Umsatzsteuer | Steuerbarkeit eines Ausfallhonorars (BFH)
Die nach Kündigung eines Architektenvertrages zu zahlende Vergütung ist nur insoweit Entgelt i.S. von § 10 Abs. 1 UStG, als sie auf schon erbrachte Leistungsteile entfällt (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Der Kläger ist selbständiger Landschaftsarchitekt. Er wurde mit der Gestaltung der Außenanlagen für eine Schule beauftragt. Nachdem er seine Leistung teilweise erbracht hatte, kündigte der Kreis den Vertrag, weil der Umbau der Schule aus finanziellen Gründen nicht mehr realisiert werden konnte und bat den Kläger eine Schlussrechnung zu erstellen.
Die Vertragsbeteiligten einigten sich darauf, dass der Kläger ein Honorar für tatsächlich erbrachte Planungsleistungen und darüber hinaus ein Ausfallhonorar i. H. von 52.252,34 € für seine noch ausstehenden Leistungen erhält. Diese Vereinbarung wurde vom Kreis und dem Kläger unterzeichnet. Der Kläger behandelte das Honorar für die bereits erbrachten Leistungen als steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz zum Regelsteuersatz. Das Ausfallhonorar sah er hingegen als nicht steuerbar an. Das FA ging im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung davon aus, dass es sich bei der als Ausfallhonorar bezeichneten Leistung um die Gegenleistung für den Verzicht des Klägers auf die Erfüllung des Architektenvertrages handele. Es behandelte den Betrag von 52.252,34 € als Gegenleistung, aus der die Umsatzsteuer herauszurechnen sei.
Das FG wies die Klage ab (). (siehe hierzu Rätke, BBK 2/2020 S. 54)
Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:
Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis.
Die Feststellungen des FG lassen eine Beurteilung, ob der gesamte vom Kreis gezahlte Betrag auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung als Gegenleistung anzusehen ist, nicht zu.
Das FG hat die Vereinbarung dahingehend ausgelegt, dass die Beteiligten sich nicht auf die Zahlung eines Schadensersatzes an Stelle des vertraglich geschuldeten Honorars geeinigt, sondern das dem Kläger nach dem Architektenvertrag für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Auftrags zustehende Honorar zahlenmäßig konkretisiert haben. Das lässt sich aus der Vereinbarung nicht zweifelsfrei entnehmen, weil in Ziff. 2 der Vereinbarung für "tatsächlich erbrachte Planungsleistungen" ein gesonderter Honorarposten vereinbart ist.
Das wirft die Frage auf, weshalb das FG davon ausgeht, dass die Beteiligten auch in Ziff. 3 der Vereinbarung mit dem dort genannten "Ausfallhonorar" eine weitere Gegenleistung für eine steuerbare Leistung vereinbart haben sollen.
Die bloße zahlenmäßige Konkretisierung ist für sich genommen ungeeignet, eine Zuordnungsentscheidung darüber zu treffen, ob eine Zahlung als Entgelt für eine teilweise erbrachte Leistung oder als Zahlung ohne Entgeltcharakter i. S. des anzusehen ist.
Maßgeblich ist dabei das, was die Parteien tatsächlich vereinbaren wollten. War die Aufteilung der Zahlung in zwei Bestandteile nicht ernsthaft gewollt und sollte sie z. B. nur dazu dienen, die Entstehung einer Umsatzsteuer zu verhindern oder zu mindern, deren Zahlung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, kann der volle Betrag als Gegenleistung anzusehen sein. Hierzu hat das FG indes keine Feststellungen getroffen.
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch vorliegen können, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage, zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet (; ).
Daran bestehen aber Zweifel, wenn der Kläger das Vertragsverhältnis (hier: den Architektenvertrag) bereits (vorzeitig) gekündigt hat, wovon die Beteiligten in der gütlichen Vereinbarung ausgegangen sind. In diesem Falle verfügte er im Zeitpunkt der Besprechung möglicherweise über keine (vermögenswerte) Rechtsposition aus dem Architektenvertrag mehr, auf die er (gegen Entgelt) hätte verzichten können. Das FG hat in seinem Urteil lediglich festgestellt, dass die Kündigung des Architektenvertrages ausgesprochen wurde, nicht aber von welcher Vertragspartei.
Hierzu hat das FG keine weiteren Feststellungen getroffen. Eine Steuerbarkeit und Steuerpflicht kommt auf dieser Grundlage nur in Betracht, wenn der Kläger eine Rechtsposition innegehabt und auf diese verzichtet hat.
Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:
Der Fall betrifft die Abgrenzung zwischen Entgelt (für eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung) und (gesetzlich oder vertraglich zu zahlendem nichtsteuerbaren) Schadensersatz. Der BFH referiert die hierzu bereits herausgearbeiteten Grundsätze. Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Dem FG sind im Streitfall bei der Auslegung der Aufhebungsvereinbarung Fehler unterlaufen, die zur Zurückverweisung geführt haben. Letztlich handelt es sich um die Würdigung eines Einzelfalles unter Beachtung der bereits bekannten Abgrenzungsgrundsätze.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
NWB KAAAI-00590