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NWB-EV Nr. 1 vom Seite 21

Doppelbelastung durch Einkommen- und Schenkungsteuer zulässig?

Anwendungsbereich von § 7 Abs. 8 ErbStG kritisch hinterfragt ? ein Praxisfall

Rainer Zimmermann

Eine vermeintlich gleichzeitige Verwirklichung einkommen- und schenkungsteuerlicher Tatbestände kann unerwartete Belastungseffekte nach sich ziehen. Mittelbar verdeckte Einlagen in Kapitalgesellschaften können in bestimmten Konstellationen solche Mehrfachbelastungen – zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung – erzeugen. Mit einem leicht modifizierten Praxisfall sollen im Folgenden zunächst die Problemstellung sowie die von der Finanzverwaltung hierzu vorgetragenen steuerlichen Konsequenzen veranschaulicht werden. Anschließend wird anhand der eigenen hierzu vertretenen Auffassung das Ergebnis fundiert, dass die von der Finanzverwaltung vertretene Rechtsauffassung (womöglich) keinen Bestand haben wird.

Kernaussagen
  • Mittelbar verdeckte Einlagen, die Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften im Zuge nicht marktgerechter Veräußerungsgeschäfte mit nahestehenden Personen einkommensteuerlich zugerechnet werden und für diese Besteuerungsfolgen auslösen, sperren m. E. zugleich die Anwendbarkeit von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG. Denn verdeckt einlegen können nur Gesellschafter – wird diesen das nicht marktübliche Veräußerungsgeschäft einer nahestehenden Person mit „ihrer“ Kapitalgesellschaft als fremdübliches Veräußerungsgeschäft zugerechnet, können sie sich schon aus diesem Grund selbst nichts mehr zuwenden. Die Fiktion von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG läuft insoweit ins Leere.

  • Wer fingiert, muss diese Fiktionen nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung (Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2020, Rz. 1.44 ff.) in allen Steuergesetzen dort anerkennen, wo mit Fiktionen gearbeitet wird und sodann folgerichtige Besteuerungskonsequenzen akzeptieren. Ist § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht anwendbar, kann es auch keinen Rückgriff auf den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mehr geben.

  • Im Kontext mit mittelbar verdeckten Einlagen sind für die in der Praxis noch ungelösten Fälle nach hier vertretener Auffassung im Ergebnis somit ausschließlich einkommensteuerliche Folgen bei den Gesellschaftern zu ziehen, sofern entsprechende einkommensteuerliche Veräußerungsfiktionstatbestände erfüllt werden.

I. Der Fall aus der Praxis

Der in Deutschland wohnende R war bis Ende 2020 alleiniger Gesellschafter der R-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland. Das wesentliche Vermögen der R-GmbH bestand aus einem Bankguthaben von 50.000 €, das noch aus der Stammkapitaldotierung im Gründungszeitpunkt hervorgeht. Mit Anteilskauf- und Abtretungsvertrag v.  hat R seinen Geschäftsanteil an der R-GmbH an seinen Sohn M zu einem angemessenen Preis von 50.000 € verkauft und mit sofortiger Wirkung abgetreten.

R war zudem Eigentümer eines inländischen unbebauten Grundstücks, das er 2015 zu einem Kaufpreis von 1.000.000 € käuflich erworben hat. Mit Kaufvertrag v.  hat R dieses Grundstück an die R-GmbH zu dem historischen Kaufpreis von 1.000.000 € verkauft, obwohl der Verkehrswert aufgrund der Marktsituation zwischenzeitlich auf 2.000.000 € gestiegen war. Als Übergang von Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahren wurde der vereinbart, die Kaufpreiszahlung, die ihrerseits von der R-GmbH durch ein Kreditinstitut fremdfinanziert wurde, erfolgte jedoch bereits am .

Schematisch stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:

II. Die Problemstellung

Es ist offensichtlich, dass die R-GmbH durch den auf dem Kaufvertrag basierenden Eigentumsübergang des S. 22Grundstücks einen Mehrwert erlangt hat, der mit einem Betrag von 1.000.000 € hinter dem Verkehrswert des Grundstücks von 2.000.000 € zurück bleibt. Ebenso ist offensichtlich, dass zwischen Anschaffung und Veräußerung des Grundstücks durch R eine Zeitspanne von weniger als zehn Jahren liegt.

Der schenkungsteuerliche Tatbestand einer Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (§ 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG) sowie die einkommensteuerlichen Tatbestände eines privaten Veräußerungsgeschäfts (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) und einer verdeckten Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 i. V. mit Satz 1 Nr. 1 EStG) liegen scheinbar auf der Hand.

Komplexer gestaltet sich die Subsumtion mit Blick auf das Dreiecksverhältnis zwischen R, der R-GmbH und M. Denn fraglich ist, ob R oder M verdeckt einlegt haben und wenn M (mittelbar) verdeckt eingelegt haben sollte, ob überhaupt noch ein schenkungsteuerbarer Tatbestand einschlägig sein kann.

III. Die Würdigung durch die Finanzverwaltung

1. Schenkungsteuer

Durch den für die R-GmbH mit R vereinbarten günstigen Kaufpreis soll sich der Wert der Anteile an der R-GmbH zugunsten von M reflexartig erhöht haben, so dass am von einer fiktiven Schenkung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG von R an M mit einem Wert der Bereicherung von 1.000.000 € auszugehen sei.

2. Einkommensteuer

Nach der Trennungstheorie läge eine teilentgeltliche Veräußerung vor. Der entgeltliche und der unentgeltliche Teil der Transaktion betragen jeweils 50 %.

Für R würde sich ein Gewinn aus dem ihm noch zuzurechnenden entgeltlichen Teil eines privaten Veräußerungsgeschäfts (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) von 500.000 € ergeben, der im Veranlagungszeitraum 2020 zu erfassen sei.

Der unentgeltliche Teil hingegen soll eine mittelbar verdeckte Einlage von M in die R-GmbH zur Folge haben, verbunden mit der Konsequenz, dass M ein privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EStG verwirklicht haben soll. Dieses führe für den unentgeltlichen Teil zu einem (fiktiven) Veräußerungsgewinn von 500.000 € und ebenfalls zu einer Besteuerung im Veranlagungszeitraum 2020.

Die gesamten Besteuerungsfolgen stellen sich wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
50 % entgeltlicher Teil in €
50 % unentgeltlicher Teil in €
Kaufpreis/gemeiner Wert
1.000.000
1.000.000
Anschaffungskosten
-500.000
-500.000
Gewinn i. S. von § 23 EStG
500.000
500.000
Erfassung im Veranlagungszeitraum
2020
2020
Einkünftezurechnung
R
M
Schenkung R an M 2021
1.000.000

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung aus einem Sachverhalt sowohl schenkung- als auch einkommensteuerliche Konsequenzen gezogen werden sollen, obgleich sich bei einem Steuerpflichtigen, hier dem M, die Tatbestandsverwirklichung – wenn auch nach Auffassung der Finanzverwaltung zu unterschiedlichen Zeitpunkten – in beiden Steuergesetzen überlappt. Die im Grundstück befindlichen stillen Reserven können nach dieser Auffassung sowohl der Einkommen- als auch der Schenkungsteuer unterworfen werden.

Im Hinblick auf eine evident zu Tage tretende Übermaßbesteuerung soll diese Auffassung im Folgenden kritisch hinterfragt werden.

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Seiten: 6
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