RL 2011/16/EU Anhang IV: Kennzeichen
Anhang IV: Kennzeichen [1]

Teil I: „Main benefit“-Test

Allgemeine Kennzeichen gemäß Kategorie A und spezifische Kennzeichen gemäß Kategorie B und gemäß Kategorie C Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i, Buchstabe c und Buchstabe d können nur berücksichtigt werden, wenn sie das Kriterium des „Main benefit“-Tests erfüllen.

Dieser Test gilt als erfüllt, wenn festgestellt werden kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile, den eine Person unter Berücksichtigung aller relevanten Fakten und Umstände vernünftigerweise von einer Gestaltung erwarten kann, die Erlangung eines Steuervorteils ist.

Bezüglich der Kennzeichen gemäß Kategorie C Absatz 1 kann die Erfüllung der in Kategorie C Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i, Buchstabe c oder Buchstabe d dargelegten Bedingungen nicht allein der Grund für die Feststellung sein, dass eine Gestaltung das Kriterium des „Main benefit“-Tests erfüllt.

Teil II: Kategorien von Kennzeichen

  1. Allgemeine Kennzeichen in Verbindung mit dem „Main benefit“-Test

    1. Eine Gestaltung, bei dem der relevante Steuerpflichtige oder ein an der Gestaltung Beteiligter sich verpflichtet, eine Vertraulichkeitsklausel einzuhalten, der zufolge sie gegenüber anderen Intermediären oder den Steuerbehörden nicht offenlegen dürfen, auf welche Weise aufgrund der Gestaltung ein Steuervorteil erlangt wird.

    2. Eine Gestaltung, bei der der Intermediär Anspruch auf eine Vergütung (bzw. Zinsen, Vergütung der Finanzkosten und sonstiger Kosten) für die Gestaltung hat und diese Vergütung in Bezug auf Folgendes festgesetzt wird:

      1. Betrag des aufgrund der Gestaltung erlangten Steuervorteils oder

      2. ob durch die Gestaltung tatsächlich ein Steuervorteil erlangt wird. Dies wäre mit der Verpflichtung des Intermediärs verbunden, die Vergütungen ganz oder teilweise zurückzuerstatten, falls der mit der Gestaltung beabsichtigte Steuervorteil nicht ganz oder teilweise erzielt wird.

    3. Eine Gestaltung, deren Dokumentation und/oder Struktur im Wesentlichen standardisiert ist und für mehr als einen relevanten Steuerpflichtigen verfügbar ist, ohne dass sie für die Umsetzung wesentlich individuell angepasst werden muss.

  2. Spezifische Kennzeichen in Verbindung mit dem „Main benefit“-Test

    1. Eine Gestaltung, bei der ein an der Gestaltung Beteiligter künstlich Schritte unternimmt, um ein verlustbringendes Unternehmen zu erwerben, die Haupttätigkeit dieses Unternehmens zu beenden und dessen Verluste dafür zu nutzen, seine Steuerbelastung zu verringern, einschließlich der Übertragung dieser Verluste in ein anderes Hoheitsgebiet oder der rascheren Nutzung dieser Verluste.

    2. Eine Gestaltung, die sich so auswirkt, dass Einkünfte in Vermögen, Schenkungen oder andere niedriger besteuerte oder steuerbefreite Arten von Einkünften umgewandelt werden.

    3. Eine Gestaltung, die zirkuläre Transaktionen nutzt, die zu einem Round tripping von Vermögen führen, und zwar durch die Einbeziehung zwischengeschalteter Unternehmen ohne primäre wirtschaftliche Funktion oder von Transaktionen, die sich gegenseitig aufheben oder ausgleichen oder die ähnliche Merkmale aufweisen.

  3. Spezifische Kennzeichen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Transaktionen

    1. Eine Gestaltung, die abzugsfähige grenzüberschreitende Zahlungen zwischen zwei oder mehr verbundenen Unternehmen umfasst und bei der mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

      1. Der Empfänger ist steuerlich in keinem Hoheitsgebiet ansässig;

      2. der Empfänger ist zwar steuerlich in einem Hoheitsgebiet ansässig, dieses Hoheitsgebiet

        1. erhebt aber keine Körperschaftsteuer oder hat einen Körperschaftsteuersatz von null oder nahe null oder

        2. wird in der Liste der Drittländer geführt, die von den Mitgliedstaaten gemeinsam oder im Rahmen der OECD als nicht-kooperierende Länder eingestuft wurden;

      3. die Zahlung ist im Hoheitsgebiet, in dem der Empfänger steuerlich ansässig ist, vollständig von der Steuer befreit;

      4. die Zahlung kommt im Hoheitsgebiet, in dem der Empfänger steuerlich ansässig ist, in den Genuss von einem präferentiellen Steuerregime.

    2. In mehr als einem Hoheitsgebiet werden Abzüge für die Abschreibung desselben Vermögenswertes beantragt.

    3. In mehr als einem Hoheitsgebiet wird eine Befreiung von der Doppelbesteuerung für dieselben Einkünfte oder dasselbe Vermögen beantragt.

    4. Es liegt eine Gestaltung vor, die die Übertragung von Vermögenswerten vorsieht und bei der es einen wesentlichen Unterschied hinsichtlich des in diesen beteiligten Hoheitsgebieten für den Vermögenswert anzusetzenden Wertes gibt.

  4. Spezifische Kennzeichen hinsichtlich des automatischen Informationsaustauschs und der wirtschaftlichen Eigentümer

    1. Eine Gestaltung, die zu einer Aushöhlung der Meldepflicht gemäß den Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Unionsrechts oder gemäß gleichwertiger Abkommen über den automatischen Informationsaustausch über FINANZKONTEN, einschließlich Abkommen mit Drittländern, führen kann oder sich das Fehlen derartiger Rechtsvorschriften oder Abkommen zunutze macht. Derartige Gestaltungen umfassen zumindest Folgendes:

      1. die Nutzung eines Kontos, Produkts oder einer Anlage, das/die kein FINANZKONTO ist oder vorgeblich kein FINANZKONTO ist, jedoch Merkmale aufweist, die im Wesentlichen denen eines FINANZKONTOS entsprechen;

      2. die Übertragung eines FINANZKONTOS oder von Vermögenswerten in ein Hoheitsgebiet oder die Einbeziehung von Hoheitsgebieten, die nicht an den automatischen Informationsaustausch über FINANZKONTEN mit dem Staat, in dem der relevante Steuerpflichtige ansässig ist, gebunden sind;

      3. die Neueinstufung von Einkünften und Vermögen als Produkte oder Zahlungen, die nicht dem automatischen Informationsaustausch über FINANZKONTEN unterliegen;

      4. die Übertragung oder Umwandlung eines FINANZINSTITUTS oder eines FINANZKONTOS oder der darin enthaltenen Vermögenswerte in ein FINANZINSTITUT oder ein FINANZKONTO oder in Vermögenswerte, die nicht der Meldepflicht im Rahmen des automatischen Informationsaustausch über FINANZKONTEN unterliegen;

      5. die Einbeziehung von Rechtspersonen, Gestaltungen oder Strukturen, die die Meldung eines/einer oder mehrerer KONTOINHABER(S) oder BEHERRSCHENDE(N) PERSON(EN) im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs über FINANZKONTEN ausschließen oder vorgeben auszuschließen;

      6. Gestaltungen, die die Verfahren zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten aushöhlen oder Schwächen in diesen Verfahren ausnutzen, die FINANZINSTITUTE zur Erfüllung ihrer Meldepflichten bezüglich Informationen über FINANZKONTEN anwenden, einschließlich der Einbeziehung von Hoheitsgebieten mit ungeeigneten oder schwachen Regelungen für die Durchsetzung von Vorschriften gegen Geldwäsche oder mit schwachen Transparenzanforderungen für juristische Personen oder Rechtsvereinbarungen.

    2. Eine Gestaltung mit einer intransparenten Kette an rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentümern durch die Einbeziehung von Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen,

      1. die keine wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, die mit angemessener Ausstattung sowie angemessenen personellen Ressourcen, Vermögenswerten und Räumlichkeiten einhergeht, und

      2. die in anderen Hoheitsgebieten eingetragen, ansässig oder niedergelassen sind bzw. verwaltet oder kontrolliert werden als dem Hoheitsgebiet, in dem ein oder mehrere der wirtschaftlichen Eigentümer der von diesen Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen gehaltenen Vermögenswerte ansässig ist/sind, und

      3. sofern die wirtschaftlichen Eigentümer dieser Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen gemäß Richtlinie (EU) 2015/849 nicht identifizierbar gemacht werden.

  5. Spezifische Kennzeichen hinsichtlich der Verrechnungspreisgestaltung

    1. Eine Gestaltung, die unilaterale Safe-Harbor-Regeln nutzt.

    2. Eine Gestaltung mit Übertragung von schwer zu bewertenden immateriellen Werten. Der Begriff „schwer zu bewertende immaterielle Werte“ umfasst immaterielle Werte oder Rechte an immateriellen Werten, für die zum Zeitpunkt ihrer Übertragung zwischen verbundenen Unternehmen

      1. keine ausreichend verlässlichen Vergleichswerte vorliegen und

      2. zum Zeitpunkt der Transaktion die Prognosen voraussichtlicher Cashflows oder die vom übertragenen immateriellen Wert erwarteten abzuleitenden Einkünfte oder die der Bewertung des immateriellen Werts zugrunde gelegten Annahmen höchst unsicher sind, weshalb der letztendliche Erfolg des immateriellen Werts zum Zeitpunkt der Übertragung nur schwer absehbar ist.

    3. Eine Gestaltung, bei der eine gruppeninterne grenzüberschreitende Übertragung von Funktionen und/oder Risiken und/oder Vermögenswerten stattfindet, wenn der erwartete jährliche Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) des/der Übertragenden über einen Zeitraum von drei Jahren nach der Übertragung weniger als 50 % des jährlichen EBIT des/der Übertragenden beträgt, der erwartet worden wäre, wenn die Übertragung nicht stattgefunden hätte.

Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
NAAAH-96585

1Anm. d. Red.: Anhang IV angefügt gem. Richtlinie v. (ABl EU Nr. L 139 S. 1) mit Wirkung v. .