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Zum Beschluss des BVerfG betreffend die Vollverzinsung
Anmerkungen zum , 1 BvR 2422/17
Nach dem ist die bisher geltende 6%ige Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen nach § 233a i. V. mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für Verzinsungszeiträume ab dem verfassungswidrig. Für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2013 befindet sich der Gesetzgeber hingegen noch im Rahmen seiner Gestaltungsbefugnis. Das bisherige Recht bleibt für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar. Bis zum muss der Gesetzgeber nun eine verfassungsgemäße Neuregelung schaffen.
, 1 BvR 2422/17, NWB TAAAH-87096
Was sind die wesentlichen Erwägungen des BVerfG?
Wie hat das BMF auf den Beschluss des BVerfG reagiert?
Wie könnte eine zukünftige Neuregelung aussehen?
I. Hintergrund
[i]Baum, Vollverzinsung mit
Zinssatz von 6 % verfassungswidrig, NWB 35/2021 S. 2580,
NWB SAAAH-87588
Heurung/Schmidt/Roth, Ist die Verzinsung nach § 238 AO vor dem
Hintergrund des anhaltenden Niedrigzinsniveaus angemessen?, StuB 6/2019 S. 239,
NWB HAAAH-09294
Hermes, in:
Zugmaier/Nöcker/Hermes, AO, § 233a,
NWB RAAAG-99332 Der in den
Verfassungsbeschwerden angegriffene § 233a AO regelt die Verzinsung von
Steuernachforderungs- und -erstattungsansprüchen aus den laufend veranlagten
Steuern Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- und Gewerbesteuer (sog.
Vollverzinsung). Gemäß § 233a Abs. 2 AO beginnt der Zinslauf mit Ablauf einer
an die Entstehung des Steueranspruchs anknüpfenden fünfzehnmonatigen zinsfreien
Karenzzeit und endet mit der Festsetzung der Steuer, regelmäßig der Bekanntgabe
des Steuerbescheids. Ausweislich der Gesetzesentwurfsbegründung dient die
Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen der
Gleichmäßigkeit der Besteuerung, indem sie
einen Ausgleich dafür schaffen soll, dass die Steuern bei den Stpfl. zu
unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden.
Insofern liegt ihr die Annahme zugrunde, dass der Stpfl., dessen Steuer zu
einem späteren Zeitpunkt festgesetzt und fällig wird, gegenüber dem Stpfl.,
dessen Steuer früher festgesetzt und fällig wird, einen
Liquiditäts- und damit verbundenen potenziellen
Zinsvorteil hat, der durch die Verzinsung abgeschöpft werden
soll.
Prinzipiell wirkt die Vollverzinsung sowohl zugunsten (im Fall von
Steuererstattungsansprüchen) als auch zulasten (im Fall von
Steuernachforderungsansprüchen) der Stpfl. Der typisierte Zinssatz beträgt für
alle Verzinsungstatbestände, d. h. sowohl für den in den Verfassungsbeschwerden
unmittelbar angegriffenen § 233a AO als auch für die übrigen Tatbestände der
§§ 234 ff. AO, pro Monat einheitlich 0,5 %, mithin 6 % pro Jahr (§ 238 Abs. 1
Satz 1 AO). Der Beschluss des BVerfG betrifft ausdrücklich nur
Nachzahlungs- und Erstattungszinsen, während
Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nicht betroffen sind.