PiR Nr. 6 vom Seite 1

Zu viel des Guten ...

Dr. Jens Freiberg | Herausgeber | pir-redaktion@nwb.de

Liebe Leser*innen,

als Reaktion auf das berechtigte Interesse an Informationen über den nachhaltigen Beitrag der Unternehmen für Umwelt und Wirtschaft braucht es ein Rahmenkonzept für eine vergleichbare Berichterstattung. Neben den finanziellen Kennzahlen sollen Unternehmen auch über die Aufstellung zu Environment, Social und Governance (ESG) berichten. Ob der Zweifel an der Fähigkeit des Markts zur Selbstregulierung fühlen sich unterschiedliche Institutionen berufen, ein verbindliches Rahmenkonzept zu entwickeln und vorzugeben. Die aktuell als Entwurf vorliegenden Ansätze unterscheiden sich deutlich. Während die Europäische Kommission sich direkt an dem großen Wurf versucht und mit eigenen, durch eine Projektgruppe der EFRAG entwickelten European Sustainability Reporting Standards (ESRS) alle ESG-Aspekte adressiert, beschränkt sich die SEC für Unternehmen, die den US-Kapitalmarkt in Anspruch nehmen, auf klimabezogene Angaben, also das environment. Eine inhaltliche Abstimmung ist (noch) nicht erfolgt. Neben den Regulatoren, die sich von Verbänden unterstützen lassen, entwickelt auch die IFRS Foundation über das ISSB eigene Berichtsstandards, konzentriert sich im ersten Schritt aber auch nur auf E-Aspekte. Eine Berichterstattung im Einklang mit einem Rahmenkonzept oder schlimmstenfalls mehreren, wenn keine Abstimmung erfolgt, setzt eine Umsetzung in den Unternehmen bis auf die Ebene jedes Mitarbeiters voraus. Das wird nicht im Hauruckverfahren gelingen. Der zeitliche Aspekt ist daher entscheidend. Ohne eine inhaltliche Abstimmung der aktuellen Bestrebungen zur Entwicklung eines verbindlichen Rahmenkonzepts und realistische Erwartungen an die zeitliche Umsetzung durch die Unternehmen droht ein Akzeptanzproblem. Die Bemühungen verkehren sich dann ins Gegenteil und für alle Beteiligten und Betroffenen wird es zu viel des Guten.

In unserer aktuellen Ausgabe finden Sie in dem Beitrag von einen Überblick über die seitens der EFRAG vorgelegten ESRS. Bescheinigt wird den vorgelegten Entwürfen ein hoher Detailierungsgrad und eine inhaltliche Verknüpfung, nicht nur aller ESG-Aspekte, sondern auch mit der weiter gefassten „sustainable finance“-Initiative der EU-Kommission. Trotz der Fülle an Vorgaben endet die Kommentierungsfrist bereits Anfang August, eine schnellstmögliche Reaktion ist daher geboten. Mit einer Übersicht im Beitrag von über die Arbeiten des ISSB wird die Information zu den aktuellen Entwürfen zu einem nachhaltigen Rahmenkonzept der Berichterstattung komplettiert.

Auch in der „klassischen“ Finanzberichterstattung gibt es interessante Entwicklungen: Die Implikationen der aktuellen Überlegungen der EU-Kommission zur Einführung einer globalen effektiven Mindestbesteuerung werden kritisch von dargestellt. Die vorgeschlagene Maßgeblichkeit der IFRS-(Konzern-)Rechnungslegung für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage wird von den Autoren abgelehnt.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit der spannenden Lektüre, herzlichst

Ihr Jens Freiberg

Jens Freiberg

Fundstelle(n):
PiR 6/2022 Seite 1
NWB DAAAI-62706