BMF - IV A 4 -S 0062 - 1/02 BStBl 2002 I S. 64

Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten FinBeh der Länder gilt Folgendes:

Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung v. (BStBl I S. 630), der zuletzt durch das - (BStBl I S. 743) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Nr. 4 der Regelung zu § 19 wird wie folgt gefasst:

”4. Zuständigkeitsregelungen enthalten auch § 20a i. V. mit der AN-Zuständigkeitsverordnung-Bau v. (BGBl I S. 2267, BStBl I S. 602) sowie die Einzelsteuergesetze und das FVG.

2. Die Regelung zu § 30 wird wie folgt gefasst:

”Zu § 30 - Steuergeheimnis:

1. Gegenstand des Steuergeheimnisses

Durch das Steuergeheimnis wird alles geschützt, was dem Amtsträger oder einer ihm gleichgestellten Person in einem der in § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bis c genannten Verfahren über den Stpfl. oder andere Personen bekannt geworden ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Tatsachen für die Besteuerung relevant sind oder nicht. Das Steuergeheimnis erstreckt sich demnach auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen oder juristischen Person. Zu den Verhältnissen zählen auch das Verwaltungsverfahren selbst, die Art der Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Maßnahmen, die vom Beteiligten getroffen wurden. So unterliegt z. B. auch dem Steuergeheimnis, ob und bei welcher FinBeh ein Beteiligter steuerlich geführt wird, ob ein Steuerfahndungsverfahren oder eine Außenprüfung stattgefunden hat, wer für einen Beteiligten im Verfahren aufgetreten ist und welche Anträge gestellt worden sind. Geschützt werden auch auskunftspflichtige Dritte sowie Gewährspersonen, die den FinBeh Angaben über steuerliche Verhältnisse anderer machen; § 30 Abs. 5 bleibt unberührt.

2. Verpflichteter Personenkreis

2.1 Das Steuergeheimnis haben Amtsträger und die in § 30 Abs. 3 genannten Personen zu wahren.

2.2 Amtsträger sind die in § 7 abschließend aufgeführten Personen.

2.3 Den Amtsträgern sind nach § 30 Abs. 3 gleichgestellt unter anderem die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist dies, wer, ohne Amtsträger zu sein, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder bei einem Verband oder sontigen Zusammenschluss, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten aufgrund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist. Rechtsgrundlage für die Verpflichtung ist das Verpflichtungsgesetz v. (BGBl I S. 469, 547; BStBl I S. 380). Für eine Verpflichtung kommen z. B. Schreib- und Registraturkräfte, ferner Mitarbeiter in Rechenzentren sowie Unternehmer und deren Mitarbeiter, die Hilfstätigkeiten für die öffentliche Verwaltung erbringen (z. B. Datenerfassung, Versendung von Erklärungsvordrucken) in Betracht.

2.4 Sachverständige stehen Amtsträgern nur dann gleich, wenn sie von einer Behörde oder einem Gericht hinzugezogen werden.

3. Befugnis zur Offenbarung

Die Absätze 4 und 5 des § 30 erlauben die Offenbarung der in § 30 Abs. 2 geschützten Verhältnisse, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht aber die Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Offenbarung ist jedes ausdrückliche oder konkludente Verhalten, auf Grund dessen Verhältnisse eines anderen bekannt werden können. Eine Offenbarung kann sich aus mündlichen oder schriftlichen Erklärungen, aber auch aus anderen Handlungen (z. B. Gewährung von Akteneinsicht, Kopfnicken usw.) oder Unterlassungen ergeben. Die FinBeh ist, sofern eine der in § 30 Abs. 4 und 5 genannten Voraussetzungen vorliegt, zur Offenbarung befugt, jedoch nicht verpflichtet. Es gelten die Grundsätze des § 5. Bei der Entscheidung, ob dem Steuergeheimnis unterliegende Verhältnisse offenbart werden sollen, ist zu berücksichtigen, dass das Steuergeheimnis auch dazu dient, die Beteiligten am Besteuerungsverfahren zu wahrheitsgemäßen Angaben zu veranlassen. Ist die Befugnis zur Offenbarung nach § 30 gegeben und besteht gleichzeitig ein Auskunftsanspruch, der für sich allein das Steuergeheimnis nicht durchbricht, z. B. § 161 StPO, so ist die FinBeh zur Auskunftserteilung verpflichtet.

4. Offenbarung zur Durchführung eines steuerlichen Verfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 1)

4.1 § 30 Abs. 4 Nr. 1 lässt eine Offenbarung zur Durchführung eines steuerlichen Verfahrens oder eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens zu. Es genügt, dass das Offenbaren für die Einleitung oder den Fortgang dieses Verfahrens nützlich sein könnte. Die Zulässigkeit ist nicht auf die Mitteilung von Tatsachen zwischen FinBeh beschränkt (z. B. Mitteilungen zwischen Zollbehörden und Steuerbehörden, zwischen FÄ und übergeordneten FinBeh). Zulässig ist auch die Mitteilung an andere Behörden, soweit sie unmittelbar der Durchführung eines der oben genannten Verfahren dient, z. B. Mitteilungen an die Denkmalschutzbehörden im Bescheinigungsverfahren nach § 7i EStG.

Sofern Verwaltungsgerichte Verfahren in Steuersachen (insbesondere Realsteuersachen, Kirchensteuersachen) zu entscheiden haben, besteht eine Offenbarungsbefugnis wie gegenüber FG. Bei verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten in anderen als steuerlichen Verfahren dürfen die FinBeh den Gerichten Auskünfte nur dann erteilen, wenn die Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 bis 5 zugelassen ist.

4.2 Auskünfte darüber, ob eine Körperschaft wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke steuerbegünstigt ist oder nicht, sind dem Spender nur dann zu erteilen, wenn

  • er im Besteuerungsverfahren die Berücksichtigung der geleisteten Spende beantragt (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. mit Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a),

  • die Körperschaft ihm den Tatsachen entsprechend mitgeteilt hat, dass sie zur Entgegennahme steuerlich abzugsfähiger Spenden berechtigt ist,

  • die Körperschaft wahrheitswidrig behauptet, sie sei zur Entgegennahme steuerlich abzugsfähiger Spenden berechtigt (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. mit Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, vgl. auch § 85); die Richtigstellung kann öffentlich erfolgen, wenn die Körperschaft ihre wahrheitswidrige Behauptung öffentlich verbreitet.

Ansonsten ist der Spender bei Anfragen stets an die Körperschaft zu verweisen, sofern keine Zustimmung der Körperschaft zur Auskunftserteilung vorliegt.

4.3 Wird eine beantragte Steuerermäßigung, die von Einkommens- oder Vermögensverhältnissen Dritter abhängt (z. B. nach §§ 32, 33a EStG), abgelehnt, weil die Einkünfte und Bezüge bzw. das Vermögen gesetzliche Betragsgrenzen übersteigen, ist dies dem Stpfl. ohne Angabe des genauen Betrags mitzuteilen. Wird ein derartiger Ermäßigungsantrag im Hinblick auf die eigenen Einkünfte und Bezüge oder das Vermögen des Dritten teilweise abgelehnt, so darf dem Stpfl. die Höhe dieser Beträge mitgeteilt werden.

4.4 Der Erbe tritt als Gesamtrechtsnachfolger in die rechtliche Stellung des Erblassers ein (§ 1922 BGB; § 45 Abs. 1 Satz 1). Die Auskünfte, die dem Erblasser aus den Steuerakten erteilt werden durften, dürfen auch dem Erben erteilt werden. Sind mehrere Erben vorhanden, so ist jeder einzelne Gesamtsrechtsnachfolger des Erblassers. Zur Auskunftserteilung bedarf es nicht der Zustimmung der übrigen Miterben. Der auskunftssuchende Erbe hat sich erforderlichenfalls durch Erbschein auszuweisen. Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte sowie Erbersatzanspruchsberechtigte sind keine Gesamtrechtsnachfolger. Ihnen darf daher keine Auskunft erteilt werden.

4.5 Bei der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen sind ggf. die für Vergleichsbetriebe geführten Steuerakten dem FG vorzulegen, damit das FG überprüfen kann, ob gegen die Zahlen der Vergleichsbetriebe Bedenken bestehen. Da der Stpfl. jedoch gem. § 78 FGO das Recht hat, die dem FG vorgelegten Akten einzusehen, hat die Vorlage an das FG stets in ananymisierter Form zu erfolgen (vgl. BStBl 1986 II S. 226). Das FG darf die Verwertung der vom FA eingebrachten anonymisierten Daten über Vergleichsbetriebe nicht schon im Grundsatz ablehnen (vgl. -).

4.6 Zur Auskunftserteilung bei Betriebsübernahme im Hinblick auf die Haftung nach § 75 siehe Nr. 6 zu § 75.

5. Gesetzlich zugelassene Offenbarung (§ 30 Abs. 4 Nr. 2)

Auf § 30 Abs. 4 Nr. 2 kann eine Offenbarung nur gestützt werden, wenn die Befugnis zum Offenbaren in einem Gesetz ausdrücklich enthalten ist. Eine Bestimmung über die allgemeine Pflicht zur Amtshilfe genügt nicht. Die Befugnis kann in der AO selbst (z. B. § 31), in anderen Steuergesetzen oder in außersteuerlichen Vorschriften enthalten sein.

Zu den außersteuerlichen Vorschriften gehören insbesondere:

6. Offenbarung bei Zustimmung des Betroffenen (§ 30 Abs. 4 Nr. 3)

Nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 ist die Offenbarung zulässig, soweit der Betroffene zustimmt. Betroffener ist nicht nur der Verfahrensbeteiligte selbst, sondern auch jeder Andere, dessen Verhältnisse durch § 30 geschützt werden (z. B. Geschäftsführer, Geschäftspartner, AN, Empfänger von Zahlungen und anderen Vorteilen). Sind mehrere Personen betroffen, so müssen alle ihre Zustimmung zur Offenbarung eines Sachverhalts erteilen. Stimmen einzelne Personen nicht zu, so dürfen die geschützten Verhältnisse derjenigen, die ihre Zustimmung nicht erteilt haben, nicht offenbart werden.

7. Offenbarung zur Durchführung eines außersteuerlichen Strafverfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 4)

7.1 Gem. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a dürfen im Steuerstrafverfahren oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahren gewonnene Erkenntnisse über außersteuerliche Straftaten an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden für Zwecke der Strafverfolgung weitergeleitet werden. Die FinBeh können daher z. B. die Staatsanwaltschaft auch über sog. Zufallsfunde unterrichten. Voraussetzung ist jedoch stets, dass die Erkenntnisse im Steuerstraf- oder Bußgeldverfahren selbst gewonnen wurden. Kenntnisse, die bereits vorher in einem anderen Verfahren (z. B. Veranlagungs-, Außenprüfungs- oder Vollstreckungsverfahren) erlangt wurden, dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber nicht offenbart werden. Sind die Tatsachen von dem Stpfl. (§ 33) selbst oder der für ihn handelnden Person (§ 200 Abs. 1) der FinBeh mitgeteilt worden, ist die Weitergabe zur Strafverfolgung wegen nichtsteuerlicher Straftaten nur zulässig, wenn der Stpfl. zum Zeitpunkt der Abgabe der Mitteilung an die FinBeh die Einleitung des steuerlichen Straf- oder Bußgeldverfahrens gekannt hat, es sei denn, einer der in § 30 Abs. 4 Nr. 5 oder Abs. 5 geregelten Fälle läge vor.

7.2 Gem. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b ist eine Offenbarung von Kenntnissen zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer nichtsteuerlichen Straftat uneingeschränkt zulässig, wenn die Tatsachen der FinBeh ohne Bestehen einer stl. Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht bekannt geworden sind. Tatsachen sind der FinBeh ohne Bestehen einer stl. Verpflichtung bekannt geworden, wenn die Auskunftsperson nicht zuvor durch die FinBeh zur Erteilung einer Auskunft aufgefordert worden ist. Ein Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht (siehe §§ 101 ff.)kann nur angenommen werden, wenn dem Berechtigten sein Auskunftsverweigerungsrecht bekannt war; dies setzt in den Fällen des § 101 eine Belehrung voraus.

8. Offenbarung aus zwingendem öffentlichen Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5)

8.2 Eine Offenbarung ist gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig, soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. § 30 Abs. 4 Nr. 5 enthält eine beispielshafte Aufzählung von Fällen, in denen ein zwingendes öffentliches Interesse zu bejahen ist. Bei anderen Sachverhalten ist ein zwingendes öffentliches Interesse nur gegeben, wenn sie in ihrer Bedeutung einem der in § 30 Abs. 4 Nr. 5 erwähnten Fälle vergleichbar sind. So können die Gewerbebehörden für Zwecke eines Gewerbeuntersagungsverfahrens über die Verletzung stl. Pflichten unterrichtet werden, die mit der Ausübung des Gewerbes, das untersagt werden soll, im Zusammenhang stehen ( BStBl II S. 545; vgl. auch - und v. - IV A 5 - S 0130 - 21/89 -). Zur Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber Parlamenten bzw. einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages vgl. -.

8.2 Verbrechen i. S. von § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. a sind alle Straftaten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB). Als vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen kommen nur solche Vergehen in Betracht, die eine schwerwiegende Rechtsverletzung darstellen und dementsprechend mit Freiheitsstrafe bedroht sind.

8.3 Unter den Begriff der Wirtschaftsstraftat i. S. des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b fallen Straftaten nicht schon deswegen, weil sie nach § 74c des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Landgerichts gehören. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall unter Abwägung der Interessen zu prüfen, ob die besonderen Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. b gegeben sind.

8.4 § 6 des Subventionsgesetzes, wonach Behörden von Bund und Ländern Tatsachen, die sie dienstlich erfahren, und die den Verdacht eines Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) begründen, den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen haben, stellt keine Ermächtigungsvorschrift i.S. des § 30 Abs.4 Nr. 2 dar. Anzeigen an die Strafverfolgungsbehörden wegen des Verdachts eines Subventionsbetrugs sind daher grundsätzlich nicht zulässig; vgl. aber § 31a. Sie können jedoch aus zwingendem öffentlichen Interesse geboten sein (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. b). Betrifft der Subventionsbetrug Investitionszulagen i. S. des InvZulG 1999, so sind diese gleich den Steuerstraftaten den Buß- und Strafsachenstellen zu melden (§ 9 InvZulG 1999).

8.5 Die Weitergabe von Informationen über Verstöße gegen die Umweltschutzbestimmungen kommt insbesondere in Betracht, wenn daran ein zwingendes öffentliches Interesse nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 besteht. Dies ist nicht nur zur Verfolgung der in § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. a und b genannten Straftaten gegeben, sondern auch zur Verfolgung anderer Straftaten, die wegen ihrer Schwere und ihrer Auswirkungen auf die Allgemeinheit den genannten Regeltatbeständen entsprechen. Bei Verdacht eines besonders schweren Falles einer Umweltstraftat i. S. § 330 StGB oder einer schweren Gefährdung durch Freisetzung von Giften i. S. des § 330a StGB ist ein zwingendes öffentliches Interesse für eine Offenbarung zu bejahen. Keine Offenbarungsbefugnis besteht, wenn lediglich der abstrakte Gefährdungstatbestand einer Umweltstraftat wie etwa § 325 StGB (Luftverunreinigung), § 325a StGB (Verursachen von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierenden Strahlen) bzw. § 326 StGB (umweltgefährdende Abfallbeseitigung) erfüllt ist. Kann die FinBeh nicht beurteilen, ob die vorgenannten Voraussetzungen für eine Weitergabe erfüllt sind, hat sie zunächst unter Anonymisierung des Sachverhalts eine sachkundige Stelle zur Klärung einzuschalten. Soweit Verstöße gegen Umweltschutzbestimmungen steuerliche Auswirkungen haben, z. B. für die Anerkennung einer Teilwertabschreibung, ergibt sich die Befugnis zur Weitergabe aus § 30 Abs. 4 Nr. 1, sofern die Weitergabe zur Durchführung des Besteuerungsverfahrens erforderlich ist. Sieht die FinBeh die Notwendigkeit, Angaben des Stpfl., z. B. über schadstoffbelastete WG, zu überprüfen, kann sie den Sachverhalt einer zuständigen Fachbehörde offenbaren. Die FinBeh hat dabei zu prüfen, ob es ausreicht, den Sachverhalt der Fachbehörde in anonymisierter Form vorzutragen. Ist die Offenbarung der Identität des Stpfl. erforderlich, soll sie die Fachbehörde darauf hinweisen, dass die Angaben des Stpfl. nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c weiterhin dem Steuergeheimnis unterliegen. Die Weitergabe von Erkenntnissen über Verstöße gegen Umweltschutzbestimmungen kann gleichzeitig auf mehrere Offenbarungsgründe gestützt werden. Eine Weitergabe von Erkenntnissen unter dem Gesichtspunkt des zwingenden öffentlichen Interesses ist deshalb auch dann zulässig, wenn der gleiche Sachverhalt bereits nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 offenbart worden ist. Die Weitergabe von Informationen über Verstöße gegen die Umweltschutzbestimmungen kann nicht auf das Umweltinformationsgesetz vom (BGBl I S. 2218) gestützt werden.

8.6 Werden in einem Verfahren nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 Verfehlungen eines Beamten oder Richters festgestellt, die dieser im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit begangen hat, z. B. Straftaten im Amt (§§ 331 ff. StGB), so steht das Steuergeheimnis der Unterrichtung der zuständigen Stelle nicht entgegen, soweit es für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens oder sonstiger dienstrechtlicher Maßnahmen erforderlich ist und es um die Mitteilung derjenigen Tatsachen geht, die den Beamten oder Richter selbst betreffen. Für eine derartige Mitteilung besteht in diesen Fällen stets ein zwingendes öffentliches Interesse i. S. von § 30 Abs. 4 Nr. 5. Die stl. Verhältnisse Dritter dürfen bei Vorliegen des zwingenden öffentlichen Interesses nur mitgeteilt werden, soweit dienstrechtliche Maßnahmen ohne die Mitteilung nicht ergriffen werden können.

Werden in einem Verfahren nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 Verfehlungen eines Beamten oder Richters festgestellt, die dieser außerhalb des Dienstes begangen hat, so steht das Steuergeheimnis der Unterrichtung der zuständigen Stelle nicht entgegen, soweit es für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens oder sonstiger dienstrechtlicher Maßnahmen erforderlich ist und für die Mitteilungen im Einzelfall ein zwingendes öffentliches Interesse gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 besteht; dieses ist insbesondere anzunehmen bei

a) unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen durch Beamte der Steuerverwaltung; dies gilt jedoch nicht, wenn die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen nur gelegentlich z. B. in Form sporadischer Nachbarschaftshilfe ausgeübt wird oder von geringer Bedeutung ist.

b) bei Steuerstraftaten, einschließlich solcher, bei denen durch Selbstanzeige nach § 371 Straffreiheit eingetreten ist, wenn

  • die verkürzte Steuer 2 500 € oder mehr pro Veranlagungszeitraum beträgt oder

  • der Beamte oder Richter bei Steuerverkürzungen von weniger als 2 500 € eine erhebliche kriminelle Energie aufgewendet hat (z. B. durch Fälschung von Belegen).

Die vorstehenden Regelungen sind bei vergleichbaren Sachverhalten auf die Mitteilung von Verfehlungen sonstiger Angehöriger der FinVerw (Angestellte, Arbeiter) an die zuständigen Stellen anzuwenden, soweit dies zur Ergreifung arbeitsrechtlicher Maßnahmen erforderlich ist.

8.7 Die FinBeh sind verpflichtet, den für die Bekämpfung der Geldwäsche und terroristischer Aktivitäten zuständigen Stellen nach § 30 geschützten Verhältnisse auf deren Ersuchen mitzuteilen. Für die Mitteilungen an die genannten Stellen besteht in diesen Fällen ein zwingendes öffentliches Interesse i. S. des § 30 Abs. 4 Nr. 5. Die ersuchenden Stellen haben in ihrem Ersuchen zu versichern, dass die erbetenen Daten für Ermittlungen und Aufklärungsarbeiten im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Geldwäsche oder des Terrorismus erforderlich sind. Eine bestimmte Form für die Auskunftsersuchen und die Erteilung der Auskünfte ist nicht erforderlich. Bei Zweifeln an der Identität des Auskunftsersuchenden haben sich die FinBeh vor Auskunftserteilung über die Identität des Auskunftsersuchenden auf geeignete Weise zu vergewissern.

8.8 § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c gestattet die Offenbarung zur Richtigstellung unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern. Diese Offenbarungsbefugnis begründet ein Abwehrrecht der Verwaltung und dient damit nicht dem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit. Die Verwaltung selbst hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie richtig stellen will. Sie hat dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und sich auf die zur Richtigstellung erforderliche Offenbarung zu beschränken. Eine Offenbarung zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. c kommt nur im Ausnahmefall in Betracht.

9. Offenbarung vorsätzlich falscher Angaben (§ 30 Abs. 5)

Die Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden über vorsätzlich falsche Angaben des Betroffenen gem. § 30 Abs. 5 darf nur erfolgen, wenn nach Auffassung der FinBeh durch die falschen Angaben ein Straftatbestand verwirklicht worden ist; die Durchführung eines Strafverfahrens wegen dieser Tat ist nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Offenbarung.”

3. Die Regelung zu § 75 wird wie folgt gefasst:

”Zu § 75 - Haftung des Betriebsübernehmers

1. Art der Haftung

§ 75 begründet eine persönliche, keine dingliche Haftung, die jedoch ihrem Gegenstand nach auf den Bestand des übereigneten Unternehmens bzw. Teilbetriebes beschränkt ist.

2. Haftungsschuldner

Haftungsschuldner ist der an der Geschäftsveräußerung beteiligte Erwerber. Als Erwerber kommt jeder in Betracht, der Träger von Rechten und Pflichten sein kann.

3. Haftungstatbestand

Haftungstatbestand ist die Übereignung eines Unternehmens oder eines in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes im Ganzen.

3.1 Übereignung eines Unternehmens oder gesondert geführten Betriebes

Unternehmen ist jede wirtschaftliche Einheit oder organisatorische Zusammenfassung persönlicher oder sachlicher Mittel zur Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke, d. h. ein Unternehmen i. S. des § 2 Abs. 1 UStG ( BStBl II S. 676, v. , BStBl 1974 II S. 145, v. , BStBl 1980 II S. 258; v. , BStBl II S. 700, und v. , BFH/NV 1996 S. 726).

Ein gesondert geführter Betrieb i. S. des § 75 ist ein mit gewisser Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil eines Gesamtbetriebes, der für sich allein lebensfähig ist. Fehlt es hieran, so kommt eine Haftung - ohne Rücksicht auf den Umfang der übernommenen WG - nicht in Betracht ( BStBl II S. 486, v. , BFH/NV 1986 S. 315, und v. , BFH/NV 1994 S. 694). Ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines gesondert geführten Betriebes erforderliche Selbständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden. Als Abgrenzungsmerkmale sind u. a. von Bedeutung: Räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung, selbständige Organisation, eigenes Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeit und eigener Kundenstamm. Diese Merkmale, die nicht sämtlich vorliegen müssen, haben unterschiedliches Gewicht je nachdem, ob es sich um einen Handels-, Dienstleistungs- oder Fertigungsbetrieb handelt (vgl. BStBl 1989 II S. 376, und v. , BFH/NV 1994 S. 694). Bei Einzelhandelsfilialen reicht es für die Annahme eines gesondert geführten Betriebes regelmäßig nicht aus, dass die Filiale vom Hauptbetrieb räumlich getrennt ist und über eigenes Personal, eine selbständige Kassenführung und einen eigenen Kundenkreis verfügt. Es muss hinzukommen, dass die Filiale über selbständige Wareneinkaufsbeziehungen und eine selbständige Preisgestaltung verfügt ( BStBl 1980 II S. 51, v. , BFH/NV S. 516, und v. , a.a.O.).

3.2 Übereignung der wesentlichen Betriebsgrundlagen

Die Übereignung des Unternehmens im Ganzen setzt voraus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen von dem Veräußerer auf den Erwerber dergestalt übergehen, dass dieser in der Lage ist, wirtschaftlich wie ein Eigentümer darüber zu verfügen und so das Unternehmen fortzuführen ( BStBl II S. 589 und v. , BFH/NV 1992 S. 712). Welche WG wesentliche Betriebsgrundlage sind, hängt letztendlich von der Art des Betriebes ab und ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden; in Betracht kommen z. B. Geschäftsgrundstücke, -räume und -einrichtung, das Warenlager, Maschinen, Nutzungs- und Gebrauchtsrechte oder der Kundenstamm. Maßgeblich ist das tatsächliche Ergebnis der Übertragung, nicht etwa vertraglich getroffene Vereinbarungen ( BFH/NV 1986 S. 381). Eine Haftung kommt nicht in Betracht, sofern der frühere Betriebsinhaber eine wesentliche Betriebsgrundlage zurückbehält und später übereignet ( BStBl II S. 651).

Eine Betriebsübereignung i. S. des § 75 setzt bei Grundstücken, die zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens gehören und im Eigentum des Betriebsinhabers stehen, voraus, dass sie nach den Vorschriften des BGB an den Erwerber übereignet werden. Die Vermietung oder Verpachtung eines solchen Grundstücks durch den früheren Betriebsinhaber an den fortführenden Unternehmer vermag die Haftung nicht zu begründen ( BStBl II S. 589 und v. , BFH/NV 1987 S. 358). Das gleiche gilt, wenn der frühere Unternehmer den ihm gehörenden Hälfteanteil des Betriebsgrundstücks als wesentliche Grundlage des Betriebes nicht an die als Haftungsschuldner in Betracht kommende GmbH, sondern an deren Alleingesellschafter und alleinigen Geschäftsführer übereignet ( BStBl II S. 483).

Umfassen die wesentlichen Betriebsgrundlagen WG, die nicht im bürgerlich-rechtlichen Sinne übereignet werden können (z. B. Erfahrungen, Geheimnisse, Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern), genügt es, wenn diese lediglich im wirtschaftlichen Sinne übereignet werden, so dass der Erwerber ein eigentümerähnliches Herrschaftsverhältnis erlangt ( BStBl 1980 II S. 258, v. , BStBl II S. 483, und v. , BFH/NV S. 762).

Gehören zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen auch Nutzungsrechte, z. B. Miet- oder Pachtrechte, die nicht nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen übereignet werden können, so reicht es für die Übertragung solcher Rechte aus, dass der Betriebsübernehmer unter Mitwirkung des bisherigen Betriebsinhabers mit dem Vermieter oder Verpächter einen entsprechenden Nutzungsvertrag abschließt. Für die Mitwirkung des bisherigen Betriebsinhabers ist es ausreichend, wenn dieser in irgendeiner tatsächlichen Art und Weise in den Abschluss des neuen Nutzungsvertrages eingeschaltet war, sei es, dass er den Eintritt des Betriebsübernehmers in den alten Vertrag oder den Neuabschluss des Nutzungsvertrages initiierte, vermittelte, befürwortete oder auch nur billigte ( BFH/NV S. 617 und BFH/NV 1999 S. 4).

Ein auf fremdem Grundstück unterhaltener Betrieb ist erst dann übereignet, wenn der Pachtvertrag mit dem Grundstückseigentümer auf den Erwerber übergeleitet ist. Dies gilt auch dann, wenn andere Betriebsgrundlagen bereits vorher auf den Erwerber übergegangen sind ( BFH/NV S. 755).

Für die Haftung des Betriebsübernehmers kommt es nur darauf an, dass das wirtschaftliche Eigentum an den wesentlichen Betriebsgrundlagen, d. h. die Möglichkeit, über den Einsatz der Gegenstände allein entscheiden zu können, vom bisherigen Unternehmer auf den Erwerber übergeht. Die Haftung des Betriebsübernehmers kommt daher auch dann in Betracht, wenn der Erwerber das wirtschaftliche Herrschaftsverhältnis über im fremden Sicherungseigentum stehendes BV durch Vereinbarung mit dem bisherigen Unternehmen erlangt ( BFH/NV 1993 S. 215). Eine Haftung des Betriebsübernehmers scheidet dagegen aus, wenn der Erwerber das (wirtschaftliche) Eigentum durch Erwerb vom Sicherungsnehmer erlangt, ohne dass der frühere Betreiber des Unternehmens an dem Geschäft in irgendeiner Weise beteiligt war ( BFH/NV S. 479, und BFH/NV S. 762).

Eine Übereignung in mehreren Teilakten ist eine Übertragung im Ganzen, wenn die einzelnen Teile im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen und der Wille auf Erwerb des Unternehmens gerichtet ist ( BStBl II S. 483, v. , BFH/NV S. 755, und v. , BFH/NV S. 762).

3.3 Lebendes Unternehmen

Der Haftung des Betriebsunternehmers stehen Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzreife des bisherigen Unternehmens nicht entgegen. Die Haftung des Erwerbers ist davon abhängig, dass er ein lebendes Unternehmen erwirbt. Dazu ist erforderlich, dass der Erwerber das Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortführen oder, sofern der Betrieb des Unternehmens vor dem Erwerb bereits eingestellt war, ohne großen Aufwand wieder in Gang setzen kann ( BStBl II S. 589, v. , BStBl II S. 700, und v. , BFH/NV 1992 S. 712).

Die Haftung des Erwerbers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieser den Betrieb nur dann in der bisherigen Weise fortführen kann, wenn er an die Stelle des Veräußerers in das Vertragsnetz eines anderen Unternehmens eintritt ( BStBl II S. 654).

Die Abweisung des Antrags des bisherigen Betriebsinhabers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse kann ein Indiz dafür sein, dass ein lebendes Unternehmen nicht mehr vorhanden ist, sie ist aber kein Kriterium, das eine Haftung des Betriebsübernehmers generell ausschließt (vgl. BFH/NV 1993 S. 215).

3.4 Haftungsausschluss für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse und im Vollstreckungsverfahren

Für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse und im Vollstreckungsverfahren scheidet eine Haftung des Betriebsübernehmers aus (§ 75 Abs. 2). Aus einer Insolvenzmasse wird ein Unternehmen erworben, wenn der Erwerb nach Eröffnung und vor Einstellung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens getätigt wird. Ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden, so greift der Haftungsausschluss nach § 75 Abs. 2 nicht ein (vgl. BStBl II S. 765).

Ein Erwerb im Vollstreckungsverfahren liegt vor, wenn dieser im Rahmen der Verwertung, also der Zwangsversteigerung (§ 17 ZVG), der besonderen Verwertung (§ 65 ZVG), der Versteigerung (§ 814 ZPO), der anderweitigen Verwertung (§ 825 ZPO) oder der Verwertung nach den §§ 296, 305 erfolgt.

Einen darüber hinausgehenden Haftungsausschluss durch private Vereinbarung, etwa vergleichbar des § 25 Abs. 2 HGB, lässt die öffentlich-rechtliche Natur der Haftung nach § 75 nicht zu.

4. Umfang der Haftung

4.1 Sachliche Beschränkung

Der Übernehmer eines Unternehmens oder gesondert geführten Betriebes haftet nur

  • für die im Betrieb begründeten Steuern (z. B. USt - ausschließlich der Einfuhr-USt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG und der USt wegen unberechtigten Steuerausweises gem. § 14 Abs. 3 UStG -, pauschalierte LSt, GewSt); er haftet dagegen insbesondere nicht für ESt, KSt, ErbSt, GrSt, GewSt und KfzSt;

  • für Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen sowie Prämien und Zulagen, auf die die Vorschriften für Steuervergütungen entsprechend anwendbar sind, wobei der Erstattungsanspruch aus einer betriebsbedingten Steuervergütung bzw. Prämie oder Zulage resultieren muss (insbesondere Rückforderung der InvZul);

  • für Steuerabzugsbeträge, insbesondere LSt, KapErtrSt, Abzugsbeträge nach §§ 48, 50a EStG.

Nach dem BStBl II S. 490, umfasst die Haftung auch die durch die Unternehmensveräußerung entstandene USt-Schuld. Zwar unterliegt eine Unternehmensveräußerung gem. § 1 Abs. 1a UStG nicht mehr der USt. Die Haftung umfasst aber auch die in diesen Fällen unberechtigt ausgewiesene nach § 14 Abs. 2 UStG geschuldete USt.

Steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4) sind von der Haftung ausgenommen.

4.2 Zeitliche Beschränkung

Voraussetzung für die Haftung ist, dass die Steuern und Erstattungsansprüche seit dem Beginn des letzten vor der wirtschaftlichen Übereignung liegenden Kj entstanden (§ 38) sind und innerhalb eines Jahres nach Anmeldung (§ 138) des Betriebes bei der zuständigen FinBeh durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet worden sind. Die Jahresfrist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt der Betriebsübernahme. Die Fälligkeit der Ansprüche ist unerheblich.

Es reicht aus, wenn die Steuern gegenüber dem Veräußerer innerhalb der Jahresfrist festgesetzt worden sind, der Haftungsbescheid kann später erlassen werden.

4.3 Gegenständliche Beschränkung der Haftung

Die Haftung beschränkt sich auf das übernommene Vermögen (einschließlich Surrogate). Darunter ist das übernommene Aktivermögen zu verstehen; Schulden sind nicht abzuziehen. Der Haftungsschuldner haftet nicht in Höhe des Wertes des übernommenen Vermögens, sondern mit diesem Vermögen.

Der Umfang der Haftung ist ausreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1), wenn im Haftungsbescheid der Vermögenswert angegeben wird, auf den die Haftung beschränkt ist ( BFH/NV 1993 S. 215). Alternativ können die einzelnen übernommenen Gegenstände aufgeführt werden. Handelt es sich um eine größere Anzahl von Gegenständen, können diese in einer besonderen Anlage zum Haftungsbescheid angegeben werden. Es genügt jedoch auch, im Haftungsbescheid auf den Übergabevertrag Bezug zu nehmen, sofern sich aus diesem die übernommenen Gegenstände in eindeutig abgrenzbarer Weise ergeben.

5. Verjährung

Die Festsetzungsfrist beträgt 4 Jahre (§ 191 Abs. 3 Satz 2).

6. Auskunftserteilung bei Betriebsübernahme

Ersucht ein Kaufinteressent das FA um Auskunft über Rückstände an Betriebssteuern und Steuerabzugsbeträgen, für die eine Haftung in Frage kommt, so kann diese Auskunft nur erteilt werden, wenn der Betriebsinhaber zustimmt (§ 30 Abs. 4 Nr. 3). Der anfragende Kaufinteressent ist ggf. auf die erforderliche Zustimmung sowie darauf hinzuweisen, dass der Erwerber auch dann nach § 75 Abs. 1 haftet, wenn ihm bei der Übereignung die Steuerschulden des Veräußerers nicht bekannt sind.

Der haftungsbegründete Tatbestand ist mit der Eigentumsübertragung verwirklicht. Da Steuerschuldner und Haftender nach § 44 Abs. 1 Gesamtschuldner sind, darf dem Erwerber nach erfolgter Eigentumsübertragung eine Auskunft über etwaige bekannte Steuerrückstände des Veräußerers insoweit erteilt werden, als eine Haftung nach § 75 Abs. 1 in Betracht kommt. Es ist nicht erforderlich, dass gegen den Erwerber bereits ein Haftungsbescheid ergangen ist.”

4. Die Regelung zu § 122 wird wie folgt geändert:

a) Nach Nr. 1.1.3 wird folgende neue Regelung aufgenommen:

”1.1.4 Die nachfolgenden Grundsätze über die Bekanntgabe von Steuerbescheiden (vgl. Nr. 1.2) gelten entsprechend für andere Verwaltungsakte, die schriftlich bekannt gegeben werden (z. B. Haftungsbescheide, Prüfungsanordnungen, Androhungen und Festsetzungen von Zwangsgeldern; vgl. Nr. 1.8.1). Zur Adressierung und Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen vgl. zu § 197, zur Adressierung und Bekanntgabe von Zwangsgeldandrohungen und Zwangsgeldfestsetzungen vgl. BStBl 2001 II S. 463.”

b) Die bisherige Nr. 1.2.1 wird neue Nr. 1.2; die bisherige Nr. 1.2.2 entfällt.

5. Die Überschrift der Regelung zu § 156 wird wie folgt gefasst:

”Zu § 156 - Abgesehen von Steuerfestsetzung”

6. Nr. 1 der Regelung zu § 167 wird wie folgt gefasst:

”1. Die Selbstberechnung der Steuer (§ 150 Abs. 1 Satz 2) durch Steueranmeldung ist gesetzlich insbesondere vorgeschrieben für die USt (Voranmeldung und Jahreserklärung - § 18 UStG), die LSt (§ 41a EStG), die KapErtrSt (§ 45a EStG), den Steuerabzug nach § 48 i. V. mit § 48a EStG oder nach § 50a EStG, die VersSt (§ 8 VersStG), die Wettsteuer (§ 18 RennwLottAB) und für die Feuerschutzsteuer (§ 8 FeuerSchStG). Die Steueranmeldung ist Steuererklärung i. S. des § 150. Wegen der Wirkung einer Steueranmeldung siehe § 168.”

7. Nr. 3 der Regelung vor §§ 172 bis 177 wird wie folgt gefasst:

”3. Die materielle Bestandskraft wird nur durchbrochen, soweit es das Gesetz zulässt. Die Zulässigkeit ergibt sich nicht nur aus der AO selbst (z. B. §§ 164, 165, 172 bis 175a), sondern auch aus anderen Steuergesetzen (z. B. § 10d Abs. 1 EStG; § 35b GewStG, §§ 24 und 24a BewG; § 20 GrStG).”

8. Nr. 1 der Regelung zu § 176 wird wie folgt gefasst:

”1. Die Vorschrift schützt das Vertrauen des Stpfl. in die Gültigkeit einer Rechtsnorm, der Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes oder einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift (z. B. EStR). Unter Aufhebung und Änderung ist jede Korrektur einer Steuerfestsetzung nach §§ 164, 165, 172 ff. oder nach den Einzelsteuergesetzen zu verstehen (vgl. Nr. 3 vor §§ 172 bis 177), aber nicht die Berichtigung nach § 129.”

9. Nr. 2 der Regelung zu § 179 wird wie folgt gefasst:

”2. Voraussetzung für den Erl. eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 ist, dass der vorangegangene Feststellungsbescheid wirksam, aber unvollständig bzw. lückenhaft ist. In einem Ergänzungsbescheid sind nur solche Feststellungen nachholbar, die in dem vorangegangenen Feststellungsbescheid ”unterblieben” sind. Eine Feststellung ist unterblieben, wenn sie im Feststellungsbescheid hätte getroffen werden müssen, tatsächlich aber - aus welchen Gründen auch immer - nicht getroffen worden ist. Die Vorschrift des § 179 Abs. 3 durchbricht nicht die Bestandskraft wirksam ergangener Feststellungsbescheide. Inhaltliche Fehler in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht können daher nicht in einem Ergänzungsbescheid korrigiert werden ( BStBl II S. 819; BFH/NV 1999 S. 1446).

Ein Ergänzungsbescheid ist beispielsweise zulässig zur Nachholung:

  • der Feststellung, ob und in welcher Höhe ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zu gewähren ist;

  • der Feststellung, wie der Gewinn zu verteilen ist (vgl. BStBl II 1984 S. 474);

  • des Hinweises über die Reichweite der Bekanntgabe gem. § 183 Abs. 1 Satz 5 ( BStBl II S. 885);

  • der Feststellung und der Verteilung des Betrags der einbehaltenen KapErtrSt und der anrechenbaren KSt (§ 180 Abs. 5 Nr. 2);

  • der Feststellung über das Ausscheiden eines Gesellschafters während eines abweichenden Wj ( BFH/NV 1998 S. 454).

Eine Feststellung ist nicht unterblieben und kann daher auch nicht nachgeholt werden, wenn sie im Feststellungsbescheid ausdrücklich abgelehnt worden ist. Deshalb kann durch den Erlass eines Ergänzungsbescheids nicht nachgeholt werden:

  • die im Feststellungsverfahren unterbliebene Entscheidung, ob ein steuerbegünstigter Gewinn vorliegt, wenn das FA den Gewinn bisher insgesamt als laufenden Gewinn festgestellt hat ( BStBl II 1976 S. 304, und v. , BStBl II S. 785);

  • die bei einer Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a zu Unrecht unterbliebene Berücksichtigung von Sonder-BE oder -BA;

  • ein fehlender oder unklarer Hinweis i. S. von § 181 Abs. 5 Satz 2 ( BStBl II S. 426; BFH/NV 1999 S. 282).

Der Erlass eines Ergänzungsbescheids steht nicht im Ermessen der FinBeh.”

10. Nrn. 1 und 2 der Regelung zu § 180 werden wie folgt gefasst:

”1. Die gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a umfasst in erster Linie die von den Feststellungsbeteiligten gemeinschaftlich erzielten Einkünfte. Sie umfasst auch die bei Ermittlung dieser Einkünfte zu berücksichtigenden Sonder-BE und -BA oder Sonder-WK eines oder mehrerer Feststellungsbeteiligten.

Darüber hinaus sind solche Besteuerungsgrundlagen gesondert festzustellen, die in einem rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit den gemeinschaftlich erzielten Einkünften stehen, aber bei Ermittlung der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte nicht zu berücksichtigen sind. Hiernach sind z. B. solche Aufwendungen gesondert festzustellen, die aus Mitteln der Gesellschaft oder Gemeinschaft geleistet werden und für die Besteuerung der Feststellungsbeteiligten, z. B. als SA, von Bedeutung sind. Soweit derartige Besteuerungsgrundlagen bei Erlass des Feststellungsbescheids nicht berücksichtigt worden sind, ist ihre gesonderte Feststellung durch Ergänzungsbescheid (§ 179 Abs. 3) nachzuholen.

Zum Verfahren bei der Geltendmachung von negativen Einkünften aus der Beteiligung an Verlustzuweisungsgesellschaften und vergleichbaren Modellen vgl. BStBl I S. 404, und v. , BStBl I S. 420).

2. Fallen der Wohnort und der Betriebs- bzw. Tätigkeitsort auseinander und liegen diese Orte im Bereich verschiedener FÄ, sind die Einkünfte des Stpfl. aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder freiberuflicher Tätigkeit gesondert festzustellen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b).

2.1 Maßgebend sind die Verhältnisse zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums. Spätere Änderungen dieser Verhältnisse sind unbeachtlich. Bei einem vom Kj abweichenden Wj oder einem Rumpf-Wj sind die Verhältnisse zum Schluss dieses Zeitraums maßgebend.

2.2 Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b sind nur die Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nicht die übrigen Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

2.3 Übt ein Stpfl. seine freiberufliche Tätigkeit in mehreren Gemeinden aus, so ist für die dadurch erzielten Einkünfte nur eine gesonderte Feststellung durchzuführen ( BStBl II S. 691). Bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb gilt dies für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder den Gewerbebetrieb entsprechend.

2.4 Die örtliche Zuständigkeit für gesonderte Feststellungen i. S. des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b richtet sich nach § 18. Zur Zuständigkeit, wenn Wohnung und Betrieb in einer Gemeinde (Großstadt) mit mehreren FÄ liegen, vgl. aber zu § 19 Nrn. 2 und 3.”

11. Die Regelung zu § 235 wird wie folgt gefasst:

”Zu § 235-Verzinsung von hinterzogenen Steuern:

1. Zweck und Voraussetzungen der Verzinsung

1.1 Hinterzogene Steuern sind nach § 235 zu verzinsen, um dem Nutznießer einer Steuerhinterziehung den stl. Vorteil der verspäteten Zahlung oder der Gewährung oder Belassung von Steuervorteilen zu nehmen ( BStBl II S. 596, und v. , BStBl 1992 II S. 163).

1.2 Die Zinspflicht tritt nur ein, wenn der objektive und subjetive Tatbestand des § 370 Abs. 1 erfüllt und die Tat i. S. des § 370 Abs. 4 vollendet ist. Der Versuch einer Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 2) reicht zur Begründung einer Zinspflicht ebenso wenig aus wie die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378) oder die übrigen Steuerordnungswidrigkeiten (§§ 379 ff.).

Kommen Stpfl. ihren Erklärungspflichten nicht oder nicht fristgerecht nach, kommt Steuerhinterziehung und damit die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nur insoweit in Betracht, als nachgewiesen werden kann, dass durch das pflichtwidrige Verhalten die Steuern zu niedrig oder verspätet festgesetzt worden sind. Steuern, die aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen (§ 162) festgesetzt wurden, können nicht ohne Weiteres als verkürzt angesehen werden ( BStBl 1992 II S. 128).

1.3 Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen setzt keine strafrechtliche Verurteilung wegen Steuerhinterziehung voraus ( BStBl II 1992 S. 9). Die Zinspflicht ist unabhängig von einem Steuerstrafverfahren im Rahmen des Besteuerungsverfahrens zu prüfen.

Hinterziehungszinsen sind demnach auch festzusetzen, wenn

  • wirksam Selbstanzeige nach § 371 erstattet worden ist (z. B. durch Nachmeldung hinterzogener USt in der USt-Jahreserklärung),

  • der Strafverfolgung Verfahrenshindernisse entgegenstehen (z. B. Tod des Täters oder Strafverfolgungsverjährung),

  • das Strafverfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist (z. B. nach §§ 153, 153a StPO; § 398) oder

  • in anderen Fällen die Strafverfolgung beschränkt oder von der Strafverfolgung abgesehen wird (z. B. nach §§ 154, 154a StPO).

An Entscheidungen im strafgerichtlichen Verfahren ist die FinBeh nicht gebunden ( BStBl 1973 II S. 68).

2. Gegenstand der Verzinsung

2.1 Hinterziehungszinsen sind festzusetzen für

  • verkürzte Steuern; darunter fallen auch keine oder zu geringe Steuervorauszahlungen und der Solidaritätszuschlag. Landesgesetzlich geregelte Steuern sind nur zu verzinsen, wenn dies im Gesetz angeordnet ist.

  • ungerechtfertigt erlangte Steuervorteile (z. B. zu Unrecht erlangte Steuervergütungen),

  • zu Unrecht erlangte Steuervergünstigungen (z. B. Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen),

  • ungerechtfertigt erlangte Prämien und Zulagen, auf die die Vorschriften der AO über Steuervergütungen entsprechend anzuwenden sind (z. B. Investitionszulagen, Eigenheimzulagen, Wohnungsbauprämien, AN-Sparzulagen und Zulagen nach § 83 EStG).

2.2 Bei Steuern mit progressivem Tarif oder Stufentarif ist zur Berechnung des zu verzinsenden Teilbetrages die Steuer lt. ursprünglicher Festsetzung mit der Steuer zu vergleichen, die sich bei Einbeziehung der vorsätzlich verschwiegenen Besteuerungsmerkmale ergeben würde. Sonstige Abweichungen von den Erklärungen des Stpfl. bleiben außer Ansatz.

2.3 Hinterziehungszinsen sind für jeden Besteuerungszeitraum (Veranlagungszeitraum, Voranmeldungszeitraum) oder Besteuerungszeitpunkt gesondert zu berechnen. Einzelne, aufeinanderfolgende Steuerhinterziehungen sind nicht als eine Tat zu würdigen, sondern als selbständige Taten zu behandeln. Das gilt auch, wenn das FA die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 geschätzt hat.

2.4 Wenn die Steuerhinterziehung zu keiner Nachforderung führt, erfolgt keine Zinsfestsetzung. Soweit infolge Kompensation der mit der Steuerhinterziehung zusammenhängenden Besteuerungsgrundlagen mit anderen steuermindernden Besteuerungsgrundlagen (z. B. nach § 177) kein Zahlungsanspruch entstanden ist, unterbleibt daher eine Zinsfestsetzung. Das strafrechtliche Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 Satz 3 gilt nicht bei der Verzinsung nach § 235.

3. Zinsschuldner

3.1 Nach § 235 Abs. 1 Satz 2 ist derjenige Zinsschuldner, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind, unabhängig davon, ob er an der Steuerhinterziehung beteiligt war (vgl. BStBl II S. 822). Steuerschuldner und Steuerhinterzieher brauchen daher nicht identisch zu sein.

Im Falle einer Gesamtschuldnerschaft (§ 44) ist jeder Gesamtschuldner auch Zinsschuldner. Dies gilt auch dann, wenn bei zusammenveranlagten Ehegatten der Tatbestand der Steuerhinterziehung nur in der Person eines der Ehegatten erfüllt ist. Da in diesem Fall beide Ehegatten Schuldner der Hinterziehungszinsen sind, kann nach § 239 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit § 155 Abs. 3 ein zusammengefasster Zinsbescheid an die Ehegatten ergehen (vgl. BStBl 1995 II S. 484).

3.2 § 235 Abs. 1 Satz 3 regelt die Fälle, in denen ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung,

  • einbehaltene Steuern an die FinBeh abzuführen oder

  • Steuern zu Lasten eines anderen an die FinBeh zu entrichten,

nicht erfüllt hat. In diesen Fällen ist der Entrichtungspflichtige Zinsschuldner, wenn die Steuerhinterziehung auf seiner Pflichtverletzung beruht.

Die in §§ 34, 35 bezeichneten gesetzlichen Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigten sind nicht Entrichtungspflichtige und nicht Schuldner der Hinterziehungszinsen (vgl. BStBl II S. 781). Dieser Personenkreis haftet jedoch sowohl für die hinterzogenen Steuern als auch für die Hinterziehungszinsen (§ 71).

4. Zinslauf

4.1 Beginn des Zinslaufs

4.1.1 Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils (§ 235 Abs. 2 Satz 1), d. h. sobald die Tat im strafrechtlichen Sinn vollendet ist. Wären die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden, z. B. bei einer Abschlusszahlung, beginnt die Verzinsung erst mit Ablauf des Fälligkeitstages (§ 235 Abs. 2 Satz 2).

4.1.2 Bei Fälligkeitsteuern (z. B. USt-Vorauszahlungen, LSt) tritt die Verkürzung im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit ein. Dies gilt auch dann, wenn keine (Vor-)Anmeldung abgegeben wurde. Bei Abgabe einer unrichtigen zustimmungsbedürftigen Steueranmeldung tritt die Verkürzung erst dann ein, wenn die Zustimmung nach § 168 Satz 2 dem Stpfl. bekannt geworden ist (z. B. Auszahlung oder Umbuchung des Guthabens oder Erklärung der Aufrechnung; vgl. Nr. 3 zu § 168).

Lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, welchem Voranmeldungszeitraum hinterzogene Beträge zeitlich zuzuordnen sind, ist zugunsten des Zinsschuldners von einem Beginn des Zinslaufs mit dem letzten gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt für das betroffene Jahr auszugehen (bei Unternehmen ohne Dauerfristverlängerung ist dies der 10. Januar des jeweiligen Folgejahres.

4.1.3 Bei Veranlagungssteuern tritt die Verkürzung im Fall der Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung mit dem Tag der Bekanntgabe des auf dieser Erklärung beruhenden Steuerbescheides (§§ 122, 124) ein; der Beginn des Zinslaufs verschiebt sich dabei i. d. R. auf den Ablauf des Fälligkeitstages (vgl. Nr. 4.1.1 Satz 2).

Hat der Stpfl. keine Steuererklärung abgegeben und ist aus diesem Grunde die Steuerfestsetzung unterblieben, so ist die Steuer zu dem Zeitpunkt verkürzt, zu dem die Veranlagungsarbeiten für das betreffende Kj im Wesentlichen abgeschlossen waren. Dieser Zeitpunkt ist zugleich Zinslaufbeginn. Hat das FA die Steuer aber wegen Nichtabgabe der Steuererklärung aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen (§ 162) festgesetzt, tritt die Verkürzung mit Bekanntgabe dieses Steuerbescheids bzw. der Fälligkeit der sich hieraus ergebenden Abschlusszahlung ein.

4.2 Ende des Zinslaufs

4.2.1 Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuer (§ 235 Abs. 3 Satz 1). Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung (§ 238 Abs. 1 Satz 3).

4.2.2 Hinterziehungskosten werden nicht für Zeiten festgesetzt, für die ein Säumniszuschlag entsteht, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist (§ 235 Abs. 3 Satz 2), ohne dass es dabei auf die tatsächliche Erhebung von Säumniszuschlägen oder die Zahlung von Stundungs- und/oder Aussetzungszinsen ankommt. Der Zinslauf endet daher spätestens mit Ablauf des Fälligkeitstages.

4.2.3 Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt (§ 235 Abs. 3 Satz3).

5. Höhe der Hinterziehungszinsen

5.1 Die Hinterziehungszinsen betragen für jeden vollen Monat des Zinslaufs 0,5 v. H. (§ 238 Abs. 1 Satz 1 und 2). Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet (§ 238 Abs. 2). Abzurunden ist jeweils der Gesamtbetrag einer Steuerart, soweit der Besteuerungszeitraum und Beginn des Zinslaufs übereinstimmen (vgl. zu § 238, Nr. 2).

5.2 Zur Vermeidung einer Doppelverzinsung im Hinterziehungsfall sind Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, anzurechnen (§ 235 Abs. 4). Ein Investitionszulage-Rückforderungsanspruch ist zugleich nach § 7 InvZulG 1999 zu verzinsen, § 235 Abs. 4 gilt in diesem Fall aus sachlichen Billigkeitsgründen entsprechend.

6. Verfahren

6.1 Sind Steuern zum Vorteil der Gesellschafter einer PersGes hinterzogen worden, so hat das Betriebs-FA in einem Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der von den Gesellschaftern erlangte Vorteil i. S. des § 235 Abs. 1 auf einer Hinterziehung beruht ( BStBl II S. 596).

6.2 Die Zinsen für hinterzogene Realsteuern (insbes. GewSt) sind von der hebeberechtigten Gemeinde zu berechnen, festzusetzen und zu erheben. Die Berechnungsgrundlagen werden vom FA in entsprechender Anwendung des § 184 Abs. 1 festgestellt. Dieser Messbescheid ist Grundlagenbescheid für den von der Gemeinde zu erlassenden Zinsbescheid.

Die Geltendmachung der Haftung für Hinterziehungszinsen zur GewSt durch Haftungsbescheid setzt nicht voraus, dass zuvor gegenüber dem Zinsschuldner oder dem Haftungsschuldner Tatbestand und Umfang der Steuerhinterziehung gesondert festgestellt worden sind ( BStBl II S. 782).

7. Verjährung

Die Festsetzungsfrist für Hinterziehungszinsen beträgt 1 Jahr (§ 239 Abs. 1 Satz 1). Sie beginnt mit Ablauf des Kj, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kj, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3).

Ein Strafverfahern hat nur dann Einfluss auf die für die Hinterziehungszinsen geltende Festsetzungsfrist, wenn es bis zum Ablauf des Jahres eingeleitet wird, in dem die hinterzogenen Steuern unanfechtbar festgesetzt wurden ( -, BStBl II S. 782).”

Folgende BMF-Schreiben werden aufgehoben:

  • Schreiben v. - IV A 7 - S 0130 - 10/78 -, BStBl I S. 169,

  • Schreiben v. - IV A 7 - S 0130 - 13/81 -, BMF-AO-Kartei § 30 Karte 3;

  • Schreiben v. - IV A 7 - S 0130 - 18/81 -, BMF-AO-Kartei § 30 Karte 8;

  • Schreiben v. - IV A 5 - S 0130 - 25/86 -, BStBl I S. 128;

  • Schreiben v. - IV A 4 - S 0130 - 19/00 -, BStBl I S. 494, geändert durch Abschn. III des , BStBl I S. 743.

BMF v. - IV A 4 -S 0062 - 1/02

Fundstelle(n):
BStBl 2002 I Seite 64
PAAAA-82341