BGH Beschluss v. - IV ZR 147/20

Innenausgleich einer deutschen Kfz-Haftpflichtversicherung und einer dänischen Kfz-Haftpflichtversicherung bei Lkw-Gespannunfall in Deutschland

Gesetze: § 78 Abs 2 VVG, § 115 Abs 1 S 1 VVG, Art 7 Abs 4 Buchst b EGV 593/2008, Art 1 Abs 4 EGV 864/2007, Art 19 EGV 864/2007, § 7 Abs 1 StVG, § 18 Abs 1 StVG, § 4 AuslPflVG, § 426 Abs 1 S 1 BGB

Instanzenzug: Az: 7 U 181/19 Urteilvorgehend LG Itzehoe Az: 2 O 381/18

Gründe

1I. Die Parteien, zwei Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer, streiten um Regressansprüche der Klägerin, nachdem diese einen Verkehrsunfallschaden durch Zahlung an die Geschädigte reguliert hat.

2Am beschädigte ein Gespann, bestehend aus einer in Deutschland zugelassenen, bei der Klägerin haftpflichtversicherten Zugmaschine und einem bei der Beklagten, einem dänischen Versicherer, haftpflichtversicherten Sattelauflieger, beim Rückwärtsfahren auf einer in Deutschland belegenen Windradbaustelle ein Baustellenfahrzeug. Die Klägerin regulierte den Schaden von 11.363,51 € vollständig. Sie verlangt von der Beklagten hälftigen Ersatz nach den Regeln über die Mehrfachversicherung (§ 78 VVG).

3Der dänische Versicherungsvertrag für den Sattelauflieger sieht lediglich eine subsidiäre Eintrittspflicht des Versicherers vor. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts soll das dann der Fall sein, wenn die Zugmaschine nicht auffindbar ist oder der Sattelauflieger zum Zeitpunkt des Unfalls nicht an eine Zugmaschine gekoppelt war. Aus dem Revisionsverfahren IV ZR 228/20 ist dem Senat demgegenüber bekannt, dass die Verträge der Beklagten ihre subsidiäre Eintrittspflicht nur für den Fall vorsehen, dass die Zugmaschine nicht auffindbar oder nachgewiesen ist, dass der Geschädigte den Versicherer der Zugmaschine erfolglos in Anspruch genommen hat.

4Die Beklagte meint, eine Doppelversicherung liege nicht vor, da ihre in dem dänischen Versicherungsvertrag vereinbarte nur subsidiäre Eintrittspflicht nach dänischem Recht zulässig sei. Der deutsche Gesetzgeber und die deutsche Justiz hätten kein Recht, in ausländische Versicherungsverträge einzugreifen.

5Das Landgericht hat der auf Zahlung von 5.681,75 € nebst Zinsen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

6II. Das Berufungsgericht (, juris) hat ausgeführt, nach den Grundsätzen des Senatsurteils vom (IV ZR 279/08, BGHZ 187, 211) hätten bei Unfällen eines Fahrzeuggespanns die beiden Versicherer den Schaden im Innenverhältnis je zur Hälfte zu tragen. Demgemäß könne hier der vorleistende Versicherer nach § 78 Abs. 2 VVG hälftigen Regress verlangen. Des Weiteren könne nach den Grundsätzen des Senatsurteils vom (IV ZR 121/17, NJW 2018, 2958) dieser Innenausgleich nach deutschem Recht nicht durch eine Subsidiaritätsvereinbarung des einen Haftpflichtversicherers mit seinem Versicherungsnehmer ausgeschlossen werden. Das gelte auch dann, wenn ein dänischer Versicherer mit seinem Versicherungsnehmer hinsichtlich des einen Gespannteils eine nach dänischem Recht wirksame Subsidiaritätsklausel vereinbart habe. Denn der Versicherungspflicht nach deutschem Recht komme bei einem Unfall in Deutschland Vorrang zu.

7Die Haftung sowohl des Halters der Zugmaschine als auch des Halters des Aufliegers richte sich gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II", ABl. EU Nr. L 199 S. 40, nachfolgend Rom II-VO) nach deutschem Recht; die Rom II-VO werde, auch wenn sie gemäß Art. 1 Abs. 4 Rom II-VO nicht in Dänemark gelte, gemäß Art. 3 Rom II-VO von allen Mitgliedstaaten im Verhältnis zu Dänemark angewandt. Welches Recht im Verhältnis zwischen den Versicherern angewendet werde, bestimme Art. 19 Rom II-VO; danach sei maßgeblich, welches Recht im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Geschädigten angewendet werde. Dies regele Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom I"; ABl. EU Nr. L 177 S. 6, nachfolgend Rom I-VO). Grundsätzlich wäre zwar gemäß Art. 7 Abs. 2 Rom I-VO insoweit dänisches Recht anzuwenden, doch räume Art. 7 Abs. 4 Buchst. a Rom I-VO dem Recht desjenigen Mitgliedstaates den Vorrang ein, welcher eine Versicherungspflicht vorschreibe, soweit es um die Frage gehe, ob der Versicherungsvertrag der Versicherungspflicht genüge. Deshalb habe deutsches Recht Vorrang, das zum einen eine Versicherungspflicht für Anhänger und ferner vorsehe, dass der Versicherer eines Gespannteils, welcher den Geschädigten bereits befriedigt habe, hälftigen Regress bei dem Versicherer des anderen Gespannteils nehmen könne, wobei eine Subsidiaritätsklausel nach deutschem Recht unwirksam sei. Der ausländische Versicherungsvertrag werde so auf den Versicherungsumfang erweitert, den der EU-Staat, in dem das Fahrzeug genutzt werde, zwingend vorschreibe. Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO ermögliche insoweit den Vorrang für weitergehende Versicherungspflichten nach deutschem Recht.

8Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, die Frage, ob im Regelfall ein hälftiger Regress nach Gespannunfällen in Deutschland auch in jenen Fällen möglich sei, bei denen ein ausländischer Versicherer für den Anhänger nur eine subsidiäre Haftung vorsehe, sei höchstrichterlich noch nicht geklärt.

9III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht mehr vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

101. Die Zulassung der Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erforderlich. Insbesondere der vom Berufungsgericht angeführte Zulassungsgrund ist nicht mehr gegeben, nachdem der Senat mit seinem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom (IV ZR 312/19, juris) die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage für Unfälle geklärt hat, die sich vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom ereigneten. Steht danach für den Streitfall die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf den Innenausgleich fest, sind im Übrigen auch die Auswirkungen einer Subsidiaritätsklausel auf diesen Innenausgleich der Versicherer durch das Senatsurteil vom (IV ZR 121/17, NJW 2018, 2958) hinreichend geklärt. Offenbleiben kann insoweit, wie die Subsidiaritätsregelung in den Versicherungsbedingungen der Beklagten lautet (vgl. oben unter I.).

112. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hält das Berufungsgericht die Beklagte für verpflichtet, der Klägerin hälftigen Regress zu leisten.

12a) Der von der Klägerin erhobene Ausgleichsanspruch unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland.

13aa) Die Rom II-VO und die Rom I-VO sind auch im Streitfall von den deutschen Gerichten anzuwenden, obwohl Dänemark gemäß Art. 1 Abs. 4 Rom II-VO grundsätzlich nicht Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung ist (vgl. insoweit zur Anwendung der Rom II-VO: Saarländisches , juris Rn. 54; BeckOK-BGB/Spickhoff, VO (EG) 864/2007 Art. 1 Rn. 20 [Stand: ]; Stürner in Erman, BGB 16. Aufl. Art. 1 Rom II-VO Rn. 14; zur Anwendung der Rom I-VO: vgl. Staudinger/Magnus, BGB (2016) Einleitung zur Rom I-VO Rn. 49, 51 sowie Art. 1 Rom I-VO Rn. 40 f.).

14bb) Sowohl auf die Schadensersatzpflicht des bei der Klägerin versicherten Halters der Zugmaschine als auch auf die Schadensersatzpflicht des bei der Beklagten versicherten Halters des Anhängers ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO deutsches Recht anzuwenden, da der Unfallschaden in Deutschland eingetreten ist. Dass nach deutschem Recht sowohl der Halter der Zugmaschine als auch der Halter des Anhängers gegenüber der Geschädigten schadensersatzpflichtig ist, steht auch nicht im Streit.

15cc) Der mit der Klage verfolgte Ausgleichsanspruch nach Regulierung des Unfallschadens ist ebenfalls nach deutschem Recht zu beurteilen, unabhängig davon, ob der Innenausgleich der beteiligten Versicherer der Regelung des Art. 19 Rom II-VO unterfällt (vgl. ERGO Insurance und Gjensidige Baltic, C-359/14, C-475/14, EU:C:2016:40 = VersR 2016, 797 Rn. 56 ff.; vgl. weiter aaO Rn. 25 ff.; vom - IV ZR 62/19, r+s 2020, 333 Rn. 12 ff. m.w.N.) oder sich das auf den Innenausgleich anzuwendende Vertragsrecht allein nach Art. 7 Rom I-VO bestimmt (vgl. insoweit bereits Senatsurteil vom aaO Rn. 30).

16Denn jedenfalls unterliegt nach dem auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 4 Buchst. b Rom I-VO erlassenen (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 32 m.w.N.) Art. 46d Abs. 2 EGBGB (vormals Art. 46c Abs. 2 EGBGB) ein über eine Pflichtversicherung abgeschlossener Vertrag deutschem Recht, wenn die gesetzliche Verpflichtung zu seinem Abschluss auf deutschem Recht beruht (vgl. zum Ganzen bereits Senatsurteil vom aaO Rn. 32). Gemäß § 1 Abs. 1 AuslPflVG dürfen ausländische Kraftfahrzeuganhänger in Deutschland auf öffentlichen Straßen und Plätzen nur gebraucht werden, wenn der Halter für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung nimmt. Nach der aufgrund von § 4 PflVG erlassenen Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung (KfzPflVV) muss die Versicherung Schadensersatzansprüche umfassen, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den Versicherungsnehmer und mitversicherte Personen erhoben werden (§ 2 Abs. 1 KfzPflVV). Als mitversicherte Person bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 3 KfzPflVV auch den Fahrer, wobei die Vorschrift nicht zwischen motorisierten Fahrzeugen und Anhängern unterscheidet (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 33 m.w.N.). Das gilt gemäß § 4 AuslPflVG entsprechend auch für ausländische Fahrzeuge und Anhänger. Der Versicherungsvertrag muss den für die Versicherung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit regelmäßigem Standort im Inland geltenden gesetzlichen Bestimmungen über Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes sowie über die Mindestversicherungssummen entsprechen (Senatsurteil vom aaO m.w.N.).

17Entgegen der Auffassung der Revision kann zugrunde gelegt werden, dass der bei der Beklagten versicherte Sattelauflieger in Deutschland auf öffentlichen Straßen oder Plätzen gebraucht wurde und schon deshalb der Versicherungspflicht nach § 1 AuslPflVG unterlag. Insoweit kann dahinstehen, ob auch die Windradbaustelle, auf der sich der Unfall ereignete, als öffentliche Straße oder öffentlicher Platz im Sinne von § 1 AuslPflVG anzusehen ist. Denn dafür, dass der Sattelauflieger wie ein Baustellenfahrzeug ausschließlich auf der Baustelle bewegt worden und dorthin seinerseits mittels irgendwelcher Transportmittel verbracht worden wäre, ohne selbst auf öffentlichen Straßen gefahren zu sein, ist nichts ersichtlich.

18b) Nach allem steht der Klägerin nach § 78 VVG ein hälftiger Innenausgleich gegen die Beklagte zu (vgl. dazu die aaO Rn. 37; vom - IV ZR 279/08, BGHZ 187, 211 Rn. 8 ff.). Das Revisionsvorbringen gibt zu einer Änderung dieser Senatsrechtsprechung keinen Anlass.

19c) Dieser Innenausgleich kann - wie der Senat ebenfalls bereits geklärt hat - nicht durch eine Subsidiaritätsvereinbarung eines der beiden Versicherungsunternehmen - hier der Beklagten - mit dem jeweiligen Versicherungsnehmer ausgeschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 121/17, NJW 2018, 2958 Rn. 14 ff.).

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurücknahme der Revision erledigt worden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:050521BIVZR147.20.0

Fundstelle(n):
JAAAH-95639