OFD Karlsruhe - S 0351 A

§ 173 AO Korrektur der Einkommensteuerfestsetzung aufgrund nachträglich bekannt gewordener steuerabzugspflichtiger Kapitalerträge

Werden dem FA nach bestandskräftig durchgeführter ESt-Festsetzung vom Stpfl. nicht erklärte, dem Steuerabzug (Kapitalertragsteuer) unterworfene Kapitalerträge bekannt, bittet die OFD nach folgenden Grundsätzen zu verfahren:

1. Korrektur der Einkommensteuerfestsetzung nach § 173 AO

Die nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträge stellen neue Tatsachen i. S. des § 173 AO dar, die zur Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO führen, wenn sich durch Erfassung der Kapitalerträge eine geänderte (höhere) ESt-Schuld ergibt und noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Die Steuerfestsetzung ist auch dann nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, wenn sich nach Anrechnung der KapErtrSt eine niedrigere verbleibende ESt-Schuld und damit ein Steuererstattungsanspruch ergibt (s. AEAO zu § 173, Nr. 1.4).

2. Anrechnung der Kapitalertragsteuer

Die regelmäßig mit der ESt-Festsetzung verbundene Anrechnung der Steuerabzugsbeträge stellt einen selbständigen Verwaltungsakt (”Anrechnungsverfügung”) dar, der im Fall der Rechtswidrigkeit unter den Voraussetzungen der §§ 130 und 131 AO korrigiert werden kann (s. AO-Kartei § 218 Karte 1 Tz. 7.1; H 213c - Anrechnung - EStH 2001). Eine Korrektur der Anrechnungsverfügung zur nachträglichen Berücksichtigung von KapErtrSt ist ohne Bindung an eine Frist zulässig ( BStBl 2001 II S. 133; vgl. AO-Kartei § 218 Karte 1 Tz. 7.2). Aus den Vorschriften zur Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) ergibt sich insoweit keine Einschränkung, da der Zahlungsverjährung nur festgesetzte und fällig gestellte Ansprüche unterworfen sind (§ 229 Abs. 1 AO).

Die von nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträgen einbehaltene KapErtrSt kann somit jederzeit - durch Korrektur der Anrechnungsverfügung zugunsten des Stpfl. nach § 130 Abs. 1 AO - nachträglich berücksichtigt werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine Anrechnung der KapErtrSt gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nur zulässig ist, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte entfällt. Die nachträgliche Anrechnung der KapErtrSt scheidet deshalb aus, wenn die betreffenden Kapitalerträge wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr der ESt unterworfen werden können.

Der nachträglichen Berücksichtigung der KapErtrSt steht § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht entgegen, wenn die Änderung der ESt-Festsetzung im Hinblick auf die nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträge unterbleibt, weil die Einnahmen aus Kapitalvermögen (unter Einbeziehung der nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträge) den WK-Pauschbetrag (§ 9a EStG) und den Sparer-Freibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) nicht übersteigen oder die ESt-Schuld aus anderen Gründen - trotz Berücksichtigung der nachträglich bekannt gewordenen Kapitaleinkünfte - unverändert bleibt. Auch in solchen Fällen ist von der Erfassung der Kapitaleinkünfte i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auszugehen, weshalb - bei Vorlage der Steuerbescheinigung - die KapErtrSt auch in diesen Fällen noch nachträglich angerechnet werden kann.

3. 10-jährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO)

Die Anwendung der 10-jährigen Festsetzungsfrist setzt voraus, dass der Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) objektiv und subjektiv erfüllt ist (Hinweis auf AO-Kartei § 169 Karte 1 Tz. 1). Er ist im vorliegenden Zusammenhang in objektiver Hinsicht stets dann erfüllt, wenn die Erfassung der nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträge zu einer höheren ESt-Schuld führt. Die Steuer ist i. S. des § 370 Abs. 1 AO auch dann verkürzt, wenn die auf die nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträge anfallende anrechnungsfähige KapErtrSt den ESt-Mehrbetrag, der sich bei Erfassung der nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträge ergibt (Unterschiedsbetrag zwischen alter und neuer ESt-Schuld), übersteigt, also auch in Fällen, in denen die Korrektur der ESt-Festsetzung aufgrund der anzurechnenden KapErtrSt zu einer Steuererstattung führt.

Ob der Tatbestand der Steuerhinterziehung in subjektiver Hinsicht - aufgrund vorsätzlichen Handelns des Stpfl. - erfüllt ist, muss jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalles entschieden werden (Hinweis auf AO-Kartei § 169 Karte 1 Tz. 2 und 3).

OFD Karlsruhe v. - S 0351 A

Fundstelle(n):
NWB EN 1245/2002
YAAAA-82419