfen ist.
 
BEACHTE:
Ist der Arbeitnehmer während des gesamten Kalenderjahres beschränkt steuerpflichtig, ist § 34 EStG nicht anzuwenden (§ 50 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG).

Wichtige Fundstellen:

  • zu Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Entlassungsentschädigungen, (BStBl 2004 I S. 505, berichtigt in BStBl 2004 I S. 633)

  • zu Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Entlassungsentschädigungen (BStBl 1998 I S. 1512) – nur Rn. 12, 13, 24 – 28, die für die dort genannten Zeiträume weiter anzuwenden sind (im Übrigen aufgehoben durch Rn. 23 des vgl. oben)

  • R 9 LStR 2004; H 9 LStH 2004; R 170, 171, 197 – 199, 200 EStR 2003; H 170, 171, 197 – 199, 200 EStH 2003

  • Lexikon für das Lohnbüro, Ausgabe 2004, Stichwort: „Abfindung wegen Entlassung aus dem Dienstverhältnis” sowie „Entschädigungen”

  • NWB, Fach 6, S. 4009 ff.

  • Hartz/Meeßen/Wolf ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: Entschädigungen (Abfindungen)

II Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 9 EStG

1 Begriff der Abfindung

1.1 Allgemeines

Abfindungen sind Zahlungen, die der Arbeitnehmer als Ausgleich für die mit der Auflösung des Dienstverhältnisses verbundenen Nachteile, insbesondere für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält. Dabei muss kein konkreter Nachteil gegeben sein. Es kann sich demnach auch dann um eine Abfindung handeln, wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmer umgehend einen neuen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber findet oder ein über das 65. Lebensjahr hinaus beschäftigter Arbeitnehmer, der bereits Rente bezieht, entlassen wird.

Zwischen der Zahlung der Abfindung durch den Arbeitgeber und der Auflösung des Dienstverhältnisses muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen (vgl. BStBl 1979 II S. 155). Auf einen zeitlichen Zusammenhang stellt § 3 Nr. 9 EStG nicht ab; ein erhebliches zeitliches Auseinanderfallen kann jedoch den sachlichen Zusammenhang in Frage stellen.

Die Abfindung soll einen gewissen Ausgleich für Vermögensverluste gewähren sowie dem Arbeitnehmer den Übergang in ein neues Dienstverhältnis oder den Ruhestand erleichtern. Die Abfindung trägt somit Entschädigungscharakter.

Ausgehend davon ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Leistungen des Arbeitgebers zum Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses einen bereits erdienten Anspruch abgelten und somit nicht zu den Abfindungen gehören, oder ob es sich um Leistungen zum Ausgleich der Härten wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses und somit um Abfindungen handelt (Frage: Wird die Leistung nur anlässlich oder wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses erbracht?).

Bei einem einheitlich als „Abfindung” bezeichneten Betrag, der sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt, ist für jeden Teil zu prüfen, inwieweit die o. g. Voraussetzungen vorliegen.

Zu den Abfindungen gehören u. a.
  • Zahlungen, mit denen entgehende bzw. entgangene Verdienstmöglichkeiten für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses abgegolten werden (vgl. BStBl 1979 II S. 155)

  • Vorruhestandsleistungen (vgl. BStBl 1980 II S. 205), insbesondere das Vorruhestandsgeld nach dem Vorruhestandsgesetz

  • Übergangsgelder, die aufgrund tarifvertraglicher Regelungen an Angestellte des öffentlichen Dienstes gezahlt werden (vgl. BStBl 1992 II S. 34) sowie

  • Veränderungsgeld (finanzieller Anreiz des Arbeitgebers, um die Beschäftigten zum freiwilligen Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis zu bewegen, vgl. Az. S 2290 – 8/5 – St 32).

Keine Abfindungen sind u. a.
  • Zahlungen zur Abgeltung vertraglicher Ansprüche, die der Arbeitnehmer aus dem. Dienstverhältnis bis zum Zeitpunkt der Auflösung erlangt hat (vgl. BStBl 1977 II S. 735; vom , BStBl 1979 II S. 155 und vom , BStBl 1991 II S. 723), wie z. B. Weihnachtsgeld, anteiliges Urlaubsgeld und Tantiemen (vgl. Rn. 4)

  • Zuwendungen, die bei einem Wechsel des Dienstverhältnisses vom neuen Arbeitgeber (vgl. BStBl 1993 II S. 447) oder anlässlich eines Arbeitgeberwechsels im Rahmen eines (Teil-)Betriebsübergangs (vgl. BStBl 1997 II S. 666) erbracht werden

  • die Abgeltung bereits unverfallbarer Pensionsansprüche (vgl. BStBl 1991 II S. 723) – vgl. Tz. II.1.2

Es ist unerheblich, auf welcher Rechtsgrundlage die Zahlung beruht. Eine Abfindung ist deshalb auch dann steuerfrei, wenn

  • sie bereits im ursprünglichen Anstellungsvertrag oder später als ergänzende Vereinbarung für den Fall einer Auflösung des Dienstverhältnisses festgelegt worden ist

  • der Arbeitnehmer ein generelles Angebot des Arbeitgebers annimmt, die Auflösung des Dienstverhältnisses durchzuführen (z. B. aufgrund eines Sozialplanes, eines Rationalisierungsabkommens oder Ähnlichem).

Abfindungen können in einer Summe, in Teilbeträgen oder laufenden Beträgen gezahlt werden (vgl. BStBl 1980 II S. 205).

1.2 Abgeltung betrieblicher Pensionsanwartschaften

Für die Frage, ob es sich bei der Abgeltung einer Pensionsanwartschaft um eine Abfindung im vorgenannten Sinne handelt, ist zwischen verfallbaren und unverfallbaren Pensionsanwartschaften zu unterscheiden.

Gemäß § 1b Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG; vgl. Anh. 2 LStHandbuch) werden Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung unverfallbar, wenn

  • das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 30. Lebensjahres endet

    und

  • die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens 5 Jahre bestanden hat.

Vor dem waren Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung unverfallbar, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls endete, sofern

  • der Arbeitnehmer in diesem Zeitpunkt mindestens das 35. Lebensjahr vollendet und die Versorgungszusage für ihn mindestens 10 Jahre bestanden hat

    oder

  • der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens 12 Jahre zurück liegt und die Versorgungszusage mindestens 3 Jahre bestanden hat.

Liegen die Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit vor, erstarkt die Vermögensposition des Arbeitnehmers zu einem Vermögenswert, der ihm nicht mehr einseitig durch den Arbeitgeber entzogen werden kann. War die Anwartschaft dementsprechend bereits bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses unverfallbar, ist eine zur Abgeltung des Barwerts dieser Anwartschaft erbrachte Leistung nicht steuerbegünstigt i. S. d. § 3 Nr. 9 EStG. Hier wird lediglich ein durch den Eintritt des Versorgungsfalls bedingter Anspruch vorzeitig erfüllt (vgl. a. a. O).

Ist die Anwartschaft noch verfallbar, ist § 3 Nr. 9 EStG anzuwenden, da in diesem Fall die durch die Auflösung des Dienstverhältnisses bedingten Nachteile ausgeglichen werden.

Soweit die Zahlungen des Arbeitgebers nicht den Barwert der bereits erworbenen, unverfallbaren Anwartschaft abgelten, sondern als Ausgleich dafür gezahlt werden, dass der Arbeitnehmer eine Verbesserung seiner betrieblichen Altersbezüge durch die Fortdauer des Dienstverhältnisses nicht mehr erreichen kann, liegt eine Abfindung i. S. d. § 3 Nr. 9 EStG vor (vgl. a. a. O.).

Zur Frage, ob bzw. inwieweit eine ermäßigte Besteuerung der Abgeltung der Pensionsanwartschaften in Betracht kommt vgl. Tz. III.2.3.

2 Auflösung des Dienstverhältnisses

2.1 Allgemeines

Wesentliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 9 EStG ist, dass das Dienstverhältnis vom Arbeitgeber veranlasst oder gerichtlich ausgesprochen endgültig aufgelöst worden ist (vgl. BStBl 1997 II S. 666).

Der Begriff des Dienstverhältnisses beurteilt sich nach den in § 1 Abs. 2 LStDV geregelten steuerlichen Gesichtspunkten. Steuerbegünstigt sind demnach nur Zahlungen an Arbeitnehmer (§ 1 Abs. 1 LStDV), die im öffentlichem oder privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen.

2.2 Endgültige Auflösung

Das Dienstverhältnis muss mit allen rechtlichen Konsequenzen aufgelöst sein (vgl. BStBl 1987 II S. 186).

Eine endgültige Auflösung kann – u. a. – bewirkt werden

  • durch vertragliche Vereinbarungen (Beispiel: Aufhebungsvertrag)

  • durch Kündigungen (ordentlich oder fristlos)

  • durch gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich

  • durch tarifvertragliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen.

Keine endgültige Auflösung liegt vor bei einer Änderungskündigung i. S. d. § 2 Kündigungsschutzgesetzes (Der Arbeitgeber kündigt das Arbeitsverhältnis und bietet dem Arbeitnehmer bei der Kündigung zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen an), wenn der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis unter Annahme der vom Arbeitgeber angebotenen Änderung fortsetzt.

Beispiel:

Der Arbeitnehmer war in einer Filiale eines Warenhauskonzerns bisher als Leiter des Einkaufs mit einem Gehalt von 3.500 EUR monatlich angestellt. Ab 01.09. wird die Einkaufsabteilung aufgelöst, der Einkauf vom Hauptbetrieb übernommen. Der Arbeitgeber bietet dem Arbeitnehmer die Leitung einer Verkaufsabteilung mit geminderten Gehalt von 3.000 EUR an, außerdem zahlt er als Ausgleich für künftig wegfallende Tantiemeansprüche eine Abfindung von 12.000 EUR.

Lösung:

Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot auf Fortsetzung des Dienstverhältnisses zu geänderten Bedingungen an, ist die Abfindung steuerpflichtig. Lehnt er das Angebot ab, bleibt die Abfindung bis zu den zutreffenden Höchstbeträgen steuerfrei (vgl. BStBl 1987 II S. 186).

BEACHTE:

Wird das Dienstverhältnis mit allen rechtlichen Konsequenzen aufgelöst und der Arbeitnehmer im Anschluss daran aufgrund eines neuen Arbeitsvertrages bei demselben Arbeitgeber zu völlig anderen Bedingungen weiterbeschäftigt, so wird durch die erneute Beschäftigung die Steuerfreiheit einer Abfindungszahlung nicht beeinträchtigt (vgl. BStBl 1990 II S. 1021).

Durch eine Umsetzung im Betrieb wird keine endgültige Auflösung des Dienstverhältnisses bewirkt, wenn der Arbeitgeber im lohnsteuerlichen Sinn der gleiche bleibt (Beispiel: Wechsel zu einem anderen Zweigbetrieb des Unternehmens).

Bei Umsetzungen innerhalb eines Konzerns ist allerdings trotz (formalen) Arbeitgeberwechsels nicht zwingend von einer Beendigung des bisherigen Dienstverhältnisses auszugehen. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Gesamtumstände für die Fortsetzung eines einheitlichen Dienstverhältnisses sprechen. Indizien hierfür können z. B. die unbegrenzte oder begrenzte Rückkehrmöglichkeit zum bisherigen Arbeitgeber, die Anrechnung bisheriger Dienstzeiten oder die Weitergeltung der bisherigen Pensionsregelungen sein (vgl. BStBl 1990 II S. 1021).

Keine endgültige Auflösung des Dienstverhältnisses wird bewirkt durch einen (Teil-) Betriebsübergang (Übergang des Betriebs auf einen neuen Betriebsinhaber, z. B. durch Unternehmenskauf, Umwandlung oder Verschmelzung; die Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverträge gehen nach § 613a BGB unverändert auf den übernehmenden Betrieb über, vgl. BStBl 1997 II S. 666).

Keine endgültige Auflösung stellt auch die Freistellung von der Arbeit dar (vgl. BStBl 1994 II S. 653).

2.3 Zeitpunkt der Auflösung

Mit dem Wirksamwerden der Auflösung endet das Recht des Arbeitnehmers auf Entlohnung. Nur solche Arbeitgeberleistungen, die über die Abgeltung der bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen (Lohn-)Ansprüche hinausgehen, können Abfindungen i. S. d. § 3 Nr. 9 EStG sein.

Ob und zu welchem Zeitpunkt das Dienstverhältnis aufgelöst worden ist, ist nach bürgerlichem Recht zu beurteilen (vgl. BStBl 1980 II S. 205).

Rückwirkende Beendigung des Dienstverhältnisses

Eine rückwirkende Vereinbarung der Beendigung des Dienstverhältnisses kann steuerlich nicht anerkannt werden, da die Besteuerung an die tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgänge anknüpft, die nicht ungeschehen gemacht werden können (Tipke/Kruse, AO § 38 Rz. 35).

Beispiel:

Der Arbeitnehmer hat einen Gehaltsanspruch von monatlich 2.500 EUR. Im Dezember 01 wird er nach zehnjähriger Tätigkeit mit sofortiger Wirkung von der Arbeit freigestellt, weil der Arbeitgeber die Stelle mit einem anderen Arbeitnehmer neu besetzen will. Am vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Auflösung des Dienstverhältnisses zum und eine „Abfindung wegen Verlusts des Arbeitsplatzes” von 60.000 EUR. In welcher Höhe liegt eine Abfindung i. S. d. § 3 Nr. 9 EStG vor (Arbeitgeberveranlassung vorausgesetzt)?

Durch die Freistellung von der Arbeit wird das Dienstverhältnis nicht beendet. Die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten bleiben bestehen; der Arbeitnehmer behält damit seinen Lohnanspruch bis zur wirksamen Auflösung des Dienstverhältnisses.

Vorliegend sollte das Dienstverhältnis mit Wirkung zum rückwirkend aufgelöst werden.

Da die entsprechende Vereinbarung jedoch steuerlich unbeachtlich ist, gilt das Dienstverhältnis erst mit Ablauf des als aufgelöst.

Das bis dahin zu zahlende Gehalt von 3.750 EUR (= 1,5 Monate × 2.500 EUR) ist von der als „Abfindung” bezeichneten Leistung abzuziehen und als Arbeitslohn zu versteuern.

Als Abfindung i. S. d. § 3 Nr. 9 EStG verbleiben 56.250 EUR, welche bis zum maßgebenden Höchstbetrag (vgl. Tz. II.3) steuerfrei ist.

Entsprechendes gilt auch, wenn der Arbeitgeber ein Dienstverhältnis unter Nichteinhaltung der Kündigungsfrist kündigt, ohne dass ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt, und die Beteiligten später rückwirkend die Auflösung des Dienstverhältnisses zu einem früheren Zeitpunkt vereinbaren.

2.4 Arbeitgeberveranlassung

Die Auflösung ist vom Arbeitgeber veranlasst, wenn er die entscheidenden Ursachen für die Auflösung gesetzt hat.

Entscheidend für die Beurteilung ist der tiefere Grund, der zur Beendigung des Dienstverhältnisses führt (z. B. vom Arbeitgeber geplanter Personalabbau). Auf den formalen Auflösungsakt, z. B. Kündigung durch den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, kommt es nicht an (vgl. BStBl 1977 II S. 735). Indiz für die Auflösung auf Veranlassung des Arbeitgebers ist die Zahlung einer Abfindung. Hat nämlich der Arbeitnehmer die Auflösung zu vertreten, besteht für den Arbeitgeber i. d. R. kein Grund eine Abfindung zu zahlen.

Beispiele für die Auflösung des Dienstverhältnisses auf Veranlassung des Arbeitgebers:

  • Der Arbeitnehmer kündigt, weil der Betrieb geschlossen werden soll oder um einer Kündigung durch den Arbeitgeber zuvorzukommen.

  • Einem leitenden Angestellten wird die Kündigung wegen schwerer Meinungsverschiedenheiten mit dem Arbeitgeber nahegelegt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren die Auflösung „im gegenseitigen Einvernehmen”, tatsächlich wird das Dienstverhältnis aber auf Druck des Arbeitgebers beendet.

  • Der Arbeitgeber will im Rahmen des Vorruhestands die Zahl der Arbeitnehmer verringern und schließt entsprechende Auflösungsverträge.

  • Der Arbeitgeber fordert die Auflösung des Dienstverhältnisses wegen Nichtvereinbarkeit des Dienstverhältnisses mit dem künftigen politischen Amt, weil der Arbeitnehmer als Spitzenkandidat seiner Partei ins Parlament gewählt wird (vgl. BStBl 2002 II S. 516).

Beispiele für die Auflösung des Dienstverhältnisses, die nicht auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgen:

  • Der Arbeitgeber kündigt dem Arbeitnehmer, da sich der Arbeitnehmer z. B. vertragswidrig verhalten hat. In diesem Fall wird die entscheidende Ursache für die Auflösung vom Arbeitnehmer gesetzt.

  • Der Arbeitnehmer kündigt selbst, da er die Fortsetzung des Dienstverhältnisses als Teilzeitdienstverhältnis nicht durchsetzen kann oder aus einem Grund, der in den persönlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers und nicht in der Sphäre des Arbeitgebers liegt.

  • Der Arbeitgeber kündigt, weil der Arbeitnehmer berufs- oder erwerbsunfähig (§§ 43, 44 SGB VI) ist und deshalb im Betrieb nicht weiterbeschäftigt werden kann.

Hat die Auflösung mehrere Ursachen, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu untersuchen, welche Ursache letztlich für die tatsächliche Beendigung des Dienstverhältnisses maßgeblich ist.

2.4.1 Beendigung durch Fristablauf

Eine Auflösung des Dienstverhältnisses i. S. d. § 3 Nr. 9 EStG liegt nicht vor, wenn ein befristetes Dienstverhältnis durch Zeitablauf endet (vgl. BStBl 1992 II S. 34).

Erfolgt vor Fristablauf eine Auflösung des Dienstverhältnisses ist, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen, eine steuerfreie Abfindung möglich (vgl. Bsp. Abwandlung 1).

Ist ein befristeter Arbeitsvertrag mit einer Klausel versehen, nach der sich das befristete Arbeitsverhältnis jeweils um bestimmte Zeit verlängert, wenn es nicht vorher gekündigt wird (Verlängerungsklausel), können aus Anlass der Kündigung gezahlte Abfindungen unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei ausgezahlt werden (vgl. Bsp. Abwandlung 2).

Beispiel:

Der Arbeitgeber stellt einen Arbeitnehmer für eine bestimmte Aufgabe ein. Von vornherein wird eine Beschäftigungszeit vom  –  vereinbart. Der Arbeitnehmer scheidet zum infolge Fristablauf aus. Der Arbeitgeber zahlt eine Abfindung.

Lösung:

Die Abfindung ist nicht nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei, da die Auflösung des Dienstverhältnisses auf der einvernehmlich getroffenen arbeitsvertraglichen Regelung und nicht auf Veranlassung des Arbeitgebers beruht.

Abwandlung 1:

Das befristet abgeschlossene Dienstverhältnis wird kurz vor Fristablauf vom Arbeitgeber gekündigt. Der Arbeitgeber zahlt eine Abfindung.

Lösung:

Es ist zu prüfen, was der tiefere Grund für das Auflösen des Dienstverhältnisses ist und ob ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) vorliegt.

Abwandlung 2:

Die arbeitsvertragliche Regelung sieht eine Verlängerungsklausel vor, wonach sich das Dienstverhältnis jeweils um eine bestimmte Frist verlängert. Der Arbeitgeber widerspricht der Verlängerung bzw. spricht zum Zeitpunkt der Verlängerung eine Kündigung aus.

Lösung:

Das befriste Dienstverhältnis endet durch das jetzige Verhalten des Arbeitgebers und nicht aufgrund der früheren Vereinbarung. Die Abfindung ist nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei.

2.4.2 Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichen der Altersgrenze

Erreicht ein Arbeitnehmer die allgemeine Altersgrenze (derzeit das 65. Lebensjahr), endet das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nur dann, wenn dies vertraglich (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) so vorgesehen ist. In diesem Fall endet das Arbeitsverhältnis durch Fristablauf (vgl. Tz. II.2.4.1) – die Zahlung einer steuerfreien Abfindung ist nicht möglich.

Darüber hinaus kann in kollektiven oder einzelvertraglichen Vereinbarungen festgelegt werden, dass die Arbeitnehmer auch über das 65. Lebensjahr hinaus in Voll- oder Teilzeit beschäftigt werden können (Lehmann in NJW 1994, S. 3054). Bei einer durch den Arbeitgeber veranlassten Kündigung mit Erreichen des 65. Lebensjahres oder zu einem späteren Zeitpunkt kann somit eine steuerbegünstigte Abfindung gezahlt werden.

Beispiel:

Im Tarifvertrag ist die (automatische) Beendigung des Dienstverhältnisses mit Erreichen des 65. Lebensjahres geregelt. Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer aus diesem Anlass eine Abfindung.

Lösung:

Die Abfindung ist nicht nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei, da das Dienstverhältnis durch eine vertragliche Regelung und nicht auf Veranlassung des Arbeitgebers zum Zeitpunkt des Erreichens des 65. Lebensjahres aufgelöst wird.

Abwandlung:

Es besteht keine vertragliche Regelung über eine (automatische) Beendigung des Dienstverhältnisses. Der Arbeitgeber kündigt dem Arbeitnehmer

  1. mit Erreichen des 65. Lebensjahres

  2. zu einem späteren Zeitpunkt

und zahlt eine Abfindung.

Lösung:

Sowohl bei a) als auch bei b) ist die Auflösung des Dienstverhältnisses nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen. Die Abfindung ist steuerfrei nach § 3 Nr. 9 EStG, da der Arbeitgeber durch sein Verhalten zum Zeitpunkt des Erreichens des 65. Lebensjahres die Auflösung des Dienstverhältnisses veranlasst hat.

Beantragt der Arbeitnehmer vor Vollendung des 65. Lebensjahres auf Druck des Arbeitgebers eine Rente und erhält hierfür eine Abfindung, so handelt es sich i. d. R. um eine steuerbegünstigte Abfindung i. S. d. § 3 Nr. 9 EStG. Der Arbeitnehmer beantragt die Rente nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Veranlassung des Arbeitgebers. Unter normalen Umständen hätte das Dienstverhältnis noch bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (ggf. auch darüber hinaus) weiterbestehen können (vgl. oben).

Vor Vollendung des 65. Lebensjahres können insbesondere folgende Altersrenten bezogen werden:

  • Altersrente für langjährig Versicherte nach Vollendung des 62. Lebensjahres (vor dem  – 63. Lebensjahr)

  • Altersrente für Schwerbehinderte nach Vollendung des 63. Lebensjahres (vor dem  – 60. Lebensjahr)

  • Altersrente für Frauen nach Vollendung des 60. Lebensjahres

  • Altersrente nach Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit nach Vollendung des 60. Lebensjahres

Ist in einer Vereinbarung vorgesehen, dass das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Altersrente beantragen kann, beendet wird, ist diese Vereinbarung gem. § 41 Satz 2 SGB VI nur dann wirksam, wenn sie innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder vom Arbeitnehmer bestätigt worden ist. Für die Beurteilung der Steuerfreiheit spielt die Dreijahresfrist des § 41 Satz 2 SGB VI keine Rolle.

Beendet der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis, weil der Arbeitgeber ihn durch Zahlung einer Abfindung einen Ausgleich für die zu erwartende Renteneinbuße bietet, ist die Auflösung des Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber veranlasst.

Für die Steuerbegünstigung spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer unmittelbar in die Altersrente wechselt oder zuvor arbeitslos ist. Auch die Höhe der Rente, insbesondere ob es aufgrund des Eintrittsalters zu einer Rentenminderung kommt oder nicht, ist unbeachtlich.

→ Hinweis:

Für Zahlungen des Arbeitgebers zum Ausgleich von Abschlägen bei der Rente infolge von Altersteilzeit (§ 187a SGB VI) ist ab dem VZ 1997 eine gesonderte Steuerbefreiung in § 3 Nr. 28 EStG eingeführt worden (zu den Fragen, inwieweit daneben § 3 Nr. 9 EStG anwendbar bleibt und ob eine Zusammenballung i. S. d. § 34 EStG auch im Falle von Teilbeträgen über den VZ hinaus zu bejahen ist, vgl. Lexikon für das Lohnbüro „Altersteilzeit” sowie Rn. 21 f. des ; zu Fragen, ob Zahlungen eines Arbeitgebers aufgrund bestimmter Altersteilzeitmodelle als Abfindungen der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG unterliegen und zur Steuerfreiheit von Leistungen nach § 3b EStG bei Aufteilung in Arbeits- und Freistellungsphasen bei Altersteilzeit vgl. Sächsisches Staatsministerium der Fin mit Erlass vom Az.: 32 – S 2340 – 25/8 – 15162).

2.4.3 Gerichtliche Auflösung

Abfindungen sind nach § 3 Nr. 9 EStG immer dann steuerfrei, wenn die Auflösung des Dienstverhältnisse „gerichtlich ausgesprochen”, d. h. durch Urteil des Arbeitsgerichtes herbeigeführt wird. Dabei ist gleich, welche der Parteien des Arbeitsvertrages die für die Auflösung des Dienstverhältnisses entscheidende Ursache gesetzt hat.

Keine Auflösung durch Gerichtsurteil liegt hingegen vor, wenn das Arbeitsgericht eine von einer Vertragspartei ausgesprochenen Kündigung lediglich bestätigt (R 9 Abs. 2 Satz 2 LStR 2004), z. B. im Rahmen einer Kündigungsschutzklage. In diesem Fall ist zu prüfen, ob die Auflösung auf den Arbeitgeber oder auf den Arbeitnehmer zurückzuführen ist.

3 Höchstbeträge für die steuerfreie Abfindung

Gemäß § 3 Nr. 9 EStG bleiben Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses bis zu bestimmten Höchstbeträgen steuerfrei. Maßgebend für die Höhe des Freibetrages sind das vollendete Lebensjahr und die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers in dem Zeitpunkt, zu dem das Dienstverhältnis aufgelöst worden ist (vgl. R 9 Abs. 3 Satz 1 LStR 2004).

Zur Ermittlung der Dauer der Betriebszugehörigkeit vgl. R 9 Abs. 4 LStR 2004.

Sofern die Abfindung in Teilbeträgen oder Raten gezahlt wird, sind die einzelnen Raten so lange steuerfrei, bis der für den Arbeitnehmer maßgebende Freibetrag ausgeschöpft ist. Der Ansatz des maßgebenden Freibetrags in jedem „neuen” VZ ist insoweit nicht zulässig. Ebenso wenig darf der Freibetrag anteilig entsprechend der Laufzeit der Abfindungen verteilt werden; vielmehr ist der Freibetrag bei den zuerst bezogenen Raten zu berücksichtigen (R 9 Abs. 3 LStR 2004).


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Übersicht über die maßgeblichen Freibeträge und deren Anwendungszeiträume

Fallgruppe
bis VZ 1998
(Abfindungen, die vor dem zugeflossen sind)
VZ 1999 – 2003
(Abfindungen, die nach dem und vor dem zugeflossen sind) [1]
ab VZ 2004
(Abfindungen, die nach dem zugeflossen sind)
Fälle, in denen der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat und das Dienstverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden hat
36.000 DM
24.000 DM/
12.271 EUR
11.000 EUR
Fälle, in denen der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet hat und das Dienstverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden hat
30.000 DM
20.000 DM/
10.226 EUR
9.000 EUR
Übrige Fälle
24.000 DM
16.000 DM/
8.181 EUR
7.200 EUR

Für die Bestimmung, welcher Fallgruppe die Abfindungszahlung an den Steuerpflichtigen zuzuordnen ist, ist der Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses maßgebend (vgl. hierzu Tz. II.2.3). Vollendet der Arbeitnehmer zwar noch im selben Jahr – jedoch erst nach dem Zeitpunkt, zu dem das Dienstverhältnis aufgelöst worden ist – ein Lebensjahr, für das ein höherer Freibetrag gewährt werden könnte (→ andere Fallgruppe), ist nur der niedrigere Freibetrag zu gewähren.

Davon abweichend ist für die Bestimmung der Höhe des insgesamt zu gewährenden Freibetrages innerhalb einer Fallgruppe jeweils der Zuflusszeitpunkt der Abfindungs(teil)zahlung(en) maßgebend (§ 11 Abs. 1 EStG). Im Falle einer ratierlichen Abfindungsauszahlung im VZ 1999 oder über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg, in denen innerhalb einer Fallgruppe der Freibetrag gesetzlich reduziert wurde, führt die Maßgeblichkeit des Zuflusszeitpunktes dazu, dass es bei Abfindungsteilzahlungen nach den jeweiligen Stichtagen ( bzw. oder ) einen geringeren Freibetrag zu beachten gilt als den, der für die davor gezahlten Abfindungsteilbeträge maßgeblich war. Für die davor gezahlten Abfindungsteilbeträge bleibt der bisherige (höhere) Freibetrag aber weiterhin maßgebend; diese steuerfreien Auszahlungsbeträge sind auf den neuen (geringeren) Freibetrag anzurechnen und zwar maximal bis auf 0 EUR (d. h. keine Negativ/Hinzurechnungsbeträge). Wurde der bisherige (höhere) Freibetrag nicht ausgeschöpft, verfällt der Differenzbetrag zwischen bisherigem und neuem Freibetrag.

Beispiel zum Stichtag :

Ein 40-jähriger Arbeitnehmer erhält aufgrund eines Auflösungsvertrages vom eine Abfindung von 40.000 DM. Die Abfindung wird in drei Raten wie folgt ausgezahlt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
:
10.000 DM
:
10.000 DM
:
20.000 DM

Lösung:

Für die ersten beiden Raten bleibt der (grundsätzlich nur) bis zum VZ 1998 geltende Freibetrag maßgebend, da die Auflösungsvereinbarung noch im Kalenderjahr 1998 getroffen wurde und der Zufluss insoweit vor dem erfolgte. Die beiden Raten können vom Arbeitgeber daher steuerfrei ausgezahlt werden (Auszahlungsbetrag 20.000 DM < Freibetrag 24.000 DM). Für die nach dem geleistete Ratenzahlung gilt der neue Freibetrag von 16.000 DM. Da dieser Betrag bereits durch die ersten beiden Raten ausgeschöpft wurde, gehört die dritte Rate von 20.000 DM in vollem Umfang zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Der bis zum in Höhe von 4.000 DM nicht ausgeschöpfte Teil des bisherigen (höheren) Freibetrages verfällt.

Beispiel zum Stichtag :

Ein 35-jähriger Arbeitnehmer erhält aufgrund eines Auflösungsvertrages vom eine Abfindung von 15.000 EUR. Der Arbeitgeber zahlt ihm die Abfindung in zwei Raten wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
:
7.500 EUR
:
7.500 EUR

Lösung:

Für die erste Rate bleibt der bis zum VZ 2003 geltende Freibetrag maßgebend, da der Zufluss insoweit vor dem erfolgte. Diese Rate kann vom Arbeitgeber daher steuerfrei ausgezahlt werden (Auszahlungsbetrag 7.500 EUR < Freibetrag 8.181 EUR). Für die nach dem geleistete Ratenzahlung gilt der neue Freibetrag von 7.200 EUR. Da dieser Betrag bereits durch die erste Rate ausgeschöpft wurde, gehört die zweite Rate von 7.500 EUR in vollem Umfang zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Der bis zum in Höhe von 681 EUR nicht ausgeschöpfte Teil des bisherigen (höheren) Freibetrages verfällt.

BEACHTE:

Bestimmte Übergangsgelder und Übergangshilfen auf Grund gesetzlicher Vorschriften wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis waren bis VZ 1998 in voller Höhe steuerfrei (§ 3 Nr. 10 EStG; vgl. dazu R 10 LStR nebst H 10 LStH). Ab VZ 1999 ist die Steuerbefreiung auf 24.000 DM/12.271 EUR begrenzt worden (Übergangsregelung in § 52 Abs. 6 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002). Ab VZ 2004 wurde der Freibetrag auf 10.800 EUR gesenkt.

III Ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG

1 Allgemeines

Eine Abfindung wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses ist steuerpflichtiger Arbeitslohn, soweit sie den steuerfreien Höchstbetrag überschreitet. Dieser steuerpflichtige Teil der Abfindung wird nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert, wenn es sich um außerordentliche Einkünfte i. S. v. § 34 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 EStG (= Entschädigungen; vgl. Tz. III.2.1) oder § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (= Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten; vgl. Tz. III.2.2) handelt.

BEACHTE:

Auch wenn die Voraussetzungen einer nach § 3 Nr. 9 EStG (teilweise) steuerfreien Abfindung nicht vorliegen (z. B. bei einer Änderungskündigung), kann eine ermäßigte Besteuerung nach diesen Vorschriften in Betracht kommen!

Vor dem zugeflossene steuerpflichtige Entschädigungen konnten unter bestimmten Voraussetzungen mit dem halben Steuersatz besteuert werden. Durch das StEntlG 1999/2000/2002 ist der halbe Steuersatz abgeschafft und durch eine sog. Fünftelregelung (vgl. Tz. III.3) ersetzt worden.

→ Hinweise:

Mit (BStBl 2003 II S. 18) hat der BFH entschieden, dass das rückwirkende In-Kraft-Treten des § 34 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom zum insoweit verfassungsgemäß ist, als hiervon Entschädigungen erfasst werden, die zu einem Zeitpunkt vereinbart wurden, zu dem die beabsichtigte Gesetzesänderung bekannt war.

In einem anderen Fall, hat der BFH die Frage, ob § 39b Abs. 3 Satz 9 i. V. m. § 34 Abs. 1 EStG mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit (Entlassungs-)Entschädigungen nach dem Beschluss des Bundestages über das UntStRFogG () und vor Zuleitung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zum StEntlG 1999/2000/2002 an den Bundesrat () vereinbart und nach dem ausgezahlt wurden, dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt (vgl. BStBl 2003 II S. 257, Az. des BVerfG: 2 BvL 1/03).

Im VZ 1999 und 2000 werden außerordentliche Einkünfte (z. B. aus einer Entlassungsentschädigung) nur auf Antrag ermäßigt besteuert. Ab dem VZ 2001 ist für die Tarifermäßigung kein Antrag mehr erforderlich. Es wird maschinell geprüft, ob die reguläre oder die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG günstiger ist.

2 Außerordentliche Einkünfte (§ 34 Abs. 2 EStG)

2.1 Entschädigungen (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 EStG)
2.1.1 Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG)

Eine Entschädigung als Ersatz für entgehende (oder entgangene) Einnahmen setzt den Verlust von Einnahmen voraus, mit denen der Steuerpflichtige rechnen konnte.

Für den Begriff Entschädigung ist nicht entscheidend, ob das zur Entschädigung führende Ereignis ohne oder gegen den Willen des Steuerpflichtigen eingetreten ist. Eine Entschädigung in diesem Sinne kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige bei dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis mitgewirkt hat. Dies ist aber nur dann unschädlich, wenn er bei Aufgabe seiner Rechte unter erheblichem wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat. Ein freiwilliges Mitwirken des Steuerpflichtigen oder gar die Verwirklichung seines eigenen Strebens schließt der Begriff des „Entgehens” allerdings aus. Der Steuerpflichtige darf das schadenstiftende Ereignis deshalb nicht aus eigenem Antrieb (z. B. durch freiwillige Kündigung) herbeigeführt haben (vgl. H 170 „Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStGEStH 2003).

Der Begriff „Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen” erfordert weiterhin, dass Ansprüche des Arbeitnehmers weggefallen sind. Werden Zahlungen lediglich in Erfüllung eines (fort-)bestehenden Anspruchs geleistet, so liegt, auch bei veränderten Zahlungsmodalitäten (z. B. durch Ausübung eines Kapitalwahlrechts), keine Entschädigung vor. Von einer Entschädigung ist deshalb nur dann auszugehen, wenn die Zahlung auf einem anderen, eigenständigen Rechtsgrund (also auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage) beruht (vgl. H 170 „Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStGEStH 2003).

BEACHTE:

Eine neue Rechtsgrundlage im Sinne der obigen Ausführungen ist auch dann gegeben, wenn der Anspruch auf Entschädigung schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags oder während des Dienstverhältnisses für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens vereinbart worden ist (aufschiebend bedingter Anspruch, der erst mit dem Eintritt der Bedingung entsteht → neue Rechtsgrundlage).

Die o. g. Voraussetzungen liegen bei Abfindungen wegen Auflösung eines Dienstverhältnisses vor, wenn der Arbeitgeber die Beendigung veranlasst hat (vgl. BStBl 1988 II S. 525).

Keine Entschädigungen i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sind
  • Zahlungen des Arbeitgebers, die schon erdiente Ansprüche abgelten (z. B. Nachzahlung rückständigen Arbeitslohns, Urlaubsabgeltung)

  • Zusätzliche Leistungen neben der eigentlichen Entlassungsentschädigung (z. B. Deputatlieferungen), wenn der Arbeitgeber derartige Leistungen nicht nur bei vorzeitigem Ausscheiden, sondern auch in anderen Fällen, insbesondere bei altersbedingtem Ausscheiden erbringt

  • Lebenslängliche Bar- oder Sachleistungen, z. B. lebenslängliche betriebliche Versorgungszusagen (vgl. Rn. 5 ff. des .

    Beispiel (zu Rn. 6 des :

    Der Arbeitnehmer scheidet auf Veranlassung des Arbeitgebers mit dem 60. Lebensjahr zum gegen eine in 01 ausgezahlte Abfindung von 55.000 EUR aus dem Dienstverhältnis aus. Da der Arbeitnehmer erst bei einer Beschäftigung bis zum (Beginn der gesetzlichen Altersrente) den vollen Pensionsanspruch erreicht hätte, vereinbaren Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusätzlich, dass die Betriebsrente in gleicher Höhe ausgezahlt wird, als habe der Arbeitnehmer bis zum in der Firma gearbeitet.

    Lösung:

    Die ungekürzte Betriebsrente führt zu Einkünften aus einer ehemaligen Tätigkeit i. S. d. § 24 Nr. 2 EStG (vgl. BStBl 1968 II S. 76). Da nach dem o.g. BMF-Schreiben bei lebenslänglichen Versorgungsbezügen nicht von einer Entschädigung auszugehen ist, kann die ratenweise Zahlung der Betriebsrente in den Folgejahren die begünstigte Besteuerung der Abfindung nicht beeinträchtigen (bzgl. der Abfindungszahlung kann eine Zusammenballung vorliegen). Unerheblich ist, ob die betriebliche Versorgungszusage Bestandteil der Abfindungsvereinbarung war.

    Abwandlung:

    Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren, dass die Betriebsrente bereits ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers ausgezahlt werden soll.

    Lösung:

    wie oben (vgl. Rn. 7 des

  • Ersatzleistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer im Rahmen des Betriebsübergangs zum Ausgleich der dadurch entstehenden Lohnminderung, da dies voraussetzt, dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis beendet wird (vgl. BStBl 2002 II S. 181).

  • Abfindungsleistungen, soweit sie nicht aufgrund der Vertragsbeendigung entgehendes Aktivgehalt ersetzen sondern einen bei Abschluss oder während des Arbeitsverhältnisses vereinbarten Pensionsanspruch (in kapitalisierter Form) abgelten. Insoweit handelt es sich nur um eine Änderung der Zahlungsmodalitäten, es fehlt an einer neuen Rechtsgrundlage (vgl. BStBl 2002 II S. 516).

2.1.2 Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung der Tätigkeit (§ 24 Nr. 1 Buchst. b EStG)

Von einer Entschädigung für entgehende Einnahmen abzugrenzen ist eine Entschädigung für die Aufgabe (oder Nichtausübung) einer Tätigkeit i. S. v. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG. Diese Vorschrift erfasst Zahlungen, die nicht der Abgeltung und Abwicklung von Interessen aus dem bisherigen Rechtsverhältnis dienen, sondern vielmehr – zukunftsorientiert – als Gegenleistung „für” die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, d. h. dem Verzicht auf eine mögliche Einkunftserzielung, erbracht werden (vgl. H 170 „Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStGEStH 2003 sowie BStBl 1996 II S. 516 und vom , BStBl 2001 II S. 541).

Eine Entschädigung „für” die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit liegt dann vor, wenn es dem Arbeitgeber nicht nur auf die Beendigung des Dienstverhältnisses, sondern (z. B. aus Wettbewerbsgründen) darauf ankommt, dass der Arbeitnehmer seine bisherige Tätigkeit überhaupt aufgibt oder nicht mehr ausübt (Veranlassung durch den Arbeitgeber; vgl. BStBl 1987 II S. 106).

Die Aufgabe einer Tätigkeit liegt vor, wenn die Tätigkeit endgültig beendet wird.

Die Nichtausübung wird gekennzeichnet durch den Zustand des Ruhens einer Tätigkeit ohne die endgültige Aufgabe. Vgl. BStBl 1976 II S. 490.

Allerdings verlangt die Vorschrift nur die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit nicht des Berufs (vgl. BStBl 1987 II S. 106). Es ist deshalb unschädlich, wenn ein Arbeitnehmer nach Aufgabe der Tätigkeit bei einem Arbeitgeber seinen Beruf selbständig oder bei einem anderen Arbeitgeber ausübt. Entschädigungen i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG sind grundsätzlich auch bei einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis denkbar; wenn sich die wesentlichen Merkmale der bisherigen Tätigkeit ändern. Eine Fortsetzung der Tätigkeit lediglich unter veränderten Umständen reicht nicht aus. Im Allgemeinen werden Entschädigungen, die ein Arbeitnehmer anlässlich einer (Änderungs-)Kündigung bei Vertragsbeendigung (bzw. fortbestehendem Arbeitsverhältnis) erhält, ihm ohnehin nicht „für” die Aufgabe oder Nichtausübung der Tätigkeit sondern allenfalls als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gezahlt (vgl. BStBl 2001 II S. 541).

Anders als bei einer Entschädigung i. S. v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist es für das Vorliegen einer Entschädigung i. S. v. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG unschädlich, wenn

  • der Arbeitnehmer bei der Aufgabe seiner Rechte nicht unter wirtschaftlichem, rechtlichem oder tatsächlichem Druck gehandelt hat. Der Verzicht auf die Einkünfteerzielung setzt regelmäßig eine Mitwirkung des Arbeitnehmers voraus. Die Tätigkeit kann daher mit Willen oder Zustimmung des Arbeitnehmers im Wege einer einvernehmlichen Vereinbarung aufgegeben oder nicht ausgeübt werden.

  • der Ersatzanspruch nicht auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht. Der Arbeitnehmer kann vielmehr von einem bereits bestehenden Recht Gebrauch machen, aus einem Dienstverhältnis gegen Zahlung einer Entschädigung auszuscheiden. Die Leistung darf somit bereits von vornherein in einem Arbeits- oder Tarifvertrag vereinbart werden.

Vgl. BStBl 1987 II S. 106.

Die Entschädigung für die Nichtausübung einer Tätigkeit kann zudem auch als Hauptleistungspflicht vereinbart werden (vgl. BStBl 1996 II S. 516).

2.1.3 Zusammenballung der Einkünfte

Entschädigungen i. S. d. § 24 Nr. 1 EStG sind nur dann außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG, wenn zusätzlich – zu den Tatbestandsmerkmalen des § 24 Nr. 1 EStG – eine Zusammenballung der Einkünfte gegeben ist. Zur Prüfung dieser Voraussetzung sind nach dem zu Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Entlassungsentschädigungen grundsätzlich zwei Prüfungsschritte erforderlich.

  1. Zufluss der Entschädigungsleistung in einem Veranlagungszeitraum

    (vgl. hierzu Tz. III.2.1.3.1)

  2. Berücksichtigung der weggefallenen Einnahmen

    (vgl. hierzu Tz. III.2.1.3.2)

2.1.3.1 Zufluss in einem Kalenderjahr (1. Prüfungsschritt)
  • Rn. 9, 13 – 16, 17 – 20, 23 des BStBl 2004 I S. 505; Rn. 15 berichtigt in BStBl 2004 I S. 633

  • Rn. 24 – 28 des BStBl 1998 I S. 1512

Die tarifbegünstigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG setzt u.a. voraus, dass die Entschädigungsleistungen zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließen (vgl. BStBl 2002 II S. 180 m.w.N.). Der Zufluss mehrerer Teilbeträge in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ist deshalb grundsätzlich schädlich (vgl. BStBl 2004 II S. 447).

BEACHTE:

Der nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfreie Teil einer Abfindung bleibt bei der Beurteilung der Frage, ob eine Entschädigung in einem Kalenderjahr zugeflossen ist, außer Betracht (vgl. BStBl 1993 II S. 52); das Gleiche gilt für pauschal besteuerten Arbeitslohn (§ 40 Abs. 3 Satz 3 EStG).

Beispiel:

Der Arbeitnehmer erhält eine Abfindung von 50.000 EUR, davon sind 7.200 EUR nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei. 7.200 EUR werden in 01 ausgezahlt, der Rest erst in 02. Die Voraussetzung „Zufluss in einem Kalenderjahr” ist in 02 erfüllt.

Gewährt der Arbeitgeber zusätzliche Leistungen (möglich sind sowohl Leistungen in Geld als auch in Geldeswert, z. B. unentgeltliche Nutzungsüberlassung einer Wohnung oder eines Fahrzeugs), können diese Leistungen Teil der einheitlichen Entschädigung und damit in diese Prüfung einzubeziehen sein (vgl. Rn. 14 und 16 des . Bei lebenslänglich zugesagten Geld- oder Sachleistungen handelt es sich allerdings stets um Einkünfte aus ehemaliger Tätigkeit i. S. v. § 24 Nr. 2 EStG und damit nicht um Teile einer Entschädigung; deren Gewährung ist somit für die Tarifbegünstigung der im Übrigen gezahlten Entschädigung unschädlich (vgl. Rn. 5 ff. des .

Zusätzliche Leistungen in späteren Veranlagungszeiträumen

Zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers, die Teil der einheitlichen Entschädigung sind und für eine gewisse Übergangszeit in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge gewährt werden, sind für die Beurteilung der Hauptleistung als zusammengeballte Entschädigung unschädlich, wenn sie weniger als 50 v. H. der Hauptleistung betragen. Die Vergleichsrechnung ist durch Einnahmenvergleich vorzunehmen (vgl. Rn. 15 mit Beispiel im .

BEACHTE:

Nur die Hauptleistung kann dann der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG unterliegen. Die in späteren Veranlagungszeiträumen zufließenden Zusatzleistungen sind im Zuflusszeitpunkt regulär zu besteuern (vgl. BStBl 2004 II S. 446).

Zusatzleistungen aus Gründen der sozialen Fürsorge sind beispielsweise die Leistungen, die der (frühere) Arbeitgeber dem Steuerpflichtigen zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauerhafte Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt. Sie setzen weder eine Bedürftigkeit des entlassenen Arbeitnehmers noch eine nachvertragliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im arbeitsrechtlichen Sinne voraus (vgl. BStBl 2004 II S. 447). Derartige Zusatzleistungen können beispielsweise sein:

  • Übernahme von Kosten für eine Outplacement-Beratung (vgl. BStBl 2002 II S. 180)

  • befristete Nutzungsüberlassung eines Dienstfahrzeugs (vgl. BStBl 2004 II S. 447)

  • befristete Übernahme von Versicherungsbeiträgen (vgl. BFH/NV 2003 S. 607)

  • befristete Zahlung von Zuschüssen zum Arbeitslosengeld (vgl. BStBl 2004 II S. 442)

  • Zahlungen zur Verwendung für die Altersvorsorge (vgl. BStBl 2004 II S. 264)

  • Zahlung einer Jubiläumszuwendung (neben der im Zeitpunkt der Entlassung gezahlten Abfindung), die der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses erhalten hätte (vgl. BStBl 2004 II S. 451).

Planwidriger Zufluss in mehreren Veranlagungszeiträumen

In den Fällen, in denen ein planwidriger Zufluss der Entschädigung über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg erfolgt, obwohl die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf einen einmaligen Zufluss gerichtet war, ist die Nachzahlung auf Antrag des Arbeitnehmers rechnerisch in den Veranlagungszeitraum zurückzubeziehen, in dem die – grundsätzlich tarifbegünstigte – Hauptentschädigung zugeflossen ist (vgl. zur Anwendung von §§ 163, 175 AO und in den Fällen eines fehlenden Antrages Rn. 17 des . Fälle planwidriger Nachzahlung i. S. d. Billigkeitsregelung sind:

  • die versehentlich zu niedrige Auszahlung der Entschädigung (Rn. 19 des und

  • die Nachzahlung nach einem Rechtsstreit (Rn. 20 des .

Darüber hinaus ist die Übergangsregelung gemäß Rn. 24 bis 28 des weiterhin anzuwenden (entsprechende Rückbeziehung der Nachzahlung in den Fällen, in denen die darin genannten Änderungen der Sozialgesetzgebung und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts umgesetzt wurden).

2.1.3.2 Berücksichtigung der weggefallenen Einnahmen (2. Prüfungsschritt)
  • Rn. 10 – 13 und 23 des BStBl 2004 I S. 505

  • Rn. 12 und 13 des BStBl 1998 I S. 1512

Für Entschädigungen, die ab dem VZ 1999 (d.h. nach dem ) zufließen, ist entsprechend dem (BStBl 1998 II S. 787) eine Prüfung der Zusammenballung auf einer zweiten Stufe erforderlich! Der Feststellung, ob eine Entschädigung vor dem oder nach dem zugeflossen ist, kommt daher besondere Bedeutung zu.

BEACHTE (Übergangsregelung):

Bei Entschädigungen, die auf einer Betriebsvereinbarung oder Vorruhestandsregelung beruhen, welche vor dem geschlossen bzw. verabschiedet wurde, ist die Prüfung auf der zweiten Stufe nicht erforderlich. Diese Entschädigungen können ungeachtet des Zeitpunkts ihres Zuflusses nach dem (grundsätzlich nur bis zum VZ 1998 anzuwendenden) Sächsischen Staatsministerium der Fin mit Erlass vom , 32 – S 2290 – 13/9 – 69774 (vgl. Az. S 2290 – 15/2 – St 31, s. a. ESt-Kartei der OFD Chemnitz § 34 Karte 2.1) behandelt werden. Nach dem Erlass ist davon auszugehen, dass eine als Einmalabfindung gezahlte Entschädigung auch entgehende Einnahmen künftiger Jahre abgilt und somit eine Zusammenballung gegeben ist.

Im zweiten Prüfungsschritt ist nach folgendem Schema zu verfahren:

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Ergänzungen zum vorstehenden Schema:

Beispiel 2.1

Ein Arbeitnehmer erhält im Juli 01 wegen einer arbeitgeberveranlassten Kündigung zum eine einmalige Entlassungsentschädigung i. H. v. 21.000 EUR. Bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses hätte er ein Jahresgehalt i. H. v. 40.000 EUR bezogen, davon wären 50 v. H. (= 20.000 EUR) auf den Zeitraum Juli bis Dezember 01 entfallen. Die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG i. H. v. 11.000 EUR sind erfüllt.

Lösung:

Der steuerpflichtige Teil der Abfindung i. H. v. 10.000 EUR kann nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG ermäßigt besteuert werden, da die gesamte Abfindung (21.000 EUR) die entgehenden Einnahmen (20.000 EUR) übersteigt. Die durch die Abfindung abgegoltenen Einnahmen hätten sich bei Fortbestehen des Dienstverhältnisses auf mehrere Jahre verteilt. Ein geringfügiges Übersteigen ist ausreichend (vgl. Rn. 12 des .

Anmerkung 2.2

Weitere Einnahmen können auch Lohnersatzleistungen (z. B. Arbeitslosengeld) oder Kapitalerträge aus der Anlage der Entschädigung sein; dies hat das Finanzamt – insbesondere bei einer sehr hohen Entschädigung – von Amts wegen zu ermitteln.

Anmerkung 2.3

Entscheidend ist, ob es unter Einschluss der Entlassungsentschädigung im VZ der Zahlung insgesamt zu einer über die normalen Verhältnisse hinausgehenden Zusammenballung von Einkünften kommt. Hierzu ist eine Vergleichsberechnung und zwar grundsätzlich anhand der Einkünfte des Steuerpflichtigen vorzunehmen. Gegenüberzustellen sind den jeweiligen tatsächlichen Einkünften laut Steuerbescheid/Steuererklärung des (Zufluss-)VZ die Einkünfte, die der Steuerpflichtige bei Fortbestehen des Dienstverhältnisses erhalten hätte (insoweit ist auf die Einkünfte des vorangegangen VZ abzustellen). Ergänzend wird auf Rn. 12 des sowie die darin enthaltenen Beispiele 1 und 2 verwiesen.

Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist es jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen möglich, dass bei der erforderlichen Vergleichsrechnung stattdessen auf den betreffenden Bruttoarbeitslohn (Einnahmen) abgestellt wird. Dies kann je nach Sachlage für den Steuerpflichtigen günstiger sein. In eine solche Vergleichsrechnung nach Maßgabe der Einnahmen werden stets (zugunsten des Steuerpflichtigen) einbezogen:

  • der steuerfreie Teil der Entlassungsentschädigung (§ 3 Nr. 9 EStG)

  • pauschal besteuerte Arbeitgeberleistungen (§§ 40 bis 40b EStG) und

  • dem Progressionsvorbehalt unterliegende Lohnersatzleistungen, z. B. Arbeitslosengeld.

Ergänzend wird auf Rn. 12 des sowie das darin enthaltene Beispiel 3 verwiesen.

Billigkeitsregelung zur Vergleichsrechnung:

In Erwartung der im Entwurf des StEntlG 1999/2000/2002 vorgesehenen Änderung in § 3 Nr. 9 EStG (Halbierung der Freibeträge mit Abschmelzung) wurden zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zahlreiche Vereinbarungen getroffen, die eine Auszahlung des steuerfreien Teils der Entschädigung noch in 1998 vorsahen. Der steuerpflichtige Teil wurde dann in 1999 ausgezahlt.

Dies kann zu Nachteilen für den Arbeitnehmer führen, weil bei der Vergleichsberechnung nach Rn. 15 des (inzwischen ersetzt durch Rn. 12 des die steuerfreie Entschädigung in die Ermittlung der Höhe der Vorjahreseinnahmen einbezogen wird.

Auf diese neue Rechtsfolge konnten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht rechtzeitig einstellen, da das veröffentlicht wurde nachdem die steuerfreien Teilbeträge der Entlassungsentschädigung bereits ausgezahlt waren.

Aus Billigkeitsgründen ist daher in solchen Fällen die in 1998 zugeflossene steuerfreie Entschädigung bei der Vergleichsberechnung 1998 nicht mit einzubeziehen.

2.2 Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG)

Von Entschädigungen abzugrenzen sind Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten, die ggf. im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus einem Dienstverhältnis gezahlt werden. Ab dem VZ 1999 wird die erhöhte Steuerbelastung auf solche Vergütungen ebenfalls durch die sog. Fünftelregelung ermäßigt.

Der Begriff der Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit umfasst jedes Entgelt, das für ein mehr als zwölfmonatiges Tun im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags oder eines öffentlichrechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses geleistet wird (vgl. H 200 „Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit” 1. Spiegelstrich EStH 2003 –  BStBl 1987 II S. 386; vgl. auch R 200 Abs. 2 Satz 2 EStR 2003 zu Jubiläumszuwendungen).

Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung auch tatsächlich erbringt; es genügt, dass der Arbeitslohn für mehrere Jahre gezahlt wird (vgl. BStBl 1970 II S. 683). Im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Dienstverhältnisses können daher auch Gehaltsnachzahlungen für mehrere Kalenderjahre begünstigt sein, die geleistet werden, weil sich eine Kündigung des Arbeitgebers als unwirksam erweist. Zu weiteren Beispielen wird auf H 200 „Außerordentliche Einkünfte […]” EStH 2003 verwiesen.

Voraussetzung für die Anwendung von § 34 EStG ist jedoch, dass eine zusammengeballte Entlohnung gegeben ist, für die bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wirtschaftlich vernünftige Gründe vorliegen (vgl. R 200 Abs. 1 Satz 3 EStR 2003). Dabei ist es unerheblich, ob solche wirtschaftlich vernünftigen Gründe in der Person des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers gegeben sind, da der Steuerpflichtige bei einer Entlohnung für mehrjährige Tätigkeiten steuerlich so gestellt werden soll, als seien ihm die Vergütungen zeitgerecht zugeflossen. Eine wirtschaftlich nicht zu rechtfertigende Einmalvergütung steht der Tarifermäßigung entgegen (vgl. BStBl 1974 II S. 680).

Eine Zusammenballung liegt aber auch dann noch vor, wenn die Vergütung innerhalb eines Kalenderjahres in mehreren Teilbeträgen zufließt (vgl. H 200 „Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit” 2. Spiegelstrich EStH 2003 –  BStBl 1971 II S. 802).

Wird eine Vergütung allerdings von den Vertragsparteien bereits durch ins Gewicht fallende Teilzahlungen auf mehrere Kalenderjahre verteilt, liegt grundsätzlich keine Zusammenballung vor (vgl. H 200 „Zusammenballung von Einkünften” EStH 2003 –  BStBl 1972 II S. 529). Ausnahmsweise kann dennoch von einer Zusammenballung ausgegangen werden, wenn die Zahlung innerhalb von zwei Kalenderjahren erfolgt und hierfür wirtschaftlich vernünftige Gründe vorliegen (vgl. H 200 „Außerordentliche Einkünfte […]” Nr. 3 EStH 2003 –  BStBl 1967 III S. 2).

Nicht erforderlich ist bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die für mehrjährige Tätigkeiten gezahlt werden, dass

  • es sich um eine zwangsläufige Zusammenballung von Einkünften handelt

  • auf die Zahlung ein Rechtsanspruch besteht oder

  • die Vergütung für eine abgrenzbare Sondertätigkeit gewährt wird;

vgl. R 200 Abs. 2 Satz 1 EStR 2003.

2.3 Abgeltung betrieblicher Pensionsanwartschaften
Anwendbarkeit des § 3 Nr. 9 EStG:

vgl. Tz. II.1.2

Ermäßigte Besteuerung

Eine ermäßigte Besteuerung kann sich aus zweierlei Gründen ergeben:

a) § 24 Nr. 1 Buchst. a, 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG

Eine ermäßigte Besteuerung ist nach den o. g. Vorschriften sowohl bei verfallbaren (Abgeltung ist Teil der Entlassungsentschädigung) als auch bei unverfallbaren (Abgeltung ist Entschädigung für entgehende Pensionsleistungen, nicht Teil einer Entlassungsentschädigung) Anwartschaften nur dann möglich, wenn die Zahlung der Abgeltung auf einer neuen Rechtsgrundlage beruht.

Bei den unverfallbaren Anwartschaften liegt keine neue Rechtsgrundlage vor, wenn bereits die Pensionszusage ein Kapitalwahlrecht des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers enthält und dieses später lediglich ausgeübt wird (vgl. H 170 „Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStGEStH 2003). Außerdem muss in diesen Fällen hinzukommen, dass die Kapitalabfindung auf wirtschaftlichem, rechtlichem oder tatsächlichem Druck des Arbeitgebers beruht (nicht auf Veranlassung des Arbeitnehmers).

Die Abgeltung von Versorgungsansprüchen kann z. B. dann eine Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellen, wenn ein Arbeitnehmer, der gleichzeitig Gesellschafter ist, aus einer Zwangslage heraus auf seine Versorgungsansprüche verzichtet und hierfür eine Abfindung erhält. Dies ist beispielsweise in folgenden Fällen zu bejahen:

  • Abfindung für die Aufgabe seiner Versorgungsansprüche an den anlässlich der Liquidation entlassenen Gesellschafter-Geschäftsführer, wenn ein Zwang zur Liquidation bestand. Dieser Zwang ist im allgemeinen dann zu bejahen, wenn auch ein gesellschaftsfremder Unternehmer hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft die Liquidation beschlossen hätte (vgl. BStBl 2003 II S. 177).

  • Im Falle der Veräußerung von GmbH-Anteilen kann die Zwangslage – selbst bei einem zunächst freiwilligen Veräußerungsentschluss – dadurch entstehen, dass der Erwerber nicht dazu bereit ist, die Versorgungsverpflichtungen zu übernehmen (vgl. BStBl 2003 II S. 748).

b) § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 4 EStG

Liegen die Voraussetzungen der Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG wegen eines zum Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses bereits bestehenden Kapitalwahlrechts nicht vor, greift die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten, vgl. Tz. III.2.2) ein. Auf die Frage, ob die Anwartschaft bereits unverfallbar war, kommt es hierbei nicht an.

3 Tarifermäßigung – Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 EStG)

Die Tarifermäßigung ist nach der ab VZ 1999 anzuwendenden „Fünftelregelung” wie folgt zu ermitteln:

  1. Es ist zunächst die Einkommensteuer auf das um die außerordentlichen Einkünfte i. S. v. § 34 Abs. 2 EStG geminderte zu versteuernde Einkommen (sog. verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) zu ermitteln.

  2. Dem verbleibenden zu versteuernden Einkommen ist 1/5 der außerordentlichen Einkünfte hinzuzurechnen. Auf die sich danach ergebende Summe ist ebenfalls die Einkommensteuer zu ermitteln.

  3. Die Differenz zwischen den beiden Steuerbeträgen (1. und 2.) ist mit 5 zu multiplizieren. Der sich ergebende Betrag ist die Einkommensteuer auf die außerordentlichen Einkünfte.

  4. Die Einkommensteuer ohne die außerordentlichen Einkünfte (1.) zuzüglich des Fünffachen des Unterschiedsbetrages (3.) ergibt die festzusetzende Steuer.

Beispiel:

Ein verheirateter Arbeitnehmer erhält wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Dienstverhältnisses zum im Dezember 1 eine Entlassungsentschädigung von 27.200 EUR. Der Jahresarbeitslohn 01 beträgt 34.920 EUR. Die Werbungskosten übersteigen den Arbeitnehmer-Pauschbetrag nicht. Die abziehbaren Sonderausgaben und sonstigen Abzüge betragen 5.000 EUR. Die Ehefrau hat keine eigenen Einkünfte.

Lösung:

Der steuerpflichtige Teil der Entschädigung von (27.200 EUR ./. 7.200 EUR =) 20.000 EUR stellt außerordentliche Einkünfte dar.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit entfallen auf
 
laufende Einkünfte
 
34.920 EUR ./. Arbeitnehmer-Pauschbetrag 920 EUR
34.000 EUR
außerordentliche Einkünfte
+ 20.000 EUR
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
54.000 EUR
Sonderausgaben und sonstige Abzüge
./. 5.000 EUR
zu versteuerndes Einkommen (zvE)
49.000 EUR
abzüglich außerordentliche Einkünfte
./. 20.000 EUR
verbleibendes zvE
29.000 EUR
zuzüglich ⅕ der außerordentlichen Einkünfte
+ 4.000 EUR
 
33.000 EUR
ESt (Splittingtabelle 2004) aus 29.000 EUR
2.894 EUR
ESt (Splittingtabelle 2004) aus 33.000 EUR
3.916 EUR
Unterschiedsbetrag
1.022 EUR
vervielfältigt mit Faktor 5
5.110 EUR
zuzüglich ESt auf das verbleibende zvE (29.000 EUR)
+ 2.894 EUR
festzusetzende ESt
8.004 EUR

Ohne die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG hätte sich eine festzusetzende ESt von 8.424 EUR ergeben.

Dem Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG) unterliegende Einkünfte sind bei dieser Berechnung zu berücksichtigten (vgl. R 198 Abs. 1 Satz 3 EStR 2003). Auf Beispiel 3 in H 198 „Berechnungsbeispiele” EStH 2003 wird verwiesen.

BEACHTE:

Ist allerdings das verbleibende zu versteuernde Einkommen (d. h. ohne die außerordentlichen Einkünfte) negativ und das zu versteuernde Einkommen (d. h. einschließlich der außerordentlichen Einkünfte) positiv, so beträgt die Einkommensteuer das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer (§ 34 Abs. 1 Satz 3 EStG). Damit wird verhindert, dass bei negativem verbleibenden zu versteuernden Einkommen das positive zu versteuernde Einkommen nicht besteuert wird.

Beispiel:

Die außerordentlichen Einkünfte eines alleinstehenden Arbeitnehmers aus einer Entlassungsentschädigung betragen im VZ 01 50.000 EUR. Das verbleibende zvE (d. h. ohne die außerordentlichen Einkünfte) beläuft sich auf ./. 10.000 EUR und das zvE (d. h. einschließlich der außerordentlichen Einkünfte) auf 40.000 EUR (./. 10.000 EUR + 50.000 EUR).

Lösung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
⅕ des zvE (40.000 EUR)
8.000 EUR
ESt (Grundtabelle 2004) aus 8.000 EUR
54 EUR
vervielfältigt mit Faktor 5 = festzusetzende ESt
270 EUR

Ohne § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG hätte die tarifermäßigte Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte zu einer Einkommensteuer von 0 EUR geführt. Ohne die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG beliefe sich die Einkommensteuer aus einem zvE von 40.000 EUR auf 9.547 EUR.

→ Hinweis:

Zu der Frage, ob und in welcher Höhe dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte bei der Berechnung der Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 S. 3 EStG zu berücksichtigen sind (d. h. wenn die außerordentlichen Einkünfte das zu versteuernde Einkommen übersteigen) sind beim BFH zwei Verfahren anhängig (Az. VI R 35/02 und XI R 15/02).

Die „Fünftelregelung” wird nur dann zu einer ermäßigten Einkommensteuer führen können, wenn sich das verbleibende zu versteuernde Einkommen (d. h. ohne die außerordentlichen Einkünfte) noch nicht im linear auslaufenden Bereich des Einkommensteuertarifs bewegt (dieser beginnt z. B. in 2002 und 2003 bei 55.008 EUR/110.016 EUR und in 2004 bei 52.152 EUR/104.304 EUR ) also noch nicht dem Spitzensteuersatz (z. B. in 2002 und 2003: 48,5 v. H., in 2004: 45 v. H.) unterliegt. In der Regel bringt die „Fünftelregelung” eine geringere Steuerentlastung als der bis 1998 maßgebende halbe Steuersatz. Günstiger als früher können jedoch vor allem Arbeitnehmer mit niedrigen steuerpflichtigen Entschädigungen stehen, denen im Kalenderjahr der Entschädigungszahlung keine oder nur geringe andere steuerpflichtige Einkünfte zufließen; bei ihnen kann die „Fünftelregelung” ggf. zu einer Steuer von 0 EUR führen.

Lohnsteuerabzugsverfahren

Der Arbeitgeber hat die ermäßigte Besteuerung bei einem sonstigen Bezug i. S. v. § 34 Abs. 2 Nr. 2 und 4 EStG grundsätzlich schon im Lohnsteuerabzugsverfahren vorzunehmen. Die Anwendung des § 34 EStG richtet sich hier nach § 39 Abs. 3 Satz 9 EStG. Die Lohnsteuer ist demnach in der Weise zu ermäßigen, dass bei der Ermittlung der Jahreslohnsteuerbeträge auf den maßgebenden Jahresarbeitslohn [2] der sonstige Bezug nur mit einem Fünftel anzusetzen und der Unterschiedsbetrag zwischen den ermittelten Jahreslohnsteuerbeträgen zu verfünffachen ist. § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG gilt sinngemäß (vgl. § 39b Abs. 3 Satz 9 letzter Halbsatz EStG). Allerdings ist die Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht anzuwenden, wenn sie zu einer höheren Steuer führt als die Besteuerung als nicht begünstigter sonstiger Bezug (vgl. H 119 „Fünftelungsregelung” 1. Spiegelstrich LStH 2004).

BEACHTE:

Im Lohnsteuerabzugsverfahren müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 EStG vom Arbeitgeber geprüft werden, insbesondere ob eine Zusammenballung von Einkünften (vgl. Tz. III.2.1.3 des Leitfadens sowie Rn. 9 – 12 des gegeben ist. Insoweit darf er auch solche Einnahmen (Einkünfte) berücksichtigen, die der Arbeitnehmer nach Beendigung des bestehenden Dienstverhältnisses erzielt. Kann der Arbeitgeber die erforderlichen Feststellungen nicht treffen, ist im Lohnsteuerabzugsverfahren die Besteuerung ohne Anwendung des § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG durchzuführen (vgl. Rn. 13 des .

→ Hinweis:

Arbeitnehmer sind nach § 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG (erstmals für den VZ 1999) verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, wenn sonstige Bezüge i. S. v. § 34 Abs. 2 Nr. 2 und 4 EStG durch. Anwendung der Fünftelregelung nach § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG ermäßigt besteuert wurden. Grund: Es soll sichergestellt werden, dass auch andere Einkünfte des Arbeitnehmers in die Prüfung der Voraussetzungen des § 34 EStG einbezogen werden, eine ggf. unzutreffende Anwendung der Tarifermäßigung durch den Arbeitgeber kann korrigiert werden.

IV Ergänzende Hinweise für die Veranlagung

1 Zusammenarbeit mit anderen Stellen

Zuständig für die Überprüfung der Voraussetzungen für die Steuervergünstigungen nach § 3 Nr. 9 sowie § 34 EStG ist der für den Arbeitnehmer zuständige Veranlagungsteilbezirk.

Es erscheint jedoch zweckmäßig, vor Durchführung der Veranlagung mit der LStAG-Stelle des Betriebsstättenfinanzamtes zu klären, ob der Sachverhalt bereits Gegenstand einer Lohnsteueraußenprüfung war bzw. ob in absehbarer Zeit mit einer Lohnsteueraußenprüfung zu rechnen ist. In bedeutenden Fällen mit Breitenwirkung (z. B. bei Vorruhestandsregelungen größerer Unternehmen oder bei sehr hohen Abfindungen) bietet es sich an, eine Lohnsteueraußenprüfung anzuregen. Die Veranlagungen sind in diesen Fällen offen zu halten.

Bei Zahlungen eines Arbeitgebers (Kapitalgesellschaft) an einen Arbeitnehmer, der zugleich Gesellschafter oder eine nahe stehende Person eines Gesellschafters ist, ist zu prüfen, ob in dieser Zahlung ggf. eine verdeckte Gewinnausschüttung zu sehen ist. In diesen Fällen ist mit dem für den Arbeitgeber zuständigen Körperschaftsteuerbezirk zusammenzuarbeiten.

2 Folgerung für andere Einkunfts-/Steuerarten

Aus der Zahlung von hohen Abfindungen können sich u. U. Auswirkungen auf andere Einkunftsarten (insbesondere Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. v. § 20 EStG) oder andere Steuerarten (z. B. Grunderwerbsteuer) ergeben.

In diesem Zusammenhang erscheint es in Zweifelsfällen sinnvoll, den Steuerpflichtigen nach der Verwendung der Gelder zu befragen.

Prüfungsschema

I. Vorlage von Unterlagen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Arbeitsvertrag mit evtl. nachträglichen Vereinbarungen/Änderungen
 
ggf. Versorgungsvereinbarungen
 
Kündigungsschreiben bzw. Aufhebungsvertrag oder entsprechende Unterlagen (z. B. Arbeitsgerichtsvergleich, Urteil)
 
Zahlungsnachweise
 
ggf. Schriftverkehr im Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses
 
ggf. Unterlagen über die Berechnung der Abfindung
 

II. Abfindung i. S. d. § 3 Nr. 9 EStG?


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ja
nein
1.
Liegt ein steuerliches anzuerkennendes Dienstverhältnis (§ 1 Abs. 2 LStDV) vor?
 
 
 
kein stl. anzuerkennendes Dienstverhältnis z. B. bei Gesellschafter einer Personengesellschaft/KGaA
 
 
 
 

weiter bei III
2.
Ist das Dienstverhältnis aufgelöst (Tz. II.2)
 
 
keine Auflösung z. B. bei:
Änderungskündigung oder dienstlicher Versetzung
Umsetzung im Konzern
Betriebsübergang nach § 613a BGB
 
 

weiter bei III
3.
Ist die Auflösung durch den Arbeitgeber veranlasst? (Tz. II.2.4)
 
 
z. B. bei Kündigung durch den Arbeitgeber, drohender Konkurs/Liquidation, Betriebsverlegung, Angebot vorzeitiger Pensionierung aus Rationalisierungsgründen, gerichtlich ausgesprochene Auflösung
 
 

weiter bei III
4.
Wann ist das Dienstverhältnis bürgerlich-rechtlich bzw. arbeitsrechtlich beendet? (Tz. II.2.3)
 
 
Zeitpunkt:
 
 
 
5.
Werden keine bereits erdienten Ansprüche abgegolten? (Tz. II.1)
 
 
z. B. rückständiger Arbeitslohn, Gratifikationen, Tantiemen etc.
 
 

weiter bei III

Höhe der Abfindung i. S. d. § 3 Nr. 9 EStG: __________________________


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maßgeblicher Freibetrag (Tz. II.3):

Lebensalter und
Dauer des Dienstverhältnisses
Freibeträge
ab VZ 1999/ab VZ 2002/ab VZ 2004
 
 
16.000 DM/8.181 EUR/7.200 EUR
 
≥ 50 Jahre und Dienstverhältnis ≥ 15 Jahre
20.000 DM/10.226 EUR/9.000 EUR
 
≥ 55 Jahre und Dienstverhältnis ≥ 20 Jahre
24.000 DM/12.271 EUR/11.000 EUR
 

III. Ermäßigte Besteuerung gem. § 34 Abs. 1 EStG


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ja
nein
1.
Entschädigung für entgangene/entgehende Einnahmen § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (Tz. III.2.1.1)
 
 
 
finanzieller Schaden
 
 
 
Veranlassung des Arbeitgebers
 
 
 
kausaler Zusammenhang
 
 
 
eigenständiger Rechtsgrund
 
 
 
 

weiter bei 4.
2.
Entschädigung für die Aufgabe/Nichtausübung einer Tätigkeit § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG (Tz. III.2.1.2)
 
 
 
 

weiter bei 4.
3.
Vergütung für mehrjährige Tätigkeit § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (Tz. III.2.2)
 
 
 
 

Regelbesteuerung
4.
Liegt eine Zusammenballung von Einnahmen vor ? (Tz. III.2.1.1)
 
 
 
ggf. Vergleichsberechnung durchführen
 
 
 
ggf. Besonderheiten beachten:
 
 
 
planwidriger Zufluss
 
 
 
Leistungen aus sozialer Fürsorge
 
 
 
 

Regelbesteuerung

Oberfinanzdirektion Chemnitz v. - S 2290 - 19/10 - St 22

Fundstelle(n):
VAAAB-41732

1Ausnahme:
Eine Übergangsregelung gilt für Abfindungen, die aufgrund eines vor dem abgeschlossenen Vertrages oder einer vor dem getroffenen Gerichtsentscheidung geleistet werden (§ 52 Abs. 5 EStG i. d. F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 [StEntlG 1999/2000/2002]). Diese Übergangsregelung sieht für Zahlungen, die vor dem zufließen die weitere Anwendung der Freibeträge vor, die bis zum VZ 1998 galten (36.000 DM/30.000 DM/24.000 DM).

2Hinsichtlich der Feststellung des voraussichtlichen Jahresarbeitslohnes vgl. R 119 Abs. 4 Sätze 4 bis 7 LStR 2004 bzw. R 119 Abs. 4 Sätze 4 bis 6 LStR 2005.