Online-Nachricht - Mittwoch, 15.06.2022

Verfahrensrecht | Kein Rechtsschutzbedürfnis bei geringem Streitwert (FG)

Für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren, mit dem die Verfassungswidrigkeit eines Säumniszuschlags in Höhe von 4,50 € geltend gemacht wird, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis (; Beschwerde nicht zugelassen).

Hintergrund: Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben, wenn die mit der betreffenden Rechtsschutzhandlung verfolgten Interessen nach objektivem prozessrechtlichen Werturteil des begehrten Rechtsschutzes fähig, bedürftig und würdig erscheinen (vgl. Reichsgericht, Urteil v. - VII 231/37; bestätigt durch: , NJW 1957, 303). Nicht schutzwürdig ist ein Interesse, das nach allgemeiner Anschauung als so gering anzusehen ist, dass es nicht die Inanspruchnahme der staatlichen Rechtsschutzeinrichtungen rechtfertigt (SG Nordhausen, Beschluss v. - S 12 AS 6845/10, Rn. 2).

Sachverhalt: Das Finanzamt erteilte gegenüber der Antragstellerin, einer Aktiengesellschaft, einen Abrechnungsbescheid, in dem es einen Säumniszuschlag zu Umsatzsteuer 2020 in Höhe von 4,50 € feststellte. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch mit der Begründung ein, dass die Erhebung von Säumniszuschlägen verfassungswidrig sei. Einen zeitgleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt ab.

Der daraufhin beim FG Münster gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hatte keinen Erfolg:

  • Der Antrag ist unzulässig, der Antragstellerin fehlt bereits ein Rechtsschutzbedürfnis.

  • Ein Interesse, das nach allgemeiner Anschauung als so gering anzusehen ist, dass es nicht die Inanspruchnahme der starken Rechtsschutzeinrichtungen rechtfertigt, ist nicht schutzwürdig.

  • Da die Antragstellerin nur die Verfassungsmäßigkeit des in den Säumniszuschlägen enthaltenen Zinsanteils angreift, liegt ihr Begehren deutlich unterhalb von 4,50 €.

  • Eine allgemeine Bagatellgrenze für die Einlegung eines Rechtsbehelfs sieht das Gesetz zwar nicht vor. Ein unterschreiten der Bagatellgrenzen der Kleinbetragsverordnung ist jedoch als Indiz dafür zu würdigen, ob nach allgemeiner Anschauung ein Rechtsschutzbedürfnis als schutzwürdig anzuerkennen ist.

  • Darüber hinaus sind auch die Kosten der Rechtsverfolgung in den Blick zu nehmen. Die nach dem RVG ersatzfähigen Kosten des Prozessvertreters belaufen sich im vorliegenden Verfahren auf knapp 112 € und übersteigen den Streitwert damit um ein Vielfaches.

  • Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beim FG Münster in einer Vielzahl von Verfahren die Aussetzung der Vollziehung von Abrechnungsbescheiden über Säumniszuschläge beantragt. Dabei geht es offensichtlich nicht ernsthaft um die Aussetzung der Kleinstbeträge, sondern um die Erstattung der Kosten der Rechtsverfolgung.

Hinweis:

Der Volltext des Beschlusses ist auf der Homepage des FG Münster veröffentlicht.

Quelle: FG Münster, Newsletter Juni 2022 (il)

Fundstelle(n):
NWB XAAAJ-15634