BFH Urteil v. - X R 82/95 BStBl 2001 II S. 481

Kein Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 2 EStG für den Anbau an einer dem Steuerpflichtigen nicht gehörenden Wohnung

Leitsatz

Die Herstellungskosten eines Anbaus/einer Erweiterung an eine dem Steuerpflichtigen nicht gehörende Wohnung sind nicht nach § 10 e Abs. 2 EStG begünstigt.

Gesetze: AO 1977 § 39EStG § 10 e Abs. 1 und 2

Instanzenzug: Niedersächsisches FG (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1988 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Mutter der Klägerin war zivilrechtliche Eigentümerin eines mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks. Die Dachgeschosswohnung des Hauses bewohnte die Mutter selbst. Die Erdgeschosswohnung überließ sie den Klägern zur unentgeltlichen Nutzung.

Die Kläger errichteten im Streitjahr 1988 einen Anbau an dieses Zweifamilienhaus. Die Herstellungskosten sowie sämtliche mit der Errichtung des Anbaus verbundenen Kosten trugen die Kläger. Der Anbau umfasste eine Loggia, die über die Erdgeschossdecke des Zweifamilienhauses hinausging. Diese Loggia ist nur über die von den Klägern genutzte, zur Erdgeschosswohnung gehörende Küche zugänglich, die wiederum nur vom Wohnzimmer der Kläger über einen Aufgang erreicht werden kann.

Mit Vertrag vom verpachtete die Mutter der Klägerin an die Kläger den anteiligen, auf den Anbau entfallenden Grund und Boden in einer Größe von ca. 100 qm, vom an auf unbestimmte Zeit, zu einem jährlichen Pachtzins von 250 DM. Der Grundbesitz wurde mit notariellem Vertrag vom mit Wirkung zum im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die Kläger als Miteigentümer je zur Hälfte übertragen.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1988 beantragten die Kläger u. a. die Steuervergünstigung des § 10 e Abs. 1, 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den von ihnen errichteten Anbau in Höhe von 7 374 DM (= 5 v. H. der Herstellungskosten in Höhe von 147 469 DM) sowie den Abzug von Vorkosten (§ 10 e Abs. 6 EStG) in Höhe von 4 757 DM. Im Einkommensteuerbescheid für 1988 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die beantragte Steuervergünstigung nicht an, weil die Kläger nicht Eigentümer der eigengenutzten Wohnung seien und trotz des Pachtvertrages kein wirtschaftliches Eigentum an dem Anbau bestanden habe.

Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage stattgegeben.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10 e EStG. Es trägt u. a. vor, aus dem Verhältnis zwischen § 10 e Abs. 1 EStG zu dessen Abs. 2 ergebe sich, dass nur Erweiterungen einer zivilrechtlich oder wirtschaftlich eigenen Wohnung begünstigt seien.

Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass der Anbau an eine dem Steuerpflichtigen nicht gehörende Wohnung nach § 10 e Abs. 2 EStG begünstigt ist.

1. Nach § 10 e Abs. 2 EStG gilt für Herstellungskosten zu eigenen Wohnzwecken genutzter Ausbauten und Erweiterungen an einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung § 10 e Abs. 1 EStG entsprechend. Das bedeutet, dass die in Abs. 1 für die Begünstigung von Herstellungskosten einer Wohnung aufgestellten Voraussetzungen entsprechend auf Ausbauten und Erweiterungen anzuwenden sind.

a) Nach § 10 e Abs. 1 Satz 1 EStG steht dem Steuerpflichtigen für die Herstellungskosten einer Wohnung ein Abzugsbetrag lediglich zu, wenn es sich um eine Wohnung im eigenen Haus oder um eine eigene Eigentumswohnung handelt. Aufgrund der durch § 10 e Abs. 2 EStG angeordneten sinngemäßen Geltung sind deshalb Herstellungskosten für Ausbauten/Erweiterungen ebenfalls nur begünstigt, wenn sie eine Wohnung im eigenen Haus oder eine eigene Eigentumswohnung betreffen. Der Steuerpflichtige muss zivilrechtlicher oder zumindest wirtschaftlicher Eigentümer der ausgebauten oder erweiterten Wohnung sein.

b) Trägt der Steuerpflichtige die Herstellungskosten eines Ausbaus/einer Erweiterung an einer fremden Wohnung, wird er dadurch nicht deren wirtschaftlicher Eigentümer.

aa) Nach der neueren Rechtsprechung des I. und XI. Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. die Urteile vom I R 88/92, BFHE 172, 333, BStBl II 1994, 164, und vom XI R 77/96, BFHE 183, 455, BStBl II 1997, 774) ist der Nutzungsberechtigte als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen, wenn er die Herstellungskosten des Wirtschaftsguts getragen hat und im Falle der Beendigung des Nutzungsrechts einen Anspruch auf vollen Wertersatz hat. I. und XI. Senat sehen den Grund, das Wirtschaftsgut in einem solchen Fall abweichend vom zivilrechtlichen Eigentum dem Nutzungsberechtigten zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -), darin, dass der zivilrechtliche Eigentümer zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich über sein Eigentum verfügen kann, weil er im Falle der Nutzungsbeendigung dem Nutzungsberechtigten vollen Ersatz für das vom Nutzungsberechtigten hergestellte Wirtschaftsgut leisten muss.

bb) Ob diese Rechtsprechung gleichermaßen bei der Wohneigentumsförderung nach § 10 e EStG anzuwenden ist, kann im Streitfall dahinstehen. Denn dadurch, dass der zivilrechtliche Eigentümer bei Beendigung der Nutzung ggf. eine Entschädigung in Höhe des Wertes des Ausbaus oder der Erweiterung zu leisten hat, wird sein zivilrechtlicher Anspruch auf Herausgabe der Wohnung nicht wirtschaftlich wertlos.

c) Wirtschaftliches Eigentum - das grundsätzlich auch an einem realen Gebäudeteil möglich ist (, BFH/NV 2000, 182) - könnte allenfalls an dem Ausbau/der Erweiterung selbst bestehen, wenn der Steuerpflichtige die Herstellungskosten hierfür getragen hat. Wirtschaftliches Eigentum an dem Ausbau/der Erweiterung allein berechtigt aber nicht zur Inanspruchnahme der Grundförderung nach § 10 e Abs. 2 EStG.

aa) Die Begünstigung nach § 10 e Abs. 2 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer der ausgebauten oder erweiterten Wohnung ist. Dem Hersteller zuzurechnende Ausbauten und Erweiterungen an einer fremden Wohnung werden nur gefördert - und zwar nach § 10 e Abs. 1 EStG -, wenn durch den Ausbau oder die Erweiterung eine selbständige Wohnung hergestellt wird.

bb) Die Begünstigung von Ausbauten oder Erweiterungen an Wohnungen, die nicht im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen, entspräche auch nicht dem mit § 10 e EStG verfolgten Ziel, die Vermögensbildung durch Wohneigentum zu erleichtern. Mit der Neuregelung durch das Wohneigentumsförderungsgesetz (WohneigFG) sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass möglichst viele Bürger, vor allem auch Familien mit Kindern, Wohneigentum erwerben können. Die Vermögensbildung durch Wohneigentum sollte ferner gefördert werden, weil sie wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge ist (BTDrucks 10/3633, S. 10). Ausbauten/Erweiterungen an fremden Wohnungen sind aber keine vermögensbildenden Maßnahmen in diesem Sinne.

cc) Die amtliche Überschrift des § 10 e EStG ,,Steuerbegünstigung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus'' macht ebenfalls deutlich, dass Gegenstand der Förderung nur Maßnahmen im Zusammenhang mit einer eigenen Wohnung sind.

dd) Auch nach dem Eigenheimzulagengesetz (EigZulG), das die selbständige Förderung von Ausbauten/Erweiterungen weiterführt, werden nunmehr ausdrücklich nur Ausbauten/Erweiterungen an einer Wohnung im eigenen Haus oder einer eigenen Eigentumswohnung begünstigt (§ 2 Abs. 2 EigZulG). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nichts dafür, dass insoweit eine Änderung gegenüber der bisherigen Regelung beabsichtigt war.

2. Die angefochtene Entscheidung entspricht diesen Grundsätzen nicht. Die Kläger sind wie dargelegt nicht deshalb wirtschaftliche Eigentümer des der Mutter gehörenden Grundstücks gewesen, weil sie sämtliche Kosten für den Anbau getragen haben. Insoweit könnten sie - auf der Grundlage des Pachtvertrages vom - allenfalls wirtschaftliche Eigentümer des Anbaus gewesen sein, was aber nicht zur Inanspruchnahme der Grundförderung nach § 10 e Abs. 2 EStG berechtigt.

Da sich das Urteil des FG auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, war es aufzuheben. Die spruchreife Klage war abzuweisen.

Fundstelle(n):
BStBl 2001 II Seite 481
BB 2001 S. 1138 Nr. 22
BFH/NV 2001 S. 978 Nr. 7
BFHE S. 214 Nr. 195
DB 2001 S. 1172 Nr. 22
DStR 2001 S. 940 Nr. 23
DStRE 2001 S. 624 Nr. 12
FR 2001 S. 647 Nr. 12
INF 2001 S. 408 Nr. 13
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