BFH Urteil v. - V R 76/03 BStBl 2005 II S. 509

Kürzung des Vorsteuerabzugs für Bewirtungskosten nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbar

Leitsatz

1. Betrieblich veranlasste Bewirtungskosten berechtigen unter den allgemeinen Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (§ 15 Abs. 1 UStG 1999) zum Vorsteuerabzug.

2. Die Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug durch § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 ist mit Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG nicht vereinbar.

3. Der Steuerpflichtige kann sich auf das ihm günstigere Gemeinschaftsrecht berufen.

Gesetze: UStG 1999 § 15 Abs. 1 a Nr. 1UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. cRichtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 2 und Abs. 6

Instanzenzug: (EFG 2004, 377) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein Baumanagementunternehmen. Im Rahmen dieser Tätigkeit und zur Förderung von Vertragsabschlüssen bewirtete sie gelegentlich Geschäftskunden bei Vertragsverhandlungen und bei Baubesichtigungen vor Ort in Gaststätten.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 1999 (Streitjahre) machte die Klägerin die auf die Bewirtungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge in vollem Umfang geltend, da sie der Auffassung war, dass der teilweise Ausschluss des Vorsteuerabzugs bei Bewirtungsaufwendungen gemäß § 15 Abs. 1 a Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1999) nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) ließ jedoch gemäß § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 20 v.H. der auf die Bewirtungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge (601 DM) nicht zum Abzug zu (Steueränderungsbescheid vom ).

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 377 veröffentlicht ist, setzte die Umsatzsteuer entsprechend dem Klagebegehren um 601 DM herab.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 i.V.m. Art. 17 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Zur Begründung führt das FA u.a. aus, § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1973 sei inhaltlich ein Vorsteuerausschluss i.S. des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG und habe deshalb beibehalten werden können; so gesehen seien sowohl nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1973 als auch nach § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 die nach § 4 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abzugsfähigen Bewirtungsaufwendungen vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen; die inhaltliche Änderung des § 4 Abs. 5 EStG sei ohne Bedeutung. Im Übrigen sollten nach Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG auf jeden Fall die Ausgaben, die keinen strengen geschäftlichen Charakter besitzen, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden; hierunter fielen auch Bewirtungskosten. Es liege deshalb trotz Nichtbeachtung des Ermächtigungsverfahrens nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG kein Verstoß gegen Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG vor, solange sich die nationale Regelung inhaltlich im Rahmen der beabsichtigten gemeinschaftsrechtlichen Regelung bewege.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorzulegen.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Es stützt die Rechtsauffassung des FA.

II.

Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung hält den Revisionsangriffen stand.

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Diese Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt; die Klägerin hat im Zusammenhang mit den betrieblich veranlassten Bewirtungen umsatzsteuerpflichtige Leistungen für ihr Unternehmen bezogen, für die ihr die Umsatzsteuer gesondert in Rechnung gestellt worden ist.

2. § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 lässt zwar den Vorsteuerabzug nicht in vollem Umfang zu.

Nach dieser Vorschrift sind u.a. Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen entfallen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG gilt, nicht abziehbar. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung dürfen Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass den Gewinn nicht mindern, soweit sie 80 v.H. der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.

Demnach wäre der Vorsteuerabzug für die streitbefangenen Bewirtungsaufwendungen um 20 v.H. zu kürzen.

3. Das FG hat die Vorschrift des § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 aber zu Recht nicht angewandt, da sie mit Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG nicht vereinbar ist.

a) Nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ist der Steuerpflichtige befugt, die Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht wurden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen, soweit die Gegenstände oder Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofs (BFH) kann das Recht auf Vorsteuerabzug wegen seiner Bedeutung für das System der Mehrwertsteuer grundsätzlich nicht eingeschränkt werden ( —Ampafrance—, Rs. C-181/99 —Sanofi Synthelabo—, Slg. 2000, I-7013, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2000, 474 Rdnr. 61, 62). Ausnahmen sind nur zugelassen, wenn sie in der Richtlinie 77/388/EWG selbst vorgesehen sind (vgl. —Soupergaz—, Slg. 1995, I-1883, UR 1995, 404 Rdnr. 18; , BFHE 193, 170, BStBl II 2001, 266, und vom V R 48/02, BFH/NV 2004, 595).

Eine Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug entsprechend der Vorschrift des § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 kennt Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG nicht.

b) Eine derartige Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug ist auch nicht nach Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG erlaubt.

Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG enthält eine Stillhalteklausel, die die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug erlaubt, die vor dem In-Kraft-Treten der Richtlinie 77/388/EWG galten. Diese Bestimmung lautet:

„Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.

Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die in den in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind.”

Bis heute sind die in Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Gemeinschaftsbestimmungen mangels einer Einigung im Rat über die Ausgaben, bei denen ein Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug in Betracht kommt, noch nicht erlassen worden.

Die Mitgliedstaaten sind somit nur berechtigt, ihre zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden Regelungen über den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts beizubehalten, bis der Rat die in Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Bestimmungen erlässt. Sie dürfen auch bis zu diesem Zeitpunkt ihre nationalen Ausschlusstatbestände einschränken. Dagegen ist eine nationale Regelung, die die bestehenden Ausschlusstatbestände erweitert, nicht nach Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG zulässig; sie verstößt vielmehr gegen Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ( —Metropol und Stadler—, Slg. 2002, I-81, UR 2002, 220 Rdnr. 44 bis 45, m.w.N.). Denn es ist allein Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers, eine Gemeinschaftsregelung der Ausschlusstatbestände vom Vorsteuerabzugsrecht zu erlassen und so die schrittweise Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften im Bereich der Mehrwertsteuer zu verwirklichen (vgl. EuGH-Urteil Metropol und Stadler in Slg. 2002, I-81, UR 2002, 220 Rdnr. 44, m.w.N.); entgegen der Ansicht des FA dürfen die Mitgliedstaaten dem Gemeinschaftsgesetzgeber insoweit nicht vorgreifen. Insofern ist auch unerheblich, ob ein neuer Vorschlag der Kommission für die in Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Richtlinie vorliegt.

Repräsentationsaufwendungen i.S. des Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG sind auch —unternehmerisch veranlasste— Bewirtungsaufwendungen. Dementsprechend geht auch der EuGH in seinem Urteil Ampafrance und Sanofi Synthelabo in Slg. 2000, I-7013, UR 2000, 474 davon aus, dass Ausgaben für Bewirtung unter den allgemeinen Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zum Vorsteuerabzug berechtigen, obwohl sie keinen streng geschäftlichen Charakter i.S. des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG haben, und dass der Vorsteuerabzug für sie nur dann gemäß Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eingeschränkt werden kann, wenn das Recht des betroffenen Mitgliedstaates bei In-Kraft-Treten der Richtlinie 77/388/EWG den Vorsteuerabzug ausschloss.

aa) Das UStG 1973 schloss bei In-Kraft-Treten der Richtlinie 77/388/EWG den Vorsteuerabzug für die streitigen Bewirtungsaufwendungen nicht aus.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 konnte der Unternehmer „die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind” als Vorsteuer abziehen. Hierunter fielen auch betrieblich veranlasste Bewirtungsaufwendungen.

Demgegenüber unterlag der Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1973 der Umsatzsteuer. Diese Regelung wirkte zwar wie eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs (vgl. , BFH/NV 2004, 1612, Deutsches Steuerrecht 2004, 1828), betraf jedoch Bewirtungsaufwendungen der streitigen Art nicht. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1973 lag Eigenverbrauch vor, „soweit ein Unternehmer im Inland Aufwendungen tätigt, die nach § 4 Abs. 5 Ziff. 1 - 7 des Einkommensteuergesetzes bei der Gewinnermittlung ausscheiden.”. In § 4 Abs. 5 EStG 1977 hieß es:

„Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:

...

2. Aufwendungen für die Bewirtung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, soweit sie nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind oder soweit ihre Höhe und ihre betriebliche Veranlassung nicht nachgewiesen sind. ...”.

Die Bewirtungsaufwendungen, um die es hier geht, betrafen nicht die Arbeitnehmer der Klägerin und waren nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen; ihre Höhe und ihre betriebliche Veranlassung sind nachgewiesen. Sie unterlagen somit nicht der Besteuerung als Eigenverbrauch. Eine Beschränkung des Vorsteuerabzugs aus den Bewirtungskosten durch deren Besteuerung als Eigenverbrauch war also nicht vorgesehen.

bb) Durch Art. 1 Nr. 5 des Steuerreformgesetzes 1990 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) wurde der Betriebsausgabenabzug für Bewirtungsaufwendungen mit Wirkung ab dem nach dem endenden Wirtschaftsjahr (§ 52 Abs. 5 EStG 1990) weiter eingeschränkt. Die Vorschrift lautete nunmehr:

„Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:

...

2. Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, soweit sie 80 vom Hundert der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind. ...”.

Diese Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs wurde jedoch umsatzsteuerrechtlich zunächst nicht nachvollzogen. Vielmehr wurde § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG durch Art. 7 Nr. 1 des Wohnungsbauförderungsgesetzes vom (BGBl I 1989, 2408, BStBl I 1989, 505) neu gefasst. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UStG lautete nunmehr:

„Eigenverbrauch liegt vor, wenn ein Unternehmer

...

c) im Rahmen seines Unternehmens Aufwendungen tätigt, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 7 oder Abs. 7 oder § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes fallen. Dies gilt nicht für Geldgeschenke und für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes den Abzug von 20 v.H. der angemessenen und nachgewiesenen Aufwendungen ausschließt.”

Demnach berechtigten auch nach 1990 die —wie im Streitfall— angemessenen und nachgewiesenen Bewirtungsaufwendungen in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug; sie unterlagen auch nicht in Höhe von 20 v.H. der Besteuerung als Eigenverbrauch, so dass der Vorsteuerabzug in voller Höhe erhalten blieb.

cc) Erst durch § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG wurde der Vorsteuerabzug auf 80 v.H. der angemessenen und nachgewiesenen Bewirtungsaufwendungen beschränkt. Diese Beschränkung gilt erst seit dem (vgl. Art. 7 Nr. 11 und Art. 18 Abs. 2 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) und ist deshalb durch Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG nicht gedeckt.

4. Der Senat teilt nicht die Auffassung des FA und des BMF, dass § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1973 bereits deshalb den Anforderungen des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG an eine vor In-Kraft-Treten der Richtlinie bestehende nationale Rechtsvorschrift über den Ausschluss des Vorsteuerabzugs genügt, weil „der Verweis auf das ertragsteuerliche Abzugsverbot gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG” geblieben sei. Nach Auffassung des Senats kommt es nämlich nicht auf den Wortlaut dieses Verweises, sondern auf seine Wirkung an. Diese hat sich —wie dargelegt— zu Lasten der Steuerpflichtigen verändert. Außerdem ist auch der Wortlaut dieses Verweises nicht unverändert geblieben; vielmehr war der Verweis zwischenzeitlich durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c Satz 2 UStG i.d.F. des Wohnungsbauförderungsgesetzes vom eingeschränkt worden (vgl. oben unter 3. bb).

5. Eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) ist nicht erforderlich.

Nach dieser Vorschrift entscheidet der EuGH im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft, zu denen auch die EG-Richtlinien gehören. Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaates gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorlegen. Ein Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, ist zur Anrufung des EuGH verpflichtet (Art. 234 Abs. 3 EG). Zu diesen Gerichten zählt auch der BFH.

Die in Art. 234 Abs. 3 EG genannten innerstaatlichen Gerichte beurteilen aber in eigener Zuständigkeit, ob für den Erlass ihrer eigenen Entscheidung eine Entscheidung des EuGH über eine gemeinschaftsrechtliche Frage erforderlich ist. Insbesondere dann, wenn die gestellte Frage bereits Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen war und der EuGH sie in einer gesicherten Rechtsprechung gelöst hat, kann eine Vorlage entfallen. Dies gilt auch dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind (grundlegend  283/81, SR C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 1257).

Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war die Vorschrift des Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG bereits Gegenstand mehrerer Urteile des EuGH; es besteht eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH, dass betrieblich veranlasste Bewirtungsaufwendungen unter die in Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG genannten Aufwendungen fallen und der Vorsteuerabzug für sie nach Inkrafttreten der Richtlinie nicht mehr ohne gemeinschaftsrechtliche Ermächtigung durch den nationalen Gesetzgeber eingeschränkt werden darf. Damit ist eine erneute Vorlage zu diesen Fragen entbehrlich.

6. Das FG hat demnach zu Recht entschieden, dass sich die Klägerin auf das ihr günstigere Gemeinschaftsrecht berufen kann (zum Berufungsrecht vgl. z.B. , BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672, BFH/NV 2004, 1049, m.w.N.).

Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 509
BB 2005 S. 817 Nr. 15
BB 2005 S. 922 Nr. 17
BFH/NV 2005 S. 817 Nr. 5
BStBl II 2005 S. 509 Nr. 12
DB 2005 S. 868 Nr. 16
DStR 2005 S. 598 Nr. 14
DStRE 2005 S. 552 Nr. 9
GStB 2005 S. 30 Nr. 8
GStB 2005 S. 315 Nr. 9
INF 2005 S. 326 Nr. 9
KÖSDI 2005 S. 14589 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 46/2005 S. 3849
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2006 S. 4066
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2006 S. 4074
StB 2005 S. 167 Nr. 5
FAAAB-50844