Außensteuerrecht | Ausschluss oder Beschränkung des nationalen Besteuerungsrechts ist kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG (BFH)
§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass durch die unentgeltliche Anteilsübertragung auf den beschränkt Steuerpflichtigen das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts endet, ist auf Anteile i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht § 17 EStG auch ohne Veräußerung anzuwenden, wenn im Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AStG). Der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht i. S. des Satzes 1 stehen die Übertragung der Anteile durch ganz oder teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Erwerb von Todes wegen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen gleich (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG).
Sachverhalt: Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin ihres inzwischen verstorbenen Ehemannes. Dieser übertrug an den Sohn, der die US amerikanische Staatsbürgerschaft besaß und im Zeitpunkt der Übertragung in den USA ansässig war, einen Geschäftsanteil einer GmbH mit Sitz im Inland. Das Vermögen der Gesellschaft bestand im Zeitpunkt der Übertragung überwiegend aus im Inland belegenem Grundvermögen. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hatte der Ehemann weitere Geschäftsanteile an der Gesellschaft an die Klägerin übertragen.
Das FA behandelte die vorstehenden Übertragungen auf den Sohn und die Klägerin als teilentgeltliche Erwerbe und setzte für den Ehemann einen steuerpflichtigen Übertragungsgewinn für die Übertragung auf den Sohn und für die Übertragung auf die Klägerin an.
Das FA war für den unentgeltlichen Teil der Übertragung auf den Sohn der Auffassung, die Voraussetzungen für eine "Wegzugsbesteuerung" nach § 6 AStG seien erfüllt. Es setzte die Einkommensteuer für den Ehemann im Rahmen einer getrennten Veranlagung nach § 26a EStG entsprechend fest.
Das zunächst vom Ehemann geführte Klageverfahren vor dem FG Köln wurde von der Klägerin als Alleinerbin fortgeführt. Das FG wies die Klage als unbegründet ab ().
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:
Es steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass der Ehemann die Anteile an der GmbH, an welcher er innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 1 % beteiligt war, durch teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft auf seinen nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Sohn übertragen und damit dem Wortlaut nach die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG erfüllt hat.
§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG ist entgegen der Auffassung der Klägerin weder aus teleologisch-historischen noch aus systematischen Gründen einschränkend dahingehend auszulegen, dass durch die unentgeltliche Anteilsübertragung auf den beschränkt Steuerpflichtigen das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste.
Die dem Revisionsbegehren entsprechende einengende Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG ist auch nicht aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten, denn im Streitfall hat die den sofortigen Besteuerungszugriff rechtfertigende abstrakte Gefahr bestanden, dass die GmbH (etwa durch Umschichtung ihres Vermögens) ihren Charakter als Immobiliengesellschaft verlieren könnte, ohne dass hieran eine Besteuerung in Deutschland geknüpft wäre.
Dieser Auslegung steht weder Abkommensrecht noch Unionsrecht entgegen. Insbesondere scheidet eine Berufung auf die sog. Kapitalverkehrsfreiheit aus, da sich bezogen auf Schenkungen seit dem maßgebenden Stichtag () keine wesentliche Änderung der Rechtslage ergeben hat.
Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 22/2022 v. ; ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
NWB XAAAI-62465