Online-Nachricht - Donnerstag, 30.01.2020

Umsatzsteuer | EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug für ein Arbeitszimmer (BFH)

Der BFH hat Zweifel, ob das Unionsrecht einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, nach der im Falle eines sog. Zuordnungswahlrechtes beim Leistungsbezug der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, wenn bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung die Zuordnungsentscheidung gegenüber dem FA nicht getroffen wurde. Er hat den EuGH um Klärung gebeten (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger, der einen Gerüstbaubetrieb unterhält, errichtete ein Einfamilienhaus mit einer Gesamtnutzfläche von ca. 150 m², wovon auf ein Zimmer („Arbeiten“) ca. 17 m² entfielen (Fertigstellung 2015). Erst in der am beim FA eingegangenen Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2015 - nicht aber in den zuvor eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen - machte der Kläger für die Errichtung des Arbeitszimmers anteilig Vorsteuern geltend.

Das FA versagte den Vorsteuerabzug wegen der nicht rechtzeitig (bis zum 31. Mai des Folgejahres als gesetzlicher Abgabetermin der Steuererklärung) erfolgten Zuordnung des Zimmers zum Unternehmensvermögen. Die anschließende Klage hatte ebenfalls keinen erfolgt ().

Der BFH ruft den EuGH zur unionsrechtskonformität einer Ausschlussfrist für die Zuordnung von Gegenständen zum Unternehmensvermögen an:

  • Der BFH vertritt im Vorlagebeschluss die Auffassung, dass nach den von ihm zur Zuordnungsentscheidung entwickelten Kriterien die Revision des Klägers gegen das klageabweisende Urteil unbegründet wäre.

  • Zweifelhaft sei jedoch, ob ein Mitgliedstaat eine Ausschlussfrist für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen vorsehen dürfe. Zwar gehe das Unionsrecht in Art. 168a Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ausdrücklich von einer „Zuordnung“ von Gegenständen aus. Es enthalte jedoch keine näheren Regelungen hierzu.

  • Mit dem Vorabentscheidungsersuchen soll auch geklärt werden, welche Rechtsfolgen eine nicht (rechtzeitig) getroffene Zuordnungsentscheidung hat. Sollte der EuGH die bisherige (nationale) Handhabung als zu restriktiv ansehen, würde das die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs bei unternehmerischer Tätigkeit und sog. gemischter Nutzung erleichtern.

  • In einem weiteren Verfahren, das den Erwerb einer Photovoltaikanlage durch einen Privatmann betrifft, hat der BFH mit Beschluss vom selben Tage () ebenfalls den EuGH angerufen.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Th. Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:

Der BFH hat mit dieser Entscheidung - s. zum Parallelverfahren zum , indem der BFH ebenfalls eine inhaltlich vergleichbare Vorlage zum EuGH beschlossen hat und in der es um die Zuordnung einer Photovoltaikanlage zu Unternehmenszwecken geht - eine nach nationalem Recht mögliche Entscheidung dargelegt. Diese wäre mit klar festgelegten Kriterien ohne weiteres zu treffen gewesen. Maßgeblich ist danach die Zuordnungsentscheidung zum unternehmerischen Bereich des Gerüstbaubetriebes bzgl. eines Arbeitszimmers in einem neu errichtetem Einfamilienhaus durch die Umsatzsteuervoranmeldung oder aus Gründen der Praktikabilität mögliche Zuordnung durch eine „zeitnah“ (= vor Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist) abgegebene Umsatzsteuerjahreserklärung. Voraussetzung für eine Zuordnung ist zweifelsohne, dass die unternehmerische Nutzung mindestens 10% beträgt. Im Besprechungsfall wäre danach keine rechtzeitige Zuordnung anzunehmen gewesen, da weder eine Zuordnung in der Voranmeldung erfolgte, noch eine rechtzeitige Jahreserklärung abgegeben worden war.

Insbesondere wegen der Entscheidung des EuGH in der Sache Gmina Ryjewo () bestehen Zweifel, ob eine solche nationale Regelung mit EU-Recht vereinbar ist. Durfte Deutschland danach für die Zuordnungsentscheidung des Steuerpflichtigen eine Ausschlussfrist (31.5. bzw. 31. 7. des Folgejahres) setzen? Daran bestehen Zweifel, weil die formellen Hürden für einen Vorsteuerabzug vom EuGH aufgeweicht wurden (s. z.B. "Senatex"). Die daran anknüpfende Frage für den Fall, wenn diese Frist versäumt wurde, gibt dem EuGH Gelegenheit, die Konsequenzen einer Fristsetzung näher zu beleuchten. Für die Praxis ist daher zu empfehlen, die Verfahren, in denen es um eine rechtzeitige unternehmerische Zuordnung geht, bis zur Entscheidung des EuGH und ggf. bis zur anschließenden Umsetzung durch den BFH offen zu halten.

Quelle: BFH Pressemitteilung Nr. 5 vom 30.1.2020 sowie ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB QAAAH-41104