BMF - IV B 5 - S 1341/08/10003 BStBl 2010 I S. 774

Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen in Fällen von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen (Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung)

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen in Fällen von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen Folgendes:

Abkürzungsverzeichnis


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AEAStG
Grundsätze zur Anwendung des Außensteuergesetzes vom (BStBI I 2004 Sondernummer 1)
AO
BFH
Bundesfinanzhof
BGB
BGBI. I
Bundesgesetzblatt Teil I
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BStBI I/II
Bundessteuerblatt Teil I/Teil II
BT-Drs.
Bundestagsdrucksache
bzw.
beziehungsweise
DBA
Doppelbesteuerungsabkommen
d. h.
das heißt
f./ff.
folgende/fortfolgende
gem.
Gemäß
ggf.
Gegebenenfalls
HFR
Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung
HGB
IFRS
International Financial Reporting Standards
i. d. F.
in der Fassung
IDWS 1
IDW Standard „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen” (IDW S 1) vom
IDWS 5
IDW Standard „Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte” (IDW S 5) vom
i. H. v.
in Höhe von
i. S. d.
im Sinne des/der
ISO 10668
International Organisation for Standardisation: Requirements for monetary brand valuation
i. V. m.
in Verbindung mit
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
OECD Betriebsstättenbericht
Bericht der OECD „Attribution of Profits to Permanent Establishments” vom
OECD Leitlinien
Die OECD „Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations” wurden vom Steuerausschuss am und vom Rat der OECD am gebilligt und seither mehrfach ergänzt und aktualisiert. Die letzte Aktualisierung wurde vom Rat der OECD am gebilligt und veröffentlicht.
OECD-MK
Kommentar zum OECD-Musterabkommen
Rn.
Randnummer/Randnummern
S.
Seite
Tz.
Textziffer/Textziffern
u. a.
unter anderem
US-GAAP
United States Generally Accepted Accounting Principles
VWG
Verwaltungsgrundsätze
VWG Arbeitnehmerentsendung
Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen in Fällen der Arbeitnehmerentsendung (Verwaltungsgrundsätze Arbeitnehmerentsendung) vom (BStBI I S. 796)
VWG Betriebsstätten
Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen (Betriebsstätten Verwaltungsgrundsätze) vom (BStBI I S. 1076)
VWG Urnlageverträge
Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung durch Umlageverträge zwischen internationalverbundenen Unternehmen vom (BStBI I S. 1122)
VWG Verfahren
Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten, Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren (Verwaltungsgrundsätze Verfahren) vom (BStBI I S. 570)
VWG 1983
Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen (Verwaltungsgrundsätze) vom (BStBI I S. 218)
vgl.
vergleiche
z. B.
zum Beispiel
zzgl.
zuzüglich

1 Allgemeines

1.1 Regelungsziel

1Dieses Schreiben regelt die Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung von im Inland Steuerpflichtigen in den Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen i. S. d. § 1 Absatz 3 Satz 9 und 10 AStG und für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes in diesen Fällen. Der Fremdvergleichsgrundsatz ist der international anerkannte Standard für die Bestimmung von Verrechnungspreisen für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen (nahe stehende Personen i. S. d. § 1 Absatz 2 AStG). Die Bestimmung von Verrechnungspreisen ist keine „exakte Wissenschaft”, sondern erfordert eine angemessene Beurteilung im einzelnen Fall (Tz. 1.13 OECD Leitlinien). Die Grundsätze dieses Schreibens sollen unter Respektierung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit (Rn. 145 ff.) vor allem auch dazu beitragen, Doppelbesteuerung in Übereinstimmung mit den internationalen Grundsätzen zu vermeiden oder Besteuerungskonflikte zu lösen.

2Wenn Steuerpflichtige bei ihrer Einkünfteermittlung die Grundsätze dieses Schreibens beachten, kommt es zu keiner Berichtigung der Einkünfte nach § 1 AStG. Die Wirkungen innerstaatlicher Vorschriften werden durch die Geltung des Fremdvergleichsgrundsatzes, den Deutschland in seinen DBA – entsprechend Artikel 9 OECD-MA – niedergelegt hat, ggf. begrenzt.

3Die Grundsätze dieses Schreibens gelten auch für Funktionsverlagerungen ins Inland.

1.2 Regelungsrahmen

1.2.1 § 1 AStG

4§ 1 AStG regelt für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes als Maßstab für Einkünftekorrekturen und ist damit die nationale Rechtsgrundlage für die Wahrnehmung der Deutschland international durch DBA eingeräumten Besteuerungsrechte. Zum Verhältnis zu anderen innerstaatlichen Vorschriften vgl. Rn. 8 und zu den von Deutschland abgeschlossenen DBA vgl. Rn. 9.

5§ 1 Absatz 3 AStG regelt für Geschäftsbeziehungen i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 1 AStG, zu denen auch Funktionsverlagerungen gehören, wie fremdübliche Verrechnungspreise zu bestimmen sind. Eine Geschäftsbeziehung kann einen oder mehrere Geschäftsvorfälle umfassen. Für eng miteinander verknüpfte oder wirtschaftlich zusammenhängende Geschäftsvorfälle ist es nicht sachgerecht, sie isoliert zu betrachten, weil auch voneinander unabhängige fremde Dritte einen solchen Zusammenhang für die Preisbestimmung berücksichtigen würden (Tz. 3.9 ff. OECD Leitlinien).

6In Fällen von Funktionsverlagerungen, sind die Verrechnungspreise grundsätzlich auf der Grundlage einer Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) zu bestimmen (§ 1 Absatz 3 Satz 9 AStG i. V. m. § 1 Absatz 2 FVerlV). Einem fremden Dritten in der Situation des übernehmenden Unternehmens käme es auf die Übernahme der Funktion (und den damit verbundenen Gewinnaussichten) an und nicht vorrangig auf den Erwerb oder die Nutzung einzelner Wirtschaftsgüter. In bestimmten Fällen ist nach § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG eine Einzelpreisbestimmung für die betroffenen Wirtschaftsgüter und Vorteile zulässig (Rn. 69 ff.).

7Sind ausreichend zuverlässige Fremdvergleichswerte für das Transferpaket ermittelbar, gilt § 1 Absatz 3 Satz 1 bis 4 AStG. Anderenfalls ist ein hypothetischer Fremdvergleich nach § 1 Absatz 3 Satz 5 bis 8 AStG durchzuführen (Rn. 62 ff.).

1.2.2 Verhältnis des § 1 AStG zu anderen innerstaatlichen Vorschriften

8Führt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes i. S. d. § 1 AStG in Fällen von Funktionsverlagerungen zu weitergehenden Berichtigungen als die Anwendung anderer Einkünfteermittlungs- oder Korrekturvorschriften (z. B. § 8 Absatz 3 KStG für die verdeckte Gewinnausschüttung und die verdeckte Einlage; § 4 Absatz 1 EStG für Entnahmen und Einlagen), sind die weitergehenden Berichtigungen zusätzlich neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften durchzuführen (§ 1 Absatz 1 Satz 1 und 3 AStG).

1.2.3 DBA-Vorschriften, die Artikel 9 OECD-MA entsprechen

9Der in Artikel 9 OECD-MA (sowie in Artikel 7 OECD-MA) niedergelegte Fremdvergleichsgrundsatz, der in § 1 AStG seine innerstaatliche Ausprägung erfahren hat, ist in allen von Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten. Die DBA begrenzen einerseits die Besteuerungsrechte Deutschlands und definieren andererseits den Rahmen, innerhalb dessen Deutschland Besteuerungsrechte aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtsgrundlagen – international anerkannt – ausüben kann. Die Auslegung des Inhalts des Fremdvergleichsgrundsatzes – sowohl für die DBA als auch für § 1 AStG – folgt regelmäßig dem OECD Musterkommentar zu Artikel 9 und Artikel 7 sowie den OECD Veröffentlichungen zum Fremdvergleichsgrundsatz (OECD Leitlinien und OECD Betriebsstättenbericht).

10Funktionsverlagerungen sind entsprechend der allgemeinen Systematik der OECD zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu beurteilen. Folgende Aussagen der OECD sind hierfür insbesondere von Bedeutung:

  • die Überlegungen zu immateriellen Wirtschaftsgütern (Kapitel VI, insbesondere Tz. 6.13 ff. OECD Leitlinien),

  • die Aussagen zur Zusammenfassung mehrerer Geschäftsvorfälle, wenn einzelne Geschäfte so eng miteinander verbunden sind oder so dicht aufeinander folgen, dass eine Beurteilung jedes einzelnen Geschäfts nicht sachgerecht ist (Tz. 3.9 bis 3.12 OECD Leitlinien, u. a. zur möglichen Bildung von Transferpaketen – „package deal”).

Auch die Aussagen der OECD zu „Business Restructurings” in Kapitel IX [1], insbesondere in Tz. 9.48 ff. (Teil II „Arm’s length compensation for the restructuring itself”) OECD Leitlinien, sind für die Beurteilung von Funktionsverlagerungen von Bedeutung. Der Begriff „Business Restructurings” beinhaltet die grenzüberschreitende Verlagerung von Funktionen, Wirtschaftsgütern und/oder Risiken (Tz. 9.1 OECD Leitlinien).

1.3 Allgemeine Grundsätze zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Funktionsverlagerungen

11Die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Fälle von Funktionsverlagerungen macht es erforderlich, die dafür wesentlichen wirtschaftlichen Gründe zu verstehen (Tz. 9.50 ff. OECD Leitlinien). Dazu gehört eine Überprüfung der Geschäftsbeziehung auf der Ebene aller daran beteiligten verbundenen Unternehmen (Tz. 9.63 OECD Leitlinien). Es ist zu unterscheiden zwischen

  • den Geschäftsbeziehungen der nahe stehenden Personen vor einer Funktionsverlagerung; daraus kann u. a. die ursprüngliche Zuordnung von Chancen und Risiken abgeleitet werden,

  • der Funktionsverlagerung selbst,

  • den Geschäftsbeziehungen nach einer Funktionsverlagerung (Rn. 174 f.).

12Für die Beurteilung ist es wichtig, einerseits nachzuvollziehen, warum eine grenzüberschreitende Funktionsverlagerung aus Sicht des Konzerns wirtschaftlich sinnvoll ist (§ 3 Absatz 2 Satz 2 FVerlV), z. B. um Synergieeffekte auf Konzernebene zu nutzen (Tz. 9.57 OECD Leitlinien). Ist die Funktionsverlagerung für den Konzern wirtschaftlich vernünftig, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Funktionsverlagerung (Rn. 156) Verrechnungspreise bestimmt werden können, die für alle beteiligten Unternehmen zu einem, dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Ergebnis führen (Tz. 9.179 OECD Leitlinien).

13Andererseits würden unabhängige Dritte in der Situation der einzelnen beteiligten Unternehmen ihr Verhalten anlässlich einer zwischen ihnen erfolgten Funktionsverlagerung u. a. von folgenden Faktoren abhängig machen:

  • wirtschaftlich eindeutig vorteilhaftere Alternativen, die den beteiligten Unternehmen – wären sie voneinander unabhängig – jeweils realistischerweise zur Verfügung stehen (Rn. 96). Dazu gehört z. B. auch die Möglichkeit des verlagernden Unternehmens, die Zustimmung zu einer Vereinbarung über eine Funktionsverlagerung zu verweigern oder für die Zustimmung einen besonderen Ausgleich oder eine Entschädigung zu verlangen, bzw. die Möglichkeit des übernehmenden Unternehmens, eine Funktionsverlagerung ohne Zustimmungserfordernis, z. B. durch eine ordnungsgemäße Vertragskündigung, herbeizuführen (Rn. 131 ff., Tz. 9.59 ff. OECD Leitlinien),

  • zu erwartende Gewinnpotenziale der beteiligten Unternehmen nach und auf Grund einer Funktionsverlagerung (Rn. 30), wobei die Berechnung des jeweiligen Grenzpreises nur nach den Verhältnissen des jeweils betroffenen Unternehmens erfolgt. Die tatsächliche Übernahme von höheren Risiken geht regelmäßig mit höheren Gewinnerwartungen einher (Tz. 9.10 OECD Leitlinien),

  • Höhe der Vergütung, die das verlagernde Unternehmen für die Übertragung der für die Funktionsausübung notwendigen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile sowie für den Verzicht auf die zukünftige Nutzung des Gewinnpotenzials erhält (Tz. 9.72 f. OECD Leitlinien).

2 Erläuterungen zu § 1 Absatz 3 Satz 9 bis 12 AStG und zur FVerlV

2.1 Begriffsbestimmungen

2.1.1 Funktion, § 1 Absatz 1 FVerlV

14Eine Funktion ist eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von Personal in bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Eine Funktion ist ein organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne vorliegen muss. Einzelne Funktionen sind das Ergebnis der Aufgabenteilung innerhalb eines Unternehmens. Die jeweiligen Aufgaben müssen nicht sämtliche, für die Wertschöpfung wichtigen Elemente umfassen.

15Als Funktionen kommen in Betracht: Geschäftstätigkeiten, die zur Geschäftsleitung, Forschung und Entwicklung, Materialbeschaffung, Lagerhaltung, Produktion, Verpackung, Vertrieb, Montage, Bearbeitung oder Veredelung von Produkten, Qualitätskontrolle, Finanzierung, Transport, Organisation, Verwaltung, Marketing, Kundendienst usw. gehören.

16Zur eindeutigen Abgrenzung einer Funktion von der übrigen Geschäftstätigkeit ist es in Verlagerungsfällen notwendig, die betreffende Funktion anhand der verwendeten Wirtschaftsgüter (insbesondere der immateriellen Wirtschaftsgüter) und Vorteile sowie der mit der bestimmten Geschäftstätigkeit konkret verbundenen Chancen und Risiken tätigkeitsbezogen und objektbezogen zu definieren. Dieses Verständnis liegt § 1 Absatz 2 Satz 1 FVerlV für die Verlagerung von Funktionen und §§ 3 und 4 Absatz 1 FVerlV für deren Bewertung zugrunde. Eine Funktion kann insoweit z. B. die Produktion eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktgruppe, der Vertrieb eines bestimmten Produkts, einer bestimmten Produktgruppe oder eine bestimmte Geschäftstätigkeit für eine bestimmte Region sein. Nur wenn eine Einschränkung der Geschäftstätigkeit (Rn. 22 ff.) festgestellt wird, kommt es darauf an, ob diese Einschränkung auf der Verlagerung einer „Funktion” beruht.

2.1.1.1 Geschäftstätigkeit, § 1 Absatz 1 Satz 1 FVerlV

17Eine Geschäftstätigkeit liegt auch vor, wenn diese nur konzernintern erbracht wird. Ein Tätigwerden gegenüber unverbundenen Marktteilnehmern ist nicht erforderlich.

2.1.1.2 Organischer Teil, § 1 Absatz 1 Satz 2 FVerlV

18Eine Funktion ist ein organischer Teil eines Unternehmens, wenn sie sich entweder beim verlagernden oder beim übernehmenden Unternehmen als eine zweckgerichtete, abgrenzbare Tätigkeit unter Nutzung von bestimmten Wirtschaftsgütern, insbesondere immateriellen Wirtschaftsgütern, und Vorteilen zur Erwirtschaftung von Ergebnisbeiträgen darstellt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht reicht es aus, dass die betroffenen Teilaufgaben einen inneren wirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenhang erkennen lassen, d. h. dass für die fragliche Geschäftstätigkeit (Funktion) im Falle der Verlagerung für die beteiligten Unternehmen konkrete Zahlungsflüsse bzw. sachgerecht abgrenzbare Gewinnauswirkungen festgestellt werden können. Dies bedeutet, dass eine Funktion über eine gewisse betriebswirtschaftliche Eigenständigkeit verfügen muss, die es insbesondere erlaubt, ihr bestimmte Erträge und Aufwendungen sowie bestimmte Chancen und Risiken zuzuordnen.

2.1.2 Funktionsverlagerung, § 1 Absatz 3 Satz 9 AStG, § 1 Absatz 2 FVerlV

19Eine Funktionsverlagerung liegt vor, wenn ein Unternehmen (verlagerndes Unternehmen) einem anderen nahe stehenden Unternehmen (übernehmendes Unternehmen) Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird (zur Abgrenzung siehe § 1 Absatz 6 und 7 FVerlV). Werden mehrere Einzelfunktionen verlagert, liegt ein einheitlicher Verlagerungsvorgang vor, wenn die Verlagerungen der Einzelfunktionen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (Rn. 5).

20Der Tatbestand einer Funktionsverlagerung stellt nicht darauf ab, ob durch einen entsprechenden Vorgang die Gewinnerwartungen des verlagernden Unternehmens steigen (z. B. Verlagerung einer Teilefertigung auf einen Lohnfertiger mit Vergütung nach der Kostenaufschlagsmethode) oder ob sie gemindert werden (z. B. bei Umstellung vom Eigenhändler zum Kommissionär). Für die Tatbestandsverwirklichung ist es unerheblich, ob das verlagernde Unternehmen zum Zeitpunkt der Funktionsverlagerung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen in der Lage war, die betreffende Funktion in Zukunft uneingeschränkt selbst auszuüben. Solche Umstände können Einfluss auf die Preisbestimmung haben (vgl. Beispiel in Rn. 120).

2.1.2.1 Fallgruppen

21Funktionsverlagerungen i. S. d. § 1 Absatz 2 Satz 1 FVerlV treten in der Form der Funktionsaufgabe und der Funktionseinschränkung auf. Typische Beispiele (vgl. Rn. 201 ff.) sind:

  • Beendigung der Tätigkeit eines Eigenproduzenten und damit verbundene Verlagerung,

  • Beendigung der Tätigkeit eines Eigenhändlers und damit verbundene Verlagerung,

  • Umstellung eines Eigenhändlers zum Kommissionär,

  • Umstellung eines Eigenproduzenten zum Lohnfertiger,

  • Auslagerung der Produktion auf einen Lohnfertiger,

  • Umstellung eines Lohnfertigers zum Eigenproduzenten und

  • Umstellung eines Kommissionärs zum Eigenhändler.

2.1.2.2 Einstellung bzw. Einschränkung der Funktion beim verlagernden Unternehmen

22Eine Funktionsverlagerung liegt nur vor, wenn das verlagernde Unternehmen aufgrund des Verlagerungsvorgangs die betreffende Funktion einstellt oder zumindest einschränkt (vgl. Rn. 48 f. und 58).

Beispiel (Einstellung):

Ein Produkt A, das bisher ausschließlich von der inländischen Konzernmuttergesellschaft (M) hergestellt und vertrieben wurde, wird zukünftig nur noch von ihrer ausländischen Tochtergesellschaft (T) hergestellt und vertrieben. Die materiellen und die immateriellen Wirtschaftsgüter werden auf T übertragen. M entlässt das betreffende Personal.

Die Herstellung und der Vertrieb des Produkts A erfüllt den Tatbestand der Funktion (Rn. 14 ff.). Das Tatbestandsmerkmal „Einstellung der Funktion” i. S. d. § 1 Absatz 2 FVerlV ist erfüllt, da die Funktion „Produktion und Vertrieb von Produkt A” durch M aufgrund des Vorgangs entfällt.

Beispiel (Einschränkung):

Das Produkt A wird zukünftig auch von T im Ausland selbständig hergestellt und an bisherige und neue Kunden vertrieben. Für M führt dies zu einem erheblichen Produktionsrückgang und zu entsprechenden Umsatzeinbußen.

Das Tatbestandsmerkmal „Einschränkung der Funktion” i. S. d. § 1 Absatz 2 FVerlV ist erfüllt, da die Funktion „Produktion und Vertrieb von Produkt A” durch M aufgrund des Vorgangs reduziert wird.

23Ein Personalabbau und/oder der Wegfall einzelner Debitoren können wichtige Anhaltspunkte für den Einstieg in die Prüfung sein, ob eine Funktionsverlagerung vorliegt (Rn. 159 f.). Das Tatbestandsmerkmal der „Einstellung” oder „Einschränkung” der Funktion bezieht sich auf den mit der konkreten Funktion erzielten Umsatz und erfasst auch Fälle der Substitution einer Funktion durch eine andere.

Beispiel (Variante):

Wie oben (Beispiel Einstellung), aber: Die Muttergesellschaft (M) produziert und vertreibt in Zukunft das von ihr entwickelte Nachfolgeprodukt B, das im Wesentlichen auf anderen immateriellen Wirtschaftsgütern beruht. Sie erzielt damit bei unverändertem Personaleinsatz einen höheren Umsatz als mit dem Vorgängerprodukt A.

Das Tatbestandsmerkmal der Funktionseinstellung i. S. d. § 1 Absatz 2 FVerlV ist erfüllt, da die konkrete Funktion „Produktion und Vertrieb von Produkt A” im Inland entfällt. M erzielt aus dieser Funktion keinen Umsatz mehr. Bei der Produktion und dem Vertrieb von Produkt A und der Produktion und dem Vertrieb von Produkt B handelt es sich um verschiedene Funktionen, da im Wesentlichen andere immaterielle Wirtschaftsgüter eingesetzt werden (Rn. 16). Unerheblich ist, dass M keinen Personalabbau vornimmt und mit Produkt B sogar einen höheren Umsatz erzielt (zur ggf. möglichen Bewertung in solchen Substitutionsfällen vgl. Rn. 119).

Hinweis: Beruht das Produkt B im Wesentlichen auf denselben immateriellen Wirtschaftsgütern wie das Produkt A, kann es sich um eine Funktionsverdoppelung handeln, die allerdings im Fall einer späteren Einschränkung der Produktion von M zu einer Funktionsverlagerung führen kann.

24Es kommt nicht darauf an, ob das übernehmende Unternehmen mit den übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgütern und Vorteilen die Funktion in gleicher Weise wie das verlagernde Unternehmen ausübt.

2.1.2.3 Zeitweise Übernahme, § 1 Absatz 2 Satz 2 FVerlV

25Eine Funktionsverlagerung kann auch vorliegen, wenn ein Unternehmen die betreffende Geschäftstätigkeit nur zeitweise ausübt, z. B. in Fällen der zeitweisen Übertragung des Vertriebsrechts für einzelne Produkte, Märkte oder Kunden oder in Fällen der befristeten Versetzung einzelner Mitarbeiter mit ihrem Aufgabenbereich. Wegen der Abgrenzung zur Personalentsendung siehe Rn. 54 ff.

2.1.2.4 Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen (5 Jahresfrist), § 1 Absatz 2 Satz 3 FVerlV

26Der Vorgang einer Funktionsverlagerung kann sich über mehrere Wirtschaftsjahre erstrecken. Beabsichtigt der Steuerpflichtige von vornherein eine Funktionsverlagerung, hat er die Verrechnungspreise für alle betroffenen Geschäftsvorfälle unter diesem Gesichtspunkt festzusetzen (Tz. 3.9 OECD Leitlinien). Darüber hinaus sind nach § 1 Absatz 2 Satz 3 FVerlV Geschäftsvorfälle zusammenzufassen, die innerhalb von fünf Wirtschaftsjahren verwirklicht werden und sich wirtschaftlich als Bestandteile eines einheitlichen Verlagerungsvorgangs darstellen.

Beispiel:

Das inländische Unternehmen (P) ist führender Hersteller von bestimmten elektronischen Bauteilen. Im November 01 entscheidet die Geschäftsführung, dass für den asiatischen Markt vor Ort ein neuer Produktionsstandort für eine bestimmte Produktreihe errichtet werden soll, die bisher – auch für den Absatz in Asien – ausschließlich im Inland produziert wurde. Es ist beabsichtigt, dem neuen ausländischen Tochterunternehmen (T) die erforderlichen immateriellen Wirtschaftsgüter (Namensrechte, Patente, Kundenstamm) zur Nutzung zu überlassen. Im Januar 02 werden verschiedene Fremdfirmen beauftragt, Entscheidungsgrundlagen für die Standortwahl zu erarbeiten. Im Dezember 02 wird der Bauauftrag für ein neues Werk in Asien erteilt. Die Produktion in Asien wird im Februar 04 gleichzeitig mit deren Einstellung im Inland aufgenommen.

Da sich die Funktionsverlagerung über mehrere Wirtschaftsjahre erstreckt, ist eine zusammenfassende Betrachtung notwendig. Das ergibt sich schon aus der Planung von P. Soweit einzelne Geschäftsvorfälle für sich betrachtet keine Funktionsverlagerung darstellen, führt die wirtschaftliche Verknüpfung zu einer – einheitlichen – Funktionsverlagerung. Die Funktionsverlagerung ist in 04 verwirklicht, da der Tatbestand der Verlagerung in diesem Jahr erfüllt ist, selbst wenn sich noch weitere Geschäftsvorfälle anschließen, die wirtschaftlich zur Funktionsverlagerung gehören. Es liegt im Übrigen keine Funktionsverdoppelung vor, da Produktion und Vertrieb für den asiatischen Markt bei P wegfallen.

27Soweit nachträglich festgestellt wird, dass eine Funktionsverlagerung vorliegt, ist diese zu dem Zeitpunkt verwirklicht, zu dem die Tatbestandsvoraussetzungen (§ 1 Absatz 2 Satz 1 FVerlV) durch ihre gemeinsame Verwirklichung wirtschaftlich erfüllt sind, d. h. der Tatbestand vollendet ist. Für die Annahme eines einheitlichen, sich über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckenden Verlagerungsvorgangs ist auf objektive Kriterien abzustellen, nicht auf die Absicht in den beteiligten Unternehmen.

2.1.3 Transferpaket, § 1 Absatz 3 Satz 9 AStG, § 1 Absatz 3 FVerlV

28Ein Transferpaket besteht aus einer Funktion und den mit dieser Funktion zusammenhängenden Chancen und Risiken sowie den Wirtschaftsgütern und Vorteilen, die das verlagernde Unternehmen dem übernehmenden Unternehmen zusammen mit der Funktion überträgt oder zur Nutzung überlässt, und den in diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen. Das Transferpaket mit seinen Bestandteilen muss dem verlagernden Unternehmen vor Verlagerung rechtlich oder wirtschaftlich zuzuordnen gewesen sein. Kriterien für die Zuordnung sind z. B.:

  • Das verlagernde Unternehmen hat im Hinblick auf das entstandene Gewinnpotenzial Kosten getragen, für die ihm keine fremdübliche Vergütung gezahlt wurde.

  • Das verlagernde Unternehmen verfügte vor der Funktionsverlagerung über alle oder zumindest die wesentlichen Wirtschaftsgüter (vor allem immaterielle Wirtschaftsgüter) und das Personal, um das Gewinnpotenzial – ggf. auch unter Einschaltung Dritter – selbst realisieren zu können.

29Das Transferpaket ist regelmäßig Ausgangspunkt für die Verrechnungspreisbestimmung in Fällen von Funktionsverlagerungen. Auf die Öffnungsklauseln des § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG wird hingewiesen (Rn. 69 ff.). Der einheitliche Vorgang einer Funktionsverlagerung umfasst regelmäßig mehrere Geschäftsvorfälle, die so eng miteinander verbunden sind, dass die Beurteilung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls nicht sachgerecht ist (Rn. 5, Tz. 3.9 ff. OECD Leitlinien). Vorteile, die im Rahmen einer Einzelpreisbestimmung für die übertragenen bzw. zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter häufig nur schwer erkennbar sind, können aufgrund der Betrachtung der insgesamt übergehenden Funktion mit ihren Chancen und Risiken identifiziert werden. Fremde Dritte wären bereit, ein Entgelt unter angemessener Berücksichtigung dieser Vorteile zu vereinbaren, ohne dass sich diese bereits zu einem Wirtschaftsgut konkretisiert haben müssen. Entsprechende Vorteile können z. B. geschäftswertbildende Faktoren wie guter Ruf, gut ausgebildete Arbeitnehmer oder eine eingespielte Betriebsorganisation sein (Tz. 9.93 f. OECD Leitlinien).

2.1.4 Gewinnpotenziale, § 1 Absatz 3 Satz 6 AStG, § 1 Absatz 4 FVerlV

30Funktionsverlagerungen sind regelmäßig mit einer Veränderung der Gewinnsituation und der Gewinnverteilung in einem international tätigen Unternehmen verbunden (Tz. 9.6 OECD Leitlinien). Die für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu quantifizierenden Gewinnerwartungen der beiden ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter (Gewinnpotenziale, Tz. 9.65 ff. OECD Leitlinien) entsprechen den Barwerten der aus der verlagerten Funktion jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern (Zukunftserfolgswert, Tz. 5 IDW S 1). Auf solche Gewinnerwartungen würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 2 AStG aus der Sicht des verlagernden Unternehmens nicht unentgeltlich verzichten (Tz. 9.67, 9.72 f. OECD Leitlinien). Aus der Sicht des übernehmenden Unternehmens wäre ein solcher Geschäftsleiter bereit, hierfür ein Entgelt zu zahlen (Tz. 9.93 OECD Leitlinien). Dieser Ansatz simuliert auf der Grundlage der Informationstransparenz (§ 1 Absatz 1 Satz 2 AStG, Rn. 149) eine Verhandlungssituation zwischen dem verlagernden und dem übernehmenden Unternehmen, der die unterschiedlichen Verhandlungspositionen und die jeweilige Verhandlungsstärke aufgrund der individuellen geschäftlichen Verhältnisse aus Sicht der beiden ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter mit einbezieht. Zur Wertermittlung siehe Rn. 82 ff.

2.1.4.1 Reingewinn nach Steuern

31Grundsätzlich sind für die Ermittlung des Reingewinns nach Steuern (§ 1 Absatz 4 FVerlV) nur die finanziellen Überschüsse nach Fremdkapitalkosten und Steuern aus dem Transferpaket wertrelevant, die als Nettoeinnahmen während der erwarteten wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Transferpakets in den Verfügungsbereich des jeweiligen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gelangen (direkte Methode bezogen auf die Funktion). Diese werden regelmäßig aus den für die Zukunft geplanten Jahresergebnissen abgeleitet. Die dabei zugrunde liegende Planungsrechnung kann – je nach Üblichkeit im betreffenden Unternehmen (Konzern) – nach handelsrechtlichen, steuerrechtlichen oder nach anderen Vorschriften (z. B. IFRS, US-GAAP) aufgestellt sein. Das Jahresergebnis ist um nicht zahlungswirksame Ergebnisbeiträge sachgerecht zu korrigieren. Eine ordnungsgemäße Ableitung der bewertungsrelevanten Zahlungsströme setzt aufeinander abgestimmte Plan-Bilanzen, Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Finanzplanungen voraus (Tz. 27 IDW S 1). Gegebenenfalls sind ergänzende Berechnungen zur Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen erforderlich. Ob die finanziellen Überschüsse unter Beachtung der gesellschaftsrechtlichen Umstände ausgeschüttet werden können, ist dagegen nicht von Bedeutung.

32Statt der direkten Methode kann der Steuerpflichtige – wenn die Berechnungen betriebswirtschaftlich nachvollziehbar sind – auch die „indirekte Methode” anwenden. Nach dieser Methode wird für das verlagernde und für das übernehmende Unternehmen eine Bewertung jeweils vor und nach Funktionsverlagerung nach entsprechenden Grundsätzen vorgenommen.

2.1.4.2 Definition: „Steuern”

33Die bei der Ermittlung des Barwerts zu berücksichtigenden Steuern sind die voraussichtlich festzusetzenden oder tatsächlich festgesetzten und gezahlten und um einen voraussichtlich entstehenden oder entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzten Steuern. Dazu gehören auch die steuerlichen Auswirkungen aus den jeweils anzusetzenden Werten des Transferpakets für das verlagernde und das übernehmende Unternehmen (Rn. 118 bzw. Rn. 125). Die Höhe des nominalen Steuersatzes ist unerheblich.

34Typisierend kann bei Kapitalgesellschaften davon ausgegangen werden, dass die Nettozuflüsse aus dem Transferpaket und die Nettozuflüsse aus einer vergleichbaren Alternativinvestition im Falle einer Ausschüttung auf Anteilseignerebene einer vergleichbaren persönlichen Besteuerung unterliegen, so dass auf eine unmittelbare Berücksichtigung dieser Steuerfolgen verzichtet werden kann (vgl. Tz. 30 und 45 IDW S 1). Steuern i. S. d. § 1 Absatz 4 FVerlV sind in diesen Fällen nur die Ertragsteuern des Unternehmens. Dem Steuerpflichtigen steht es frei, die persönlichen Ertragsteuern der Anteilseigner aufgrund der Ausschüttung entsprechender Gewinne zu ermitteln und einzubeziehen.

35Bei Personenunternehmen kann auf die Berücksichtigung der persönlichen Ertragsteuern grundsätzlich nicht verzichtet werden (Tz. 47 IDW S 1). Typisierend können die anzusetzenden Steuern jedoch in Höhe der Ertragsteuern angesetzt werden, die entstanden wären, wenn statt Personenunternehmen Kapitalgesellschaften an der Funktionsverlagerung beteiligt gewesen wären. In diesem Fall sind fiktive persönliche Ertragsteuern der fiktiven Anteilseigner aufgrund Ausschüttungen entsprechender Gewinne nicht zu berücksichtigen. Dem Unternehmen steht es frei, die tatsächlichen persönlichen Ertragsteuern, die aufgrund der Gewinne des Unternehmens für die (Mit-)Unternehmer entstehen, zu ermitteln und einzubeziehen.

36Bezieht der Steuerpflichtige die persönliche Ertragsteuerbelastung in die Berechnung des Reingewinns nach Steuern ein, ist diese beim Kapitalisierungszinssatz ebenfalls zu berücksichtigen, um Äquivalenz zu gewährleisten (Rn. 108).

2.1.4.3 Abgrenzung des Gewinnpotenzials von Geschäftschancen

37Der Begriff „Gewinnpotenzial” ist von dem Begriff der „Geschäftschance” zu unterscheiden: Während eine Geschäftschance selbst ein Wirtschaftsgut ist oder dazu geeignet ist, sich zu einem Wirtschaftsgut zu entwickeln, bezeichnet der Begriff „Gewinnpotenzial” in den Fällen des hypothetischen Fremdvergleichs die jeweiligen Gewinnerwartungen als Ausgangspunkt für die Ermittlung des Werts für ein Wirtschaftsgut bzw. für ein Transferpaket.

2.1.5 Definition: „wesentlich”, § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG, § 1 Absatz 5 FVerlV
2.1.5.1 Maßstäbe

38In Fällen von Funktionsverlagerungen sind immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile wesentlich i. S. d. § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG, wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind (qualitativer Maßstab) und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets beträgt (quantitativer Maßstab).

39Für die Bestimmung, ob der quantitative Maßstab erfüllt ist, sind die Bestandteile des Transferpakets (ggf. einschließlich der geschäftswertbildenden Faktoren) unabhängig von deren Ausweis als Wirtschaftsgut zu berücksichtigen.

2.1.5.2 Glaubhaftmachung

40Soweit eine „Glaubhaftmachung” erforderlich ist, hat der Steuerpflichtige darzulegen, dass für die behauptete Tatsache eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die behauptete Tatsache ist nur zugrunde zu legen, wenn ihr Bestehen wahrscheinlicher ist als ihr Nichtbestehen, ansonsten ist die Behauptung schon begrifflich nicht „glaubhaft” gemacht.

41Für die Glaubhaftmachung der Wesentlichkeit immaterieller Wirtschaftsgüter (25 %) hat der Steuerpflichtige die Unterlagen nach § 90 Absatz 3 AO i. V. m. § 3 Absatz 2 GAufzV auf Anforderung vorzulegen. Aus den Unterlagen müssen die für die Unternehmensentscheidung maßgeblichen Gründe für die Durchführung der Funktionsverlagerung hervorgehen. Insbesondere hat der Steuerpflichtige die Angaben über die im Rahmen der Funktionsverlagerung übertragenen bzw. zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile und deren relativen Wert im Verhältnis zum Wert der Summe der Bestandteile des Transferpakets glaubhaft zu machen.

2.1.6 Funktionsverdoppelung, § 1 Absatz 6 FVerlV
2.1.6.1 Abgrenzung zur Funktionsverlagerung

42Eine Funktionsverlagerung nach § 1 Absatz 2 FVerlV liegt nicht vor, wenn die Aufnahme einer Funktion durch ein Unternehmen zu keiner Einschränkung der Ausübung dieser Funktion für das bisher tätige Unternehmen führt. Dies gilt auch, wenn alle übrigen Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 FVerlV erfüllt sind. In diesen Fällen liegt allenfalls eine Funktionsverdoppelung vor, auf die § 1 Absatz 3 Satz 9 AStG (Transferpaket) nicht anzuwenden ist.

43Die Verdoppelung einer ausgeübten Funktion liegt z. B. vor, wenn trotz Aufnahme einer Produktion im Ausland die bisherige Produktions- und Vertriebstätigkeit des inländischen Unternehmens unverändert ausgeübt wird. Eine Funktionsverlagerung liegt dagegen vor, wenn im Ausland die Vertriebsfunktion neu aufgenommen wird und dadurch die Vertriebsfunktion des verlagernden Unternehmens eingeschränkt wird (Indikator: Umsatz), z. B. weil das übernehmende Unternehmen bisherige Kunden des verlagernden Unternehmens beliefert.

Beispiel:

Der ausländische Produktionskonzern (K) sieht in Europa kaum mehr Wachstumschancen und gründet deshalb in Asien die Vertriebstochtergesellschaft VA, die den dortigen Markt erschließen soll. Das Vermarktungskonzept für den asiatischen Markt stammt von der inländischen Vertriebsgesellschaft VI, die u. a. Vertriebskontakte nach Asien unterhält. VI beliefert auch nach Gründung der VA weiter ihre Kunden in Asien.

Es liegt eine Funktionsverdoppelung vor. Das überlassene Vermarktungskonzept ist fremdüblich zu vergüten. Es kommt allerdings zu einer Funktionsverlagerung, wenn im Laufe der nächsten fünf Jahre der Kundenstamm der VI teilweise von der VA übernommen wird und dadurch der Umsatz von VI in Asien erheblich (Rn. 49) eingeschränkt wird.

44Für sämtliche zum Zweck der Funktionsverdoppelung übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter und Vorteile und für alle in diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen sind in Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes angemessene Verrechnungspreise anzusetzen. Im Unterschied zu Funktionsverlagerungen ist bei Funktionsverdoppelungen davon auszugehen, dass die Summe der Einzelpreise der übertragenen bzw. zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter und Vorteile sowie der erbrachten Dienstleistungen dem Preis für das Transferpaket entspricht. Diese Annahme beruht vor allem darauf, dass keine Einschränkung der Funktionsausübung des bisher schon tätigen Unternehmens eintritt (§ 1 Absatz 2 Satz 1 FVerlV) und deshalb typisierend davon ausgegangen werden kann, dass in diesem Zusammenhang immaterielle Wirtschaftsgüter allenfalls zur Nutzung überlassen werden und bestimmte, wichtige immaterielle Wirtschaftsgüter, z. B. der Kundenstamm oder Teile davon, nicht Gegenstand des Vorgangs sind.

2.1.6.2 Funktionsverdoppelungen, die zu Funktionsverlagerungen werden
2.1.6.2.1 Maßgeblicher Zeitpunkt

45Eine Funktionsverdoppelung wird gem. § 1 Absatz 6 Satz 2 FVerlV in dem Zeitpunkt zu einer Funktionsverlagerung, in dem das noch fehlende Tatbestandsmerkmal der Funktionseinschränkung verwirklicht ist. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die Funktionsverlagerung „ereignet” (§ 3 Absatz 1 GAufzV, Rn. 156). Es handelt sich nicht um eine „rückwirkende” Funktionsverlagerung, auch wenn bereits vorher abgeschlossene Geschäftsvorfälle, die ursprünglich eine Funktionsverdoppelung beinhalteten, wegen des wirtschaftlichen Zusammenhangs von der Funktionsverlagerung erfasst werden.

2.1.6.2.2 Funktionseinschränkung aus anderen Gründen

46Eine Funktionsverlagerung liegt nach § 1 Absatz 6 Satz 2 FVerlV nicht vor, obwohl es innerhalb von fünf Jahren nach einer Funktionsverdoppelung zu einer Funktionseinschränkung des schon zuvor tätigen Unternehmens kommt, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass die Einschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht. Die Glaubhaftmachung (Rn. 40) erfordert in diesem Zusammenhang eine plausible Darlegung aller tatsächlichen, objektiven Umstände, die den Rückschluss zulassen, dass kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der (späteren) Einschränkung der betreffenden Funktion des ursprünglich tätigen Unternehmens und der Aufnahme dieser Funktion durch das andere Unternehmen gegeben ist.

Beispiel:

Die inländische Gesellschaft (P) produziert ausschließlich im Inland und vertreibt ihre Produkte in Europa. P beschließt den Aufbau einer neuen Produktion in Asien. Von dort soll der Vertrieb in Asien erfolgen. Für diesen Neuaufbau überlässt P der in Asien neu gegründeten Tochtergesellschaft (T) Patente und Produktions-Know-how zur Nutzung.

Die Funktionsverdoppelung hat keinen Einfluss auf die Ausübung der Funktion im Inland. Eine Einschränkung der Funktion liegt nicht vor. Das gilt auch dann, wenn die Produktion im Inland ohne einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung innerhalb von fünf Jahren erheblich (Rn. 49) eingeschränkt würde (z. B. bei einem „Markteinbruch in Europa”). Dagegen liegt eine Funktionsverlagerung vor, wenn z. B. die in Asien hergestellten Produkte von P in Europa vertrieben werden und es deshalb zu einer Einschränkung der inländischen Produktion bei P kommt.

2.1.6.2.3 Unmittelbarkeit

47Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang (vgl.  BStBl 1986 II S. 479) ist anzunehmen, wenn die (spätere) Einschränkung der betroffenen Funktion durch dasselbe Ereignis, d. h. durch die ursprüngliche Funktionsverdoppelung, verursacht worden ist (vgl. BStBl 1990 II S. 88). Die maßgeblichen Bezugsgrößen, auf die sich die Kausalität bezieht, sind die wegfallenden Umsätze des verlagernden Unternehmens und die aufgrund des Vorgangs entstehenden Umsätze des übernehmenden Unternehmens.

2.1.6.2.4 Bagatellregelung

48Führt eine Funktionsverdoppelung für das verlagernde Unternehmen hinsichtlich der betreffenden Funktion lediglich zu einer geringfügigen Einschränkung, entfällt die Anwendung der Regelungen für Funktionsverlagerungen nach § 1 Absatz 3 Satz 9 AStG (entsprechende Anwendung des § 1 Absatz 7 Satz 2 zweite Alternative FVerlV). In diesen Fällen bleibt es bei einer Funktionsverdoppelung (Hinweis auf Rn. 44). Eine Glaubhaftmachung, dass die Einschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht, ist nicht erforderlich.

49Eine Einschränkung (Rn. 22) ist erheblich (keine Geringfügigkeit), wenn der Umsatz aus der Funktion, den das ursprünglich tätige Unternehmen i. S. d. § 1 Absatz 2 FVerlV im letzten vollen Wirtschaftsjahr vor der Funktionsänderung erzielt hat, innerhalb des Fünfjahreszeitraums i. S. d. § 1 Absatz 6 FVerlV in einem Wirtschaftsjahr um mehr als 1.000.000 € absinkt.

Beispiel:

Das Unternehmen P produziert Erfrischungsgetränke im Inland und vertreibt diese in Europa. Der Umsatz wächst seit Jahren kontinuierlich. P möchte auch den amerikanischen Markt erschließen und beauftragt ein unabhängiges, ausländisches Vertriebsunternehmen (Kommissionär) mit dem Vertrieb in Amerika. Durch diesen Kommissionär werden die im Inland produzierten Erfrischungsgetränke ab dem Jahr 01 auch auf dem amerikanischen Markt abgesetzt. Nach zwei Jahren, im Jahr 03, beschließt P aufgrund der positiven Verkaufszahlen eine Produktionsstätte in Amerika aufzubauen und gründet hierzu eine Tochtergesellschaft (T). Produktionsbeginn ist im Jahr 04. T beliefert im Jahr 04 den Kommissionär zusammen mit P, ab dem Jahr 05 ausschließlich allein.

Im Jahr 04 wurde die Funktion von P nicht eingeschränkt.

Im Jahr 05 verringert sich der Umsatz von P um 2.000.000 €, jedoch werden weder Produktionsanlagen stillgelegt noch Personal abgebaut. P geht davon aus, spätestens im Jahr 07 den Umsatz wieder auf 14.000.000 € zu erhöhen.

Die Umsatzzahlen entwickelten sich wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
Gesamtumsatz
Umsatz von P
Umsatz von T
Export nach Amerika
01
10.000.000 €
10.000.000 €
0 €
200.000 €
02
12.000.000 €
12.000.000 €
0 €
1.000.000 €
03
14.000.000 €
14.000.000 €
0 €
3.000.000 €
04
15.000.000 €
14.000.000 €
1.000.000 €
3.000.000 €
05
16.000.000 €
12.000.000 €
4.000.000 €
0 €

Das Absinken des Umsatzes von P im Jahr 05 stellt eine erhebliche Einschränkung dar: Der Umsatz ist gegenüber dem Umsatz des Jahres 03 um mehr als 1.000.000 € zurückgegangen.

Der Umsatzrückgang beruht – mangels anderer Angaben im Sachverhalt – unmittelbar auf der Produktions- und Vertriebstätigkeit von T in Amerika. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob im Inland Produktionsanlagen stillgelegt wurden oder Personal abgebaut wurde. Unerheblich ist auch, ob der Umsatz in den folgenden Jahren wieder steigt. P bleibt es unbenommen, andere Gründe für den Umsatzrückgang glaubhaft zu machen.

2.1.7 Negativabgrenzung, § 1 Absatz 7 FVerlV

50Funktionsverlagerungen sind von Funktionsverdoppelungen (Rn. 42 ff.) und von Fällen der Neuaufnahme einer Geschäftstätigkeit (Rn. 57) zu unterscheiden. Auch die Erbringung von Dienstleistungen (Rn. 51 ff.) oder die Teilnahme an einem Umlagevertrag (vgl. VWG Umlageverträge), insbesondere im Bereich der Forschung und Entwicklung, oder die Personalentsendung (Rn. 54 ff.) stellen – für sich betrachtet – keine Funktionsverlagerung dar. In diesen Fällen sind grundsätzlich für alle einzelnen Geschäftsvorfälle, insbesondere für die Übertragung oder Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern und Vorteilen, fremdübliche Verrechnungspreise zu bestimmen, es sei denn eine Zusammenfassung mit anderen Geschäftsvorfällen ist wegen eines bestehenden, engen wirtschaftlichen Zusammenhangs sachgerecht (Rn. 5). Entsprechendes gilt auch für Sachverhalte, die aufgrund von Bagatellregelungen nicht wie Funktionsverlagerungen behandelt werden.

2.1.7.1 Abgrenzung zur Erbringung von Dienstleistungen bzw. zur Veräußerung oder Überlassung von Wirtschaftsgütern, § 1 Absatz 7 Satz 1 FVerlV

51Die Veräußerung oder die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern jeder Art oder die Erbringung von Dienstleistungen führt allein noch nicht zu einer Funktionsverlagerung nach § 1 Absatz 2 FVerlV. Solche Geschäftsvorfälle können aber Teil einer Funktionsverlagerung sein (vgl. Rn. 26 f.) und sind dann Teil des Transferpakets.

52Werden z. B. Arbeitnehmer des verlagernden Unternehmens im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Funktionsverlagerung für das übernehmende Unternehmen tätig, ist im Regelfall davon auszugehen, dass sie im Auftrag des verlagernden Unternehmens Dienstleistungen erbringen. Derartige Dienstleistungen und die damit verbundenen Vorteile für das übernehmende Unternehmen sind Teil des Transferpakets. Zu den Vorteilen können z. B. gehören: Kenntnisse des Produkt- oder Prozess-Know-hows, Kenntnisse über Forschungsprojekte, Kenntnisse über die Betriebsorganisation, persönliche Netzwerkbeziehungen zu anderen Konzernunternehmen, Markt- oder Branchenkenntnisse, personengebundene Aufträge im Beratungsgeschäft.

53Für Geschäftsvorfälle, die lediglich in rein zeitlichem Zusammenhang mit einer Funktionsverlagerung stehen (kein wirtschaftlicher Zusammenhang), sind die Verrechnungspreise nach den allgemeinen Grundsätzen zu bestimmen.

2.1.7.2 Abgrenzung zur Personalentsendung, § 1 Absatz 7 Satz 2 erster Halbsatz FVerlV

54Die Entsendung von Personal im Konzern i. S. d. VWG Arbeitnehmerentsendung ist als solche regelmäßig keine Funktionsverlagerung i. S. d. § 1 Absatz 2 FVerlV.

55Allerdings kann es im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer tatsächlich verwirklichten Funktionsverlagerung zu einer Entsendung von Personal kommen. In solchen Fällen sind die VWG Arbeitnehmerentsendung nicht anzuwenden, weil die Entsendung Teil des Transferpakets ist. Die Einbeziehung der Personalentsendung erfolgt unabhängig davon, ob in den betreffenden Arbeitsverträgen Entschädigungsansprüche, Wettbewerbsverbote usw. für den Fall geregelt sind, dass Arbeitnehmer zu Fremdunternehmen wechseln.

Beispiel:

Der inländische, weltweit agierende Automobilzulieferer P gründet im Jahr 01 im Ausland eine Tochtergesellschaft (T). T errichtet ein neues Werk zur Herstellung von Klimaanlagen für PKW. Damit die Produktion zeitnah aufgenommen werden kann, erhält T von P einige Produktionsmaschinen. Außerdem werden bei T im Wege der Personalentsendung zehn Mitarbeiter (Ingenieure, Techniker) von P für vier Monate eingesetzt, um die neuen Mitarbeiter vor Ort einzuarbeiten. Für die Produktion verwendet T Patente von P. Die Klimaanlagen werden von T unter Verwendung der Namens- und Markenrechte unmittelbar an bisherige Kunden von P im Ausland verkauft. Das führt zu einer Einschränkung der Geschäftstätigkeit bei P.

T erhält ein Leistungspaket aus materiellen Wirtschaftsgütern (Maschinen) und immateriellen Wirtschaftgütern (Patente, Rechte, Kundenstamm). Durch die Entsendung der Experten findet zudem ein Technologietransfer statt, da T Produktionswissen (Know-how) überlassen wird (Tz. 4.2 VWG Arbeitnehmerentsendung). Es liegt eine Funktionsverlagerung i. S. d. § 1 Absatz 3 Satz 9 AStG vor. Im Rahmen des Transferpakets ist auch die Überlassung des Produktionswissens (Know-how) einzubeziehen.

Fortsetzung:

Aufgrund hoher Auslastung benötigt T weiteres Personal und erhält im Jahr 02 zur „Geschäftsaushilfe” für zwei Monate zehn Mitarbeiter (angelernte Fachkräfte) von P für den Einsatz am Fließband. Hierzu schließen die beiden Gesellschaften einen Dienstleistungsvertrag, nach dem T dem P alle Personalkosten mit einem fremdüblichen Gewinnaufschlag (Kostenaufschlagsmethode) vergütet.

Es liegt keine Arbeitnehmerentsendung vor, denn die Leistungen werden zur Erfüllung des Dienstleistungsvertrags erbracht (Tz. 2.1 VWG Arbeitnehmerentsendung). T wird schon deswegen kein wirtschaftlicher Arbeitgeber, weil die Entsendung nicht über drei Monate (Tz. 2.2 VWG Arbeitnehmerentsendung) erfolgt. Eine Vergütung nach der Kostenaufschlagsmethode ist angemessen (Tz. 3.2.3.2 VWG 1983). Aufgrund der ausgeübten Tätigkeit der angelernten Fachkräfte ist kein Technologietransfer erkennbar. Eine Funktionsverlagerung liegt nicht vor.

56Eine Funktionsverlagerung kann in Personalentsendungsfällen z. B. dann vorliegen, wenn das entsandte Personal seinen bisherigen Zuständigkeitsbereich aus dem entsendenden Unternehmen mitnimmt und nach der Entsendung im übernehmenden Unternehmen die gleiche Tätigkeit ausübt. Dies führt in der Regel zu einer Einschränkung der Geschäftstätigkeit des entsendenden Unternehmens (Rn. 22 ff.), es werden Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen oder zur Nutzung überlassen bzw. es gehen Chancen und Risiken über. In solchen Fällen gelten vorrangig die Regelungen zur Funktionsverlagerung.

2.1.7.3 Neuaufnahme einer Geschäftstätigkeit

57Von Funktionsverlagerungen abzugrenzen sind auch Fälle, in denen eine Geschäftstätigkeit neu aufgenommen wird, die bisher noch nicht durchgeführt wurde.

Beispiel:

Der inländische Autozulieferer (P) hat ein neues Getriebe N, das auf einer neuen Technologie beruht, produktionsreif entwickelt. Für die Produktion und den Vertrieb dieses Getriebes gründet P eine Tochtergesellschaft (T) im Ausland, wo T unter Nutzung des Produktions- und Prozess-Know-hows von P ein neues Werk aufbaut.

Es handelt sich weder um eine Funktionsverlagerung noch um eine Funktionsverdoppelung, denn die Tätigkeit „Produktion und Vertrieb des Getriebes N” wurde bisher von P nicht ausgeübt. Es liegt keine Einschränkung der Tätigkeit bei P vor. Ungeachtet dessen sind die überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter fremdüblich zu vergüten. Da es sich um neues und einzigartiges Wissen handelt, sind ausreichend verlässliche Vergleichswerte nicht zu erwarten, so dass der hypothetische Fremdvergleich zur Bestimmung des Verrechnungspreises anzuwenden sein wird.

2.1.7.4 Drittvergleich, § 1 Absatz 7 Satz 2 zweiter Halbsatz FVerlV

58Vorgänge, die von fremden Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen würden, sind nicht nach den Grundsätzen der Funktionsverlagerung zu behandeln. Es kann sich um geringfügige oder zeitlich begrenzte Verlagerungen handeln (z. B. Bagatellfälle mit Umsatzeinbußen von weniger als 1.000.000 €, vgl. Rn. 49) oder um die Übertragung eines einzelnen Auftrags.

Beispiel:

M ist ein führender Hersteller von Arzneimitteln im Inland. Aufgrund der hohen aktuellen Kapazitätsauslastung könnte ein neuer Auftrag am inländischen Produktionsstandort z. B. nur durch zusätzliche Sonderschichten ausgeführt werden. Stattdessen wird der Kapazitätsengpass dadurch ausgeglichen, dass eine ausländische Tochtergesellschaft (T) für drei Monate in die Auftragsabwicklung eingebunden wird. Vereinbarungsgemäß wird der Kunde unmittelbar und eigenständig von T beliefert.

Formal liegt eine Funktionsverlagerung vor, die aber zeitlich begrenzt ist (Rn. 25). Ergibt die Prüfung, dass keine relevante Auswirkung auf den Umsatz bei M (Indikator) eingetreten ist, greift schon deshalb die Transferpaketbetrachtung für eine Funktionsverlagerung nicht (Bagatellregelung). Die Überlassung des Auftrags an T ist aber fremdüblich zu vergüten.

59Auch Vorgänge, die formal den Tatbestand einer Funktionsverlagerung erfüllen, aber entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz tatsächlich so abgewickelt werden, dass sie nach allgemeiner Verkehrsanschauung nicht als Funktionsverlagerung anzusehen sind, werden aus dem Anwendungsbereich der Transferpaketbetrachtung ausgenommen.

Beispiel:

Eine Muttergesellschaft steuert zentral die Produktion, die weltweit in verschiedenen Produktionsstätten auf gleicher technologischer Grundlage bei verschiedenen rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften stattfindet. Diese zentrale Dienstleistung wird den Tochtergesellschaften nach der Kostenaufschlagsmethode belastet. Die von allen Konzerngesellschaften akquirierten Aufträge werden je nach logistischen Gegebenheiten und der aktuellen Produktionsauslastung der Produktionsstätten an die Tochtergesellschaften vergeben. Hierdurch wird eine optimale Gesamtauslastung aller Produktionsstätten erreicht, auch wenn es im Einzelfall zu temporären Produktionseinschränkungen kommt, die die Bagatellgrenze der Rn. 49 überschreiten.

Die zentrale, optimierte Steuerung der Produktion und die damit verbundene Zuteilung der eingehenden Aufträge ist keine Verlagerung einer Funktion, soweit insgesamt alle Teilnehmer in einem überschaubaren Zeitraum davon profitieren. Werden einzelne Teilnehmer nicht angemessen durch die Zentralsteuerung begünstigt, ist zu prüfen, ob für die Benachteiligung im Fremdvergleich eine Ausgleichszahlung zu erwarten wäre.

60Auch fristgerechte Kündigungen von Verträgen oder das Auslaufen einer Vertragsbeziehung sind z. B. keine Funktionsverlagerungen. In diesen Fällen ist § 8 FVerlV zu beachten (Tz. 9.100 ff. OECD Leitlinien).

2.2 Regelungen zum Transferpaket, § 2 FVerlV

2.2.1 Allgemeines zur Preisbestimmung, § 2 Absatz 1 FVerlV
2.2.1.1 Standardmethoden zur Bestimmung des Verrechnungspreises

61Zur Bestimmung der Verrechnungspreise für das Transferpaket ist vorrangig § 1 Absatz 3 Satz 1 bis 4 AStG anzuwenden. Der hypothetische Fremdvergleich (§ 1 Absatz 3 Satz 5 bis 8 AStG) ist auch für Funktionsverlagerungen – wie in allen Verrechnungspreisfällen – grundsätzlich nur nachrangig anzuwenden.

2.2.1.2 Hypothetischer Fremdvergleich

62Für ein Transferpaket, das ein Bündel von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern und Vorteilen usw. umfasst, wird es – ungeachtet Rn. 61 – regelmäßig nicht möglich sein, uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte i. S. d. § 1 Absatz 3 Satz 1 und 2 AStG festzustellen. Transferpakete setzen sich regelmäßig individuell zusammen und enthalten häufig einzigartige immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile (z. B. Synergieeffekte), die nicht ohne weiteres erkennbar sind und besondere Merkmale aufweisen, welche die Suche nach Vergleichswerten fremder Dritter erschweren (Tz. 6.13 OECD Leitlinien). Die bereits für einzelne immaterielle Wirtschaftsgüter vorhandenen, erheblichen Schwierigkeiten bei der Suche nach Vergleichspreisen treten verstärkt auf, wenn mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile zusammen Bestandteile eines Transferpakets sind. Dies gilt umso mehr, wenn hochwertige und einzigartige immaterielle Wirtschaftsgüter betroffen sind (Tz. 6.26 OECD Leitlinien). Für derartige Geschäftsvorfälle fehlt es schon wegen der enthaltenen immateriellen Wirtschaftsgüter an einem „aktiven Markt”, auf dem homogene Güter angeboten werden, auf dem regelmäßig jederzeit vertragswillige Käufer und Verkäufer gefunden werden können und auf dem die Preise öffentlich bekannt sind (Tz. 19 ff. IDW S 5). Das bedeutet aber nicht, dass Geschäftsvorfälle, die zwischen fremden Dritten nicht stattfinden, schon aus diesem Grund nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen (Tz. 1.11, 9.52 und 9.173 OECD Leitlinien).

63Aus den genannten Gründen wird in Fällen von Funktionsverlagerungen im Ergebnis regelmäßig der hypothetische Fremdvergleich nach § 1 Absatz 3 Satz 5 bis 8 AStG anzuwenden sein. Für die Verrechnungspreisbestimmung in diesen Fällen ist insbesondere der zukünftig zu erwartende finanzielle Nutzen aus dem Transferpaket (bzw. aus den betreffenden immateriellen Wirtschaftsgütern) maßgebend, der sich aufgrund einer betriebswirtschaftlichen Bewertung nach einem kapitalwertorientierten Verfahren ergibt, das national (z. B. IDW S 1 oder IDW S 5) oder international (z. B. ISO 10668) anerkannt ist (Rn. 82 ff., insbesondere Rn. 87 ff.).

64Sollen für Funktionsverlagerungen Preise und Daten aus vergleichbaren Geschäftsvorfällen verwendet werden, ist eine schlüssige und detaillierte Begründung für die Auswahl der Vergleichsdaten und der daraus abgeleiteten Kennziffern unerlässlich (siehe Tz. 21 IDW S 5). Sind die verwendeten Daten weder uneingeschränkt noch eingeschränkt vergleichbar, können sie nicht berücksichtigt werden. Sie können jedoch in einzelnen Fällen dazu verwendet werden, das im hypothetischen Fremdvergleich ermittelte Ergebnis ergänzend zu stützen.

65Im hypothetischen Fremdvergleich können Elemente eines tatsächlichen Fremdverhaltens zu berücksichtigen sein. Das gilt z. B. wenn ein internes Berechnungs- bzw. Kalkulationsschema in vergleichbaren Situationen vom Steuerpflichtigen sowohl gegenüber verbundenen als auch gegenüber nicht verbundenen Unternehmen für Funktionsverlagerungen (bzw. für die Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern) verwendet wird, z. B. ein am erwarteten Ertrag des Lizenznehmers anknüpfendes Lizenzsystem, das betriebswirtschaftlichen Grundsätzen genügt (z. B. IDW S 5). Das bedeutet aber keineswegs, dass im hypothetischen Fremdvergleich Lizenzraten aus Datenbanken abgeleitet werden können.

2.2.2 Routineunternehmen, § 2 Absatz 2 FVerlV
2.2.2.1 Funktionsverlagerung auf ein Routineunternehmen, § 2 Absatz 2 Satz 1 FVerlV

66Übt das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen aus (Tz. 9.99 OECD Leitlinien zu „Outsourcing”) und ist es sachgerecht, das Entgelt, das für die Ausübung der Funktion und die Erbringung der entsprechenden Leistungen anzusetzen ist, nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln (z. B. Lohnfertiger, Rn. 206 f.), ist davon auszugehen, dass mit dem Transferpaket keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen oder entgeltlich zur Nutzung überlassen werden, so dass § 1 Absatz 3 Satz 10 erste Alternative AStG anwendbar ist (Rn. 71). Die Kostenaufschlagsmethode ist vor allem anzuwenden, wenn das übernehmende Unternehmen i. S. d. Tz. .2 Buchstabe a VWG Verfahren lediglich „Routinefunktionen” ausübt und nur geringe Risiken trägt. In solchen Fällen erschöpft sich die laufende Vergütung für die Leistungen des übernehmenden Unternehmens in einem bloßen Tätigkeitsentgelt.

67Entsprechendes gilt, wenn ein übernehmendes Unternehmen, das i. S. d. Rn. 66 tätig wird, für die Ermittlung der Verrechnungspreise nach Durchführung einer Funktionsverlagerung zulässigerweise eine auf den Kosten basierende, geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode anwendet oder wenn ein solches Unternehmen eine das niedrige Risiko berücksichtigende Provision erhält. Voraussetzung ist, dass dies zu vergleichbaren Ergebnissen führt und das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt.

2.2.2.2 Funktionsverlagerung durch Ausweitung einer Funktion, § 2 Absatz 2 Satz 2 FVerlV

68Erbringt ein übernehmendes Unternehmen i. S. d. Rn. 66 f. die bisher ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen erbrachten Routineleistungen in Zukunft auch als eigenständiger Vertragspartner, ganz oder teilweise, gegenüber anderen Unternehmen, sind zwei Alternativen zu unterscheiden:

  • Das übernehmende Unternehmen nutzt für seine Leistungen keine vom verlagernden Unternehmen beigestellten immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile. Indiz dafür ist, dass die von fremden Dritten gezahlte Vergütung dem entspricht, was bisher vom verlagernden Unternehmen nach Rn. 66 f. für die erbrachten Leistungen vergütet worden ist. Die Regelungen zu Funktionsverlagerungen sind nicht anzuwenden.

  • Das übernehmende Unternehmen erzielt gegenüber den anderen Unternehmen Preise, die höher sind als das Entgelt nach Rn. 66 f., bzw. die Preise wären entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz höher anzusetzen. Zum Zeitpunkt der erstmaligen Erbringung gegenüber den anderen Unternehmen ist im Hinblick auf die Umsätze mit diesen Unternehmen für bisher unentgeltlich vom verlagernden Unternehmen für die Leistungserbringung zur Verfügung gestellte Wirtschaftsgüter und Vorteile ein Entgelt zu verrechnen. Die betreffenden Wirtschaftsgüter und Vorteile gelten als ein Transferpaket, soweit hierfür im Einzelfall die Voraussetzungen gegeben sind, z. B. wenn ein bisheriger Lohnfertiger zum Eigenfertiger wird (vgl. Rn. 208 f.).

2.2.3 Öffnungsklauseln, § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG

69Sind die Tatbestandsmerkmale für eine Funktionsverlagerung erfüllt, erfolgt die Bestimmung der Verrechnungspreise nach § 1 Absatz 3 Satz 9 AStG regelmäßig auf Grundlage der Bewertung des Transferpakets (vgl. Rn. 82 ff.). Liegen jedoch die Voraussetzungen einer der drei eigenständigen Öffnungsklauseln des § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG vor, die jeweils unabhängig voneinander zu prüfen sind, kann der Steuerpflichtige von der Transferpaketbetrachtung absehen. In diesem Fall sind Einzelverrechnungspreise für die von der Funktionsverlagerung betroffenen Bestandteile des Transferpakets entsprechend den allgemeinen Regelungen (§ 1 Absatz 3 Satz 1 bis 8 AStG) zu bestimmen. Soweit es sich um hochwertige und einzigartige immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile handelt, wird für diese der hypothetische Fremdvergleich (Rn. 62 ff.) anzuwenden sein. Zu dessen Durchführung ist der zukünftig zu erwartende finanzielle Nutzen aus dem betreffenden immateriellen Wirtschaftsgut maßgebend, der sich aufgrund einer betriebswirtschaftlichen Bewertung nach einem kapitalwertorientierten Verfahren (z. B. IDW S 5 bzw. ISO 10668 für Marken) ergibt.

70Die Möglichkeit, nach § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG auf die Transferpaketbetrachtung zu verzichten, ändert nichts daran, dass der Tatbestand einer Funktionsverlagerung erfüllt ist. Insbesondere sind weiterhin die Aufzeichnungspflichten (Rn. 155 ff.) zu beachten, d. h. es sind die Unterlagen vorzulegen, aus denen sich quantifiziert die wirtschaftlichen Gründe für die Funktionsverlagerung, insbesondere die konkreten Vor- bzw. Nachteile ergeben, sowohl für den Gesamtkonzern als auch für die betroffenen verbundenen Unternehmen (Tz. 9.57, 9.81, 9.178 OECD Leitlinien).

2.2.3.1 Öffnungsklausel, § 1 Absatz 3 Satz 10 erste Alternative AStG

71Von der Transferpaketbetrachtung kann der Steuerpflichtige absehen, wenn er glaubhaft macht (Rn. 40 f.), dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren (§ 1 Absatz 3 Satz 10 erste Alternative AStG, § 1 Absatz 5 FVerlV). Nach der Definition des Begriffs „wesentlich” (§ 1 Absatz 5 FVerlV) ist dies – abgesehen von der Frage der Erforderlichkeit des immateriellen Wirtschaftsgutes oder Vorteils für die verlagerte Funktion – der Fall, wenn der Fremdvergleichspreis weder für ein immaterielles Wirtschaftsgut oder einen Vorteil allein noch für mehrere von der Funktionsverlagerung betroffene immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile gemeinsam die quantitative Grenze (25 %) übersteigt (Rn. 38 f.). Eine präzise Wertberechnung für das Transferpaket ist nicht erforderlich.

Beispiel (siehe auch Rn. 80):

Im Rahmen einer Funktionsverlagerung macht der Steuerpflichtige glaubhaft, dass neben verschiedenen materiellen Wirtschaftsgütern drei immaterielle Wirtschaftsgüter betroffen sind, die jeweils 20 % der Summe der Einzelwerte aller Bestandteile des Transferpakets ausmachen.

Da die Summe der Werte der immateriellen Wirtschaftsgüter 25 % der Summe der Einzelwerte aller Bestandteile des Transferpakets übersteigt, ist die erste Öffnungsklausel nicht anwendbar (Zusammenrechnung). Der Steuerpflichtige hat den Verrechnungspreis auf der Grundlage einer Transferpaketbetrachtung zu bestimmen.

2.2.3.2 Öffnungsklausel, § 1 Absatz 3 Satz 10 zweite Alternative AStG, § 2 Absatz 3 FVerlV

72Die Verrechnungspreisbestimmung auf Grundlage des Transferpakets ist dann nicht maßgeblich, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht (Rn. 40), dass die Summe der Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpakets, gemessen am Wert für das Transferpaket dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 1 Absatz 3 Satz 10 zweite Alternative AStG). Nach § 2 Absatz 3 FVerlV sind in diesen Fällen sowohl der Einigungsbereich als auch der Wert des Transferpakets nach § 1 Absatz 3 Satz 9 AStG i. V. m. § 1 Absatz 3 Satz 7 AStG zu ermitteln, so dass für diese Öffnungsklausel präzise Berechnungen auf der Grundlage des Transferpakets erforderlich sind. Die nach § 1 Absatz 3 Satz 1 bis 8 AStG ermittelte Summe der Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpakets darf nur angesetzt werden, wenn sie im Einigungsbereich liegt (siehe auch Gesetzesbegründung zu § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG, BT-Drs. 16/4841 S. 86). Die Anwendung dieser Öffnungsklausel kann sinnvoll sein, um einen bestimmten Punkt im Einigungsbereich glaubhaft zu machen (Rn. 128).

73Für die Glaubhaftmachung ist es vor allem erforderlich, dass der Steuerpflichtige die Differenz zwischen der Summe der Einzelverrechnungspreise und dem Wert für das Transferpaket aufklärt und begründet, warum die Summe der Einzelverrechnungspreise dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.

2.2.3.3 Öffnungsklausel, § 1 Absatz 3 Satz 10 dritte Alternative AStG

74Macht der Steuerpflichtige anhand der nach § 90 Absatz 3 AO i. V. m. § 3 Absatz 2 GAufzV nach Aufforderung vorzulegenden Aufzeichnungen glaubhaft, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, und bezeichnet er es genau, sind Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpakets anzuerkennen (§ 1 Absatz 3 Satz 10 dritte Alternative AStG).

75Ein immaterielles Wirtschaftsgut ist „wesentlich”, wenn, bezogen auf dieses Wirtschaftsgut, in sinngemäßer Anwendung des § 1 Absatz 5 FVerlV sowohl das qualitative Merkmal erfüllt als auch die quantitative Grenze (25 %) überschritten ist (entsprechend Rn. 38 f.). Die Glaubhaftmachung (Rn. 40) erfordert keine präzise Wertberechnung für das Transferpaket.

76Ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut wird häufig hochwertig und einzigartig sein (Rn. 62), sodass insoweit der hypothetische Fremdvergleich anzuwenden ist. Über die hierzu notwendige Einbeziehung der Gewinnerwartungen der betroffenen Unternehmen können sich geschäftswertbildende Faktoren und Standortvorteile auf die Verrechnungspreisbestimmung auswirken, wenn voneinander unabhängige Unternehmen sie für ihre Preisbestimmung berücksichtigen würden (Tz. 9.94 OECD Leitlinien). Es kann nicht unterstellt werden, dass dies regelmäßig der Fall ist.

77Das Wort „zumindest” macht deutlich, dass für die Anwendung dieser Öffnungsklausel auch mehrere (wesentliche) immaterielle Wirtschaftsgüter Gegenstand einer Funktionsverlagerung sein können, die auf Grundlage der Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten nach § 90 Absatz 3 AO i. V. m. der GAufzV (Rn. 150 ff.) vollständig und genau bezeichnet werden müssen.

78Ein immaterielles Wirtschaftsgut ist genau bezeichnet, wenn es aufgrund der Angaben des Steuerpflichtigen so eindeutig identifiziert werden kann, dass entweder ausreichende Vergleichswerte ermittelt werden können (§ 1 Absatz 3 Satz 1 bis 4 AStG) oder eine sachgerechte Preisbestimmung nach dem hypothetischen Fremdvergleich (§ 1 Absatz 3 Satz 5 bis 8 AStG) möglich ist. Die Verrechnungspreisbestimmung erfolgt ausgehend von den Unterlagen des Unternehmens, die für dessen Entscheidung maßgebend waren, die Funktionsverlagerung durchzuführen.

79Die dritte Öffnungsklausel ist auch auf Funktionsverlagerungen, die einen Betrieb oder Teilbetrieb betreffen, anzuwenden, da der Wortlaut insoweit keine Einschränkung enthält. Auch in diesen Fällen ist eine Einzelpreisbestimmung für die Bestandteile des Transferpakets nach § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG möglich mit der Folge, dass ggf. für mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter (einschließlich eines tatsächlich enthaltenen Geschäfts- oder Firmenwerts) jeweils einzeln der hypothetische Fremdvergleich durchgeführt werden muss. Wird ein Betrieb oder Teilbetrieb verlagert, kann sich die Verpflichtung zu einer Gesamtbewertung allerdings aus anderen Vorschriften ergeben, hinter die § 1 AStG ggf. zurücktritt (Rn. 8).

80Sind mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter Bestandteile des Transferpakets, die jedes für sich die Voraussetzungen der Wesentlichkeit des § 1 Absatz 3 Satz 10, dritte Alternative AStG nicht erfüllen, greift die Öffnungsklausel nicht ein. Dies gilt auch, wenn die Summe der Einzelwerte der betroffenen immateriellen Wirtschaftsgüter die quantitative Grenze insgesamt überschreitet.

Beispiel (siehe auch Rn. 71):

Im Rahmen der Prüfung einer Funktionsverlagerung ergibt sich, dass davon drei immaterielle Wirtschaftsgüter betroffen sind, die je 20 % der Summe der Einzelwerte der Bestandteile des Transferpakets betragen.

Da der Steuerpflichtige kein immaterielles Wirtschaftsgut identifiziert hat, dessen Wert mehr als 25 % der Summe aller Einzelwerte der Bestandteile des Transferpakets beträgt, ist die dritte Öffnungsklausel nicht anwendbar (keine Zusammenrechnung). Der Steuerpflichtige hat die Verrechnungspreise auf der Grundlage einer Transferpaketbetrachtung zu bestimmen.

81Fasst der Steuerpflichtige mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter zusammen, deren gemeinsame Bewertung in Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden sachgerecht ist (z. B. im Einzelfall Patent und Produktions-Know-how, das der Herstellung derselben Wirtschaftsgüter dient, vgl. Rn. 5) und wird damit die Grenze von 25 % überschritten, ist dies nicht zu beanstanden, wenn die so zusammengefassten immateriellen Wirtschaftsgüter für die Verrechnungspreisbestimmung (und die entsprechende Bewertung) wie ein einheitliches immaterielles Wirtschaftsgut behandelt werden.

2.3 Wertermittlung für das Transferpaket, § 3 FVerlV

2.3.1 Barwertermittlung, § 3 Absatz 1 FVerlV

82Für das Transferpaket ist in den Fällen des hypothetischen Fremdvergleichs (Rn. 62 ff.) ein betriebswirtschaftlich begründeter Gesamtwert (Barwert) zu bestimmen (Rn. 29 f. und Rn. 63). Für die Beurteilung der Werthaltigkeit des Transferpakets ist auf die tatsächlichen Verhältnisse sowie die Erkenntnismöglichkeiten und Ermessensspielräume der beiden gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter (sowohl des verlagernden als auch des übernehmenden Unternehmens) im Zeitpunkt der Funktionsverlagerung abzustellen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem sich die Funktionsverlagerung ereignet hat und der Tatbestand (Rn. 19) vollständig verwirklicht ist. Alle Umstände, die den beteiligten Unternehmen (einschließlich der Konzernzentrale) zu diesem Zeitpunkt tatsächlich bekannt waren oder von denen unterstellt werden kann, dass sie von ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitern berücksichtigt worden wären, sind nach § 1 Absatz 1 Satz 3 AStG heranzuziehen, soweit sie Rückschlüsse auf die Werthaltigkeit des Transferpakets zum maßgeblichen Zeitpunkt erlauben. Hinsichtlich der Mitwirkungspflichten der beteiligten Unternehmen und ggf. der Konzernzentrale siehe Rn. 150 ff.

2.3.2 Berechnung der Gewinnpotenziale, § 3 Absatz 2 FVerlV

83Zur Bestimmung der Gewinnpotenziale ist sowohl für das verlagernde als auch für das übernehmende Unternehmen eine Funktions- und Risikoanalyse, bezogen auf die mit der Funktion jeweils zusammenhängenden Geschäftstätigkeiten, jeweils vor und nach der Funktionsverlagerung durchzuführen (zur Anwendung der „direkten” bzw. „indirekten Methode” vgl. Rn. 32).

84Für die Barwertberechnung der Gewinnpotenziale sind vor allem drei Faktoren wesentlich:

  • Als Erstes sind die Reingewinne nach Steuern – jeweils aus der Sicht der beiden ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 2 AStG – zu berechnen, die aus der verlagerten Funktion zu erwarten sind. Dazu ist für das verlagernde und das übernehmende Unternehmen der gleiche Maßstab anzuwenden.

  • Als Zweites ist der Kapitalisierungszeitraum festzulegen, der in Abhängigkeit von den konkreten Umständen der Funktionsausübung zu bestimmen ist (§ 6 FVerlV und Rn. 109 ff.).

  • Als Drittes sind die jeweiligen Reingewinne nach Steuern mit einem angemessenen Kapitalisierungszinssatz zu diskontieren, der die jeweils mit der Funktion zusammenhängenden Chancen und Risiken berücksichtigt (§ 5 FVerlV und Rn. 104 ff.).

85Die Gewinnpotenziale aus der verlagerten Funktion können, z. B. aufgrund einer Kostenstellenrechnung, einer Produktergebnisrechnung oder einer Kostendeckungsbeitragsrechnung, aus dem Gesamtgewinn des Unternehmens herausgerechnet werden. Tatsächlich bestehende, eindeutig vorteilhaftere Handlungsalternativen (Rn. 96), jeweilige Standortvorteile bzw. -nachteile und zu erwartende Synergieeffekte (Rn. 93) beeinflussen aus der Sicht voneinander unabhängiger Dritter die Gewinnerwartung und damit auch die Preisbestimmung. Auf die Fälle des § 7 Absatz 2 FVerlV, in denen der Mindestpreis des verlagernden Unternehmens dem Liquidationswert entspricht (Rn. 120), wird hingewiesen.

86Die Unterlagen, die auf den unternehmensinternen, allgemein angewandten, betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundlagen und -methoden beruhen (§ 3 Absatz 2 Satz 2 FVerlV), kann der Steuerpflichtige als Grundlage für die zu erstellenden Planrechnungen verwenden (Tz. .6 VWG Verfahren). Dies gilt, soweit die Unterlagen selbst und die darauf basierenden Berechnungen plausibel sind.

2.3.2.1 Bewertungsverfahren

87Grundsätzlich ist im hypothetischen Fremdvergleich ein Bewertungsverfahren (kapitalwertorientiertes Verfahren, z. B. nach IDW S 1 oder IDW S 5) anzuwenden, das den jeweiligen Barwert auf der Grundlage des jeweils zu erwartenden „Reingewinns nach Steuern” (§ 1 Absatz 4 FVerlV, Rn. 31) ermittelt. Grundlage hierfür ist die Annahme, dass sich der Wert einer verlagerten Funktion aus deren Eigenschaft ergibt, künftige Erfolgsbeiträge in Form von Einnahmeüberschüssen zu erwirtschaften.

88Davon ausgehend ist der Einigungsbereich zu ermitteln (§ 7 FVerlV) und der maßgebliche Wert im Einigungsbereich zu bestimmen (Rn. 128 ff.). Die Anwendung eines betriebswirtschaftlich begründeten Discounted Cashflow-Verfahrens zur Ermittlung des maßgebenden Barwerts ist zulässig, da sowohl das Ertragswertverfahren als auch die Discounted Cashflow-Verfahren grundsätzlich auf derselben konzeptionellen Grundlage beruhen und bei gleichen Bewertungsannahmen bzw. -vereinfachungen zu gleichen Bewertungsergebnissen führen (Tz. 101 IDW S 1).

89Ob ein Bewertungsverfahren anzuwenden ist, das dem IDW S 1 oder dem IDW S 5 (Tz. 22 bis 47) oder einem anderen betriebswirtschaftlich anerkannten Verfahren entspricht und steuerlich für die betreffende Fallgestaltung anzuerkennen ist, hängt von dem Charakter und der Bedeutung der Funktionsverlagerung ab. Werden von der Funktionsverlagerung vor allem immaterielle Wirtschaftsgüter betroffen, liegt die Anwendung eines Bewertungsverfahrens, das IDW S 5 entspricht, nahe. Stellt sich im Einzelfall eine Funktionsverlagerung als Verlagerung eines Unternehmens oder eines Betriebsteils dar, der über eine eigene Lebensfähigkeit verfügt, ist ein Bewertungsverfahren sachgerecht, das IDW S 1 entspricht.

90Der Wert einer Funktion bestimmt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht nach dem erwarteten zukünftigen finanziellen Nutzen, der aus der Funktion gezogen bzw. nicht mehr gezogen werden kann. Wesentlicher Ausgangspunkt für die Bewertung ist die Identifikation der spezifischen Einnahmen und Ausgaben, die der zu bewertenden Funktion zuzurechnen sind (entsprechend Tz. 24 IDW S 5). Hierfür bilden die Unterlagen, auf deren Grundlage das Unternehmen insgesamt über die Funktionsverlagerung entschieden hat (§ 3 Absatz 2 Satz 2 FVerlV), den entscheidenden Ausgangspunkt. Aus diesen Unterlagen ist abzuleiten, von welchen Annahmen ausgegangen worden ist, vor allem welche Einnahmen und Ausgaben aufgrund der Funktionsverlagerung einerseits für das verlagernde Unternehmen voraussichtlich wegfallen und welche Einnahmen und Ausgaben aufgrund der Funktionsverlagerung andererseits für das übernehmende Unternehmen voraussichtlich entstehen. Im Regelfall entspricht es betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, für die ersten Jahre detaillierte Prognoserechnungen aufzustellen und für die weiteren Jahre diese Werte pauschal fortzuschreiben.

91Der Wert des Transferpakets ergibt sich unter Berücksichtigung der Gewinnpotenziale, die sich sowohl aus der Veränderung (im Regelfall Minderung) des Ertragswerts des verlagernden Unternehmens als auch aus dem Zuwachs des Ertragswerts des übernehmenden Unternehmens ergeben und aus denen jeweils die Preisuntergrenze bzw. die Preisobergrenze der Unternehmen (Entscheidungswerte) errechnet werden kann. Dies führt zu einer fiktiven Verhandlungssituation und ermöglicht die Bestimmung eines Werts für das Transferpaket (Barwert) im Einigungsbereich.

92Zur Aufteilung des Barwerts auf die Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets (unabhängig von ihrer Bilanzierbarkeit beim verlagernden Unternehmen) vgl. Rn. 98 f. und Anlage, Beispiel 1 (I. Abwandlung zu Fall A).

2.3.2.2 Standortvorteile und Synergieeffekte

93Die jeweiligen Ertragswerte beinhalten alle Standortvorteile bzw. -nachteile und Synergieeffekte aller beteiligten Unternehmen. Welches Unternehmen durch seine Tätigkeit das Entstehen dieser Vorteile/Nachteile bewirkt, ist zwar ein Indiz, aber letztlich nicht entscheidend. Es kommt darauf an, welches Unternehmen diese Vorteile/Nachteile in den fiktiven Preisverhandlungen in Anspruch nehmen könnte bzw. tragen müsste. Dies hängt von den konkreten Handlungsalternativen (Rn. 96) und der jeweiligen Verhandlungsstärke (Tz. 9.57, 9.148 ff. OECD Leitlinien) ab, die sich aus den objektiven Umständen ergibt. Beispiele für mögliche Standortvorteile oder -nachteile des übernehmenden Unternehmens können Unterschiede bei Lohn- oder Materialkosten, Finanzierungskonditionen, die Qualität der Infrastruktur oder die Zuverlässigkeit und Qualifizierung des Personals und der Materiallieferungen sein. Auch Steuerbelastungsunterschiede und Investitionshilfen, die für die Preisbestimmung zu berücksichtigen sind, können Standortvorteile oder -nachteile begründen, ohne dass dies bereits die Annahme eines steuerlichen Missbrauchs rechtfertigt (Tz. 9.181 ff. OECD Leitlinien).

2.3.2.3 Grad der Fremdfinanzierung

94Für die Wertermittlung des Transferpakets kann aus Vereinfachungsgründen typisierend davon ausgegangen werden, dass der Grad der Fremdkapitalfinanzierung hinsichtlich der betreffenden Funktion für das übernehmende Unternehmen genauso hoch ist wie für das verlagernde Unternehmen. Beruft sich der Steuerpflichtige auf einen unterschiedlichen Grad der Fremdkapitalisierung, hat er den Sachverhalt aufzuzeichnen und darzulegen, inwieweit sich die Unterschiede in der Finanzierung des übernehmenden Unternehmens gegenüber der des verlagernden Unternehmens auf den anzuwendenden Kapitalisierungszinssatz auswirken. Es ist zu berücksichtigen, dass ein Investor im Fall einer höheren Fremdkapitalfinanzierung wegen des höheren Risikos regelmäßig eine höhere Eigenkapitalrendite erwarten wird.

2.3.2.4 Unternehmensstrategisch motivierte Funktionsverlagerungen

95Soweit der Funktionsverlagerung unternehmensstrategische und weniger ertragsorientierte Überlegungen zugrunde liegen, sind trotzdem in jedem Fall die Ertragsauswirkungen (bzw. Cashflow Auswirkungen) zu ermitteln und die wirtschaftlichen Folgen der unternehmensstrategischen Entscheidung unter Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu bewerten (vgl. Tz. 26 IDW S 5), um sachgerechte Verrechnungspreise bestimmen zu können.

2.3.2.5 Handlungsalternativen

96Für den anzustellenden Fremdvergleich ist die rechtliche und wirtschaftliche Position der beteiligten Vertragspartner zu berücksichtigen, die einen wichtigen Anhaltspunkt für die angemessene Preisgestaltung gibt (vgl. HFR 2004, S. 552, m. w. N.). Stehen z. B. dem übernehmenden Unternehmen – als fiktiv selbständigem Unternehmen – konkrete, realistische und eindeutig vorteilhaftere Möglichkeiten offen, die ihm angebotene Leistung zu erlangen (Tz. 9.59, 9.64 OECD Leitlinien), wird ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter versuchen, seinen infolge der Handlungsalternativen bestehenden Verhandlungsvorteil zu nutzen, um den Preis zu reduzieren. Andererseits wird der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des verlagernden Unternehmens nicht bereit sein, einen wirtschaftlichen Vorteil ganz oder teilweise unentgeltlich abzugeben, wenn z. B. konkret die Möglichkeit bestünde, einen höheren Preis für die Abgabe der Funktion zu erzielen. Er wird vielmehr versuchen, ein optimales Ergebnis für das von ihm vertretene, verlagernde Unternehmen zu erreichen. In welchem Umfang er Erfolg hätte, ist abhängig von seiner Verhandlungsposition und seinen Handlungsalternativen, z. B. die Funktion selbst weiter auszuüben und ggf. mit dem übernehmenden Unternehmen in Konkurrenz zu treten, die Funktion auf einen Lohnfertiger zu verlagern oder ein günstigeres Angebot anzunehmen. Es ist Aufgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes, für den fiktiven Interessengegensatz unter den konkreten Gegebenheiten (ggf. auch unter Einbeziehung anderer Konzernunternehmen) eine Lösung zu finden, ohne die tatsächlich verwirklichten und rechtlich verbindlichen Geschäftsvorfälle zu ignorieren. Wer sich zu seinen Gunsten auf das Vorliegen von konkreten, realistischen und eindeutig vorteilhafteren Handlungsalternativen beruft, hat deren Voraussetzungen nachzuweisen und die sich aus diesen Handlungsalternativen ergebenden steuerlichen Auswirkungen glaubhaft zu machen.

2.4 Bestandteile des Transferpakets

97Die rechtliche und vertragliche Strukturierung einer Funktionsverlagerung liegt in der unternehmerischen Dispositionsfreiheit (Rn. 145 ff.). Die Entscheidungen sind von der Finanzbehörde dem Grunde nach anzuerkennen, soweit sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Aus Nachweisgründen sollte die Ausübung der Dispositionsfreiheit – gerade für komplexe Geschäftsvorfälle wie Funktionsverlagerungen – in Form von im Voraus abgeschlossenen, klaren und eindeutigen (möglichst schriftlichen) Verträgen erfolgen (Rn. 151). Fehlen solche Verträge, sind Nachweisprobleme mit den beteiligten Finanzbehörden nicht auszuschließen.

2.4.1 Aufteilung des Werts des Transferpakets, § 4 Absatz 1 FVerlV

98Im Rahmen einer Funktionsverlagerung werden häufig gesonderte Verträge (Rn. 97) für die Übertragung von Wirtschaftsgütern (Verkauf), für die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern (z. B. Miete, Lizenzierung) und für die Erbringung von Dienstleistungen (z. B. Personalüberlassung) vorliegen oder entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz anzunehmen sein (Tz. 3.12 OECD Leitlinien). Die Summe der Einzelverrechnungspreise muss jedoch unter Berücksichtigung der jeweiligen Gewinnpotenziale (einschließlich der Chancen, Risiken und Vorteile) insgesamt dem Wert des Transferpakets nach § 3 FVerlV (Barwert) entsprechen.

99Legt der Steuerpflichtige nur eine Wertberechnung für das Transferpaket – ohne Aufteilung dieses Werts auf die einzelnen Wirtschaftsgüter, Vorteile und Dienstleistungen (§ 4 Absatz 1 FVerlV) – vor, kann die Finanzbehörde in begründeten Einzelfällen den Barwert für das Transferpaket mit den Verrechnungspreisen für die einzelnen Wirtschaftsgüter, sonstigen Vorteile und erbrachten Dienstleistungen verproben und den Steuerpflichtigen ggf. zur Aufklärung von Abweichungen auffordern. Dies gilt z. B. wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der vom Steuerpflichtigen berechnete Wert für das Transferpaket niedriger ist als die Summe der Fremdvergleichspreise für alle Bestandteile des Transferpakets.

2.4.2 Vermutung für Nutzungsüberlassung, § 4 Absatz 2 FVerlV

100Wurden im Rahmen einer Funktionsverlagerung keine schriftlichen Vereinbarungen getroffen, ist anhand einer Analyse der Gesamtumstände des Einzelfalles zu prüfen, ob und inwieweit bezogen auf die einzelnen Wirtschaftsgüter eine endgültige Übertragung oder eine zeitlich befristete Nutzungsüberlassung vorliegt. Für die Beurteilung ist der erkennbare Wille der Beteiligten im Zeitpunkt der Funktionsverlagerung von erheblicher Bedeutung ( BStBl 1978 II S. 355), soweit dieser eindeutig festgestellt bzw. nachgewiesen werden kann. Zum Nachweis können z. B. zeitnah erstellte Buchhaltungsunterlagen dienen.

101Kann der übereinstimmende Wille mangels schriftlicher Unterlagen oder anderer Beweismittel nicht zweifelsfrei festgestellt werden, sind der tatsächliche Ablauf und die Handhabung durch die Beteiligten maßgeblich. Der Ablauf wird regelmäßig erkennen lassen, ob die betreffenden Wirtschaftsgüter und das Gewinnpotenzial jedenfalls bis zur Funktionsverlagerung dem verlagernden Unternehmen zuzuordnen waren und in dessen Eigentum standen, und wenn ja, ob die betreffenden Wirtschaftsgüter und das Gewinnpotenzial nach der Funktionsverlagerung tatsächlich von dem übernehmenden Unternehmen genutzt worden sind.

102Im Zweifel ist – im Einverständnis mit dem Steuerpflichtigen – eine Nutzungsüberlassung einzelner Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets anzunehmen und nicht von einer Übertragung auszugehen (§ 4 Absatz 2 FVerlV).

2.4.3 Nachträgliche Barwertberechnung, § 4 Absatz 3 FVerlV

103In Fällen von Funktionsverdoppelungen (§ 1 Absatz 6 Satz 1 FVerlV, Rn. 42 ff.), die nachträglich zu einer Funktionsverlagerung werden (§ 1 Absatz 6 Satz 2 FVerlV, Rn. 45), sind die Verrechnungspreise für die zuletzt verwirklichten Geschäftsvorfälle dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend so anzusetzen, dass sie zusammen mit den zuerst verwirklichten Geschäftsvorfällen in der Summe dem Wert des Transferpakets entsprechen (§ 3 FVerlV). Dadurch können Änderungen der Verrechnungspreise für die zuerst verwirklichten Geschäftsvorfälle und damit internationale Doppelbesteuerungskonflikte vermieden werden. Entsprechendes gilt in Fällen von Funktionsverlagerungen i. S. d. § 1 Absatz 2 Satz 3 FVerlV (Rn. 26 f.).

2.5 Kapitalisierungszinssatz, § 5 FVerlV

2.5.1 Basiszins

104Ausgangspunkt für die Bestimmung des angemessenen Kapitalisierungszinssatzes ist der landesübliche Zins für eine „quasi-risikolose” Investition (Basiszins, Tz. 116 IDW S 1), der jeweils für das verlagernde und das übernehmende Unternehmen zu ermitteln und zu dokumentieren ist (z. B. Zins für laufzeitäquivalente öffentliche Anleihen im jeweiligen Land, für das Inland die Zinsstrukturkurve der Deutschen Bundesbank, www.bundesbank.de). Zuschläge für Länderrisiken sind nicht vorzunehmen. Dem Steuerpflichtigen bleibt es unbenommen, auch für das ausländische Unternehmen den inländischen risikolosen Zinssatz zu verwenden, wenn bestehende Länderrisiken im Wege eines angemessenen Zuschlags berücksichtigt werden.

2.5.2 Laufzeit

105Die Zinssätze für risikolose Investitionen sind laufzeitabhängig. Für den Regelfall eines von den Umständen der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraums (§ 6 FVerlV), sind risikolose Investitionen heranzuziehen, deren Laufzeit z. B. zu der voraussichtlichen Dauer der Funktionsausübung oder der Nutzungsdauer der wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter äquivalent ist. Ist nach § 6 FVerlV ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum zugrunde zu legen, ist von einer möglichst langfristigen Vergleichsinvestition auszugehen. Der Basiszinssatz kann in diesen Fällen auch auf Grundlage einer Hochrechnung ausgehend von der Zinsstrukturkurve bestimmt werden.

2.5.3 Funktions- und risikoadäquate Zuschläge

106Auf den Basiszinssatz sind funktions- und risikoadäquate Zuschläge vorzunehmen, um die zukünftigen Chancen und Risiken, die mit der verlagerten Funktion zusammenhängen im Vergleich zu denjenigen, die mit einer risikolosen Investition verbunden sind, zu berücksichtigen. Die Zuschläge für beide Unternehmen sollen sich an den marktüblichen Renditen orientieren, die für die Ausübung vergleichbarer Funktionen erzielt werden, wenn ausreichend vergleichbare Renditeerwartungen ermittelt werden können. Ist das nicht der Fall, ist der funktions- und risikoadäquate Zuschlag für die betroffenen Unternehmen aus den Gewinnerwartungen des Konzerns bzw. der Unternehmensgruppe abzuleiten und der verlagerten Funktion ein angemessener Anteil am zu erwartenden Gesamtgewinn zuzuordnen (Wertschöpfungsanalyse, vgl. Tz. .6 Buchstabe b, dritter Spiegelstrich VWG Verfahren). Für das verlagernde und für das übernehmende Unternehmen ist die Risikobeurteilung anzunehmen, die sich aus der übrigen Geschäftstätigkeit des jeweiligen Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe (des Konzerns) ergibt.

107Der für das übernehmende Unternehmen anzuwendende Kapitalisierungszinssatz stellt sicher, dass bei diesem voraussichtlich ein funktions- und risikoadäquater Mindestgewinn verbleibt.

2.5.4 Berücksichtigung von Steuern

108Wenn die erwarteten Gewinne aus dem Transferpaket (bei Kapitalgesellschaften) um die Steuern der Gesellschafter gekürzt werden, ist der Kapitalisierungszinssatz auch um die Steuern des Gesellschafters zu reduzieren (Äquivalenzprinzip). Werden die erwarteten Gewinne aus dem Transferpaket nur um die Steuern des Unternehmens gekürzt, ist der Kapitalisierungszinssatz nicht zu reduzieren (Tz. 122 IDW S 1). Gleiches gilt für Personenunternehmen, wenn die Vereinfachungsregelung der Rn. 35 in Anspruch genommen wird. Ansonsten sind die persönlichen Steuern zu berücksichtigen.

2.6 Kapitalisierungszeitraum, § 6 FVerlV

109Ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum kommt regelmäßig zur Anwendung, wenn es sich bei der verlagerten Funktion um einen ganzen Betrieb, einen Teilbetrieb oder wenigstens um eine Einheit handelt, die wirtschaftlich eigenständig lebensfähig ist und weitgehend einem Teilbetrieb entspricht (vgl. Tz. 85 IDW S. 1). Je weiter dagegen die verlagerte Funktion unterhalb der Schwelle eines Teilbetriebs liegt, umso eher kann ein begrenzter Kapitalisierungszeitraum sachgerecht sein. Da die Dauer des Kapitalisierungszeitraums erhebliche Auswirkungen auf den Mindestpreis und den Höchstpreis hat, ist dieser Aspekt ein wesentlicher Prüfungsschwerpunkt.

110Einen von den Umständen der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum (z. B. gestützt auf den Umstand, dass die Funktion nur für einen begrenzten Zeitraum überlassen worden ist oder dass ein Patent nur noch eine begrenzte Laufzeit hat) hat derjenige glaubhaft zu machen, der sich darauf beruft, es sei denn, solche Umstände sind ersichtlich. Anhaltspunkte für die Bestimmung der Dauer des Kapitalisierungszeitraums können z. B. sein: der Technologiezyklus, der Produktlebenszyklus, die Dauer eines Patentschutzes, die Dauer eines Vertriebsrechts oder die garantierte Dauer der Funktionsausübung. Haben einzelne Bestandteile eines Transferpakets eine unterschiedliche Nutzungsdauer (z. B. Patente mit unterschiedlicher Restlaufzeit), ist eine Orientierung an der längsten Nutzungsdauer – unter Berücksichtigung einer ggf. erforderlichen Gewichtung – sachgerecht.

111Sind bei der Ermittlung der Gewinnerwartungen des übernehmenden Unternehmens eigene Aufwendungen für den Erhalt bzw. Ersatz immaterieller Wirtschaftsgüter berücksichtigt worden, spricht dies für einen längeren Nutzungs- und damit Kapitalisierungszeitraum der Funktion. Unabhängig davon, ob in den Gewinnerwartungen solche Aufwendungen berücksichtigt worden sind, kann es sachgerecht sein, für betroffene wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter innerhalb der Nutzungsdauer von sinkenden Gewinnerwartungen auszugehen. Sind in den Gewinnerwartungen des übernehmenden Unternehmens keine Aufwendungen für den Erhalt bzw. Ersatz immaterieller Wirtschaftsgüter enthalten, führt dies nicht zwingend zu einem kurzen Kapitalisierungszeitraum.

Beispiel:

Wird die Produktion eines Staubsaugermodells verlagert, darf der Kapitalisierungszeitraum nicht ohne Weiteres auf die voraussichtliche Produktionsdauer eines bestimmten Staubsaugermodells begrenzt werden, wenn davon auszugehen ist, dass im Rahmen der Produktionsverlagerung die Technologie für die Herstellung von Staubsaugern insgesamt – nicht nur für ein bestimmtes Modell – überlassen wurde. In diesem Fall ist in der Zukunft auf gleicher Basis mit der Herstellung von modernisierten Nachfolgeprodukten durch das übernehmende Unternehmen zu rechnen, denn es handelt sich um ein technisch ausgereiftes Produkt, für das Innovationen nicht zu erwarten sind (keine Nutzung von im Wesentlichen neuen immateriellen Wirtschaftsgütern).

2.6.1 Einheitlicher Kapitalisierungszeitraum für beide Unternehmen

112Sowohl für das verlagernde als auch für das übernehmende Unternehmen kann aus Vereinfachungsgründen typisierend von einem einheitlichen Kapitalisierungszeitraum ausgegangen werden. Wer sich darauf beruft, dass für die betroffenen Unternehmen kein einheitlicher Kapitalisierungszeitraum gilt, hat die Voraussetzungen dafür nachzuweisen.

2.6.2 Besonderheiten bei endlichem Kapitalisierungszeitraum

113Wird von einem endlichen Kapitalisierungszeitraum ausgegangen, ist in Lizenzierungsfällen am Ende des Kapitalisierungszeitraums zu prüfen, ob die betreffenden immateriellen Wirtschaftsgüter weiter verwendet werden bzw. auf welcher Basis das übernehmende Unternehmen weiter arbeitet. Werden immaterielle Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Funktionsverlagerung veräußert, ist ggf. § 1 Absatz 3 Satz 11 und 12 AStG anzuwenden (Rn. 138 ff.), z. B. wenn der angesetzte Kapitalisierungszeitraum erheblich von der tatsächlichen Nutzungsdauer abweicht. Wird die Geschäftstätigkeit des übernehmenden Unternehmens über den Kapitalisierungszeitraum hinaus fortgesetzt, ist zu prüfen, auf welcher Grundlage dies erfolgt und ob eine neue Funktionsverlagerung vorliegt.

2.7 Berechnung des Einigungsbereichs, § 7 FVerlV

114Bei der Ermittlung des Mindestpreises des verlagernden Unternehmens und des Höchstpreises des übernehmenden Unternehmens zur Bestimmung des Einigungsbereichs (§ 1 Absatz 3 Satz 6 AStG) müssen die zugrunde gelegten Gewinnerwartungen aus der verlagerten Funktion realistisch sein. Für die Berechnung ist es wesentlich, dass die Verrechnungspreise für ggf. vorhandene Geschäftsbeziehungen vor der Funktionsverlagerung (für den Mindestpreis) und für ggf. vorhandene Geschäftsbeziehungen nach der Funktionsverlagerung (für den Höchstpreis) dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.

115Für das verlagernde Unternehmen können die in der Vergangenheit aus der Funktion erzielten Ergebnisse erste Anhaltspunkte für das wegfallende Gewinnpotenzial bieten. Für den Mindestpreis des verlagernden Unternehmens kann es außerdem von Bedeutung sein, ob es zum Zeitpunkt der Funktionsverlagerung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen in der Lage war, die betreffende Funktion selbst in Zukunft uneingeschränkt auszuüben (vgl. Beispiel in Rn. 120 sowie Rn. 127).

2.7.1 Mindestpreis in Gewinnfällen, § 7 Absatz 1 FVerlV

116Hatte das verlagernde Unternehmen aus der verlagerten Funktion in Zukunft Gewinne zu erwarten, ist für die Berechnung der Untergrenze des Einigungsbereichs, d. h. für den Mindestpreis dieses Unternehmens (Grenzpreis), zu berücksichtigen, dass ein unabhängiges verlagerndes Unternehmen mindestens einen Ausgleich für das ganz oder teilweise wegfallende Gewinnpotenzial und Ersatz für ggf. anfallende Schließungskosten verlangen würde. Ohne einen solchen Ausgleich ist die Aufgabe der Funktion aus der Sicht des verlagernden Unternehmens betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll. Die Berechnung des Mindestpreises (Rn. 87 ff.) für das verlagernde Unternehmen erfolgt einseitig aus der Sicht dieses Unternehmens (Rn. 13).

117Realistischerweise verfügbare und eindeutig vorteilhaftere Handlungsalternativen (Rn. 96, Tz. 9.59, 9.64 OECD Leitlinien), die in der unternehmerischen Dispositionsfreiheit des verlagernden Unternehmens begründet sind, müssen für die Preisbestimmung berücksichtigt werden, weil diese Einfluss auf den Mindestpreis dieses Unternehmens haben können. Grenze dieser Dispositionsbefugnis ist die Verrechnungspreisbestimmung aus der Sicht von zwei ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitern i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 2 AStG, deren vollständige Informationen über alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung unterstellt werden muss, um den Einigungsbereich und das Ergebnis bestimmen zu können, innerhalb dessen voneinander unabhängige Dritte verhandeln würden.

118Für die Berechnung des Mindestpreises des verlagernden Unternehmens ist auch dessen Steuerbelastung auf den Ertrag aus der Veräußerung von Bestandteilen des Transferpakets der verlagerten Funktion zu berücksichtigen (vgl. Anlage, Beispiel 1).

119In Fällen der Substitution eines technisch oder wirtschaftlich veralteten Produkts (Rn. 23) ist es nicht zu beanstanden, wenn unter folgenden, kumulativ vorliegenden Voraussetzungen für das verlagernde Unternehmen von einem Mindestpreis von Null ausgegangen wird:

  • Das Produkt wird wegen eines Nachfolgeprodukts auf den bisher hauptsächlich belieferten Märkten nicht mehr abgesetzt.

  • Die Verlagerung war erforderlich um die Produktion eines direkten Nachfolgeprodukts mit höherer Gewinnerwartung im Inland aufnehmen zu können.

  • Die für die verlagerte Produktion notwendigen immateriellen Wirtschaftsgüter, einschließlich des Prozess-Know-hows, werden nicht veräußert, sondern lizenziert.

2.7.2 Mindestpreis und Liquidationswert, § 7 Absatz 2 FVerlV

120Ist das verlagernde Unternehmen nicht mehr wie bisher dazu in der Lage, die verlagerte Funktion in Zukunft betriebswirtschaftlich sinnvoll auszuüben, z. B. weil ein Kunde die Verlagerung zwingend verlangt oder weil wegen der räumlichen Entfernung zum Markt eine direkte Belieferung durch das verlagernde Unternehmen zukünftig nicht mehr sinnvoll ist, entspricht der Mindestpreis des verlagernden Unternehmens regelmäßig dem Liquidationswert der nicht mehr benötigten Wirtschaftsgüter; für Verlustfälle vgl. Rn. 121 ff. Bei der Ermittlung des Liquidationswerts sind auch die Schließungskosten zu berücksichtigen, daher kann er auch negativ sein.

Beispiel:

P betreibt eine Druckerei und beliefert mit den im Inland hergestellten Druckerzeugnissen Kunden in aller Welt. Bestimmte ausländische Kunden drohen mit Vertragskündigung, weil ihnen der Zeitraum zwischen Auftragserteilung und Auslieferung der Druckerzeugnisse zu lang ist. P will diese Kunden nicht verlieren und gründet daher eine Tochtergesellschaft (T) im Ausland, die selbständig auf dem ausländischen Markt tätig wird. P schließt eine inländische Produktionsstätte, verkauft deren Druckmaschinen an T, überträgt den betreffenden ausländischen Teil des Kundenstamms, erbringt Dienstleistungen beim Aufbau der Druckerei und überlässt T die notwendigen immateriellen Wirtschaftsgüter.

Obwohl P aufgrund der angedrohten Kündigungen die Funktion „Produktion und Vertrieb für den betreffenden ausländischen Markt” zukünftig nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll ausüben kann, liegt eine Funktionsverlagerung vor. Der Mindestpreis (Barwert) entspricht in diesem Fall dem Liquidationswert.

2.7.3 Mindestpreis in Verlustfällen, § 7 Absatz 3 FVerlV

121In Verlustfällen wird die Untergrenze des Einigungsbereichs des verlagernden Unternehmens entweder durch die zu erwartenden Verluste oder durch die Schließungskosten begrenzt. Auch ein unabhängiges Unternehmen stünde vor der Alternative, die Funktion entweder mit laufenden Verlusten fortzuführen oder sie einzustellen und die Schließungskosten hinzunehmen. Anzunehmen ist der für das verlagernde Unternehmen weniger belastende Betrag als Untergrenze des Verhandlungsrahmens, da auch ein unabhängiges Unternehmen seinem Handeln die Alternative zugrunde legen würde, die aus seiner Sicht betriebswirtschaftlich am wenigsten nachteilig ist (Tz. 9.59, 9.64 OECD Leitlinien).

122Zwei Ergebnisse einer Funktionsverlagerung in Verlustfällen sind in § 7 Absatz 3 FVerlV erwähnt, ohne dass dies eine abschließende Regelung wäre:

  • Erstens kann ein Entgelt vereinbart werden, das die ggf. anfallenden Schließungskosten nur teilweise ausgleicht, weil der Vorteil des übernehmenden Unternehmens geringer ist als die Schließungskosten des verlagernden Unternehmens. Aus Sicht des verlagernden Unternehmens wird durch das Entgelt zumindest teilweise ein Ausgleich für die Schließungskosten erreicht.

  • Zweitens kann das verlagernde Unternehmen auf ein Entgelt verzichten und sogar darüber hinaus dem übernehmenden Unternehmen eine Ausgleichszahlung für die Übernahme der Verlustquelle zahlen, soweit durch die Funktionsverlagerung Schließungskosten für das verlagernde Unternehmen vermieden werden, die die Ausgleichszahlung an das übernehmende Unternehmen übersteigen (Tz. 9.96 f. OECD Leitlinien).

123Das vereinbarte Entgelt bzw. die vom verlagernden Unternehmen geleistete Ausgleichszahlung ist aus Sicht des verlagernden Unternehmens betriebswirtschaftlich sinnvoll und entspricht dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, wenn die um das vereinbarte Entgelt geminderten bzw. die um die Ausgleichszahlung erhöhten Schließungskosten niedriger sind als die zukünftig zu erwartenden Verluste aus der verlagerten Funktion.

Beispiel:

Die inländische Tochtergesellschaft (T) eines Konzerns (M) produziert mit selbst entwickelten immateriellen Wirtschaftsgütern technische Produkte und vertreibt diese auf eigene Rechnung. Wegen der hohen Kosten (z. B. Löhne, Mieten) werden seit einigen Jahren Verluste erzielt, ohne dass für die Zukunft eine Besserung erwartet werden kann. M beschließt daher, die Produktion und den Vertrieb auf ein anderes, ausländisches Konzernunternehmen (U) zu verlagern. U arbeitet mit niedrigeren Produktionskosten und rechnet daher mit Gewinnen.

Ein unabhängiger Dritter in der Situation von T würde versuchen, seine Verluste mit Hilfe der erzielbaren Erlöse für die Funktion zu mindern, auch wenn seine Verhandlungsposition nicht als stark anzusehen ist. Auf der anderen Seite wäre ein fremder Übernehmer in der Position von M oder von U durchaus dazu bereit, ein Entgelt für das Transferpaket (Maschinen, Know-how, Kundenstamm, sonstige immaterielle Wirtschaftsgüter usw.) zu zahlen, sofern er in die Lage versetzt wird, kurzfristig Gewinne zu erzielen. Er würde auch in Betracht ziehen, das verlagernde Unternehmen ggf. an seinen Standortvorteilen zu beteiligen, sofern er sonst keine gleichwertige wirtschaftliche Position erreichen könnte. Dies gilt nur, sofern die Zahlungen für das Transferpaket nicht höher sind als die Kosten für die Schaffung gleichwertig rentabler, eigener immaterieller Werte (Kundenstamm, Know-how etc.) und soweit dem Übernehmer ein funktionsangemessener Gewinn verbleibt.

2.7.4 Höchstpreis, § 7 Absatz 4 FVerlV

124Für das übernehmende Unternehmen ist das für die Funktion aus seiner Sicht ermittelte Gewinnpotenzial (Rn. 13) der entscheidende Faktor für seine Preisberechnungen (Rn. 87 ff.). Auf dieser Grundlage ergibt sich die Obergrenze im Einigungsbereich (Grenzpreis) aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Zur Bilanzierung beim übernehmenden Unternehmen siehe Rn. 172 f.

125Für die Berechnung des Höchstpreises des übernehmenden Unternehmens sind auch die steuerlichen Auswirkungen der Aufwendungen für den Erwerb von Bestandteilen des Transferpakets der verlagerten Funktion (Abschreibungen auf erworbene Wirtschaftsgüter) zu berücksichtigen (siehe Anlage, Beispiel 1).

126Realistischerweise verfügbare und eindeutig vorteilhaftere Handlungsalternativen (Rn. 96, Tz. 9.59 und 9.64 OECD Leitlinien), die das übernehmende Unternehmen als unabhängiger Dritter hätte und die auf seiner unternehmerischen Dispositionsfreiheit beruhen, sind zu berücksichtigen, weil diese Einfluss auf den von diesem Unternehmen noch zu akzeptierenden Höchstpreis haben können. Grenze dieser Dispositionsbefugnis ist die Verrechnungspreisbestimmung aus der Sicht von zwei ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitern i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 2 AStG, deren vollständige Information über alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung unterstellt werden muss, um den Einigungsbereich bestimmen zu können, innerhalb dessen voneinander unabhängige Dritte verhandeln würden.

2.7.5 Verrechnungspreis in den besonderen Fällen des § 7 Absatz 5 FVerlV

127Ein Entgelt kann auch dann zu verrechnen sein, wenn das verlagernde Unternehmen die Funktion aus den Gründen des § 7 Absatz 2 und 3 FVerlV überträgt oder einschränkt, z. B. wegen drohender Kapazitätsüberlastung oder weil ein wichtiger Kunde zur Funktionsverlagerung drängt, und der Mindestpreis bei Null oder darunter liegt. Auch in dieser Situation wäre ein unabhängiger Dritter als verlagerndes Unternehmen grundsätzlich nicht dazu bereit, das Transferpaket unentgeltlich zur Verfügung zu stellen (vgl. Beispiel in Rn. 120); auf die Sonderfälle der Produktsubstitution (Rn. 119) wird hingewiesen. Andererseits wäre ein unabhängiger Dritter als übernehmendes Unternehmen bereit, ein Entgelt zu bezahlen, wenn er damit ein Gewinnpotenzial erschließen kann, auf das er sonst keinen Zugriff hat.

2.7.6 Wert im Einigungsbereich, Mittelwert, § 1 Absatz 3 Satz 7 AStG

128Für das Transferpaket ist der Wert im Einigungsbereich zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit höchster Wahrscheinlichkeit entspricht (Tz. 3.61 f. OECD Leitlinien). Der Steuerpflichtige hat dies anhand nachvollziehbarer und plausibler Gesichtspunkte glaubhaft darzulegen (Rn. 40). Bei der Bestimmung dieses Werts bleibt das bestehende gesellschaftsrechtliche Verhältnis unberücksichtigt. Hingegen sind alle Umstände des Falls, z. B. die jeweiligen Marktpositionen, das betriebliche Eigeninteresse des verlagernden Unternehmens an der Verlagerung, das Angewiesensein des übernehmenden Unternehmens auf die Wirtschaftsgüter und Vorteile, die Kapitalausstattung und Ertragslage der beteiligten Unternehmen, die Entstehung von Synergieeffekten, die jeweiligen Standortvorteile sowie die Höhe der ersparten Anlaufkosten des übernehmenden Unternehmens, grundsätzlich zu berücksichtigen. Insbesondere sind auch die Handlungsalternativen beider Unternehmen (Rn. 96) zu beachten (Tz. 1.34, 9.59 ff. OECD Leitlinien).

Beispiel:

Ein Unternehmen (P) verlagert Produktion und Vertrieb für bestimmte Produkte auf eine ausländische Tochtergesellschaft (T). Der betriebswirtschaftlich ermittelte Einigungsbereich, der alle Steuervorteile, Standortvorteile und Synergieeffekte berücksichtigt, liegt zwischen 100 (Mindestbarwert) und 200 (Höchstbarwert), woraus sich ein Mittelwert von 150 ergibt. P legt glaubhaft dar, dass die Gewinnerwartungen von T (200) ohne Nutzung des von T selbst entwickelten Vertriebskonzepts nur 170 betragen würden. Dieses Konzept könne auch in einem anderen Vertriebszusammenhang genutzt werden.

Es ist glaubhaft, dass ein fremder Dritter von ihm selbst entwickelte Vorteile (Vertriebskonzept), die selbst nicht Gegenstand der Transaktion sind und die er auch anderweitig nutzen könnte, nicht über den Preis zur Disposition stellen würde. Deswegen kann ein Verrechnungspreis von 135 anerkannt werden, der insoweit von einer abweichenden Aufteilung des Einigungsbereichs (100 – 30 = 70, davon ½ = 35 + Mindestbarwert 100 = 135) ausgeht.

2.7.6.1 Mittelwert

129Kann der Steuerpflichtige keinen anderen Wert im Einigungsbereich glaubhaft machen (Rn. 40), ist nach § 1 Absatz 3 Satz 7 zweiter Halbsatz AStG der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen.

2.7.6.2 Verzicht auf eine Berichtigung

130Hat der Steuerpflichtige seiner Einkünfteermittlung den Mittelwert eines unzutreffend berechneten Einigungsbereichs zugrunde gelegt, ist der Verrechnungspreis grundsätzlich zu berichtigen (§ 1 Absatz 3 Satz 8 AStG). Auf eine Berichtigung kann jedoch verzichtet werden, wenn der vom Steuerpflichtigen angenommene Verrechnungspreis im zutreffend ermittelten Einigungsbereich liegt. Dabei ist z. B. darauf abzustellen, ob die Abweichung vom Mittelwert im zutreffenden Einigungsbereich erheblich ist oder ob dem Steuerpflichtigen die Fehlerhaftigkeit der Ermittlung des Einigungsbereichs bekannt war oder bekannt sein musste (z. B. wegen einer entsprechenden Beanstandung bei einer vorhergehenden Prüfung).

2.8 Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche, § 8 FVerlV

131Werden Funktionsverlagerungen in der Form der Entziehung oder Reduzierung einer Funktion durchgeführt, wird häufig geltend gemacht, dass auch einem fremden Dritten als verlagerndem Unternehmen kein Anspruch auf ein Entgelt zustünde, sondern allenfalls ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch auf Schadenersatz oder sonstige Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche (Tz. 9.69, 9.100 ff. OECD Leitlinien). In diesen Fällen ist regelmäßig zu prüfen, ob (schriftliche) Verträge bestehen (Rn. 151), ob diese dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und ob die beteiligten Unternehmen sich tatsächlich entsprechend den vertraglichen Bestimmungen verhalten haben (vgl. Rn. 146).

132Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche sind beispielsweise:

  • gesetzliche Ausgleichsansprüche des Handelsvertreters, Kommissionärs, Agenten oder Vertragshändlers aus § 89b HGB bzw. aus dessen analoger Anwendung,

  • vertraglich vereinbarter Schadenersatz, z. B. für nicht amortisierte Investitionen eines Vertragshändlers, die auf Veranlassung des Herstellers vorgenommen wurden,

  • vertraglich vereinbarter Schadenersatz, z. B. für entgangene Gewinne und für entstandene Schließungskosten (z. B. weiterlaufende Miete) bei vorzeitiger Vertragsauflösung,

  • Ansprüche aufgrund eines Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot.

133Daneben sind auch Ansprüche aus einem vertraglichen oder tatsächlichen Ausschluss von bestehenden Handlungsalternativen für eines der beteiligten Unternehmen – wie zwischen voneinander unabhängigen Dritten – denkbar. In diesen Fällen ist eine zweiseitige Betrachtung notwendig (Tz. 9.116 OECD Leitlinien).

134Die Begrenzung auf einen Schadenersatz-, Entschädigungs- oder sonstigen Ausgleichsanspruch ist steuerlich anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht (Rn. 40), dass voneinander unabhängige Dritte unter vergleichbaren Umständen lediglich diese Ansprüche geltend gemacht hätten und dass im Zusammenhang mit der Entziehung oder Reduzierung der Funktion keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen oder zur Nutzung überlassen worden sind, es sei denn, die Übertragung oder Nutzungsüberlassung ist zwingende Folge fremdüblichen, vertragsgemäßen Verhaltens. Andernfalls ist das Entgelt für die Funktionsverlagerung nach den allgemeinen Regeln zu bestimmen, d. h. grundsätzlich Transferpaketbetrachtung mit Ermittlung des Einigungsbereichs auf Grundlage der jeweiligen Gewinnpotenziale und ggf. Ansatz des Mittelwerts.

Beispiel:

Eine ausländische Konzernobergesellschaft (K) hat mit ihrer inländischen Tochtergesellschaft (T) einen Lohnveredelungsvertrag abgeschlossen und darin für einen Zeitraum von zehn Jahren die Abnahme bestimmter Mindestmengen zu einem kostenorientierten Entgelt garantiert. T hat dabei die Investitions- und Personalrisiken nach Ablauf der Mindestvertragszeit im Gewinnaufschlag ausreichend berücksichtigt. Wird die Mindestmenge in der Vertragszeit nicht erreicht, ist K verpflichtet, den dadurch entgangenen Gewinn zu vergüten. Nach Ablauf von sieben Jahren wird der Vertrag vorzeitig beendet. T werden der entgangene Gewinn für die restlichen Jahre sowie die durch die vorzeitige Beendigung verursachten Kosten erstattet.

Die Vertragsbedingungen und die tatsächlich geleisteten Entschädigungszahlungen halten einem Drittvergleich stand. Immaterielle Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile sind nicht übertragen worden. Das vereinbarte Entgelt ist daher fremdüblich und auch steuerlich anzuerkennen.

2.9 Anpassungsregelungen, § 1 Absatz 3 Satz 11 AStG, § 9 FVerlV

135Ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter können bei einer Funktionsverlagerung zu dem Ergebnis kommen, dass die Wertermittlung für das Transferpaket zuverlässig genug ist, um den Preis endgültig festzusetzen, ohne sich dabei das Recht vorzubehalten, spätere Preisanpassungen vorzunehmen (Tz. 6.29 OECD Leitlinien). Derartige Erwägungen sind zeitnah aufzuzeichnen (§ 3 GAufzV). Hingegen vereinbaren ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter Preisanpassungsklauseln, wenn die Wertbestimmung für das Transferpaket zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist (Tz. 3.72 f., 9.88 OECD Leitlinien).

136Die Regelung des § 1 Absatz 3 Satz 11 und 12 AStG, die der Finanzbehörde unter bestimmten Voraussetzungen eine nachträgliche Anpassung ermöglicht, ist nur anzuwenden, wenn die beteiligten Unternehmen für die Veräußerung eines Transferpakets (bzw. eines darin enthaltenen immateriellen Wirtschaftsguts) zu einem Festpreis (Einmalzahlung oder Ratenzahlung) keine fremdübliche Anpassungsregelung getroffen haben. Nur in diesem Fall sind gesetzlich zehn Jahre für eine einmal in diesem Überprüfungszeitraum mögliche Anpassung festgelegt. Wird eine gewinn- bzw. umsatzabhängige Lizenz oder eine Kombination von beidem vereinbart, ist § 1 Absatz 3 Satz 11 und 12 AStG nicht anzuwenden.

137Wird eine Preisanpassungsklausel vereinbart, ist zu prüfen, ob sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Sind keine Vergleichsfälle feststellbar, ist ein betriebswirtschaftlich ausgewogener Interessenausgleich Maßstab für die Prüfung einer entsprechenden Klausel. Ist eine sachgerechte Preisanpassungsklausel vereinbart, bestehen die gesetzlichen Anpassungsmöglichkeiten nach § 1 Absatz 3 Satz 11 und 12 AStG nicht. Im Einzelfall tatsächlich vereinbarte, dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende Fristen für Preisanpassungsklauseln sind auch dann anzuerkennen, wenn diese kürzer als zehn Jahre sind.

2.10 Erhebliche Abweichungen der Gewinnentwicklung in Veräußerungsfällen, § 1 Absatz 3 Satz 11 AStG, § 10 FVerlV

138Im Rahmen einer Berichtigung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 AStG ist eine den ursprünglichen Erwartungen nicht entsprechende Abweichung der Gewinnentwicklung des übernehmenden Unternehmens aus der verlagerten Funktion „erheblich” i. S. d. § 1 Absatz 3 Satz 11 AStG, wenn in Veräußerungsfällen der unter Berücksichtigung der tatsächlich eingetretenen Gewinnentwicklung zutreffende Verrechnungspreis für die Funktion außerhalb des ursprünglich angenommenen Einigungsbereichs liegt. Dies kann z. B. auch vorliegen, wenn der tatsächliche Nutzungszeitraum vom angenommenen Kapitalisierungszeitraum abweicht (Rn. 113).

139Der „neue” Einigungsbereich, der die tatsächliche Gewinnentwicklung berücksichtigt, bestimmt sich wie folgt:

  • Der ursprüngliche Mindestpreis des verlagernden Unternehmens bleibt unverändert, denn insoweit können nach der Funktionsverlagerung keine Veränderungen eingetreten sein.

  • Der Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens ist anhand der tatsächlich erzielten Gewinne neu zu berechnen, da insoweit erhebliche Abweichungen eingetreten sind. Für die Berechnung sind die Gewinnerwartungen des übernehmenden Unternehmens hinsichtlich der zukünftigen Jahre des Kapitalisierungszeitraums auf der Grundlage der Gewinnentwicklung in den bereits abgelaufenen Jahren hochzurechnen.

140Eine „erhebliche” Abweichung liegt auch dann vor, wenn die tatsächliche Gewinnentwicklung des übernehmenden Unternehmens aus der übernommenen Funktion entgegen den ursprünglichen Erwartungen so ungünstig verläuft, dass sich kein Einigungsbereich mehr ergibt. Dies ist der Fall, wenn der ursprüngliche Mindestpreis des verlagernden Unternehmens höher ist als der „neue” Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens.

141Der Steuerpflichtige hat nach § 1 Absatz 3 Satz 11 AStG die Möglichkeit, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, dass voneinander unabhängige Dritte wegen bestehender Unsicherheiten eine vertragliche Anpassungsregelung getroffen hätten. Dazu kann er z. B. den Nachweis erbringen, dass wegen langjährig erzielter, stabiler Ergebnisse des verlagernden Unternehmens aus der Funktion zum Zeitpunkt der Verlagerung tatsächlich keine wesentlichen Unsicherheiten bestanden oder dass die tatsächliche Gewinnentwicklung durch unvorhergesehene Ereignisse beeinflusst worden ist, die voneinander unabhängige Dritte nicht hätten vorhersehen können.

2.11 Angemessene Anpassungen, § 1 Absatz 3 Satz 12 AStG, § 11 FVerlV

142Im Fall des § 10 Satz 1 FVerlV ist der angesichts der tatsächlichen Gewinnentwicklung zutreffende „neue” Verrechnungspreis für die Funktionsverlagerung nach den allgemeinen Regeln zu ermitteln (neuer Einigungsbereich; Mittelwert, falls kein anderer Wert glaubhaft gemacht wird).

143Im Fall des § 10 Satz 3 FVerlV ist der Mittelwert zwischen dem ursprünglichen Mindestpreis des verlagernden Unternehmens und dem neuen Höchstbetrag des übernehmenden Unternehmens zu errechnen. Dieser Wert ist niedriger als der ursprüngliche Mindestpreis und höher als der neue Höchstpreis.

144In beiden Fällen ist die Differenz zum ursprünglichen Verrechnungspreis als Anpassungsbetrag in dem Wirtschaftsjahr zu erfassen, das dem Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Abweichung eingetreten ist.

3 Ergänzende Hinweise und Einzelfragen

3.1 Unternehmerische Dispositionsfreiheit; Maßgeblichkeit der abgeschlossenen Geschäfte

145Unternehmen können frei entscheiden, ob und in welchem Umfang sie Funktionen ausüben, Risiken und Gewinnchancen übernehmen und welche Ressourcen sie dafür einsetzen (unternehmerische Dispositionsfreiheit, Tz. 9.163 OECD Leitlinien). Die unternehmerische Dispositionsfreiheit umfasst auch Entscheidungen darüber, ob Funktionen selbst wahrgenommen, bei einem anderen (Konzern-)Unternehmen konzentriert, auf mehrere Unternehmen aufgeteilt werden oder ein Subunternehmer damit beauftragt wird. Weiterhin gehört die Entscheidung, ob anlässlich einer Funktionsverlagerung Wirtschaftsgüter übertragen oder zur Nutzung überlassen werden und Dienstleistungen erbracht werden, zur unternehmerischen Dispositionsfreiheit, deren Ausübung aus den abgeschlossenen Verträgen (Rn. 97 und 151) abzuleiten ist. Die Finanzbehörde hat diese Entscheidungen bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes i. S. d. § 1 AStG regelmäßig anzuerkennen, da sie im Regelfall wirtschaftliche Gründe haben (Tz. 9.57 OECD Leitlinien). Die unternehmerische Dispositionsfreiheit hindert andererseits die Finanzbehörde nicht daran, dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende Konsequenzen aus der Ausübung dieser Freiheit zu ziehen (Tz. 9.163 OECD Leitlinien).

146Der Einkünfteermittlung ist grundsätzlich der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zugrunde zu legen, dessen Würdigung im Regelfall durch die abgeschlossenen Verträge bestimmt wird. Stimmen allerdings die abgeschlossenen Verträge nicht mit dem tatsächlichen Verhalten der Beteiligten überein, ist auf den wirtschaftlichen Gehalt des tatsächlichen Verhaltens abzustellen (Tz. 1.48 ff. OECD Leitlinien). Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt (Tz. 2.1.2 VWG 1983; Tz. 1.64 OECD Leitlinien).

147Die Tatsache, dass innerhalb einer Unternehmensgruppe Leistungen erbracht werden, die zwischen fremden Dritten unüblich sind oder tatsächlich nicht vorkommen, z. B. eine Verlagerung von Entrepreneur-Funktionen (Tz. .2 Buchstabe b VWG Verfahren) oder eine Personalentsendung (VWG Arbeitnehmerentsendung), führt für sich allein nicht dazu, solche Geschäftsbeziehungen dem Grunde nach nicht anzuerkennen. Vielmehr ist auch in solchen Fällen zu entscheiden, welches Entgelt zwischen fremden Dritten vereinbart worden wäre („hypothetischer Fremdvergleich” § 1 Absatz 3 Satz 5 bis 8 AStG; Tz. .6 Buchstabe b VWG Verfahren; Tz. 2.4.6 VWG 1983; Tz. 1.11, 9.19 und 9.52 OECD Leitlinien).

148Die Finanzbehörde kann in Ausnahmefällen die vom Steuerpflichtigen gewählte rechtliche Gestaltung von Geschäftsbeziehungen nach § 1 AStG außer Acht lassen, wenn sich der wirtschaftliche Gehalt von seiner vereinbarten äußeren Form unterscheidet oder wenn zwar Form und Gehalt übereinstimmen, die getroffenen Vereinbarungen aber von jenen abweichen, die fremde Dritte in wirtschaftlich vernünftiger Weise getroffen hätten und die tatsächlich gewählte Gestaltung der Finanzbehörde im Ergebnis die Möglichkeit nimmt, einen angemessenen Verrechnungspreis zu bestimmen (Tz. 1.65, 9.168 f. OECD Leitlinien).

3.2 Informationstransparenz

149Insbesondere zur Durchführung des hypothetischen Fremdvergleichs, der regelmäßig im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen mit wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgütern anzuwenden sein wird (Rn. 62 ff.), muss Informationstransparenz unterstellt werden (Tz. 9.81, 9.85 OECD Leitlinien, „zweiseitige Betrachtung”). Ohne die gesetzliche Fiktion des § 1 Absatz 1 Satz 2 AStG könnte der Verhandlungsspielraum, der sich aus den jeweiligen Gewinnerwartungen ergibt, in vielen Fällen nicht festgestellt werden. Die Feststellung des Verhandlungsspielraums spiegelt die besonderen Umstände von Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehenden Unternehmen (im Konzern) wider, ermöglicht die Bestimmung betriebswirtschaftlich sachgerechter Verrechnungspreise entsprechend dem hypothetischen Fremdvergleich und entspricht damit insgesamt dem Fremdvergleichsgrundsatz. Dessen Anwendung erfordert, dass der Besteuerung ein Handeln des Steuerpflichtigen und der nahe stehenden Person zugrunde gelegt wird, das dem Handeln ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter entspricht. Fremde Dritte stehen sich als unabhängige Geschäftspartner gegenüber, die jeweils ihre eigenen Interessen verfolgen und den gegebenen Verhandlungsspielraum nutzen, um für ihr Unternehmen die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Das international anerkannte (Tz. 5.4 OECD Leitlinien) und durch den BFH in ständiger Rechtsprechung bestätigte Prinzip des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (z. B. BStBl 1998 II S. 689) simuliert den zwischen nahe stehenden Personen regelmäßig fehlenden Interessengegensatz (Tz. 9.13 OECD Leitlinien). Für die Bestimmung der jeweiligen Verhandlungspositionen sind auch die wirtschaftlichen Überlegungen des Konzerns bzw. der Unternehmensgruppe zu berücksichtigen (Rn. 11 ff.).

3.3 Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten

150Über die allgemeinen Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 90 Absatz 1 AO hinaus ist der Steuerpflichtige bei grenzüberschreitenden Vorgängen, d. h. auch bei Funktionsverlagerungen, dazu verpflichtet, den von ihm verwirklichten Sachverhalt aufzuklären, die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen und Beweisvorsorge zu treffen (§ 90 Absatz 2 AO).

151Ein Steuerpflichtiger hat außerdem über die Art und den Inhalt seiner grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen i. S. d. § 1 AStG Aufzeichnungen zu erstellen (§ 90 Absatz 3 AO). Art, Inhalt und Umfang der zu erstellenden Aufzeichnungen regelt die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung. Zu den notwendigen Aufzeichnungen gehören insbesondere auch alle eine Funktionsverlagerung betreffenden (schriftlichen) Verträge (Rn. 97), weil sie von erheblicher Bedeutung für die Bestimmung von Verrechnungspreisen sind (Tz. 9.57, 9.164 OECD Leitlinien). Können solche Verträge nicht vorgelegt werden, trifft den Steuerpflichtigen nach allgemeinen Grundsätzen eine erhöhte Darlegungslast hinsichtlich des Umstands, dass dem Grunde nach Verträge abgeschlossen worden sind und konkret mit welchem Inhalt, § 90 Absatz 2 AO. Im Zweifel sind Verträge zu unterstellen, die dem konkreten Verhalten der beteiligten Unternehmen entsprechen (Tz. 9.11 OECD Leitlinien).

152Näheres zu den Aufzeichnungspflichten erläutern die VWG Verfahren (insbesondere Tz. 3). Bei der Durchsetzung der Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten (vgl. Tz. 5.28 OECD Leitlinien). Zu den Rechtsfolgen der Verletzung von Mitwirkungspflichten allgemein vgl. Tz. 4 VWG Verfahren.

153Zu den Rechtsfolgen des § 162 Absatz 3 Satz 3 AO in Fällen der Verletzung von Mitwirkungspflichten durch eine beteiligte nahe stehende Person siehe Rn. 198 ff.

154Hinsichtlich der Mitwirkungspflichten in Fällen von Funktionsverlagerungen für Veranlagungszeiträume vor 2008 siehe Rn. 188.

3.3.1 Aufzeichnungspflichten für Funktionsverlagerungen (außerordentliche Geschäftsvorfälle)

155Eine Funktionsverlagerung wird üblicherweise durchgeführt, um den Gewinn innerhalb einer Unternehmensgruppe zu verlagern und zu steigern (Tz. 9.6 OECD Leitlinien), z. B. durch die Erzielung von Synergieeffekten oder das Ausschöpfen von Standortvorteilen in bestimmten Ländern. Sie ist deshalb regelmäßig mit der Änderung von Geschäftsstrategien, d. h. mit wesentlichen Funktions- und Risikoänderungen verbunden – unabhängig davon ob sie durch das verlagernde oder das übernehmende Unternehmen oder durch die Unternehmensgruppe veranlasst werden. Funktionsverlagerungen sind deshalb außergewöhnliche Geschäftsvorfälle i. S. d. § 90 Absatz 3 Satz 3 AO i. V. m. § 3 Absatz 2 GAufzV, für die der Steuerpflichtige zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen hat.

3.3.1.1 Zeitpunkt, in dem sich eine Funktionsverlagerung „ereignet” hat

156Eine Funktionsverlagerung hat sich in dem Wirtschaftsjahr „ereignet” (§ 3 Absatz 1 GAufzV), in dem der Tatbestand entsprechend § 1 Absatz 2 FVerlV vollständig verwirklicht wurde. Dieser Zeitpunkt ist wichtig für die Feststellung, ob entsprechende Aufzeichnungen „zeitnah” i. S. d. § 3 Absatz 2 GAufzV erstellt wurden. Dies gilt unabhängig davon, dass ggf. weitere Geschäftsvorfälle, die erst später folgen, wirtschaftlich zur Funktionsverlagerung gehören und deshalb in die Transferpaketbetrachtung einzubeziehen sind (Rn. 26 f.).

3.3.1.2 Hinweise für die Anforderung von Aufzeichnungen

157Sind Funktionsverlagerungen Gegenstand einer Außenprüfung, sollen die entsprechenden Aufzeichnungen frühzeitig angefordert werden. Die nach § 90 Absatz 3 AO dafür zu erstellenden und vorzulegenden Aufzeichnungen umfassen insbesondere:

  • Aufzeichnungen über den verwirklichten Sachverhalt, insbesondere die Veränderungen der operativen Konzernstruktur, der Personalstruktur und der Verträge, die den Geschäftsbeziehungen mit den Nahestehenden zugrunde liegen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe c und Nummer 2 GAufzV). Hierzu gehören auch Informationen über die Änderung von Geschäftsstrategien (§ 5 Satz 2 Nummer 1 GAufzV). Eine sachgerechte Dokumentation berücksichtigt die Positionen der beteiligten Unternehmen (§ 1 Absatz 1 Satz 2 AStG) und stellt die betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundlagen und -methoden sowie die eintretenden Vorteile bzw. Nachteile der Funktionsverlagerung sowohl aus Sicht der Unternehmensgruppe als auch aus Sicht der betroffenen Unternehmen dar, die Grundlage für die Entscheidung waren, die Funktionsverlagerung durchzuführen (§ 3 Absatz 2 Satz 2 FVerlV, vgl. Tz. 9.57 OECD Leitlinien). Dies gilt auch für Funktionsverlagerungen, bei denen unter Anwendung einer Öffnungsklausel nach § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG auf die Transferpaketbetrachtung verzichtet werden kann und stattdessen für die betroffenen Einzelwirtschaftsgüter und Vorteile Einzelverrechnungspreise zu bestimmen sind (Rn. 69 ff.); siehe ergänzend auch § 1 Absatz 1 GAufzV sowie Tz. 3.4.8.2 und Tz. .6 VWG Verfahren.

  • Eine Verrechnungspreisanalyse (§ 4 Nummer 4 GAufzV), aus der sich die Angemessenheit des Verrechnungspreises für das Transferpaket bzw. für die betroffenen Wirtschaftsgüter und Vorteile aus Sicht der beteiligten Unternehmen, ausgehend von deren Gewinnprognosen (vgl. Tz. .6 VWG Verfahren), ergibt.

  • Aufzeichnungen über die angewandten Verrechnungspreismethoden (Tz.  VWG Verfahren) für den laufenden Liefer- und Leistungsverkehr vor und nach der Funktionsverlagerung, die die geänderte Funktionsaufteilung berücksichtigen.

  • Aufzeichnungen über Forschungsvorhaben und Forschungstätigkeiten (§ 5 Satz 2 Nummer 6 GAufzV); diese können Hinweise dafür enthalten, dass immaterielle Wirtschaftsgüter von einer Funktionsverlagerung betroffen sind.

3.3.2 Andere Funktionsänderungen

158Funktionsverdoppelungen (Rn. 42 ff.) und die Neuaufnahme von Funktionen (Rn. 57) können als Funktionsänderungen i. S. d. § 3 Absatz 2 GAufzV außergewöhnliche Geschäftsvorfälle i. S. d. § 90 Absatz 3 Satz 3 AO darstellen. Dies gilt insbesondere, wenn wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile von einer Funktionsänderung betroffen sind.

3.4 Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörde

3.4.1 Vorliegen einer Funktionsverlagerung dem Grunde nach

159Anhaltspunkte, ob in einem Prüfungszeitraum eine Funktionsverlagerung im Unternehmen erfolgt ist, kann die Finanzbehörde u. a. aus den für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle zeitnah zu erstellenden Aufzeichnungen (Rn. 155) gewinnen. Darauf aufbauend kann eine mehrere Jahre umfassende Funktions- und Risikoanalyse (§ 4 Nummer 3 GAufzV, Tz. .4 VWG Verfahren) und eine Analyse der Wertschöpfungsprozesse (Tz. .5 VWG Verfahren) zusätzliche Erkenntnisse ermöglichen. Anhaltspunkte für eine Funktionsverlagerung ergeben sich im Übrigen häufig aus einer Analyse von Personalorganigrammen und deren Veränderung und Fortschreibung über einen mehrjährigen Zeitraum.

160Weitere Anhaltspunkte können sich z. B. aus folgenden Unterlagen und Umständen ergeben:

  • Gründungsunterlagen, Jahresabschlüsse, Wirtschaftsprüfungsberichte und Abhängigkeitsberichte von verbundenen Unternehmen,

  • verringerte Umsätze oder Gewinne,

  • geringere Lohnaufwendungen infolge einer verringerten Mitarbeiterzahl, Sozialpläne; Rückstellungen für Sozialpläne,

  • geringere Aufwendungen für Raum- oder Lagermieten, bzw. Veräußerung von Betriebsgrundstücken,

  • Erlöse aus der Übertragung bzw. Überlassung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (z. B. Maschinen, Patente) und des Umlaufvermögens (Rohmaterial, Forderungen),

  • gestiegene Aufwendungen für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen,

  • gestiegene Aufwendungen für Reisen zu verbundenen Unternehmen,

  • Aufzeichnungen über Forschungsprojekte und über die Verwendung der Ergebnisse,

  • bei Kreditinstituten eingereichte Unterlagen zur Kreditgewährung.

3.4.2 Folgen der Verletzung von Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten

161Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 1 bis 3 AO, können insbesondere folgende Konsequenzen eintreten:

  • Minderung der Ermittlungspflichten der Finanzbehörde (§ 88 AO; Tz. 4.3 VWG Verfahren).

  • Beweismaßreduzierung (Tz. 4.4 VWG Verfahren).

  • Beweisrisikoverlagerung zu Lasten des Steuerpflichtigen (z. B. widerlegbare Vermutung nach § 162 Absatz 3 AO; Tz. 4.6.1 VWG Verfahren).

  • Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die Finanzbehörde (§ 162 Absatz 1 bis 3 AO; Tz. 4.6.2 VWG Verfahren). Erfolgt eine Schätzung nach § 162 Absatz 3 AO, weil der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 AO dadurch verletzt hat, dass er z. B. Aufzeichnungen nicht vorlegt oder vorgelegte Unterlagen im Wesentlichen unverwertbar sind, und können die Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens (z. B. Einigungsbereich) bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden.

  • Festsetzung eines Zuschlags (§ 162 Absatz 4 AO; Tz. 4.6.3 VWG Verfahren).

3.4.3 Wertermittlung für das Transferpaket in Schätzungsfällen

162Die Bestimmung des Werts für das Transferpaket erfolgt auch in Schätzungsfällen vorrangig aufgrund uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte nach § 1 Absatz 3 Satz 1 bis 4 AStG. Können solche Werte nicht festgestellt werden, ist der Wert für das Transferpaket entsprechend dem hypothetischen Fremdvergleich nach § 1 Absatz 3 Satz 5 bis 8 AStG im Wege der Schätzung zu bestimmen. Die dafür notwendigen Informationen zu Gewinnerwartungen, Kapitalisierungszinssätzen und Kapitalisierungszeitraum sind auch in Schätzungsfällen vorrangig aus den vorhandenen Unterlagen abzuleiten, die Grundlage für die Unternehmensentscheidung waren, die Funktion zu verlagern.

163Für Zwecke der Schätzung können andere Werte, abweichend von Rn. 165 ff. und Rn. 170, angesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige diese anderen Werte nachweist oder wenn sie mit zumutbarem Aufwand ermittelt werden können. Unterschiede in den Finanzierungsstrukturen (Rn. 94) bleiben aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt. Zur Vereinfachung kann die steuerliche Auswirkung der Berücksichtigung des Entgelts, das für die Funktionsverlagerung anzusetzen ist (Rn. 33, 118 und 125), im Schätzungswege pauschal mit jeweils 15 % auf die Grenzpreise bemessen werden, soweit der Steuerpflichtige keine sachgerechten Berechnungen vorlegt.

3.4.3.1 Barwertermittlung

164Zur Schätzung des Wertes des Transferpakets auf Basis des hypothetischen Fremdvergleichs ist zunächst der Einigungsbereich im Schätzungswege zu bestimmen. Der Mindestpreis des verlagernden und der Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens können dazu unter Anwendung des für Unternehmensbewertungen üblicherweise verwendeten Ertragswertverfahrens bestimmt werden. Nach § 1 Absatz 4 FVerlV sind die zu erwartenden Reingewinne nach Steuern auf den Bewertungsstichtag zu diskontieren. Für diese Diskontierung ist nach § 5 FVerlV ein angemessener Kapitalisierungszinssatz zu verwenden (Rn. 170) und gem. § 6 FVerlV von einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum auszugehen (Rn. 171), wenn keine Gründe für einen abweichenden Kapitalisierungszeitraum glaubhaft gemacht werden oder ersichtlich sind (vgl. Anlage, Beispiel 2).

3.4.3.2 Bestimmung des Gewinnpotenzials der verlagerten Funktion

165Die jeweiligen Gewinnpotenziale sind auch in Schätzungsfällen unter Berücksichtigung aller feststellbaren Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage einer Funktions- und Risikoanalyse vor und nach der Funktionsverlagerung bezogen auf die betreffende Funktion (direkte Methode) zu bestimmen (§ 3 Absatz 2 FVerlV).

166Für die Isolierung der auf die verlagerte Funktion entfallenden bzw. erwarteten Gewinne können folgende unternehmensinterne Unterlagen wichtige Hinweise geben:

  • Sparten-/Segmentrechnungen, Kosten- und Leistungsrechnungen, Buchungskreise,

  • Profitcenterrechnungen, auch soweit sie für Zwecke von gewinn- oder umsatzorientierten Vergütungssystemen erstellt wurden,

  • Finanzierungsunterlagen zur Vorlage bei Kreditinstituten.

167Liegen keine geeigneten Unterlagen für die Isolierung des Gewinnpotenzials des verlagernden Unternehmens vor, kann die Schätzung der Gewinnerwartungen auf Grundlage des in vergangenen Wirtschaftsjahren aus der verlagerten Funktion erzielten Umsatzes erfolgen, von dem die ggf. im Schätzungswege zugeordneten Kosten der Funktion abzuziehen sind. Bei der Verwendung von Vergangenheitszahlen sind die Gewinnerwartungen anzupassen, soweit Umstände ersichtlich sind oder vorgetragen werden, die nur in der Vergangenheit ergebniswirksam waren oder voraussichtlich erst in der Zukunft ergebniswirksam werden.

168Für das übernehmende Unternehmen kann das Gewinnpotenzial aus der verlagerten Funktion im Zeitpunkt der Verlagerung in Höhe des im Zeitpunkt der Durchführung der Prüfung bekannten, tatsächlich erwirtschafteten Reingewinns nach Steuern geschätzt werden. Ist dies nicht möglich oder erscheint das nicht sachgerecht, kann das aufgegebene Gewinnpotenzial des verlagernden Unternehmens als Ausgangsgröße für eine Schätzung des Gewinnpotenzials des übernehmenden Unternehmens herangezogen werden. Diese Ausgangsgröße ist an die besonderen, gewinnwirksamen Umstände beim übernehmenden Unternehmen (z. B. Standortvorteile und Synergieeffekte) anzupassen.

169Die Schätzung der jeweiligen Gewinnpotenziale kann in geeigneten Fällen auch entsprechend der indirekten Methode erfolgen (Rn. 32).

3.4.3.3 Kapitalisierungszinssatz

170Die der Schätzung zugrunde gelegten Reingewinne nach Steuern (Rn. 31) sind auf den Zeitpunkt der Funktionsverlagerung zu diskontieren. Der Kapitalisierungszinssatz soll nach Möglichkeit der Rendite aus einer Vergleichsinvestition entsprechen und hinsichtlich Laufzeit, Risiko und Besteuerung äquivalent sein. Entsprechende Renditen lassen sich in einen Basiszinssatz und in eine Risikoprämie für die Übernahme unternehmerischen Risikos teilen. Abweichend von Rn. 104 ff. gilt – unter Beachtung der Rn. 163 – Folgendes:

  • Basiszinssatz

    Der Basiszinssatz bildet die Rendite einer „quasi-risikolosen” Geldanlage ab. Im Schätzungsfall kann für beide Unternehmen auf den inländischen Zinssatz für eine möglichst laufzeitäquivalente Rendite öffentlicher Anleihen mit ausgezeichneter Bonität abgestellt werden (z. B. Zinsstrukturkurve der Deutschen Bundesbank).

  • Risikozuschlag

    Das Funktionsrisiko ist nach § 5 Satz 1 FVerlV für beide Unternehmen durch einen Zuschlag auf den Zins für eine risikolose Investition zu berücksichtigen. In Schätzungsfällen kann der Zuschlag typisierend mit 50 % des inländischen Basiszinssatzes, mindestens jedoch mit 3 Prozentpunkten, angenommen werden. Durch diesen Zuschlag sind alle Risiken (z. B. Währungsrisiken, Wachstumsrisiken) abgegolten.

  • Steuern

    Der Basiszinssatz zuzüglich des Risikozuschlags ist für das verlagernde und das übernehmende Unternehmen in Höhe des jeweiligen nominellen Steuersatzes für Unternehmensgewinne zu verringern (Beispiel für das Inland: Basiszinssatz 5,0 % + Zuschlag 3,0 % (Mindestrisikozuschlag); Steuersatz 30 %; anzusetzender Zinssatz nach Steuern: 5,6 %).

3.4.3.4 Kapitalisierungszeitraum

171Abweichend von Rn. 109 ff. ist in Schätzungsfällen von einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum auszugehen, wenn keine Gründe für einen bestimmten, von den Umständen der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum ersichtlich sind.

3.5 Bilanzsteuerrechtliche Folgen einer Funktionsverlagerung

172Wird ein Transferpaket verlagert, hat der Steuerpflichtige u. a. für Bilanzierungszwecke festzustellen, welche einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile im Rahmen des Transferpakets übergegangen sind. Beim verlagernden Unternehmen müssen die betreffenden, bilanzierten Wirtschaftsgüter aus der Bilanz ausscheiden, beim übernehmenden Unternehmen sind die Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile in der Bilanz zu aktivieren. Liegen dem Fremdvergleich entsprechende Vereinbarungen vor, gehen daraus für die betreffenden Wirtschaftsgüter, zu denen eventuell auch bisher nicht bilanzierte, selbst hergestellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens des verlagernden Unternehmens gehören, die Werte für die Bilanzierung beim übernehmenden Unternehmen hervor. Die Bilanzierung richtet sich nach dem Recht des Staates des übernehmenden Unternehmens.

173Soweit der dem Fremdvergleich entsprechende Wert (Barwert) des Transferpakets nicht einzelnen Wirtschaftsgütern zugeordnet werden kann bzw. nicht zu Betriebsausgaben (z. B. Dienstleistungsentgelt, Entgelt für eine Nutzungsüberlassung) führt, kann es für das übernehmende Unternehmen notwendig sein, einen rechnerisch verbleibenden Restbetrag ggf. als Geschäftswert auszuweisen, wenn das für das übernehmende Unternehmen geltende Bilanzsteuerrecht dies zulässt (für das deutsche Bilanzsteuerrecht vgl. BStBl 2001 II S. 771). Es kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass im Rahmen einer Funktionsverlagerung regelmäßig ein Restbetrag verbleibt, der als Geschäftswert auszuweisen wäre.

3.6 Lieferungs- und Leistungsverkehr nach der Funktionsverlagerung

174Die steuerliche Prüfung einer Funktionsverlagerung erstreckt sich sowohl auf die Angemessenheit der Entgelte für die Verlagerung selbst, als auch auf die Angemessenheit der Entgelte für einen ggf. vorher und nachher stattfindenden laufenden Geschäftsverkehr.

175Die Verrechnungspreise für den Liefer- und Leistungsverkehr nach der Funktionsverlagerung werden in der Regel nach anderen Grundsätzen zu bestimmen sein als vorher, denn die Änderungen, die durch die Funktionsverlagerung entstanden sind, müssen berücksichtigt werden. Die Änderungen erfordern Aufzeichnungen zur Angemessenheit der vereinbarten Preise vor und nach Funktionsverlagerung, die der Steuerpflichtige entsprechend § 90 Absatz 3 Satz 2 AO, § 1 Absatz 1 und 3 GAufzV und Tz.  VWG Verfahren ggf. zeitnah zu erstellen und auf Anforderung vorzulegen hat.

3.7 Kapitalertragsteuer, Steuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen und Umsatzsteuer

176Für Geschäftsvorfälle, die Teil einer Funktionsverlagerung sind und für die nach § 4 Absatz 1 FVerlV gesonderte Verrechnungspreise angesetzt werden, gelten für Zwecke der Kapitalertragsteuer (§§ 43 ff. EStG), des Steuerabzugs bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 50a EStG) bzw. der Umsatzsteuer die allgemeinen Besteuerungsregeln. Diese gelten auch, wenn für ein Transferpaket eine einheitliche Lizenz angesetzt wird.

3.8 Hinweise für Funktionsverlagerung bei Personengesellschaften

177Eine Personengesellschaft kann nahe stehende Person i. S. d. § 1 Absatz 2 AStG sein (vgl. Tz. 1.4.3 AEAStG). Die Regelungen des § 1 AStG und damit auch die Regelungen zu Funktionsverlagerungen sind daher auch auf Personengesellschaften, sei es als verlagerndes Unternehmen oder als übernehmendes Unternehmen, anzuwenden, soweit die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind. Eine entsprechende Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ergibt sich auch aus Artikel 7 und Artikel 9 OECD-MA.

3.9 Hinweis für Funktionsverlagerungen zwischen Betriebsstätten

178Für die Gewinnaufteilung zwischen Betriebsstätten gilt nach den von Deutschland abgeschlossenen DBA, die inhaltlich Artikel 7 OECD-MA folgen, ebenfalls der Fremdvergleichsgrundsatz. Dieser Grundsatz wird durch den OECD Betriebsstättenbericht international abgestimmt interpretiert, ohne Funktionsverlagerungen gesondert anzusprechen (Tz. 9.7 OECD Leitlinien). Die OECD Leitlinien sind grundsätzlich für die Betriebsstättengewinnaufteilung entsprechend anzuwenden (Tz. 80 ff. OECD Betriebsstättenbericht).

179Ergeben sich aufgrund von DBA-Regelungen, die Artikel 7 OECD-MA entsprechen, Einschränkungen für die deutsche Besteuerung, sind diese zu beachten.

3.10 Behandlung von Funktionsverlagerungen bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2007

180Nach § 21 Absatz 16 AStG gelten die Vorschriften des § 1 Absatz 1, 3 und 4 AStG i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (Artikel 7 des Gesetzes vom (BGBl I S. 1912, BStBl I S. 630) erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008. Für Vorjahre sind dementsprechend nicht anwendbar:

181Nach der Gesetzesbegründung zu Artikel 7 (§ 1 AStG) des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (BT-Drs. 16/4841 S. 84) hat die Gesetzesänderung aber vor allem klarstellende und präzisierende Wirkung, soweit die neuen Regelungen (auch zu Funktionsverlagerungen) Ausfluss des seit jeher geltenden Fremdvergleichsgrundsatzes sind und lediglich eine ausdrückliche Regelung dieses Grundsatzes erfolgt ist. Für Funktionsverlagerungen, die in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich 2007 durchgeführt wurden, sind insoweit die Ausführungen in Rn. 182 bis 200 zu beachten.

3.10.1 Prinzip des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 1 Absatz 1 Satz 2 AStG)

182Dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht es, die Situation beider Unternehmen (Vertragspartner) für die Bestimmung der Verrechnungspreise anhand eines objektiven Maßstabs einzubeziehen („Prinzip des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters”). Beide nehmen (zumindest fiktiv) am Marktgeschehen teil, das die zugrunde zu legenden Bedingungen, insbesondere die Preise, bestimmt. Nur unter dieser Voraussetzung kommt es für Zwecke der Besteuerung zu marktkonformen und ausgewogenen Verrechnungspreisen.

183Das Prinzip des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist gängige Besteuerungspraxis und entspricht der ständigen Rechtsprechung (Rn. 149). Die Gesetzesänderung hat insoweit nur klarstellende Bedeutung.

3.10.2 Ertragswertorientierte Gesamtbewertung, § 1 Absatz 3 Satz 5 ff. AStG

184Für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes in Fällen einer Funktionsverlagerung ist es erforderlich, den wirtschaftlichen Gehalt des Vorgangs festzustellen. Ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter beurteilen für Zwecke der Preisbestimmung eine Funktionsverlagerung – auch für Veranlagungszeiträume vor 2008 – regelmäßig als wirtschaftlich einheitlichen Vorgang und bemessen das Entgelt sowohl für die Verlagerung insgesamt, als auch für die einzelnen Wirtschaftsgüter und Vorteile auf der Grundlage der betreffenden Gewinnpotenziale (zum Leistungspaket oder „package deal” vgl. Tz. 3.9 ff., 9.67 OECD Leitlinien; vgl. Rn. 4 ff. und Rn 9 f.). Insofern ist es sachgerecht, die steuerliche Behandlung von Funktionsverlagerungen auf einer ertragswertorientierten Gesamtbewertung (Transferpaketbetrachtung) aufzubauen.

185Auch in Veranlagungszeiträumen vor 2008 sind deshalb in diesen Fällen die Unterlagen des Unternehmens, auf deren Grundlage die Entscheidung für die Funktionsverlagerung getroffen wurde, anzufordern und vom Steuerpflichtigen vorzulegen, weil sie wesentlicher Ausgangspunkt für die steuerliche Behandlung und Bewertung des Vorgangs und für die Preisbestimmung der einzelnen Geschäftsvorfälle sind, aus denen sich die Funktionsverlagerung zusammensetzt. Die in § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG vorgesehenen Öffnungsklauseln (Rn. 69 ff.) gelten auch für Veranlagungszeiträume vor 2008.

186Kann ein Unternehmen für Veranlagungszeiträume vor 2008, trotz Erfüllung seiner Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten nach § 90 AO, für die Fälle einer Funktionsverlagerung keine Unterlagen über die Gewinnerwartungen bzw. für deren Berechnung vorlegen, ist es zum Zweck der Schätzung nach § 162 Absatz 1 AO nicht zu beanstanden, die tatsächliche Gewinnsituation des verlagernden Unternehmens vor der Funktionsverlagerung und die tatsächliche Gewinnsituation des übernehmenden Unternehmens nach der Funktionsverlagerung für die Preisbestimmung zugrunde zu legen, es sei denn, der Steuerpflichtige macht glaubhaft, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Funktionsverlagerung andere Gewinnerwartungen aus der verlagerten Funktion für eines oder beide Unternehmen bestanden, die von den tatsächlich entstandenen Gewinnen abweichen.

187Die Beweislast für eine Berichtigung der Verrechnungspreise auf Grund einer ertragswertorientierten Gesamtbewertung für das Transferpaket trägt für Veranlagungszeiträume vor 2008 die Finanzbehörde.

188Hinsichtlich der Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten nach § 90 AO, die für Veranlagungszeiträume vor 2008 zu beachten sind, ist zu berücksichtigen, dass § 90 Absatz 3 AO erstmals für Wirtschaftsjahre gilt, die nach dem beginnen (Artikel 97 § 22 Satz 1 EGAO). Die GAufzV wurde am mit Wirkung vom erlassen. Die Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten werden in den VWG Verfahren näher konkretisiert.

3.10.3 Wert im Einigungsbereich, Mittelwert, § 1 Absatz 3 Satz 7 AStG

189Zwischen einer Bandbreite aus tatsächlichen Fremdvergleichsdaten und einem Einigungsbereich bei Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs, der sich aus zwei Grenzpreisberechnungen ergibt (keine tatsächlichen Fremdvergleichsdaten), bestehen grundlegende Unterschiede, die zu grundsätzlich anderen Rechtsfolgen führen. So sind z. B. Bandbreiten nach § 1 Absatz 3 Satz 3 AStG im Regelfall einzuengen (Tz. .5 VWG Verfahren), während für einen Einigungsbereich nach § 1 Absatz 3 Satz 7 AStG ggf. der Mittelwert anzusetzen ist. Die ausdrückliche gesetzliche Regelung, dass mangels Glaubhaftmachung eines anderen Werts der Mittelwert des Einigungsbereichs der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen ist, besteht erst für Veranlagungszeiträume ab 2008 (Rn. 180).

190Für Veranlagungszeiträume vor 2008, ist bei Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs auf Funktionsverlagerungen für die Bestimmung des Werts im Einigungsbereich, der dem Fremdvergleichsgrundsatz am besten entspricht und der deshalb für die Verrechnungspreise maßgeblich ist, von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass sich fremde Dritte auf einen mittleren Wert einigen. Dies gilt insbesondere, wenn auf beiden Seiten ein gleichermaßen hohes Interesse am Zustandekommen des Geschäftes und gleichermaßen starke Verhandlungspositionen bestehen und wenn keine konkreten Anhaltspunkte für einen bestimmten Wert innerhalb des Einigungsbereiches erkennbar sind (vgl.  BStBl 1994 II S. 725 und vom – BStBl 1990 II S. 649). Im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln zur Beweis- bzw. Darlegungslast (vgl. Tz. 2.1 i. V. m. Tz. 4 VWG Verfahren).

3.10.4 Preisanpassungsklauseln

191Eine vereinbarte Preisanpassungsklausel der beteiligten Unternehmen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, ist grundsätzlich sowohl zugunsten wie auch zuungunsten des inländischen Unternehmens anzuerkennen. Hat der Steuerpflichtige seine Einkünfte nicht entsprechend der vereinbarten Preisanpassungsklausel ermittelt, ist eine Verrechnungspreiskorrektur in dem Jahr geboten, in dem die vereinbarten Voraussetzungen eingetreten sind.

192Die gesetzliche Fiktion einer Preisanpassungsklausel nach § 1 Absatz 3 Satz 11 und 12 AStG gilt erstmalig für Veranlagungszeiträume ab 2008 (Rn. 180).

193Eine Verrechnungspreiskorrektur ist jedoch für Veranlagungszeiträume vor 2008 vorzunehmen, wenn sich fremde Dritte mit Erfolg auf eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB oder, soweit nicht die Geltung deutschen Rechts vereinbart wurde, auf eine vergleichbare Regelung ausländischen Zivilrechts hätten berufen können. Wurde die Anwendung ausländischen Zivilrechts vereinbart und enthält dieses keine dem § 313 BGB vergleichbare Norm, kann unterstellt werden, dass sich ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter für den Fall einer Störung der Geschäftsgrundlage eine Preisanpassung ausdrücklich vorbehalten hätte.

194Das zivilrechtlich allgemein geltende Rechtsinstitut des „Wegfalls bzw. der Störung der Geschäftsgrundlage”, das Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben ist, gilt auch im Rahmen des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 AStG. Die Voraussetzungen für seine Anwendung sind erfüllt, wenn sich die Umstände, die Grundlage des Vertrages waren, schwerwiegend verändern und einem Vertragspartner insbesondere unter Berücksichtigung der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung nach Treu und Glauben ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Bei gegenseitigen Verträgen gehört die Vorstellung der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung immer zur Geschäftsgrundlage. Dies gilt auch dann, wenn diese Vorstellung bei den Vertragsverhandlungen nicht besonders zum Ausdruck gekommen ist. Für beiderseits bereits vollständig erfüllte Verträge kommt eine Anwendung des § 313 BGB in der Regel nicht in Betracht. Da die Zumutbarkeit entscheidet, kann aber bei abgewickelten Verträgen ausnahmsweise eine Anpassung in Frage kommen, z. B. wenn die Geschäftsgrundlage von Anfang an gefehlt hat ( NJW 2001 S. 1204) oder wenn das Festhalten am bisherigen Vertragsinhalt trotz der beiderseitigen Erfüllung nicht zumutbar ist ( BGHZ 74, 373 und vom – BGHZ 131, 209).

195Wann eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage i. S. d. § 313 BGB bzw. nach Treu und Glauben vorliegt, ist entsprechend der zivilrechtlichen Rechtsprechung nach Maßgabe des Einzelfalls zu beurteilen. Weichen die prognostizierten Gewinne erheblich von den tatsächlich realisierten Gewinnen ab, ist davon auszugehen, dass sich fremde Dritte mit Erfolg auf eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB hätten berufen können und auch tatsächlich berufen hätten.

196Liegt ein solcher Fall vor, ist zu unterscheiden:

  • Wirkt sich die Fehlprognose zu Lasten des deutschen Steueraufkommens aus, nimmt die Finanzbehörde eine Gewinnerhöhung in dem Jahr vor, in dem der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter eines unabhängigen Unternehmens eine Störung der Geschäftsgrundlage geltend gemacht hätte (Tz. 6.33 f. OECD Leitlinien).

  • Wirkt sich die Fehlprognose zugunsten des deutschen Steueraufkommens aus, ist eine Korrektur auf der Grundlage des § 1 AStG nicht möglich. Ergeben sich keine Korrekturmöglichkeiten nach anderen Rechtsnormen, verbleibt dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, einen Antrag auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens nach den DBA zu stellen (§ 89 AO und Merkblatt zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren, BStBl I S. 461).

197Eine Verrechnungspreiskorrektur auf der Grundlage einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB ist hinsichtlich der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen nicht mit einer typisierenden Korrektur auf Grund der Preisanpassungsklausel des § 1 Absatz 1 Satz 11 und 12 AStG vergleichbar.

3.10.5 Ausschöpfung des Schätzungsrahmens wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten einer ausländischen nahe stehenden Person, § 162 Absatz 3 Satz 3 AO

198Beruft sich ein Beteiligter darauf, dass er in Fällen von Funktionsverlagerungen, die regelmäßig eine zweiseitige Betrachtung (Tz. 9.81 und 9.85 OECD Leitlinien) erfordern (insbesondere wenn wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile betroffen sind), Informationen nicht geben oder Aufzeichnungen nicht vorlegen kann, weil ausschließlich eine ausländische nahe stehende Person darüber verfügt und die Herausgabe verweigert, liegt kein Verstoß dieses Beteiligten gegen seine Mitwirkungspflichten vor, wenn er weder rechtlich (z. B. gesellschaftsrechtlich) noch tatsächlich die Möglichkeiten hat, die Informationen oder Unterlagen bei dem Nahestehenden zu beschaffen und ihm auch eine Beweisvorsorge nicht möglich oder nicht zumutbar war (Tz. 3.3.2 Buchstabe b VWG Verfahren).

199§ 162 Absatz 3 Satz 3 AO ermöglicht der Finanzbehörde in diesen Fällen eine Schätzung auf den für den Steuerpflichtigen ungünstigsten Punkt eines sich ergebenden Schätzungsrahmens, wenn der Sachverhalt wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 2 AO oder der Auskunftspflichten nach § 93 Absatz 1 AO durch eine ausländische nahe stehende Person nicht ausreichend aufgeklärt werden kann.

200§ 162 Absatz 3 Satz 3 AO wurde durch Artikel 6 Nummer 5 Buchstabe b des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 mit Wirkung vom eingefügt. Die erweiterte Schätzungsbefugnis nach § 162 Absatz 3 Satz 3 AO ist für Fälle von Funktionsverlagerungen anzuwenden, die sich nach dem i. S. d. Rn. 156 „ereignet” haben.

4 Besondere Aspekte bestimmter Funktionsverlagerungen

4.1 Verlagerung der Produktion

4.1.1 Verlagerung der Produktion auf einen Eigenproduzenten

201Wesentliche Merkmale eines Eigenproduzenten sind, dass das Unternehmen die Produktionsfunktionen (z. B. Fertigung, Produktentwicklung, Produktauswahl, Einkauf, Lagerhaltung, Forschung und Entwicklung usw.) sowie die Vermarktungsfunktionen (z. B. Werbung, Vertrieb usw.) ausübt und über die entsprechenden Entscheidungskompetenzen verfügt. Der Eigenproduzent ist regelmäßig im Besitz der wesentlichen Betriebsgrundlagen (materielle und insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter) und trägt die mit der Ausübung der Funktionen verbundenen Chancen und Risiken (z. B. Marktrisiko, Qualitätsrisiko, Absatzrisiko usw.).

202Ist das verlagernde Unternehmen als Eigenproduzent tätig und wird die Produktion – als Ganzes oder Teile davon (Rn. 14 ff.) – zusammen mit den zugehörigen Vermarktungsfunktionen auf ein übernehmendes Unternehmen übertragen, wird regelmäßig auch das übernehmende Unternehmen als Eigenproduzent tätig.

4.1.2 Umstellung von Eigenproduktion auf Lohnfertigung

203Ist das verlagernde Unternehmen als Eigenproduzent (Rn. 201) tätig und werden die Vermarktungsfunktionen und die Produktionsrisiken auf ein nahe stehendes Unternehmen übertragen, liegt eine Funktionsverlagerung vor, bei der das verlagernde Unternehmen zum Lohnfertiger wird. In diesen Fällen besteht das Transferpaket regelmäßig aus den Wirtschaftsgütern, die der bisherige Eigenproduzent als Lohnfertiger nicht mehr selbständig nutzt, z. B. aus dem eigenständigen Marktzugang, dem Kundenstamm, der Vertriebsorganisation, dem Produkt-Know-how und anderen immateriellen Wirtschaftsgütern und Vorteilen. Mit der Vermarktungsfunktion und den wesentlichen Produktionsrisiken (einschließlich der Forschung und Entwicklung) gehen die damit verbundenen Chancen und Risiken auf das übernehmende Unternehmen über.

204Typische Merkmale für einen Lohnfertiger sind, dass er auf vertraglicher Grundlage oder tatsächlicher Übung

  • keine Produktionsrisiken (z. B. Qualitätsrisiko, Auslastungsrisiko, Absatzrisiko, Lagerrisiko, usw.) trägt,

  • die Produkte nicht selbst entwickelt und kein Eigentum an den für die Produktion erforderlichen immateriellen Wirtschaftsgütern besitzt oder erwirbt,

  • keine Vermarktungsfunktionen wahrnimmt und keine Marktrisiken trägt,

  • über keine entsprechenden Entscheidungskompetenzen verfügt und

  • die notwendigen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, aber auch ganz oder teilweise die Produktionsanlagen vom Auftraggeber erhält (Beistellung).

Beispiel:

Der ausländische Getränkekonzern (K), zu dem auch die inländische Tochtergesellschaft (T) gehört, ist durch den Erwerb mehrerer Konkurrenzunternehmen stark gewachsen. Bis Ende 04 war der Konzern dezentral aufgestellt, d. h. alle Landesgesellschaften (auch T) nahmen Forschung, Produktion, Management, Vertrieb und Marketing eigenverantwortlich wahr. Im Jahr 05 wird die Steuerung der Entwicklung, der Produktion sowie des Vertriebs bei K zentralisiert, um Kosten einzusparen. Die einzelnen Landesgesellschaften werden nur noch als Lohnfertiger und Handelsvertreter für K tätig. Dadurch werden die Gewinne der Landesgesellschaften signifikant geschmälert. Eine Übertragung immaterieller WG auf K wird weder besonders vereinbart noch vergütet. Allerdings legen die Landesgesellschaften die Rezepturen der einzelnen Getränke gegenüber K offen und übertragen K auch die Markenrechte und Warenzeichen.

Eine Funktionsverlagerung liegt vor, da die wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter (Rezepturen, Markenrechte, Warenzeichen etc.) von T auf K übertragen wurden und die Funktion von T eingeschränkt wurde, denn T ist nicht mehr als selbständiger Eigenproduzent tätig.

205Neben den Grundformen des Eigenproduzenten und des Lohnfertigers können in Abhängigkeit von der vertraglichen Ausgestaltung der einzelnen Merkmale auch verschiedene Mischformen vorliegen. Eine dieser Mischformen ist beispielsweise der Auftragsfertiger, der sich vom Lohnfertiger dadurch unterscheidet, dass er die Rohstoffe und das Material im eigenen Namen und auf eigene Rechnung beschafft, ohne dass dadurch im Regelfall die vom Auftragsfertiger übernommenen Risiken wesentlich größer wären als beim Lohnfertiger.

4.1.3 Verlagerung einer Produktion auf einen Lohnfertiger

206Überträgt ein als Eigenproduzent (Rn. 201) tätiges Unternehmen nur die Produktionsfunktion ganz oder teilweise (z. B. für ein bestimmtes Produkt oder eine Produktgruppe, vgl. Rn. 14 ff.) auf ein anderes, nahe stehendes Unternehmen, wird das übernehmende Unternehmen als Lohnfertiger tätig, wenn die entsprechenden Merkmale (Rn. 204) erfüllt sind.

207Eine Funktionsverlagerung liegt auch dann vor, wenn für das übernehmende Unternehmen (Lohnfertiger) der Verrechnungspreis für die hergestellten Produkte – dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend – nach der Kostenaufschlagsmethode oder nach einer auf den Kosten basierenden, geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode ermittelt wird. Allerdings ist § 2 Absatz 2 FVerlV zu beachten (Rn. 66 f.). Die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode darf im Übrigen nicht dazu führen, dass die Kosten für vom Auftraggeber beigestellte Rohstoffe und Materialien in die Kostenbasis des Lohnfertigers einfließen. Dies gilt auch, wenn der Lohnfertiger zivilrechtlich Eigentum erwirbt, denn er erbringt insoweit regelmäßig keinen eigenen Wertschöpfungsbeitrag.

4.1.4 Umstellung vom Lohnfertiger zum Eigenproduzenten

208Wird ein bisher als Lohnfertiger tätiges Unternehmen mit den vom verlagernden, nahe stehenden Unternehmen beigestellten immateriellen Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen selbständig „am Markt” (d. h. gegenüber fremden Dritten, aber auch gegenüber anderen Konzerngesellschaften) zu Preisen tätig, die höher sind als das Entgelt nach den in Rn. 66 f. genannten Verrechnungspreismethoden, ist zum Zeitpunkt der erstmaligen Erbringung am Markt für die bisher beigestellten Wirtschaftsgüter (Know-how, Maschinen usw.) und Vorteile ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechendes Entgelt zu verrechnen, denn das bisher als Lohnfertiger tätige Unternehmen nutzt diese Wirtschaftsgüter nunmehr zur eigenen Marktteilnahme (§ 2 Absatz 2 Satz 2 FVerlV und Rn. 68).

209In Fällen von Lohnfertigern ist fortlaufend zu prüfen, ob und ggf. ab wann weitergehende Funktionen (erster Ausgangsumsatz, der nicht gegenüber dem verlagernden Unternehmen getätigt wird) ausgeübt werden, damit rechtzeitig die steuerlichen Konsequenzen gezogen werden können.

Beispiel:

Ein inländischer Automobilzulieferer (P) hat unter Einschaltung einer ausländischen Tochtergesellschaft (T), die als Lohnfertiger für ihn fungiert, Auspuffanlagen an mehrere fremde Automobilhersteller vertrieben. Das Produktions-Know-how, die Rohstoffe und Maschinen wurden T bisher unentgeltlich beigestellt. Nach mehreren Jahren beliefert T Kunden von P eigenständig zu Marktpreisen.

Da T das Produktions-Know-how usw. von P für die eigene Marktteilnahme nutzt, liegt mit Beginn der eigenständigen Belieferung der Kunden von P durch T zu Marktpreisen eine Funktionsverlagerung (Einschränkung der Vertriebsfunktion bei P) vor.

4.2 Verlagerung des Vertriebs

4.2.1 Verlagerung des Vertriebs auf einen Eigenhändler (bzw. Vertragshändler)

210Ein Unternehmen ist ein typischer Eigenhändler, wenn es die Vermarktungsfunktionen (z. B. Werbung, Vertrieb usw.) ausübt und über die entsprechenden Entscheidungskompetenzen verfügt und wenn ihm auch die für die Tätigkeit eines Eigenhändlers wesentlichen Betriebsgrundlagen (z. B. Kundenstamm) und die Chancen und Risiken (z. B. Lagerrisiko) zuzurechnen sind.

211Eine Funktionsverlagerung liegt vor, wenn der Vertrieb (als Ganzes oder Teile davon, vgl. Rn. 14 ff.) auf ein übernehmendes Unternehmen übertragen wird. In diesen Fällen wird regelmäßig auch das übernehmende Unternehmen als Eigenhändler tätig.

212Bei der Bestimmung des Mindestpreises des verlagernden Unternehmens ist zu berücksichtigen, dass ein fremder Eigenhändler in vielen Fällen seine Vertriebsfunktion auch unabhängig von der Produktionsgesellschaft auf der Grundlage der eigenen Marktposition (u. a. Kundenstamm) weiter ausüben (Handlungsalternative, Rn. 96) und ernsthaft konkurrieren könnte (z. B. Entgelt für Verzicht auf Konkurrenz).

213Vergleichbares gilt für Vertragshändler. Merkmale für einen Vertragshändler sind u. a. die Zuweisung eines bestimmten Absatzgebietes, Einräumung eines Alleinvertriebsrechtes, Berichtspflicht, Wettbewerbsbeschränkungen sowie die Einbeziehung in Preisbindungen und in Werbemaßnahmen des Herstellers. Allerdings ist zu beachten, dass ein Vertragshändler – im Gegensatz zum Eigenhändler – regelmäßig über keinen eigenen Vertriebskundenstamm verfügt, weil er in die Absatzorganisation seines Herstellers eingegliedert ist. Jedoch kann ein Vertragshändler über einen eigenen Kundenstamm verfügen, soweit er außer dem Vertrieb weitere Leistungen am Markt erbringt, z. B. Service und Reparaturen.

4.2.2 Umstellung eines Eigenhändlers zum Kommissionär oder Agenten

214Wird durch eine Funktionsänderung ein Eigenhändler zum Kommissionär, Handelsvertreter oder Agenten umgestellt, ist zu prüfen, ob Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen oder zur Nutzung überlassen werden, für die ein fremder Dritter ein Entgelt zahlen würde. Insbesondere ist zu prüfen, wem der Kundenstamm bisher gehörte, ob und wann und zu welchem Entgelt er ggf. übertragen bzw. zur Nutzung überlassen wurde und ob das Eigentum an dem Kundenstamm bei der Bestimmung der Verrechnungspreise zutreffend berücksichtigt wurde. Eine dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende, vertragskonforme Funktionsänderung (z. B. Ablauf des Vertriebsvertrags, fristgerechte Kündigung) und die damit einhergehende Verminderung von Chancen und Risiken für den betroffenen Eigenhändler wird als solche für sich allein nicht als Funktionsverlagerung behandelt (Rn. 131 ff.).

Beispiel:

Eigenhändler (H) vertreibt seit Jahren im Inland Büromaschinen für seine ausländische Konzernobergesellschaft (K). Eine vertragliche Vereinbarung zur Geschäftsabwicklung wurde bisher nicht getroffen. H hat seinen Kundenstamm im Laufe der Zeit selbst aufgebaut. Die Kunden sind überwiegend staatliche Einrichtungen und Großunternehmen mit ausgezeichneter Bonität, so dass bisher keine Forderungsausfälle zu verzeichnen waren. Die angemessene durchschnittliche Rohgewinnmarge, die zu fremdüblichen Gewinnen führt, betrug in den letzten fünf Jahren 30 %. Zum schließt K mit H einen Kommissionärsvertrag ab. Im Zuge dessen gibt H die Kundenbuchhaltung und die eigene Lagerhaltung auf. H überträgt die entsprechenden Wirtschaftsgüter auf K und baut das betroffene Personal ab. Im Vertrag wird ein Provisionssatz von 20 % der vermittelten Umsätze festgelegt. Die geringere Marge wird vor allem damit begründet, dass H als Kommissionär (im Gegensatz zum Eigenhändler) in Zukunft keine Vertriebsrisiken, insbesondere kein Forderungsausfall- und kein Lagerhaltungsrisiko mehr trägt.

Es liegt eine Funktionsverlagerung vor, da H Wirtschaftsgüter überträgt, obwohl H als unabhängiger Dritter dazu nicht gezwungen wäre, und in seiner Geschäftstätigkeit eingeschränkt wird. Zu klären ist insbesondere das rechtliche Schicksal des bisherigen Kundenstamms von H, den H entweder übertragen oder überlassen haben kann. Dies hat H aufzuklären, damit die notwendigen steuerlichen Folgen (Kaufpreis, Lizenzierung oder angemessene Berücksichtigung beim neuen Provisionssatz) gezogen werden können. Sollen die Gewinne von H in Zukunft aus Datenbanken abgeleitet werden, ist für die Vergleichbarkeit zu beachten, wem das Eigentum am Kundenstamm zusteht. Die Nutzung des Kundenstamms erlaubt dazu keine abschließende Aussage.

Abwandlung (zur Abgrenzung):

Zum wurden lediglich der Übergang des Forderungsausfallrisikos auf K und der abgesenkte Provisionssatz vertraglich vereinbart. H übt im Übrigen seine Geschäftstätigkeit unverändert weiter aus.

Es liegt keine Funktionsverlagerung vor, da weder eine Geschäftsaktivität eingeschränkt noch Wirtschaftsgüter oder Vorteile, insbesondere kein Kundenstamm übertragen oder zur Nutzung überlassen wurden. Allerdings ist der Verrechnungspreis für die Geschäftsvorfälle nach Vertragsabschluss zu prüfen. Im Hinblick auf die Kundenstruktur und weil nach den Erfahrungen der Vergangenheit auch zukünftig nicht mit Forderungsausfällen zu rechnen ist, trägt die Begründung von H für die Absenkung des Provisionssatzes jedenfalls im Beispielsfall nicht. Denn voneinander unabhängige Dritte würden es nicht hinnehmen, dass ihre Gewinnaussichten wegen des Wegfalls unerheblicher Risiken erheblich geschmälert werden (Tz. 9.41 OECD Leitlinien).

215Unter bestimmten Umständen kann ein Kommissionär oder Agent für seinen Geschäftsherrn eine Vertreterbetriebsstätte begründen (Tz. 1.2.2 VWG Betriebsstätten). Der Gewinn einer Vertreterbetriebsstätte (beschränkte Steuerpflicht des Geschäftsherrn) ist unabhängig von dem Gewinn des Vertreters (unbeschränkte Steuerpflicht) eigenständig zu ermitteln (vgl. Teil I Tz. 263 bis 283 OECD Betriebsstättenbericht). Derartige Fallgestaltungen sind nicht Gegenstand dieses Schreibens (entsprechend Tz. 9.7 OECD Leitlinien).

4.3 Verlagerung von Forschung und Entwicklung

216Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit kann auf verschiedene Art und Weise organisiert sein, z. B.:

  • Das Unternehmen forscht ausschließlich für eigene Zwecke (Eigenforschung).

  • Das Unternehmen gibt Forschung und Entwicklung bei einem anderen verbundenen Unternehmen in Auftrag (Auftragsforschung).

  • Das Unternehmen forscht differenziert nach verschiedenen Projekten gleichzeitig für eigene Zwecke und als Dienstleistung für andere Unternehmen.

  • Das Unternehmen forscht gemeinsam mit anderen Unternehmen im Rahmen eines Pools (Umlagevertrag, vgl. VWG Umlageverträge).

217Eine Funktionsverlagerung liegt vor, wenn die Funktion „Forschung und Entwicklung” zusammen mit den entsprechenden Wirtschaftsgütern und Vorteilen auf ein anderes nahe stehendes Unternehmen verlagert wird. Ob das übernehmende Unternehmen als Eigenforscher oder als Auftragsforscher für das verlagernde Unternehmen tätig wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wird das übernehmende Unternehmen als Auftragsforscher tätig, ist die Anwendbarkeit von § 2 Absatz 2 FVerlV zu prüfen (Rn. 66 ff.). Für die Fälle der Verlagerung von Forschung und Entwicklung wird insbesondere auf § 5 Nummer 6 GAufzV hingewiesen.

Beispiel:

Parallel zur Forschungsabteilung der P (Inland) wird eine neue Tochtergesellschaft (T), als Forschungsunternehmen im Ausland gegründet. Das erforderliche Personal, insbesondere die Forscher, werden von P zu T versetzt. Die Forschungsaktivitäten von P reduzieren sich fortlaufend (Personalabbau, keine weiteren Geldmittel usw.), während T erfolgreiche Forschung und Anschlussforschung betreibt (Patente).

Eine Funktionsverlagerung liegt vor. Das Transferpaket umfasst z. B. das Forschungs-Know-how und Kenntnisse über laufende Forschungsprojekte.

4.4 Verlagerung von Dienstleistungen

218Eine Funktionsverlagerung liegt vor, wenn das übernehmende Unternehmen eine Dienstleistungsfunktion (z. B. Buchhaltung, Marketing, Werbung) vom verlagernden Unternehmen übernimmt (Rn. 19).

219Hat das verlagernde Unternehmen die Dienstleistung bisher nur für sich selbst erbracht, liegt nach der Funktionsverlagerung häufig ein Fall des § 2 Absatz 2 FVerlV (Rn. 66 ff.) vor, wenn das übernehmende Unternehmen diese Dienstleistung nur gegenüber dem verlagernden Unternehmen erbringt.

220Von der Verlagerung von Dienstleistungen sind häufig keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile betroffen, sodass die Öffnungsklausel nach § 1 Absatz 3 Satz 10 erste Alternative AStG (Rn. 71) anwendbar ist.

4.5 Verlagerung des Einkaufs

221Die Verlagerung des Einkaufs eines Unternehmens kann z. B. erfolgen, um durch einen zentralen Einkauf Vorteile (z. B. Rabatte) zu erlangen, die allen beteiligten Unternehmen, die bislang ihren Einkauf selbständig getätigt haben, zu Gute kommen (Tz. 9.154 ff. OECD Leitlinien). Wird der Einkauf als konzerninterne Dienstleistung erbracht, ist für die Einkaufsgesellschaft ein angemessener Kostenaufschlag zu berücksichtigen (Rn. 66 f.). Realisierte Einkaufsvorteile können auch im Rahmen eines Pools an die beteiligten Unternehmen weitergegeben werden (vgl. VWG Umlageverträge).

222Im konkreten Einzelfall kann allerdings eine Funktionsverlagerung vorliegen, für die grundsätzlich die Transferpaketbetrachtung nach § 1 Absatz 3 Satz 9 AStG anzuwenden ist (siehe aber Öffnungsklauseln in § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG, Rn. 69 ff.). Dies ist der Fall, wenn das verlagernde Unternehmen dem übernehmenden Unternehmen wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile (z. B. Lieferantenkontakte, Marktkenntnisse) überträgt oder zur Nutzung überlässt. Dies kann z. B. durch Versetzung des im Einkauf des verlagernden Unternehmens tätigen Personals erfolgen (Rn. 56).

Anlage

Beispiel 1 [2] zur Wertermittlung für Funktionsverlagerungen:

Ein inländisches Unternehmen (Mutterkapitalgesellschaft – MG –) hat ein Transferpaket auf eine neu gegründete ausländische Tochterkapitalgesellschaft (TG) übertragen. Die Öffnungsklauseln des § 1 Absatz 3 Satz 10 AStG kommen nicht zur Anwendung. Der nachhaltig erzielbare jährliche Reingewinn nach Steuern (R) aus der übertragenen Funktion aus Sicht der verlagernden MG beträgt voraussichtlich 600.000 € (Umsatz 28 Mio. €). Die übernehmende TG rechnet mit einem nachhaltig erzielbaren Reingewinn nach Steuern von 900.000 € (Umsatz 34 Mio. €). Für beide Unternehmen beträgt der quasi-risikolose Zins (p) 4 %, der angemessene Risikozuschlag (z) auf den Zinssatz 5 Prozentpunkte. Der anzusetzende Zinssatz (i) beträgt somit 9 %. Die inländische Steuerbelastung beträgt 30 %, die ausländische 20 %. Persönliche Ertragsteuern bleiben im Beispiel unberücksichtigt (Rn. 34 f.).

  1. Von folgenden weiteren Annahmen wird ausgegangen: Der Kapitalisierungszeitraum ist unbegrenzt; das Transferpaket bzw. dessen Bestandteile sind im Ausland steuerlich nicht abschreibungsfähig; sämtliche Wirtschaftsgüter des Transferpakets sind beim inländischen verlagernden Unternehmen bereits auf Null abgeschrieben.

    Lösung:

    Der Ertragswert beträgt, ausgehend von einem jährlich gleich bleibenden Reingewinn (R):

    Tabelle in neuem Fenster öffnen
    Ertragswert (ohne Steuer auf Transferpaket – Stufe 1)
    =
    R
    i
    Tabelle in neuem Fenster öffnen
    Mindestpreis (Stufe 1)
    Höchstpreis (Stufe 1)
    600.000 €
    0,09
    900.000 €
    0,09
    = 6.666.667 €
    = 10.000.000 €

    Der Ertragswert berechnet sich unter Berücksichtigung der Besteuerungswirkungen des Entgelts für das Transferpaket (Rn. 118 für den Mindestpreis; Rn. 125 für den Höchstpreis) wie folgt:

    Tabelle in neuem Fenster öffnen
    Ertragswert (Stufe 2)
    =
    Ertragswert (ohne Steuer auf Transferpaket)
    1 – Steuerbelastung
    Tabelle in neuem Fenster öffnen
    Mindestpreis (Stufe 2)
    Höchstpreis (Stufe 2)
    6.666.667 €
    1 – 30 %
    Unverändert, da mangels AfA
    keine steuerliche Auswirkung
    = 9.523.810 €
    = 10.000.000 €
  2. Von folgenden weiteren Annahmen wird ausgegangen: Der Kapitalisierungszeitraum (t) ist auf fünf Jahre begrenzt. Das Transferpaket kann im Ausland steuerlich innerhalb von fünf Jahren abgeschrieben werden. Die Buchwerte der Wirtschaftsgüter des Transferpakets betragen beim abgebenden Unternehmen 1.372.818 €.

  3. Von folgenden weiteren Annahmen wird ausgegangen: Der Kapitalisierungszeitraum (t) ist auf zehn Jahre begrenzt. Das Transferpaket kann im Ausland steuerlich innerhalb von sieben Jahren abgeschrieben werden. Die Buchwerte der Wirtschaftsgüter des Transferpakets betragen beim abgebenden Unternehmen 2.265.056 €.

Lösung:

Der Ertragswert beträgt, ausgehend von einem jährlich gleich bleibenden Reingewinn (R):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Ertragswert
=



Tabelle in neuem Fenster öffnen
Ertragswert
=
Summe aller abgezinsten Periodenerfolge der Jahre 1 – T
T
=
Kalkulationszeitraum
t
=
Periodenindex
Rt
=
Reingewinn nach Steuern des Jahres t, t = 1, 2, …, T

Nach dem Ertragswertverfahren beträgt der Mindestpreis (Stufe 1) der verlagernden MG:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
 
 
Fall B
 
Fall C
Mindestpreis (Stufe 1)
=

Mindestpreis (Stufe 1)
=

Mindestpreis (Stufe 1)
=
 
2.333.791 €
 
3.850.595 €

Der Ertragswert bezogen auf den Mindestpreis berechnet sich unter Berücksichtigung der Besteuerungswirkungen des Entgelts (Mindestpreis Stufe 2) für das Transferpaket (Rn. 118) wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Mindestpreis (Stufe 2)
=
Mindestpreis (Stufe 1) – Steuersatz × Buchwert
1 – Steuersatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
 
Fall B
Fall C
Mindestpreis (Stufe 2)
=
2.333.791 € – 30 % × 1.372.818 €
1 – 30 %
3.850.595 € – 30 % × 2.265.056 €
1 – 30 %
Mindestpreis (Stufe 2)
=
2.745.636 €
4.530.111 €

Nach dem Ertragswertverfahren errechnet sich der Höchstpreis (Stufe 1) der übernehmenden TG wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
 
 
Fall B
 
Fall C
Höchstpreis (Stufe 1)
=

Höchstpreis (Stufe 1)
=

Höchstpreis (Stufe 1)
=
 
3.500.686 €
 
5.775.892 €

Der Ertragswert bezogen auf den Höchstpreis berechnet sich unter Berücksichtigung der Besteuerungswirkungen des Entgelts (Höchstpreis Stufe 2) für das Transferpaket (Rn. 125) wie folgt:


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Fall B
01
02
03
04
05
Abschreibungsquote (20 %)
0,200
0,200
0,200
0,200
0,200
Zinssatz
9 %
9 %
9 %
9 %
9 %
Barwertfaktor
0,917
0,842
0,772
0,708
0,650
Barwert der Abschreibungsquote
0,183
0,168
0,154
0,142
0,130
Unternehmenssteuer (Ausland)
20 %
20 %
20 %
20 %
20 %
Steuerersparnis der Abschreibung
0,037
0,034
0,031
0,028
0,026
Steuerersparnis (gesamt)
0,1556
 
 
 
 

Die Steuerersparnis (gesamt) ist wie folgt in einen Aufschlagssatz auf den Höchstpreis (Stufe 1) zur Ermittlung des Höchstpreises (Stufe 2) umzurechnen:


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Aufschlagsfaktor
=
1/(1 – Steuerersparnis [gesamt])
=
1/(1 – 0,1556)
=
1,1843
Höchstpreis (Stufe 1)
 
3.500.686 €
× Aufschlagsfaktor
 
× 1,1843
Höchstpreis (Stufe 2)
 
4.145.699 €


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Fall C
01
02
03
04
05
06
07
Abschreibungsquote (14,3 %)
0,143
0,143
0,143
0,143
0,143
0,143
0,143
Zinssatz
9 %
9 %
9 %
9 %
9 %
9 %
9 %
Barwertfaktor
0,917
0,842
0,772
0,708
0,650
0,596
0,547
Barwert der Abschreibungsquote
0,131
0,120
0,110
0,101
0,093
0,085
0,078
Unternehmenssteuer (Ausland)
20 %
20 %
20 %
20 %
20 %
20 %
20 %
Steuerersparnis der Abschreibung
0,026
0,024
0,022
0,020
0,019
0,017
0,016
Steuerersparnis (gesamt)
0,1439
 
 
 
 
 
 

Die Steuerersparnis (gesamt) ist wie folgt in einen Aufschlagssatz auf den Höchstpreis (Stufe 1) zur Ermittlung des Höchstpreises (Stufe 2) umzurechnen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Aufschlagsfaktor
=
1/(1 – Steuerersparnis [gesamt])
=
1/(1 – 0,1439)
=
1,1681
Höchstpreis (Stufe 1)
 
5.775.892 €
× Aufschlagsfaktor
 
× 1,1679
Höchstpreis (Stufe 2)
 
6.745.951 €

Mangels anderer Anhaltspunkte soll der Mittelwert des Einigungsbereiches anzusetzen sein (Rn. 129).


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Fall A
Fall B
Fall C
Mindestpreis (Stufe 2)
=
9.523.810 €
2.745.636 €
4.530.111 €
Höchstpreis (Stufe 2)
=
10.000.000 €
4.145.699 €
6.745.951 €
Mittelwert
=
9.761.905 €
3.445.688 €
5.638.031 €

I. Abwandlung zu Fall A (Ermittlung des Lizenzsatzes, Aufteilung entsprechend Rn. 98)

Das Transferpaket besteht aus drei Fertigungsanlagen und vier einzelnen Maschinen sowie zwei immateriellen Wirtschaftsgütern. Der fremdvergleichskonforme Marktpreis für die Fertigungsanlagen und einzelnen Maschinen beträgt unstreitig 761.905 €. Die materiellen Wirtschaftgüter sollen auf das übernehmende Unternehmen übertragen werden. Die immateriellen Wirtschaftsgüter werden hingegen nur zur Nutzung überlassen. Aus Vereinfachungsgründen wird für die Berechnung unterstellt, dass der Kapitalisierungszinssatz von 9 % (sowohl für die Berechnung des Einigungsbereichs als auch für die Berechnung des Lizenzsatzes) das Risikoprofil für Lizenzgeber und Lizenznehmer zutreffend abbildet (Rn. 104 ff.).

Zur Ermittlung des Lizenzsatzes für die immateriellen Wirtschaftsgüter sind vom festgestellten Mittelwert im Fall A (9.761.905 €) die fremdvergleichskonformen Marktpreise für die Fertigungsanlagen und einzelnen Maschinen zum Zeitpunkt der Funktionsverlagerung (761.905 €) abzuziehen, da diese übertragen wurden. Somit ergibt sich im Zeitpunkt der Funktionsverlagerung eine jährlich zu fordernde Lizenzzahlung i. H. v. 810.000 € (Barwert der Lizenz von 9.000.000 € × Kapitalisierungszinssatz von 9 %). Bezogen auf einen dauerhaft zu erwartenden Umsatz von 34 Mio. € (siehe Sachverhalt) ergibt sich daraus ein Lizenzsatz i. H. v. gerundet 2,4 % (810.000 €/34.000.000 € = 0,024).

II. Abwandlung zu Fall B (Preisanpassungsklausel)

Bei der Prüfung der Jahre 01 bis 05 stellt der Betriebsprüfer fest, dass die TG – abweichend von den ursprünglichen Planungsunterlagen – einen tatsächlichen Reingewinn nach Steuern i. H. v. jährlich 1.300.000 € erzielt hat. Die Parteien (MG und TG) hatten weder eine Preisanpassungsklausel noch eine Lizenzvereinbarung getroffen. Die gesetzliche Vermutung (§ 1 Absatz 3 Satz 11 AStG), dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbart hätten, konnte der Steuerpflichtige nicht widerlegen. Aufgrund der tatsächlichen Gewinnentwicklung der TG ergibt sich ein neuer Höchstpreis (Stufe 2) von 5.988.232 € (Berechnung entsprechend der obigen. Darstellung zu Fall B). Der Mittelwert des neuen Einigungsbereichs (2.745.636 € bis 5.988.232 €) beträgt 4.366.934 € und liegt somit außerhalb des ursprünglichen Einigungsbereichs (2.745.636 € bis 4.145.699 €). Damit ist eine erhebliche Abweichung (Rn. 138 ff.) gegeben.

Beispiel 2 Wertermittlung für Funktionsverlagerungen in Schätzungsfällen

Die inländische Gesellschaft (P) unterhält in Deutschland zwei Produktionsstätten, eine für Papiertaschentücher und eine für Toilettenpapier. Die Produkte werden weltweit vertrieben.

Bei der steuerlichen Außenprüfung im Jahr 05 (Prüfungszeitraum 02 bis 04) stellt der Betriebsprüfer fest, dass die Produktionsstätte, in der bisher Papiertaschentücher hergestellt worden sind, zum geschlossen wurde. Seit dem werden die Papiertaschentücher von der neu gegründeten ausländischen Tochterkapitalgesellschaft (T) produziert und weltweit vertrieben. Die Herstellung und der Vertrieb von Toilettenpapier erfolgt auch in 04 weiterhin vom Inland aus.

Ausweislich der dem Betriebsprüfer vorgelegten Jahresabschlüsse hat sich der Reingewinn nach Steuern von P wie folgt entwickelt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
01
02
03
04
Reingewinn nach Steuern
2.000.000 €
2.000.000 €
1.900.000 €
1.000.000 €

In dem Reingewinn nach Steuern (R) sind Schließungskosten enthalten (im Jahr 03 100.000 €). Der Reingewinn nach Steuern von T stellt sich nach den Ermittlungen des Betriebsprüfers wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
04
in Landeswährung
12.500.000
in Euro
   1.250.000

Weitere Unterlagen wurden von P nicht zur Verfügung gestellt.

Da P trotz erkennbarer Kooperationsbereitschaft und Vorlage aller für sie verfügbaren Unterlagen, die insgesamt verwertbare Aufzeichnungen darstellen, keine ausreichenden Berechnungen zur Bewertung vorlegen kann, schätzt der Betriebsprüfer den Wert der Funktionsverlagerung zum nach § 162 Absatz 2 AO. Anhand der vorgefundenen tatsächlichen Zahlen stellt er die nachfolgenden Überlegungen an:

Mindestpreis des verlagernden Unternehmens:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Reingewinn nach Steuern vor Funktionsverlagerung,
bereinigt um Schließungskosten
2.000.000 €
Reingewinn nach Steuern nach Funktionsverlagerung
1.000.000 €
Reingewinn der Funktion (R)
1.000.000 €

Mangels weiterer Informationen geht der Betriebsprüfer davon aus, dass die Differenz i. H. v. 1.000.000 €, die durch die Funktionsverlagerung entstanden ist, in der Zukunft so fortgeschrieben werden kann. In Schätzungsfällen ist mangels anderer Anhaltspunkte von einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum auszugehen (Rn. 171). Den risikolosen Basiszinssatz (p) zum entnimmt der Betriebsprüfer der Zinsstrukturkurve der deutschen Bundesbank für Zerobondanleihen (hier 3,14 %). Der Risikozuschlag (z) entspricht in Schätzungsfällen vereinfachend 50 % des risikolosen Zinssatzes, mindestens jedoch 3 Prozentpunkte (Rn. 170). 50 % von 3,14 % sind 1,57 %, somit ist der Mindestrisikozuschlag von 3 % anzusetzen. Damit sind alle Risiken, auch politische Risiken, Währungs- und Inflationsrisiken abgedeckt. Von der sich ergebenden Ausgangsgröße (6,14 %) ist der inländische nominelle Steuersatz von 30 % (Rn. 170) abzuziehen, so dass sich ein anzusetzender Zinssatz (i) i. H. v. 4,298 % ergibt.

Der Mindestpreis des verlagernden Unternehmens (P) berechnet sich wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Mindestpreis ohne Schließungskosten
R
i
1.000.000 €
4,298 %
Mindestpreis ohne Schließungskosten
=
23.266.636 €
Zuzüglich Schließungskosten
+
100.000 €
Mindestpreis unter Einbeziehung der Schließungskosten
=
23.366.636 €

Da das verlagernde Unternehmen in seine Grenzpreisbetrachtung auch die steuerliche Belastung des Entgelts für das Transferpaket einkalkulieren muss (Rn. 118), erhöht sich der Mindestpreis pauschal um 15 % (Rn. 163), da entsprechende Nachweise durch den Steuerpflichtigen nicht erbracht wurden. Der Mindestpreis unter Berücksichtigung der Steuerbelastung für das Entgelt des Transferpakets beträgt demnach 26.871.631 € (23.366.636 € zzgl. 15 %).

Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens:

Um den Grenzpreis von T zu bestimmen, kann der Betriebsprüfer den inländischen risikolosen Zins und den entsprechenden Risikozuschlag verwenden, nachdem der ausländische Reingewinn in Euro umgerechnet wurde (Rn. 170). Im Zeitpunkt der Funktionsverlagerung sollen nach amtlichem Umrechnungskurs 10 Einheiten der Landeswährung 1 € entsprechen. Dies soll auch dem durchschnittlichen Umrechnungskurs des Jahres 04 entsprechen.

Der Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens (T) berechnet sich wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Höchstpreis
R
i
1.250.000 €
4,298 %
Höchstpreis
=
29.083.295 €

Da auch das übernehmende Unternehmen in seine Grenzpreisbetrachtung die steuerlichen Vorteile durch die Abschreibungsmöglichkeit des Entgelts für das Transferpaket einzukalkulieren hat (Rn. 125), erhöht sich der Höchstpreis pauschal um 15 % (Rn. 163), da insofern weitere Nachweise durch den Steuerpflichtigen nicht erbracht wurden. Der Höchstpreis unter Berücksichtigung der Steuerbelastung für das Entgelt des Transferpakets beträgt demnach 33.445.789 € (29.083.295 € zzgl. 15 %).

Einigungsbereich:

Somit ergibt sich ein Einigungsbereich von 26.871.631 € (Mindestpreis) bis 33.445.789 € (Höchstpreis). Da Gründe für einen bestimmten Wert im Einigungsbereich weder glaubhaft gemacht wurden noch sonst ersichtlich sind, ist der Mittelwert des Einigungsbereiches 30.158.710 € der Schätzung zugrunde zu legen (Rn. 129).

Abwandlung
(Schätzung nach § 162 Absatz 3 Satz 3 AO)

Die inländische P und die ausländische T sind jeweils 100 %-ige Tochtergesellschaften des ausländischen Konzerns (K) Der Sachverhalt ist im Übrigen unverändert, mit der Ausnahme, dass P keine Unterlagen über den Reingewinn nach Steuern von T vorlegt. P trägt vor, K stelle ihr keine Unterlagen zur Verfügung, lediglich der Reingewinn nach Steuern i. H. v. 12.500.000 in Landeswährung sei telefonisch mitgeteilt worden. Das Finanzamt fordert K erfolglos zur Mitwirkung auf (§ 93 Absatz 1 AO).

Der Betriebsprüfer ermittelt (wie vorstehend) den Mindestpreis von P mit 26.859.186 € und den Höchstpreis von T mit 33.430.232 €. Weil K keine Unterlagen für T vorgelegt hat, bestehen erhebliche Zweifel, dass der Reingewinn nach Steuern von T zutreffend ist. Hierfür ist Ursache, dass K seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 2 AO nicht erfüllt hat (§ 162 Absatz 3 Satz 3 AO).

Der Wert des Transferpakets ist nach § 162 Absatz 3 Satz 2 AO mit dem Höchstpreis im Einigungsbereich zu schätzen, d. h. mit 33.445.789 €.

BMF v. - IV B 5 - S 1341/08/10003


Fundstelle(n):
BStBl 2010 I Seite 774
DB 2010 S. 2362 Nr. 43
EStB 2010 S. 416 Nr. 11
EStB 2011 S. 114 Nr. 3
KÖSDI 2010 S. 17187 Nr. 11
NWB EN Heft 43/2010 S. 3437
StB 2010 S. 384 Nr. 11
StBW 2010 S. 985 Nr. 21
StuB KN Heft 21/2010 S. 838
WPg 2010 S. 1088 Nr. 21
IAAAD-54038

1Der Bericht der OECD zu „Transfer Pricing Aspects of Business Restructuring” wurde durch Beschluss des Rats der OECD vom als neues Kapitel IX der Leitlinien der OECD für Verrechnungspreise 1995 veröffentlicht.

2Die Berechnungen in allen Beispielen erfolgen jeweils exakt; Ergebnisse werden in ganzen Euro-Beträgen ausgewiesen.