Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Am wurde beim Hauptzollamt L —Zollamt (ZA) W— das Pferd P zum freien Verkehr abgefertigt. Den Antrag gab die Spedition ab. Als Empfänger war auf dem Zollbeleg angegeben ”Reitsportzentrum X-GmbH H.J. Mustermann”. Die Begleitrechnung des Lieferanten war an das ”Sportzentrum X - H.J. Mustermann” adressiert. Die auf Grundlage der Rechnungswerte errechneten Eingangsabgaben wurden bar bei der Zahlstelle des ZA eingezahlt.
Am wurde ebenfalls durch die Spedition bei demselben ZA die Abfertigung des Pferdes N zum freien Verkehr veranlasst. Als Empfänger weist der Zollbeleg ”Reitsportzentrum X-GmbH Herrn Mustermann” aus. Die Begleitrechnung war vom Lieferanten an ”Herrn H.J. Mustermann, X” gerichtet. Die auf Grundlage des Rechnungswertes errechneten Eingangsabgaben wurden ebenfalls bar bezahlt.
Wie sich später ergab, stimmten die beigefügten Begleitrechnungen nicht mit den tatsächlich für die Pferde bezahlten Kaufpreisen, die weit höher als die angemeldeten waren, überein. Unter Zugrundelegung der für die Pferde P und N tatsächlich gezahlten Kaufpreise forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt —HZA—) vom Kläger und Revisionskläger (Kläger) jeweils als mittelbarer Täter einer Steuerhinterziehung mit Haftungsbescheid vom die Zahlung von Eingangsabgaben in Höhe von zusammen ... DM an. In seiner Begründung wurde der Haftungsbescheid durch Verfügung vom ergänzt. Der dagegen gerichtete Einspruch (Einspruchsentscheidung vom ) blieb ebenso wie die Klage erfolglos. Im Verlauf des finanzgerichtlichen Verfahrens erließ das HZA gegen die mit Beschluss vom Beigeladenen jeweils am ebenfalls Haftungsbescheide.
Das Finanzgericht (FG) hielt die Klage für unbegründet. Das HZA habe die haftungsbegründenden Voraussetzungen des § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 AO 1977 zu Recht bejaht und —auch unter Beachtung von § 191 Abs. 3 und Abs. 5 AO 1977— sein nur im Rahmen des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nachprüfbares Verwaltungsermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Seiner Inanspruchnahme als Haftender stehe keine Primärschuld des Klägers entgegen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Kläger die Abfertigung der Pferde beantragt habe und damit als Zollbeteiligter Schuldner der Einfuhrabgaben geworden sei. Nach Überzeugung des FG stehe aber fest, dass sich der Kläger an den beiden aktiven Steuerhinterziehungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) in mittelbarer Täterschaft, in Mittäterschaft oder zumindest in der ebenfalls nicht nur steuerstrafrechtlich, sondern auch steuerhaftungsrechtlich wahlfeststellungsfähigen Teilnahmeform der vorsätzlichen Beihilfe nach § 71 AO 1977 haftungsbegründend beteiligt habe. Als Mittäter oder Gehilfe einer aktiven Steuerhinterziehung mache sich schon strafbar, wer trotz einer Verpflichtung zur Verhinderung des für möglich gehaltenen Erfolgs die Tatausführung durch Dritte billigend dulde. Diese Voraussetzungen seien beim Kläger erfüllt. Entgegen der Aussage und Darstellung des Klägers gehe das Gericht davon aus, dass der Kläger bei der Einfuhr der Pferde zumindest mit dem Beigeladenen A eine mitbeherrschende Rolle gespielt habe. Dafür spreche die Tatsache, dass die Pferde nicht nur im Interesse der Beigeladenen B als Geldgeberin, sondern auch im Interesse des Klägers gekauft wurden. Die Abwicklung beider Einfuhren habe der Kläger, sicherlich bedingt durch seine Interessen am Kauf der Pferde und als Beauftragter der inlandsabwesenden Beigeladenen B, in Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen A auch in tatsächlicher Hinsicht selbst oder durch Einschaltung Dritter bewerkstelligt. Der Kläger habe aufgrund seiner Vorbildung (...) über grundlegende Kenntnisse des Steuerrechts verfügen müssen. Selbst ein bei der bewussten Inkaufnahme einer unmittelbar bevorstehenden Falschdeklaration vermeidbarer Irrtum des Klägers über dessen Erfolgsabwendungspflicht würde seinen Vorsatz nicht ausschließen, weil schon eine pflichtgemäße Nachfrage bei der Beigeladenen B den vorliegenden Taterfolg zumindest erschwert hätte. Auf Grund seiner Feststellungen hielt das FG eine (Mit-)Täterschaft des Klägers für nahe liegend, zumindest jedoch eine vorsätzliche Beihilfe für gegeben.
Die Inanspruchnahme des Klägers sei auch ermessensgerecht und verstoße nicht gegen Verjährungsvorschriften.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von materiellem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zusammengefasst führt er u.a. aus, dass die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht zur Annahme einer Straftat und damit auch nicht zu einer Haftungsschuld des Klägers führen könnten. Es fehle evident jeder aktive Tatbeitrag, durch den die Steuerhinterziehung begangen oder unterstützt worden wäre. Beim subjektiven Tatbestand gehe das FG von der billigenden Inkaufnahme des für möglich gehaltenen Erfolgs aus, ohne eine Tatsache für diese Unterstellung zu benennen. Dem Kläger fehle jedes Motiv, um die Steuerhinterziehung als eigene oder fremde Tat zu wollen.
Schließlich sei auch die Kostenentscheidung nicht zutreffend, denn die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen seien nicht erstattungsfähig. Die Beigeladenen hätten das Verfahren nicht wesentlich gefördert, sondern erhebliche Widersprüche aufgeworfen, um ihre eigene Inanspruchnahme abzuwehren.
Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung und den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das HZA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger habe in Bezug auf die in Rede stehenden Einfuhrfälle Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft begangen (§ 25 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs —StGB— i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977). Eine lediglich als Beihilfe zur Steuerhinterziehung bewertete Teilnahme des Klägers gebe die Tatbeteiligung unzureichend wieder. Die Einspruchsentscheidung enthalte eine ausreichende Ermessensbegründung. Der angefochtene Haftungsbescheid sei innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen und daher nicht verjährt.
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Der Kläger ist durch den Haftungsbescheid in seinen Rechten verletzt, weil die Voraussetzungen für seine Inanspruchnahme als Haftender nach § 71 i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nicht erfüllt sind. Die Vorentscheidung und die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind daher aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. Der Senat teilt die Auffassung des FG, dass der Kläger nicht Schuldner der bei der Einfuhr der beiden Pferde entstandenen Eingangsabgaben geworden ist und deshalb eine Nacherhebung der Eingangsabgaben bei ihm nicht in Betracht kommt. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war nicht nachzuweisen, dass der Kläger der Spedition, die jeweils den Abfertigungsantrag gestellt und die Zollanmeldung abgegeben hat, eine Vollmacht zur Stellung der Zollanträge erteilt hat. Deshalb ist jedenfalls der Kläger nicht Zollbeteiligter (§ 10 Abs. 3 Satz 1 des Zollgesetzes —ZG—) und damit auch nicht Abgabenschuldner (§ 35a Abs. 1 Satz 2 ZG) geworden.
2. Danach kommt nur eine Inanspruchnahme des Klägers als Haftender für die Eingangsabgaben in Betracht. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch —anders als das FG geurteilt hat— nicht erfüllt. Voraussetzung für eine Inanspruchnahme als Haftender nach § 71 AO 1977, auf den das HZA den angefochtenen Haftungsbescheid gestützt hat, ist, dass der Betreffende eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begangen oder an einer solchen Tat teilgenommen hat. Die Inanspruchnahme wegen einer Steuerhehlerei oder Teilnahme daran scheidet im Streitfall aus, weil keine Feststellungen getroffen worden sind, aus denen sich das Vorliegen solcher Tatbestände ergibt.
Hinsichtlich der Steuerhinterziehung hat das FG seinen Überlegungen zutreffend die in § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 genannte Alternative zugrunde gelegt. Danach begeht eine Steuerhinterziehung, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht. Dieser Tatbestand ist dadurch erfüllt worden, dass der mit der Zollwertanmeldung nach Art. 1 Abs. 1 der im Einfuhrzeitpunkt noch geltenden Verordnung (EWG) Nr. 1496/80 (VO Nr. 1496/80) der Kommission vom über die Anmeldung der Angaben über den Zollwert und über vorzulegende Unterlagen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 154/16) anzumeldende Wert der beiden Pferde aufgrund der unterfakturierten Rechnungen entgegen § 12 Abs. 1 ZG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 8 der Allgemeinen Zollordnung (AZO), die im Streitfall ebenfalls noch anzuwenden ist, unrichtig angemeldet, deshalb der Festsetzung der Eingangsabgaben ein unzutreffender —zu niedriger— Zollwert zugrunde gelegt wurde und somit die Eingangsabgaben zu niedrig festgesetzt worden sind.
3. Anders als das FG meint, rechtfertigen die getroffenen Feststellungen aber weder die Schlussfolgerung, dass der Kläger die Steuerhinterziehung als Täter (mittelbarer Täter —§ 25 Abs. 1 StGB—, Mittäter —§ 25 Abs. 2 StGB—) begangen hat, noch das Ergebnis, dass er an einer solchen Tat zumindest als Gehilfe (§ 27 StGB) teilgenommen und damit den Haftungstatbestand des § 71 AO 1977 erfüllt hat.
a) Zutreffend ist, dass es sich bei der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 um ein sogenanntes Jedermann-Delikt handelt, d.h. jeder kann möglicher Täter oder Mittäter einer Steuerhinterziehung sein. Die Steuerhinterziehung beschränkt sich nicht auf die Personen, die zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sind (vgl. Bundesgerichtshof —BGH—, Beschluss vom 3 StR 317/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR—, 1991, 177; Engelhardt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 370 AO 1977 Rz. 123).
Im Gegensatz zu der in § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 geregelten Form der Steuerhinterziehung, die durch Unterlassen einer geforderten Handlung begangen wird, setzt die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 grundsätzlich ein aktives Handeln, nämlich das Machen unrichtiger oder unvollständiger Angaben gegenüber den Finanzbehörden voraus. Voraussetzung für die hier vom FG in Betracht gezogene mittelbare Täterschaft des Klägers ist daher, dass er mit Tatherrschaft und Täterwillen einen anderen veranlasst hat, für ihn die zur Verwirklichung des Tatbestandes notwendigen Handlungen vorzunehmen (vgl. Engelhardt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 370 AO 1977 Rz. 136). Mittäter ist nur derjenige, der auf der Grundlage gemeinsamen Wollens als Täter einen die Tatverwirklichung fördernden Beitrag geleistet hat. Von der Mittäterschaft unterscheidet sich die vom FG schließlich in Erwägung gezogene Beihilfe dadurch, dass keine Tatherrschaft vorliegt und der Betreffende eine solche auch nicht beansprucht (vgl. Engelhardt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 370 AO 1977 Rz. 140 b), sondern einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet (§ 27 Abs. 1 StGB).
Ein danach für die Begehung der Steuerhinterziehung als Täter oder Gehilfe erforderliches aktives Tun lässt sich aber den vom FG in Bezug auf den Kläger getroffenen Feststellungen nicht entnehmen.
aa) Insoweit hat das FG bezüglich der Einfuhr des Pferdes P nur ausgeführt, dass u.a. der Kläger nicht nur über die Abwicklung der Einfuhr informiert war, sondern diese in der abgewickelten Art und Weise auch wollte und, wie es in dem angefochtenen Urteil weiter heißt, ganz bewusst die Art und Weise der Einfuhr unterstützte und mitgestaltete. Diese allgemeinen Aussagen werden aber nicht durch konkrete Feststellungen gestützt, die es rechtfertigen, den Kläger als Mittäter, mittelbaren Täter oder Gehilfen einer Steuerhinterziehung anzusehen. So hat das FG nicht eindeutig festgestellt, dass der Kläger selbst bei der Anmeldung beteiligt war. Es hat auch nicht zweifelsfrei festgestellt, dass er die Ausstellung einer unterfakturierten Rechnung veranlasste, es hat diesbezüglich vielmehr nur die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger über die Ausstellung einer unterfakturierten Rechnung informiert gewesen sei. Es hat ferner nicht festgestellt, dass der Kläger mit der gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 ZG als Zollbeteiligte geltenden Spedition bzw. deren Angestellten, der den Zollantrag und die Zollanmeldung unterzeichnet hat, irgendwelche unmittelbaren oder mittelbaren Kontakte hatte, die diesen veranlassten, einen unzutreffenden Rechnungspreis für das Pferd P anzumelden.
bb) Auch aus den in Bezug auf die Einfuhrabfertigung für das Pferd N getroffenen Feststellungen folgt, anders als das FG meint, nicht, dass der Kläger einen aktiven Tatbeitrag als (Mit-)Täter, mindestens aber als Gehilfe zu einer Steuerhinterziehung geleistet hat. Insoweit hat das FG nur festgestellt, dass der Kläger ein Interesse an der Einfuhr dieses Pferdes mit unterfakturierter Begleitrechnung hatte, über die Höhe des Kaufpreises informiert war, diesen auch überwies und lediglich ca. ... DM bzw. nach anderer Version ... DM bis ... DM zur Abwicklung der Zollformalitäten zur Verfügung stellte. Das FG hielt es zwar für völlig unwahrscheinlich, dass der Kläger bei seinem evidenten Eigeninteresse am Kauf des Pferdes nicht über die Einfuhrmodalitäten informiert gewesen sein will, und war davon überzeugt, dass der Kläger nicht nur über die Einfuhrmodalitäten informiert war, sondern dass er ganz bewusst, offensichtlich im Zusammenwirken mit dem Beigeladenen A, den Einfuhrvorgang steuerte. Genaue Feststellungen darüber, in welcher Weise der Einfuhrvorgang gesteuert wurde, insbesondere welchen Einfluss der Kläger auf die unrichtige Anmeldung des Zollwerts gehabt haben soll, fehlen aber auch in diesem Fall.
cc) Das Maß des Interesses des Klägers an der Steuerhinterziehung kann zwar ein gewichtiger Gesichtspunkt bei der Entscheidung darüber sein, ob Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft oder nur eine Teilnahme als Gehilfe vorliegt, es reicht aber allein nicht aus, die Täterschaft oder Teilnahme in irgendeiner Weise zu begründen. Hinzu kommen müssten vielmehr konkrete Umstände, aus denen sich eine Tatherrschaft oder ein aktiver Tatbeitrag in Bezug auf die unrichtige Anmeldung des Rechnungspreises für das betreffende Pferd ergeben (vgl. dazu , HFR 1990, 582; Kohlmann, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., B Rdnr. 106). Dazu hat das FG aber, wie ausgeführt, in beiden Fällen keinerlei konkrete Feststellungen getroffen, sondern sich im Wesentlichen darauf beschränkt, aus dem Interesse des Klägers am Pferdekauf auf seine (Mit-)Täterschaft, zumindest Beihilfe zur aktiven Steuerhinterziehung zu schließen.
b) Aus der Formulierung des angefochtenen Urteils (S.16), nach der sich einer aktiven Steuerhinterziehung schon als Mittäter oder Gehilfe strafbar mache, wer trotz seiner Verpflichtung zur Verhinderung des für möglich gehaltenen Erfolgs die Tatausführung durch Dritte billigend dulde, ließe sich schließen, dass das FG auch die Begehung einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 oder eine Beihilfe dazu durch Unterlassen für möglich hält. Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob er dieser Auffassung folgen könnte. Denn jedenfalls würde die Begehung einer oder die Teilnahme an einer Steuerhinterziehung in der in § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geregelten Form durch Unterlassen gemäß § 13 StGB voraussetzen, dass der Täter rechtlich dafür einzustehen hat, dass der missbilligte Erfolg nicht eintritt (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2000, 3013; Kohlmann, a.a.O., § 370 Rdnr. 13.4). Den Ausführungen des FG lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger eine solche Garantenpflicht hatte.
Tatsächlich bestand eine solche Pflicht für den Kläger auch nicht. Sie könnte sich nur aus gesetzlichen Vorschriften ergeben, denn eine allgemeine Pflicht zur Verhinderung einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gibt es nicht. Sie folgt auch nicht aus dem Wissen davon, dass eine Steuerhinterziehung begangen werden soll oder aus einem möglichen Interesse an der Einfuhr der Ware. Sind solche Umstände gegeben, so könnte u.U. der Tatbestand einer Steuerhehlerei (§ 374 AO 1977) verwirklicht sein, für die Annahme einer Steuerhinterziehung reichen sie aber nicht aus. Eine gesetzliche Garantenpflicht zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, wie sie z.B. das Reichsgericht (RG) in dem von ihm entschiedenen Fall eines Schiffsoffiziers angenommen hat, dem es kraft Gesetzes oblag, Straftaten der Mannschaft zu verhindern (vgl. z.B. RG-Urteil vom 3 D 970/36, RGSt 71, 176; Kohlmann, a.a.O., B Rdnr. 93 ff.), hatte der Kläger jedenfalls nicht.
Zwar ist nach Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1496/80 i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 1 AZO der Käufer einer eingeführten Ware zur Anmeldung der Angaben über den Zollwert verpflichtet, wenn der Zollbeteiligte nicht im Zollgebiet der Gemeinschaft ansässig ist. Da, wie bereits ausgeführt, die Spedition als Zollbeteiligte gilt und nicht im Zollgebiet der Gemeinschaft ansässig ist, wäre nach den genannten Vorschriften der im Zollgebiet ansässige Käufer verpflichtet gewesen, die Angaben über den Zollwert zu machen. Daraus lässt sich aber eine Garantenpflicht des Klägers nicht herleiten.
Abgesehen davon, dass im bisherigen Verfahren keinerlei Feststellungen darüber getroffen worden sind, wer unter diesen Gesichtspunkten statt des jeweils in der Zollwertanmeldung angegebenen Käufers (Reitsportzentrum X-GmbH) zur Abgabe der Zollwertanmeldung verpflichtet gewesen wäre, ist aber aus den betreffenden Bestimmungen auch keine Pflicht des tatsächlichen Käufers (für deren Erfüllung der Kläger als Käufer in eigener Person oder gemäß §§ 35, 34 AO 1977 als Verfügungsberechtigter für die Beigeladene B als Käuferin in Betracht käme) herzuleiten, die Abgabe einer unrichtigen Zollwertanmeldung durch einen Dritten zu verhindern, der, ohne dass dazu eine vom tatsächlichen Käufer gegebene Veranlassung konkret festgestellt worden ist, statt seiner die Zollwertanmeldung abgibt oder abgeben lässt. Im Übrigen hat das FG nicht positiv festgestellt, dass der Kläger Kenntnis von der Abgabe unrichtiger Zollwertanmeldungen gehabt hat.
Mangels einer —auch vom FG nicht näher begründeten— Garantenpflicht ergibt sich daher aus den getroffenen Feststellungen nicht, dass der Kläger schon deshalb eine Steuerhinterziehung begangen oder daran teilgenommen hat, weil er sie nicht verhindert hat, obwohl er von ihrer Begehung wusste und sie möglicherweise auch in seinem Interesse lag.
4. Da somit die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Klägers als Haftenden nicht vorliegen und deshalb die Revision schon aus diesem Grunde Erfolg hat, erübrigt es sich, auf die Fragen einzugehen, ob eine Inanspruchnahme des Klägers wegen Eintritts der Verjährung oder, weil die in § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 geregelte Festsetzungsbeschränkung eingreifen würde, nicht mehr möglich wäre und ob das HZA bei der Inanspruchnahme des Klägers sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Beigeladenen müssen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Es besteht kein Anlass, diese Kosten nach § 139 Abs. 4 FGO aus Gründen der Billigkeit dem HZA aufzuerlegen, nachdem die Beigeladenen das Verfahren nicht entscheidend durch eigenständige Anträge oder in anderer selbständiger Weise gefördert haben (vgl. Senatsurteil vom VII R 66/98, BFHE 188, 513, BStBl II 1999, 623).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 570 Nr. 5
XAAAA-67492