NWB Nr. 7 vom Seite 409

Corona und die Lohnsumme in der Erbschaftsteuer

Prof. Dr. iur. Swen O. Bäuml | Steuerberater/Wirtschaftsjurist | Hochschule Mainz/Frankfurt School of Finance | Inhaber von INFOB | Mitherausgeber der NWB

Billigkeitsregelung zur erbschaftsteuerlichen Lohnsumme aufgrund der COVID-19-Pandemie

Mit gleich lautenden Erlassen v.  ( NWB ZAAAI-03352) haben die Finanzbehörden der Länder Billigkeitsmaßnahmen in Bezug auf die für Unternehmensnachfolgen bedeutsame Lohnsummenregelung vorgesehen.

Hat ein Unternehmen mehr als 15 Beschäftigte, muss bei der erbschaftsteuerlichen Regelverschonung von 85 % u. a. die Lohnsumme nach fünf Jahren mindestens 400 % der Ausgangslohnsumme betragen. Bei der 100 %-Optionsverschonung muss die Mindestlohnsumme nach sieben Jahren mindestens 700 % betragen. Bei Unterschreiten der Mindestlohnsumme reduziert sich der Verschonungsabschlag anteilig und es droht eine Nachversteuerung. Ein Damoklesschwert, auch weil die Nachzahlung meist eine Steuern auslösende Ausschüttung der im Betrieb gebundenen Mittel erfordert.

Die Finanzverwaltung reagiert nun mit einer Billigkeitsregelung zur Lohnsumme. Im Einzelfall kommen eine abweichende Festsetzung nach § 163 Abs. 1 AO oder ein Erlass nach § 227 AO in Betracht, soweit die tatsächliche Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen, in welche Lohnsummen aus dem Zeitraum bis einbezogen wurden, die Mindestlohnsumme ausschließlich aufgrund der Pandemie unterschreitet und es allein deshalb zur Nachversteuerung kommt. Der Billigkeitserlass enthält eine Regelvermutung, wann von der erforderlichen Kausalität zwischen der COVID-19-Pandemie und dem Unterschreiten der Mindestlohnsumme ausgegangen werden darf. Dies soll der Fall sein, wenn in dem o. g. Zeitraum die rechnerisch erforderliche durchschnittliche Lohnsumme zur Einhaltung der Mindestlohnsumme unterschritten wurde, für den o. g. Zeitraum Kurzarbeitergeld an den Betrieb gezahlt wurde und der Betrieb einer Branche angehörte, die von einer verordneten Schließung wegen der Pandemie unmittelbar betroffen war. Die Bedingungen müssen kumulativ vorliegen. Liegen andere Gründe für die Unterschreitung der Mindestlohnsumme vor und für die Zahlung des Kurzarbeitergeldes, kommt die Billigkeitsregelung nicht zur Anwendung. Liegen aber z. B. nur zwei der drei o. g. Umstände vor, soll dennoch im Einzelfall eine Billigkeit geprüft werden können. Für Zulieferer von z. B. pandemiebedingt geschlossenen Unternehmen wichtig ist, dass auch sog. mittelbare Auswirkungen für die Annahme der erforderlichen Kausalität bei Unterschreiten der Lohnsumme im vom Auftragswegfall betroffenen Zulieferbetrieb genügen können. Wurde schon vor Pandemiebeginn die rechnerische Durchschnittslohnsumme unterschritten oder ist die Steuer vor dem entstanden, scheidet eine Billigkeitslösung aus.

Viel ist nicht übrig von der in den Ausschüssen versandeten Bundesratsinitiative des Freistaats Bayern zur Anpassung des ErbStG an die pandemiebedingt verschlechterten wirtschaftlichen Bedingungen (BR-Drucks. 408/20; vgl. Bäuml, Editorial in NWB 42/2020 S. 3073). Die Billigkeitsregelung ist wichtig für Betriebe und deren Inhaber, die zusätzlich zur COVID-bedingten schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens nicht auch noch eine dadurch ausgelöste (private) Erbschaftsteuerschuld tragen könnten.

Swen Bäuml

Fundstelle(n):
NWB 2022 Seite 409
RAAAI-04263