BFH Urteil v. - IX R 65/02 BStBl 2005 II S. 159

Vorausbezahlte Erbbauzinsen als WK

Leitsatz

Erbbauzinsen sind auch dann als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Kalenderjahr ihrer Leistung sofort abziehbar, wenn sie in einem Einmalbetrag vorausgezahlt werden (gegen BStBl I 1996, 1440).

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2EStG § 11 Abs. 2

Instanzenzug: (EFG 2003, 443) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine im Streitjahr (1995) gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ihr Zweck ist die Errichtung und Vermietung einer Sport- und Mehrzweckhalle auf einem städtischen Erbbaugrundstück. Die Stadt bestellte der Klägerin hieran im Streitjahr auf 99 Jahre ein Erbbaurecht, das sie berechtigt, auf dem Grundstück eine zweizügige Sporthalle oder ein Wohn- und Geschäftshaus samt Nebengebäuden oder eine Lagerhalle oder einen Supermarkt zu errichten. Der dingliche Erbbauzins sollte im ersten Jahr 28 400 DM und für das zweite bis neunundneunzigste Jahr jeweils 103 v.H. des Vorjahresbetrages betragen. Auf Verlangen des Eigentümers sollte der Anspruch auf Zahlung des Erbbauzinses für die gesamte Laufzeit von 99 Jahren durch eine Vorauszahlung von 568 000 DM abgegolten werden. Diesen Betrag bemaßen die Vertragsparteien, ohne dabei eine jährliche Steigerung des Erbbauzinses zu berücksichtigen. Die auf dem Grundstück zu errichtende Sport- und Mehrzweckhalle vermietete die Klägerin an die Stadt und zahlte noch im Streitjahr den Vorauszahlungsbetrag von 568 000 DM zur Abgeltung des gesamten Erbbauzinsanspruchs.

Im Rahmen ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr machte die Klägerin die gezahlten Vorauszahlungen als Werbungskosten geltend. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) nicht, sondern behandelte die vorausgezahlten Erbbauzinsen als Anschaffungskosten des Erbbaurechts, die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entsprechend dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 1996, 1440) auf die Nutzungsdauer verteilt abzusetzen seien.

Der Sprungklage der Kläger gab das Finanzgericht (FG) in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 443 veröffentlichten Urteil statt.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es meint, die in einem Einmalbetrag gezahlten Erbbauzinsen seien als Anschaffungskosten anzusehen, die lediglich auf die Dauer der Laufzeit des Erbbaurechts verteilt abziehbar seien.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG die vorausbezahlten Erbbauzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart abzuziehen sind, bei der sie entstanden sind.

Diese Voraussetzungen liegen bei den hier streitigen Erbbauzinsen vor (vgl. , BFHE 74, 143, BStBl III 1962, 54); denn die Klägerin musste sie aufwenden, um die zu errichtende Sport- und Mehrzweckhalle an die Stadt vermieten zu können.

2. Die Klägerin ist auch berechtigt, den gesamten vorausgezahlten Betrag als Werbungskosten abzuziehen; denn Ausgaben sind nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Die Klägerin hat die gesamten Erbbauzinsen in einem Betrag im Streitjahr gezahlt.

Entgegen der Auffassung des FA sind die in einem Einmalbetrag gezahlten Erbbauzinsen nicht den Anschaffungskosten des Erbbaurechts zuzuordnen und auf die Laufzeit des Erbbaurechts zu verteilen.

Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 EStG liegen nicht vor.

Danach kann der Steuerpflichtige bei Wirtschaftsgütern, die er zur Erzielung von Einkünften länger als ein Jahr verwendet oder nutzt, jeweils für ein Jahr nur einen Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten absetzen.

a) Die Erbbauzinsen sind indes keine Anschaffungskosten des Erbbaurechts, sondern Entgelt für die Nutzung des Grundstücks.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über das Erbbaurecht (ErbbauV) finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über die Reallasten entsprechende Anwendung, wenn für die Bestellung des Erbbaurechts —wie hier— ein Entgelt in wiederkehrenden Leistungen (Erbbauzins) ausbedungen wird. Demgemäß kann nach § 1105 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück zu entrichten sind (Reallast). Das ist nach § 1 Abs. 1 ErbbauV das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Der Grundstückseigentümer muss diese Nutzung dulden und erhält dafür den Erbbauzins. Im Streitfall muss die Stadt im vereinbarten Zeitraum (99 Jahre) dieses „Haben” eines Bauwerks hinnehmen und erbringt damit regelmäßig wiederkehrende Leistungen, die durch den Erbbauzins entgolten werden, und zwar zivilrechtlich wie auch steuerrechtlich (, BFH/NV 2002, 18; vom VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533, und vom X R 43/89, BFHE 162, 425, BStBl II 1991, 175).

Zwischen den Beteiligten des Erbbaurechtsverhältnisses kommt es wie bei jeder anderen Nutzungsüberlassung zu einem Leistungsaustausch. Deshalb erfasst die Rechtsprechung Erbbauzinsen beim Grundstückseigentümer als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und nicht als Veräußerungsentgelt (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile in BFH/NV 2002, 18, und vom VI R 259/67, BFHE 96, 506, BStBl II 1969, 724, zu einmaligen Zahlungen; Mellinghoff in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, Kompaktkommentar, 3. Aufl. 2003, § 21 Rz. 90, Stichwort „Erbbaurecht”). Die Besonderheit des Erbbaurechts besteht nur darin, die Rechtsbeziehungen zu verdinglichen, so dass sie auch zwischen den Nachfolgern im Erbbaurecht und im Grundstückseigentum gelten (, BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398).

b) An dieser Beurteilung der Erbbauzinsen als Entgelt für die laufende Leistung des Grundstückseigentümers ändert sich nichts dadurch, dass —was zivilrechtlich zulässig ist (vgl. Palandt/ Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Aufl. 2003, § 9 ErbbRVO Rz. 1)— der Erbbauzins in einem Einmalbetrag geleistet wird. Ein Nutzungsentgelt wird nicht zu Anschaffungskosten des Rechts, wenn es vorausgezahlt wird (vgl. zu Pachtvorauszahlungen , BFHE 140, 177, BStBl II 1984, 267). Auch dann wird es nicht geleistet, um das Recht zu erwerben (§ 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches), sondern um das Grundstück nutzen zu können (so auch die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. Bauer, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 5 Rdnr. F 367; von Reden in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 21 Rn. 237; Fabry, in Deutsches Steuerrecht —DStR— 1997, 691 ff.; vgl. auch Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 21 Rdnr. B 94 ff.; a.A. aber Stuhrmann, Die Steuerberatung —Stbg— 1997, 108 f.; ders. in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 21 EStG Rz. 194).

c) Sind die vorausgezahlten Erbbauzinsen nicht als Anschaffungskosten zu beurteilen, so sind sie als Werbungskosten gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG im Streitjahr in voller Höhe abziehbar. Sie können nicht über die Dauer der Gegenleistung verteilt werden (, BFHE 164, 275, BStBl II 1991, 712). Vorausgezahlte Erbbauzinsen sind nur dann beim Erbbauberechtigten aktiv abzugrenzen, wenn dieser —was hier nicht der Fall ist— seinen Gewinn nach den § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermittelt (§ 11 Abs. 2 Satz 3 EStG; vgl. dazu auch BFH in BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398).

d) Der Senat folgt deshalb nicht dem BMF, das in seinem Schreiben vom (BStBl I 1996, 1440) die vorausgezahlten oder in einem Einmalbetrag gezahlten Erbbauzinsen den Anschaffungskosten des Erbbaurechts zuordnet. Dafür ist eine Rechtsgrundlage nicht erkennbar.

Überdies kommt eine Verteilung der Aufwendungen entgegen § 11 Abs. 2 EStG auch gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht in Betracht. Zwar hat der BFH in bestimmten Fällen Vorausleistungen nicht anerkannt, wenn sie von keinerlei sinnvollen wirtschaftlichen Erwägungen getragen waren (so , BFHE 149, 213, BStBl II 1987, 492). Es kann offen bleiben, ob diese zur Vorausleistung des Damnums begründete Rechtsprechung hier überhaupt anwendbar ist. Jedenfalls hat die Vorauszahlung im Streitfall dazu geführt, dass die jährliche Steigerung des Erbbauzinses vermieden wird. Dies ist ein hinreichender wirtschaftlicher Grund für die Vorauszahlung.

3. Nach diesen Maßstäben ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat die aufgrund des notariell beurkundeten Erbbaurechtsvertrages vorausgezahlten Erbbauzinsen mit zutreffenden Erwägungen als Werbungskosten von den Einnahmen der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung abgezogen.

Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 159
BB 2003 S. 2664 Nr. 50
BFH/NV 2004 S. 126
BFH/NV 2004 S. 126 Nr. 1
BStBl II 2005 S. 159 Nr. 5
DB 2003 S. 2628 Nr. 49
DStR 2003 S. 2107 Nr. 49
DStRE 2004 S. 62 Nr. 1
FR 2004 S. 167 Nr. 3
INF 2004 S. 7 Nr. 1
KÖSDI 2003 S. 13976 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2006 S. 2671
VAAAB-36827