BGH Beschluss v. - 1 StR 377/12

Strafverfahren: Anforderungen an die Darlegung der DNA-Analyse in den Urteilsgründen

Gesetze: § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: Az: 3 KLs 250 Js 25580/11

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom bemerkt der Senat:
1. Die Rüge, das Landgericht habe zwei am Morgen des Tages der dem Angeklagten vorgeworfenen Entführung zwischen diesem und dem Mittäter K.    ausgetauschte SMS mit dem Text „Bin da“ bzw. „Ich in 10 min“ nicht „formal in die Hauptverhandlung eingeführt“ und damit gegen § 261 StPO verstoßen, ist zulässig erhoben. Denn die Revision trägt alle für die revisionsgerichtliche Prüfung, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt, erforderlichen Tatsachen vor (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Sie teilt nicht nur mit, dass der Inhalt der SMS weder verlesen noch in Augenschein genommen worden ist, sondern unter Zitierung aus den - dem Senat aufgrund der zulässig erhobenen Sachrüge ohnehin eröffneten (vgl. , NStZ 1997, 378) - Urteilsgründen auch, dass über ihn der als Zeuge gehörte KHK F.    berichtet hat.
Angesichts dessen erweist sich die Rüge aber als unbegründet. Ein Ausnahmefall, in dem der Inhalt der beiden Nachrichten etwa wegen seines erheblichen Umfangs oder seiner Komplexität nur durch förmliche Verlesung prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung hätte eingeführt werden können, liegt nicht vor.
2. a) Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer auch einen „zum Beweis der Tatsache, dass die … vorgelegten 7 Lagen … nicht von einer Rolle Panzerklebeband stammen und nicht paßgenau sind“ gestellten Beweisantrag auf Augenschein und Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt. Denn sie hatte das am Tatort als Agglomerat mehrerer übereinander geklebter Lagen aufgefundene, zur Fesselung des Entführungsopfers verwendete Panzerklebeband bereits in Augenschein genommen. Die fehlende Passgenauigkeit hat das Landgericht daraufhin als bereits erwiesen erachtet.
Insbesondere begegnet aber auch die weitere von der Revision beanstandete Begründung, es sei für die Entscheidung ohne Bedeutung, ob die einzelnen Lagen von unterschiedlichen Klebebandrollen abstammten, keinen Bedenken. Die mit dem Antrag erstrebte Feststellung, die innen gelegene vierte Lage des Agglomerats, auf dessen Klebeseite sich ein Fingerabdruck des Angeklagten befand, stamme von einer anderen Rolle als die äußeren Lagen, ließe zwar den Schluss zu, dass der Angeklagte diese Lage als ehemals äußerste Schicht einer anderen Klebebandrolle bei einer früheren Gelegenheit zufällig berührt hatte. Dies wäre aber auch möglich gewesen, wenn alle sichergestellten Lagen des Klebebandes von nur einer Rolle stammen würden, weil sich gerade wegen der fehlenden Passgenauigkeit der Lagen nicht feststellen lässt, ob die in Rede stehende vierte Lage des Agglomerats sich auf der Rolle zunächst außen befunden hat.
b) Der Senat braucht der Frage, ob das Landgericht in den schriftlichen Urteilsgründen vom Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit möglicherweise abgewichen ist, nicht nachzugehen. Denn die Revision hat ihre Rüge nicht mit dieser Angriffsrichtung erhoben (vgl. hierzu , NStZ-RR 2003, 268; ), sondern allein eine fehlerhafte Ablehnung des Beweisantrages geltend gemacht (vgl. Überschrift und Einleitungssatz auf S. 5 der Revisionsbegründungsschrift, ebenso S. 7: „Die Ablehnung […] wurde […] rechtsfehlerhaft vorgenommen.“). Ihr weiterer Vortrag, der auch die die Bedeutsamkeit der Beweistatsache nahelegenden Urteilsausführungen enthielt (Begründungsschrift S. 7 f.), diente ersichtlich nur dazu, die behauptete Fehlerhaftigkeit der Ablehnungsbegründung zu untermauern.
3. Auch mit dem Vorbringen, die Strafkammer habe ihre Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt, dringt die Revision nicht durch.
Sie trägt vor, die Kammer habe es zu Unrecht unterlassen, die weiteren Tatbeteiligten Z.    S.   , R.   S.     und        K.     als Zeugen zu vernehmen, nachdem diese in der gegen sie wegen derselben Tat durchgeführten Hauptverhandlung angekündigt hatten, sich bei einer eventuellen Zeugenvernehmung in der den Angeklagten betreffenden Hauptverhandlung auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 Abs. 1 StPO) berufen zu wollen. Der weiteren als Zeugin erschienenen Tatbeteiligten    St.   habe das Landgericht wegen ihres Verlöbnisses mit Z.    S.    unzutreffend ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO zugebilligt. Denn alle vier genannten Zeugen seien - wie sich aus den Urteilsgründen selbst ergebe (UA S. 3, 11 und 12) - zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung bereits rechtskräftig verurteilt gewesen. Keinesfalls habe sich die Kammer daher mit der Vernehmung des an der Hauptverhandlung gegen Z.    S.   , R.   S.    ,      K.     und      St.    beteiligten Richters Z.     über deren dortige Angaben begnügen dürfen.
Die Zulässigkeit der Rüge unterstellt, wäre diese jedenfalls unbegründet. Dies folgt betreffend Z.    S.    und        K.     bereits daraus, dass deren Verurteilung - wie sich der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft entnehmen lässt (zu deren praktischer Relevanz Drescher, NStZ 2003, 296) - erst am rechtskräftig geworden ist. Ihnen stand mithin bis zum Erlass des angefochtenen Urteils zwei Tage zuvor ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 Abs. 1 StPO noch zu.
Soweit das Urteil sich gegen      St.   und R.   S.    richtete, war es zwar bereits am bzw. rechtskräftig geworden. Ihnen stand aber wegen des Verlöbnisses mit Z.    S.    bzw. der mit diesem bestehenden Verwandtschaft ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 3 StPO und darüber hinaus aus denselben Gründen auch ein Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 Abs. 1, 2. Alt. StPO) zu.
Schon deshalb brauchte sich das Landgericht nicht gedrängt zu sehen, die vier bezeichneten Tatbeteiligten zeugenschaftlich zu hören, zumal keine Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, diese würden nunmehr anders als in der gegen sie geführten Hauptverhandlung aussagen.
4. Auch die näher ausgeführte Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere erweist sich die sorgfältige, auf eine Vielzahl gewichtiger Indizien - z.B. die Freundschaft des Angeklagten zu dem hinsichtlich seiner eigenen Tatbeteiligung geständigen Z.    S.   , die durch die ausgetauschten SMS-Kurznachrichten belegte Verabredung des Angeklagten mit      K.    am Tattagmorgen, die auf den fast zwei Meter großen Angeklagten passende Täterbeschreibung durch das Entführungsopfer und weitere Zeugen, die Kombination von Opfer-DNA und Fingerabdruck des Angeklagten auf dem Klebeband-Agglomerat - gestützte Beweiswürdigung des Landgerichts entgegen der Ansicht der Revision als rechtsfehlerfrei.
a) Dies gilt auch bezüglich der DNA-Spur (Kern-DNA), die einer am Tatort gefundenen Zigarettenkippe anhaftete und mit einer biostatistischen Wahrscheinlichkeit von 1:28 Billionen in der Vergleichspopulation vorkommt. Denn bei der vorliegenden Fallgestaltung war es ausreichend, allein dieses Ergebnis der Analyse im Urteil anzugeben, ohne die verwendete Untersuchungsmethodik und die anschließende Wahrscheinlichkeitsberechnung betreffend die Merkmalskombination darzustellen.
aa) Hinsichtlich der Methodik entspricht dies ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Wegen ihrer inzwischen anerkannten Standardisierung bedarf die bei der DNA-Analyse verwendete Untersuchungsmethode - wie auch diejenigen bei anderen standardisierten Untersuchungsmethoden, etwa bei der Blutalkoholbestimmung oder der Daktyloskopie - als solche keiner näheren Darlegung in den Urteilsgründen mehr (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 46/12 und vom - 2 StR 362/11).
bb) Anders soll es sich in bestimmten Konstellationen bei der sich daran anknüpfenden Wahrscheinlichkeitsberechnung verhalten (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 46/12 mwN, - 3 StR 41/12 und vom - 2 StR 362/11). Danach bedarf es in Fällen, in denen diese Berechnung Besonderheiten aufweist, der Darlegung der Berechnungsgrundlagen, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung der Schlüssigkeit und Richtigkeit der Berechnung zu ermöglichen (vgl. ). Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört () oder wenn wegen sonstiger Besonderheiten bei der Vergleichspopulation infolge des Vorhandenseins mehrerer DNA-Merkmale (vgl. ; Urteil vom - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320 ff.) die Anwendung der sog. Produktregel für unabhängige Merkmale in Betracht kommt (vgl. hierzu ; s. auch , NStZ 1992, 601, 602). Hier liegen derartige Besonderheiten jedoch nicht vor.
b) Nicht zu beanstanden ist ferner die von der Strafkammer vorgenommene, für die Täterschaft des Angeklagten sprechende Würdigung des Zusammenhangs der sichergestellten DNA-Spur mit der Tat (vgl. ). Die Kammer hat hierzu festgestellt, dass die Zigarettenkippe in der tatörtlichen Garage aufgefunden worden war. Sie hat insofern die Möglichkeit erörtert, dass die Kippe auch bei anderer Gelegenheit als der Tat in der Garage hätte zurückgelassen worden sein können, dies aber ohne Rechtsfehler auch deshalb ausgeschlossen, weil die Asche beim Auffinden noch frisch war (UA S. 39).
Nack                      Wahl                          Graf
              Jäger                      Sander

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Fundstelle(n):
IAAAI-10331