BFH Urteil v. - VIII R 32/01 BStBl 2004 II S. 359

Ansatz eines Korrekturpostens bei Leistung einer Einlage zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos

Leitsatz

1. Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet und im Wirtschaftsjahr der Einlage nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht werden, führen regelmäßig zum Ansatz eines Korrekturpostens mit der weiteren Folge, dass —abweichend vom Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG— Verluste späterer Wirtschaftsjahre bis zum Verbrauch dieses Postens auch dann als ausgleichsfähig zu qualifizieren sind, wenn hierdurch (erneut) ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht.

2. Die Klage eines Kommanditisten gegen einen Bescheid zur Feststellung des verrechenbaren Verlusts (§ 15a Abs. 4 EStG) ist auch dann zulässig, wenn die Einspruchsentscheidung an die Kommanditgesellschaft gerichtet und der Kommanditist nicht zum Einspruchsverfahren hinzugezogen worden ist.

Gesetze: AO 1977 § 360 Abs. 3FGO § 44EStG § 15a Abs. 1, 2, 4

Instanzenzug: (EFG 2001, 1195), ,

Gründe

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Kommanditistin der X GmbH & Co. (im Folgenden: KG). Sie hat ihre Einlage in Höhe von 2 Mio. DM in vollem Umfang erbracht. Zum Ausgleich ihres negativen Kapitalkontos leistete sie im Jahre 1995 auf Druck der Hausbank der KG eine (weitere) Einlage in Höhe von 1 210 000 DM. Das Kapitalkonto der Klägerin belief sich hiernach —unter Berücksichtigung ihres Anteils an dem von der KG im Jahre 1995 erzielten Gewinn (1 517 DM)— zum auf 27 891 DM. Im Jahre 1996 erlitt die KG einen Verlust, von dem 2 966 463 DM auf die Klägerin —mit der Folge eines negativen Kapitalkontos zum (./. 2 938 572 DM)— entfielen.

Im Anschluss an eine für die Veranlagungszeiträume 1994 bis 1996 durchgeführte Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Ansicht, von dem im Jahre 1996 der Klägerin zugerechneten Verlustanteil (2 966 463 DM) sei lediglich der dem positiven Kapitalkonto zum entsprechende Betrag (27 891 DM) ausgleichsfähig; im Übrigen (2 966 463 DM ./. 27 891 DM = 2 938 572 DM) läge ein verrechenbarer Verlust vor. Demgemäß stellte das FA mit Bescheid vom den verrechenbaren Verlust gemäß § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum auf 3 911 151 DM fest (= 972 579 DM <Feststellung zum > zzgl. 2 938 572 DM <verrechenbarer Verlust des Jahres 1996>).

Der Feststellungsbescheid war gerichtet an die Bevollmächtigte der Klägerin „als Empfangsbevollmächtigte für Frau…als Gesellschafterin für X GmbH & Co. ...„ und erging an sie als Empfangsbevollmächtigte mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten. Gegen diesen Bescheid legte die Bevollmächtigte der Klägerin im Namen der „X GmbH & Co. KG„ Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, dass die im Jahre 1996 angefallenen Verluste bis zur Höhe der von der Klägerin im Jahr 1995 geleisteten Einlage (1 210 000 DM) ausgleichsfähig seien.

Das FA hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Als Einspruchsführerin führte es die KG an. Auch die von der Klägerin erhobene Klage blieb ohne Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2001, 1195).

Mit ihrer vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Auffassung der Vorinstanz, nach der die Einlage in ein negatives Kapitalkonto nur Verluste im selben Jahr, nicht aber Verluste in den Folgejahren als ausgleichsfähig qualifiziere, verstoße gegen Sinn und Zweck des § 15a EStG. Demgemäß seien auch im Streitfall von dem ihr für das Jahr 1996 zuzurechnenden Verlustanteil (2 966 463 DM) nicht nur —wie bisher vom FA angenommen— 27 891 DM (positives Kapitalkonto zum ), sondern darüber hinaus weitere 1 182 109 DM (= 1 210 000 DM <Einlage 1995> ./. 27 891 DM) ausgleichsfähig und der verrechenbare Verlust zum nicht auf 3 911 151 DM, sondern lediglich auf 2 729 042 DM (= 3 911 151 DM ./. 1 182 109 DM) festzustellen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über Feststellung des verrechenbaren Verlusts zum vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin abzuändern, dass der verrechenbare Verlust der Klägerin zum auf 2 729 042 DM festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz und die Einspruchsentscheidung des FA sind aufzuheben; der verrechenbare Verlust der Klägerin zum ist entsprechend ihrem Klageantrag auf 2 729 042 DM festzustellen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

I.

Soweit das FG die Klage als zulässig angesehen hat, ist dem im Ergebnis beizupflichten.

1. Zwar hat die Klägerin gegen den angefochtenen Feststellungsbescheid, der ihr gegenüber als Inhaltsadressatin ergangen war, nicht selbst Einspruch eingelegt. Der Einspruch durch die Bevollmächtigte der Klägerin wurde vielmehr im Namen der KG eingelegt. Eine Umdeutung des Einspruchs der selbst anfechtungsbefugten KG liegt ebenso wenig nahe wie die Auslegung der Einspruchsentscheidung durch das FG dahin gehend, dass sie gegen die Klägerin ergangen sei.

2. Dies steht jedoch der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Allerdings ist die Rechtsprechung zu dieser Frage bislang uneinheitlich. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat im Jahr 1994 in einem vergleichbaren Fall die Klage des Gesellschafters einer KG, der nicht selbst Einspruch gegen den Feststellungsbescheid eingelegt hatte, für unzulässig gehalten. Der Tatsache, dass das FA den Gesellschafter im Einspruchsverfahren der KG nicht gemäß § 360 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) hinzugezogen hatte, maß der IV. Senat dabei keine Bedeutung bei (, BFH/NV 1997, 795, 796). In gleicher Weise hat der IV. Senat sich in seinem Beschluss vom IV B 124/96 (BFH/NV 1998, 14) geäußert. Dem hat sich der erkennende Senat angeschlossen (Senatsurteil vom VIII R 16/99, BFH/NV 1999, 1469). Demgegenüber hat der IV. Senat in einer neueren Entscheidung im Anschluss an ein Urteil aus dem Jahre 1980 (, BFHE 131, 278, BStBl II 1981, 33, 35) ausgesprochen, dass ein im Einspruchsverfahren der Gesellschaft nicht hinzugezogener Gesellschafter einer KG nach Ergehen der an die KG gerichteten Einspruchsentscheidung selbst Klage erheben könne. Der Mangel der Hinzuziehung könne nicht nur durch eine Beiladung des Gesellschafters im Klageverfahren gemäß § 60 Abs. 3 FGO, sondern erst recht durch die Klageerhebung durch den Gesellschafter selbst geheilt werden (, BFH/NV 2000, 1217). Der erkennende Senat hält die letztgenannten Entscheidungen für überzeugend, weil dadurch ein effektiver Rechtsschutz gegen Steuerverwaltungsakte, die gegen Personengesellschaften gerichtet sind, gewährleistet wird. Dieser Aspekt ist gewichtiger als eine rein formale Betrachtungsweise dahin gehend, dass der Feststellungsbescheid mangels eines von dem Gesellschafter durchgeführten Vorverfahrens diesem gegenüber bestandskräftig geworden sei (so BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 795, 796). Seine in der Entscheidung in BFH/NV 1999, 1469 geäußerte abweichende Ansicht gibt der Senat auf.

II.

In der Sache vermag der erkennende Senat der Auffassung der Vorinstanz nicht zu folgen.

1. Zwar ist nach dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG der Verlust eines Kommanditisten nicht ausgleichsfähig, sondern nur verrechenbar (§ 15a Abs. 2 EStG), soweit —wie im Streitfall— durch die Verlustzurechnung ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht (Stand zum : 27 891 DM; zum : ./. 2 938 572 DM). Der hiernach erforderliche Vergleich des Kapitalkontenstandes am Ende des Wirtschaftsjahres (Wj) der Verlustentstehung mit demjenigen am Ende vorangegangenen Wj führt jedoch für den im anhängigen Verfahren zu beurteilenden Fall, dass eine Einlage vor dem Wj der Verlustentstehung geleistet und nicht durch (ausgleichsfähige) Verluste verbraucht wurde, zu —gemessen am Regelungszweck sowie der Systematik des § 15a EStG— sinnwidrigenErgebnissen. Die Vorschrift des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ist deshalb für diese Fallkonstellation teleologisch zu reduzieren und die dadurch entstehende (verdeckte) Regelungslücke im Wege eines Analogieschlusses entsprechend dem Regelungsplan und der Entstehungsgeschichte des § 15a EStG zu schließen (vgl. hierzu sowie zur Abgrenzung von lediglich rechtspolitischen Fehlern Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom 1 BvL 11/96, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1997, 2230; vom 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, BVerfGE 88, 145, 166; , BFH/NV 1993, 597; vom VIII R 30/92, BFHE 175, 226, BStBl II 1994, 938, 940; vom III R 129/79, BFHE 139, 416, BStBl II 1984, 91, 93; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 4 AO 1977 Tz. 352, 366, 377 ff., jeweils m.w.N.; a.A. , EFG 2002, 1302, rkr., m.w.N.). Diese, den Wortlaut korrigierende Rechtsfortbildung hat zur Folge, dass außerhalb des Kapitalkontenvergleichs der geleistete Einlagebetrag —soweit er nicht durch im Wj der Einlage zugerechnete ausgleichsfähige Verluste verbraucht wurde— als Korrekturposten festzuhalten ist und damit Verlustanteile des Kommanditisten in den folgenden Wj bis zur Höhe des (noch) nicht verbrauchten Korrekturpostens auch dann als ausgleichsfähig zu qualifizieren sind, wenn durch die Verlustzurechnung ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht (zu weiteren Einzelfragen der Bildung und Fortentwicklung des Korrekturpostens s. nachfolgend Abschn. II.5. der Gründe).

2.Zweck des § 15a EStG ist es, den steuerrechtlichen Verlustausgleich des Kommanditisten (beschränkt haftenden Gesellschafters) mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsquellen auf den Haftungsbetrag am jeweiligen Bilanzstichtag —als Ausdruck seiner (aktuellen) wirtschaftlichen Belastung— zu begrenzen (BTDrucks 8/3648, S. 16; 8/4157, S. 3; , BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226, 230). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung dieses Anliegens allerdings bewusst davon abgesehen, sämtliche Haftungstatbestände in die Regelung des § 15a EStG einzubeziehen; die Vorschrift beruht vielmehr auf einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Typisierung, nach der —sowohl zur Vermeidung „unerwünschter Gestaltungsmöglichkeiten„ (BTDrucks 8/4157, S. 2) als auch im Interesse einer möglichst einfachen Handhabung der Vorschrift (BTDrucks 8/3648, S. 17)— aufgrund des Kapitalkontenvergleichs gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (Grundregel) die Zurechnung ausgleichsfähiger Verluste „grundsätzlich auf den Betrag der geleisteten Einlage„ beschränkt wird (BTDrucks 8/3648, S. 16) und ein darüber hinausgehender —d.h. die geleistete Einlage überschreitender— Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG (erweiterter Verlustausgleich) daran gebunden ist, dass der Kommanditist mit einer gegenüber der geleisteten Einlage höheren Haftsumme im Handelsregister eingetragen ist und somit im Verhältnis zu den Gläubigern der KG einer sog. überschießenden Außenhaftung unterliegt (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 des HandelsgesetzbuchsHGB—; BTDrucks 8/3648, S. 16; 8/4157, S. 4 f.).

3.Hiernach kann es zwar nicht als allgemein gültiges Element des gesetzgeberischen Plans angesehen werden, in allen denkbaren Fällen eine Kongruenz von Haftungsumfang und steuerrechtlicher Verlustausgleichsmöglichkeit zu gewährleisten. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, dass —entsprechend dem Willen des Gesetzgebers— Einlagen nach Ablauf des Wj, für das verrechenbare Verluste festgestellt wurden, nicht dazu führen, diese in ausgleichsfähige Verluste umzuqualifizieren (BFH-Urteil in BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226, ständige Rechtsprechung). Es würde jedoch dem Gesetzesplan erkennbar widerstreiten, würde man —entsprechend dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG, d.h. mangels Entstehens oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos— dem Kommanditisten zwar dann einen ausgleichsfähigen Verlust zurechnen, wenn er erst im Wj der Verlustentstehung (Wj 03) eine Einlage leistet (Fall 1: zeitkongruente Einlage), ihm dies aber allein aufgrund des Umstands verwehren, dass er den nämlichen Betrag am Ende des vorangegangenen Wj (Wj 02) eingelegt und damit sein Kapitalkonto mit der weiteren Folge (ganz oder teilweise) ausgeglichen hat, dass aufgrund des Verlustes im Wj 03 i.S. von § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht (Fall 2: vorgezogene Einlage).

a) Eine solche Ungleichbehandlung lag erkennbar nicht in der Absicht des Gesetzgebers (dazu vorstehend Abschn. II.2.), da in beiden Sachverhalten die „bis zum Bilanzstichtag geleisteten Einlagen„ mit dem im Wj 03 entstandenen Verlust verrechnet werden und damit dem Anliegen, den steuerrechtlichen Verlustausgleich an den Haftungsumfang des jeweiligen Bilanzstichtags zu koppeln (hier jeweils: ), in beiden Sachverhalten in nämlicher Weise entsprochen wird. Dies lässt —mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien— nur den Schluss zu, dass mit Rücksicht auf die Behandlung von Fall 2 (vorgezogene Einlage) die Regelung des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG lückenhaft ist.

b) Für eine solche (verdeckte) Regelungslücke, von der offenbar auch der IV. Senat des BFH in seinem Urteil in BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226 ausgegangen ist (vgl. Abschn. III.7. der Entscheidungsgründe: „Einlagenerhöhungen (beeinflussen) das Ausgleichsvolumen für Verluste des Einlagejahres und künftige Verluste„), spricht in systematischer Hinsicht ferner die Bestimmung des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zum erweiterten Verlustausgleich aufgrund der Eintragung einer erhöhten Haftsumme ins Handelsregister.

aa) Würde der Kommanditist keine Einlage leisten, sondern im Umfang des Verlusts des Wj 03 seine Haftsumme (§§ 171, 172 HGB) aufstocken (Fall 3), so wäre dieser Verlust, obgleich er mit dem Entstehen oder der Erhöhung eines negativen Kapitalkontos verbunden ist, unabhängig davon ausgleichsfähig, ob die Handelsregistereintragung bereits im Wj 02 (Fall 3a) oder erst zum 31. Dezember des Wj 03 (Fall 3b) vorgenommen wurde. Da aber nach der Systematik des § 15a EStG der Vorschrift über den erweiterten Verlustausgleich (§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG) im Verhältnis zur Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (Maßgeblichkeit der geleisteten Einlage) lediglich komplementäre (ergänzende) Funktion zukommt (vgl. hierzu auch , BFHE 157, 181, BStBl II 1989, 1018), ist zum einen kein Grund dafür erkennbar, eine im Vorjahr (Wj 02) geleistete Einlage, die erst durch Verluste im folgenden Wj (03) verbraucht wird (Fall 2), vom Verlustausgleich auszuschließen, während eine im Wj 02 (Vorjahr) eingetragene Erhöhung der Haftsumme (Fall 3a) zum Ausgleich von Verlusten des Folgejahres heranzuziehen ist. Zum anderen kann der Gesetzeskonzeption kein Anhalt dafür entnommen werden, die Zurechnung eines ausgleichsfähigen Verlusts in den Fällen 1 und 2 an den Zeitpunkt der Einlage (Fall 1: Einlage im Wj 03; Fall 2: Einlage im Wj 02) und damit an eine zeitliche Differenzierung zu binden, der im Rahmen des nur ergänzenden Tatbestands der erweiterten Außenhaftung keine Bedeutung zufällt (vgl. Fälle 3a und 3b).

bb) Bestätigung findet die Annahme einer verdeckter Regelungslücke in § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG schließlich in dem Vergleich mit dem Sachverhalt, dass der Kommanditist nicht nur —wie in den Fällen 3a und 3b— seine Haftsumme im Umfang des Verlusts des Wj 03 erhöht, sondern zudem in nämlicher Höhe eine Einlage in das (Gesamthands-)Vermögen der KG leistet (Fall 4). Da für einen solchen Sachverhalt —ohne Rücksicht darauf, ob die Einlage bereits im Wj 02 (Fall 4a) oder erst im Verlustentstehungsjahr 03 (Fall 4b) erbracht wird— die Regelung des erweiterten Verlustausgleichs (§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG) mangels überschießender Außenhaftung des Kommanditisten nicht zum Zuge kommt (vgl. Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 15a Rz. 124), vermag nur die den Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG korrigierende Rechtsfortbildung zu gewährleisten, dass der Verlustabzug in den Fällen 4a und b nicht einer Unterscheidung unterworfen wird, die der erweiterte Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG (Fälle 3a und b) nicht kennt. Nur so kann mit anderen Worten das in jeder Hinsicht sinnwidrige Ergebnis vermieden werden, dass aufgrund einer bloßen Erhöhung der Außenhaftung im Wj 02 der Verlust des Wj 03 nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ausgleichsfähig ist (Fall 3a), hingegen eine zusätzlich zur Haftsummenerhöhung erbrachte Einlage im Wj 02 (Fall 4a) den Verlust des Wj 03 als nur verrechenbar qualifiziert (vgl. zur Surrogation der erweiterten Außenhaftung durch eine spätere Einlage auch , BFHE 164, 526, BStBl II 1992, 164, 167).

4. Die somit erforderliche, den Wortlaut korrigierende Rechtsfortbildung (Ansatz eines Korrekturpostens außerhalb der Bilanz) widerstreitet nicht der Rechtsprechung des BFH, nach der der Wortlautinterpretation des § 15a EStG insbesondere dann, wenn sie durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt wird, für die Auslegung der Bestimmung deshalb besondere Bedeutung zukommt, weil der Gesetzgeber mit der Beschränkung auf die in § 15a Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG genannten Haftungstatbestände den Vollzug der Vorschrift vereinfachen und ihre tatbestandliche Überprüfung erleichtern wollte (vgl. hierzu vorstehend Abschn. II.2. der Gründe, sowie , BFHE 191, 347, BStBl II 2000, 347, betreffend den Ansatz eigenkapitalersetzender Darlehen als Fremdkapital; vom VIII R 31/01, BFHE 198, 101, BStBl II 2002, 464, betreffend Verpflichtungen eines Innengesellschafters gegenüber Gläubigern des Geschäftsinhabers).

a) Abgesehen davon, dass —wie dargelegt— selbst die Erläuterungen zum Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom (BGBl I, 1545), mit dem § 15a EStG in das EStG eingefügt wurde, die Annahme nahe legen, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG den Fall der vorgezogenen Einlage nicht bedacht hat, ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl im Fall der Liquidation der KG als auch der Veräußerung des Kommanditanteils der im Rahmen des Aufgabe- oder Veräußerungsgewinns/-verlusts nicht verrechnete Teilbetrag der Einlagen des Kommanditisten als ausgleichsfähiger Verlust anzusetzen, obgleich der Wortlaut der §§ 16, 15a Abs. 2 EStG hierfür keinerlei Anhalt bietet (vgl. BFH-Urteile in BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226; in BFHE 191, 347, BStBl II 2000, 347, m.w.N.; R 138d Abs. 4 der Einkommensteuer-RichtlinienEStR—; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15a Rz. 180, 224). Nichts anderes kann —nach den Ausführungen zu Abschn. II.3. der Gründe— für den Fall gelten, dass während des Bestehens der Gesellschaft die Einlage des Kommanditisten durch Verluste späterer Wj verbraucht wird.

b) Hierdurch wird auch das mit den typisierenden Haftungstatbeständen des § 15a Abs. 1 EStG verbundene Vereinfachungsanliegen des Gesetzgebers nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Der durch „vorgezogene Einlagen„ entstehende Korrekturposten modifiziert zwar die Rechtsfolge des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG insofern, als —bis zur Höhe dieses außerbilanziellen Postens— die Verluste des Kommanditisten trotz Entstehens oder der Erhöhung eines negativen Kapitalkontos nicht verrechenbar, sondern ausgleichsfähig sind. Der hierfür erforderliche zusätzliche Rechenschritt kann einer an Sinn und Zweck der Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ausgerichteten Rechtsfortbildung jedoch bereits deshalb nicht entgegenstehen, weil es einer strukturell ähnlichen Nebenrechnung auch im Falle des erweiterten Verlustausgleichs nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG bedarf. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt nicht nur voraus, dass durch die Verlustzurechnung ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht, sondern erfordert zudem die Feststellung, in welcher Höhe die Außenhaftung des Kommanditisten dessen geleistete Einlage überschreitet; hinzu kommt, dass dieser Ausgangsbetrag sowohl mit Rücksicht auf die in den einzelnen Wj zugerechneten ausgleichsfähigen Verluste als auch im Hinblick auf spätere Einlagen —einschließlich der Rückwirkungen auf die Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG (vgl. hierzu , BFH/NV 1999, 1461, sowie nachfolgend Abschn. II.5.a der Gründe)— fortzuschreiben ist.

5. Das anhängige Verfahren gibt dem erkennenden Senat keine Gelegenheit, zu sämtlichen, für die Bildung und Fortentwicklung des Korrekturpostens maßgebenden Rechtsregeln Stellung zu nehmen. Er weist jedoch darauf hin, dass zum einen die Einstellung eines solchen Postens die Feststellung einer verdeckten Regelungslücke und somit voraussetzt, dass das Ergebnis der Wortlautauslegung des § 15a EStG dessen Sinn und Zweck sowie der Systematik der Vorschrift offenkundig widerstreitet. Zum anderen sind sowohl der „Verbrauch„ des Korrekturpostens als auch die hiermit einhergehenden weiteren Rechtsfolgen (z.B. Anerkennung eines ausgleichsfähigen Verlusts) nach Maßgabe der Grundwertungen des § 15a EStG und damit insbesondere in Anlehnung an die strukturellen Grundaussagen des § 15a EStG zur sog. überschießenden Außenhaftung (Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 3 der Vorschrift) zu bestimmen (vgl. zur Methodik allgemein Kruse/ Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO 1977 Tz. 356, m.w.N.).

a) Hieraus ergibt sich für die Bildung des Korrekturpostens, dass dieser grundsätzlich in der Höhe vorzuhalten ist, in der die Einlage dem Ausgleich des negativen Kapitalkontos dient und nicht durch im Wj der Einlage zugerechnete (ausgleichsfähige) Verluste verbraucht wird. Entsprechend dem systematischen Zusammenhang zwischen den Regelungen in § 15a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EStG steht der Ansatz des Korrekturpostens allerdings unter dem Vorbehalt, dass dem Kommanditisten nicht in den Wj vor der Einlage aufgrund einer erweiterten Außenhaftung (§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG) ausgleichsfähige Verluste zugerechnet wurden. Da in diesem Umfang die in das negative Kapitalkonto geleistete Einlage dem Kommanditisten selbst dann keine ausgleichsfähigen Verluste vermittelt, wenn die Verluste im Wj der Einlage entstehen (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1461), entfällt hiermit zugleich auch die Rechtfertigung dafür, einen Korrekturposten für die Anerkennung ausgleichsfähiger Verluste in den folgenden Wj anzusetzen.

b) Auch bei Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen bedarf es ferner keines Korrekturpostens, soweit die Einlage (z.B.: 100) nicht nur das negative Kapitalkonto des Kommanditisten (z.B.: ./. 60) neutralisiert, sondern darüber hinaus das Entstehen eines positiven Kapitalkontos (z.B.: + 40) zur Folge hat und somit Verluste in den späteren Wj bis zur Höhe des überschießenden Einlagebetrags (z.B.: + 40) bereits nach dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG ausgleichsfähig sind.

c) Aus Letzterem ist des Weiteren abzuleiten, dass sowohl Entnahmen als auch Verluste bis zur Höhe des durch die Einlage entstandenen positiven Kapitalkontos (im Beispiel: + 40) den im Wj der Einlage gebildeten Korrekturposten (+ 60) unberührt lassen. Dieser mindert sich erst, soweit Verluste späterer Wj (z.B.: 200) abermals zum Entstehen oder der Erhöhung eines negativen Kapitalkontos führen (im Beispiel: + 40 ./. 200 = ./. 160) mit der Folge, dass dieser Teil der Verluste (160) —entgegen dem Wortlaut von § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG, jedoch entsprechend dem dargelegten Sinn und Zweck der Vorschrift (s. vorstehend Abschn. II.2. der Urteilsgründe)— bis zur Höhe des Korrekturpostens (60) als ausgleichsfähig anzuerkennen und nur im Übrigen (100) als verrechenbar festzustellen ist. Damit —ausgleichsfähige Verluste in Höhe von insgesamt 100 (40 gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zzgl. 60 aufgrund der Auflösung des Korrekturpostens)— wird der Kommanditist im Ergebnis so gestellt, als wäre die Einlage (100) im Jahr des Verlusts (200) geleistet worden.

d) Nicht abschließend zu entscheiden ist im anhängigen Verfahren darüber, ob der aufgrund der Einlage in das negative Kapitalkonto gebildete Korrekturposten auch dann entfällt, wenn der Kommanditist —vor Verbrauch des Postens durch Verlustzuweisung (s. vorstehend Abschn. c)— Entnahmen tätigt und hierdurch (erneut) ein negatives Kapitalkonto entsteht (oder sich erhöht). Dies ist zweifelsfrei zu bejahen, wenn die Entnahme deshalb keine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG auslöst, weil dem Kommanditisten im Jahr der Entnahme sowie den vorangegangenen 10 Wj keine ausgleichs- oder abzugsfähigen Verluste zugewiesen wurden (§ 15a Abs. 3 Satz 2 EStG). Der Senat lässt offen, ob von einem Verbrauch des Korrekturpostens auch im Falle des Wiederauflebens der Außenhaftung des Kommanditisten nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG (i.V.m. § 171 Abs. 1 und § 172 Abs. 4 HGB) sowie dann auszugehen ist, wenn mit der Entnahme eine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG sowie —hiermit korrespondierend— der Ansatz eines verrechenbaren Verlusts verbunden ist (§ 15a Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 1 EStG; dazu , BFHE 196, 283, BStBl II 2002, 458) mit der weiteren Folge, dass dieser Verlust —durch den Wegfall des Korrekturpostens— in einen ausgleichsfähigen Verlust umzuqualifizieren wäre.

6. Für das anhängige Verfahren folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass der Klage stattzugeben ist. Da weder den Feststellungen der Vorinstanz noch dem Vortrag der Beteiligten irgendwelche Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass der Klägerin in den Wj vor 1995 ausgleichs- und abzugsfähige Verluste aufgrund einer erweiterten Außenhaftung (§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG) zugerechnet wurden (vgl. vorstehend Abschn. II.5.a der Urteilsgründe), hat die von der Klägerin im Wj 1995 zum Ausgleich ihres negativen Kapitalkontos geleistete Einlage (1 210 000 DM) zum Ansatz eines Korrekturpostens geführt, der durch die der Klägerin für das Wj 1996 zugewiesenen Verlustanteile (insgesamt: 2 966 463 DM) aufzulösen ist und diese —bis zur Höhe des Korrekturpostens (1 182 109 DM)— trotz Entstehens eines negativen Kapitalkontos in ausgleichsfähige Verluste umqualifiziert.

Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 359
BB 2004 S. 1830 Nr. 34
BB 2004 S. 92 Nr. 2
BFH/NV 2004 S. 279 Nr. 2
BStBl II 2004 S. 359 Nr. 8
DB 2004 S. 45 Nr. 1
DStR 2004 S. 24 Nr. 1
DStRE 2004 S. 62 Nr. 1
FR 2004 S. 608 Nr. 10
INF 2004 S. 128 Nr. 4
KÖSDI 2004 S. 14010 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 36/2005 S. 3050
NWB-Eilnachricht Nr. 42/2005 S. 4450
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2005 S. 4048
StB 2004 S. 41 Nr. 2
StBp. 2010 S. 137 Nr. 5
KAAAB-13649