Umsatzsteuer | Zuordnung eines in Bauplänen mit "Arbeiten" bezeichneten Zimmers zum Unternehmen (BFH)
Für die Dokumentation der Zuordnung
(grundlegend
,
BStBl II 2014, 76) ist keine fristgebundene
Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der
Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine
Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist
mitgeteilt werden. Für eine Zuordnung zum Unternehmen kann bei Gebäuden die
Bezeichnung eines Zimmers als Arbeitszimmer in Bauantragsunterlagen jedenfalls
dann sprechen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird
(;
veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist ein Vorsteuerabzug, der sich aus der Zuordnung eines gemischt genutzten Gegenstands zum Unternehmensvermögen ergibt, nur dann zulässig, wenn diese Zuordnung dem zuständigen Finanzamt innerhalb der gesetzlichen Frist für die Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung mitgeteilt wurde.
In diesem Zusammenhang hat der BFH im Hinblick auf die neuere EuGH-Rechtsprechung (vgl. "Gmina Ryjewo") dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob diese Zuordnungsfrist mit Art. 168 Buchst. a in Verbindung mit Art. 167 MwStSystR in Einklang steht (, BStBl 2021 II S. 112 (s. hierzu unsere Onlnie-Nachricht v. 30.1.2020 m. Anm. Nacke) sowie , BStBl 2021 II S. 118, s. hierzu Seifert, NWB 30/2021 S. 2180 sowie unsere Online-Nachricht v. 30.1.2020 m. Anm. Nacke).
Der EuGH bestätigt in seinem , dass es grundsätzlich nicht unionsrechtswidrig sei, dem Steuerpflichtigen in solchen Fällen eine Frist für die Dokumentation seiner Zuordnungsentscheidung zu setzen und, sofern die Finanzverwaltung bis zum Ablauf dieser Frist nicht in die Lage versetzt wird, eine solche Zuordnung festzustellen, den Vorsteuerabzug zu verwehren. In diesen Fällen könne dann unionsrechtskonform von einer Zuordnung des Gegenstands zum Privatvermögen ausgegangen werden. Allerdings stellt der EuGH klar, dass diese Vorgaben an die Dokumentation einer Zuordnung nur dem Grundsatz nach unionsrechtskonform seien, im Hinblick auf deren Verhältnismäßigkeit aber einer weiteren Überprüfung durch die nationalen Gerichte bedürften (s. hierzu ).
Sachverhalt und Verfahrensgang: Streitig ist, ob dem Kläger, der einen Gerüstbaubetrieb betreibt, der teilweise Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen zur Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes zusteht. Finanzamt und FG der ersten Instanz () hatten den Vorsteuerabzug u.a. mit der Begründung versagt, dass der Kläger das Gebäude nicht zeitnah dem Unternehmen zugeordnet habe. Der BFH setzte das Verfahren mit aus (Einzelheiten hierzu im "Hintergrund").
Nach Ergehen des (s.o.) führen die Richter des BFH nunmehr weiter aus:
Für die Dokumentation der Zuordnung ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich.
Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.
Für eine Zuordnung zum Unternehmen kann bei Gebäuden die Bezeichnung eines Zimmers als Arbeitszimmer in Bauantragsunterlagen jedenfalls dann sprechen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird.
So ist es z.B. dann, wenn der Unternehmer für seinen Gerüstbaubetrieb einen Büroraum benötigt, er bereits in der Vergangenheit kein externes Büro, son¬dern einen Raum seiner Wohnung für sein Unternehmen verwendet hat, und er beabsichtigt, dies in dem von ihm neu errichteten Gebäude so beizubehalten.
Ebenfalls mit Urteil v. hat der XI. Senat des BFH zur Zuordnung einer gemischt genutzten Photovoltaikanlage zum Unternehmensvermögen entschieden. Lesen Sie hierzu unsere Online-Nachricht v. 30.6.2022).
Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:
Die Entscheidung ist neben der Entscheidung des XI. Senat vom gleichen Tag (zu XI R 29/21) eine Grundlage dafür, dass in vielen Fällen, in denen der Steuerpflichtige erst mit seiner Umsatzsteuererklärung, die nach Ablauf der regulären Steuererklärungsfrist abgegeben wird, dem Finanzamt die Zuordnung mitteilt, gleichwohl eine wirksame Zuordnung zum Unternehmen erfolgt ist. Ging es in der Entscheidung zu XI R 29/21 um die Zuordnung einer Photovoltaikanlage, ging es hier um die Zuordnung eines Arbeitszimmers in einem neu errichteten Wohnhaus zum Unternehmen.
Maßgeblich für die Praxis ist nach beiden Entscheidungen das Zuordnungswahlrecht, das dem Steuerpflichtigen zusteht, wenn er einen einheitlichen Gegenstand erwirbt, den er gemischt privat und unternehmerisch nutzt, zwar zu dokumentieren ist; aber die wirksame Ausübung des Wahlrechts ist nicht von einer fristgebundenen Mitteilung an das Finanzamt abhängig. Entscheidend ist somit eine innerhalb der Frist erfolgte Dokumentation.
Der BFH hat hierzu bereits Indizien in seiner Rechtsprechung benannt. So weisen folgende Umstände auf eine unternehmerische Zuordnung hin: An- und Verkauf des gemischt genutzten Gegenstandes unter seinem Firmennamen, betriebliche Versicherung des Gegenstandes, bilanzielle bzw. ertragsteuerliche Behandlung als Betriebsvermögen oder bei Photovoltaikanlagen der Abschluss eines Einspeisevertrages mit dem Stromabnehmer. Im Besprechungsfall gab der Senat unter Beachtung der EuGH-Entscheidung, die zu der Rechtssache ergangen ist, den Hinweis, dass eine Bezeichnung Arbeitszimmer in den Bauantragsunterlagen eine Zuordnung bedeuten kann, wenn dies der Unternehmer durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert.
Da weitere Anhaltspunkte nicht durch das Finanzgericht festgestellt waren, musste die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen werden. In der sog. „Segelanleitung“ hat der BFH Indizien benannt, die neben der Eintragung als Arbeitszimmer in den Bauplänen als objektive Anhaltspunkte für eine Zuordnung herangezogen werden können(s. Rz. 26 u. 27). Wichtig ist auch der Hinweis des BFH, dass der Zuordnungsentscheidung nicht die Umsatzsteuer-Voranmeldungen entgegenstehen, auch wenn sie inhaltlich der Zuordnung zum Unternehmen widersprechen (s. Rz. 29). Sie sind nur Teil einer Gesamtwürdigung und können daher widerlegbar sein. Zu denken bleibt auch an die Mindestnutzung zu unternehmerischen Zwecken von 10 %. Auch darauf hat der Senat hingewiesen.
Mit der Entscheidung zu XI R 29/21 sind somit diese Entscheidungen geeignet, eine Entlastung bei der Zuordnung zum Unternehmen zu bewirken. Die Vielfalt der Lebenssachverhalte führen hier auch zu einer Vielfalt objektiver Anhaltspunkte, die im Einzelfall vom Steuerpflichtigen heranzuziehen sind.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
WAAAJ-16573