Einkommensteuer | Insolvenzbedingter Ausfall einer privaten Darlehensforderung als Verlust (BFH)
Von einem endgültigen Ausfall einer privaten Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist jedenfalls dann auszugehen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO angezeigt hat (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Kläger sind zusammen zur ESt veranlagte Eheleute. Der Kläger gewährte einem Dritten ab dem ein mit 5 % zu verzinsendes Darlehen in Höhe von rund 24.000 €. Seit dem erfolgten keine Rückzahlungen mehr. Über das Vermögen des Darlehensnehmers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger meldete die noch offene Darlehensforderung in Höhe von rund 19.000 € zur Insolvenztabelle an. Im Jahr 2012 zeigte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gem. § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO an. Während des Insolvenzverfahrens dauerte die Masseunzulänglichkeit fort, eine an die Insolvenzgläubiger zu verteilende Masse ergab sich nicht. Im Jahr 2016 wurde das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt.
Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2012 machte der Kläger den Ausfall der Darlehensforderung als Verlust bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das FA setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom ohne Berücksichtigung dieses Verlusts fest.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte im ersten Rechtsgang vor dem FG Düsseldorf keinen Erfolg (Urteil v. - 7 K 3661/14 E, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 9.6.2015).
Auf die Revision der Kläger hob der BFH die Vorentscheidung mit auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 20.12.2017).
Die Klage hatte im zweiten Rechtszug Erfolg. Das FG entschied, dass der Verlust des Klägers im Streitjahr gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 EStG a.F. zu berücksichtigen sei (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 6.9.2018).
Die Richter des BFH wiesen die hiergegen gerichtete Revision des FA zurück:
Der streitbefangene Forderungsausfall ist im Streitjahr gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 EStG zu berücksichtigen.
Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG den endgültigen Forderungsausfall für den Kläger als Insolvenzgläubiger bereits vor Abschluss des Insolvenzverfahrens in dem Zeitpunkt angenommen hat, in dem der Insolvenzverwalter gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO die Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt hat.
Zu diesem Zeitpunkt steht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass auf die Forderungen der Insolvenzgläubiger keine Zahlungen mehr erfolgen werden und damit nicht mehr mit einer wesentlichen Änderung des eingetretenen Verlusts gerechnet werden kann.
Dem steht nicht entgegen, dass nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit grundsätzlich die Möglichkeit besteht, im Falle der Massebesserung wieder in das "normale" Insolvenzverfahren zurückzukehren.
Denn dies ändert nichts daran, dass im Zeitpunkt der nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO angezeigten Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse objektiv nicht ausreichend ist, um alle Massegläubiger voll zu befriedigen, so dass eine auch nur anteilige Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht mehr zu erwarten ist.
Reicht nämlich die Masse schon zur Befriedigung sämtlicher Masseverbindlichkeiten nicht aus, können die Insolvenzgläubiger grundsätzlich nicht mehr mit einer (anteiligen) Befriedigung ihrer Forderungen rechnen.
Anmerkung von Dr. Christian Levedag, Richter im VIII. Senat des BFH:
Der VIII. Senat hat im Besprechungsurteil seine Rechtsprechung zur Steuerbarkeit des Ausfalls einer privaten Darlehensforderung, die nach dem begründet worden ist, fortentwickelt.
Nach dem im ersten Rechtsgang des Besprechungsfalls ergangenen (BStBl II 2020, 831) führt der endgültige Ausfall einer privaten Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 EStG. Der IX. Senat des BFH hat sich dem für private Gesellschafterdarlehen an Kapitalgesellschaften angeschlossen (), allerdings ist in dieser Fallgruppe (vor und nach Einführung des § 17 Abs. 2a EStG) zusätzlich die Frage der Subsidiarität eines steuerbaren Ausfallverlusts gegenüber dessen vorrangiger Einbeziehung in die nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung und einen Verlust gem. § 17 Abs. 2, 4 EStG aufgeworfen.
Im Besprechungsurteil, das als Entscheidung im zweiten Rechtsgang zu einer privaten Kapitalforderung (kein Gesellschafterdarlehen) ergangen ist, hat der VIII. Senat nunmehr zum maßgeblichen Realisationszeitpunkt des Verlusts gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 EStG („dem endgültigen Ausfall“) entschieden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners (oder eines Liquidationsverfahrens) reicht hierfür nicht aus, sondern es ist im Regelfall dessen Abschluss abzuwarten.
Ausnahmsweise kann der Verlust schon zu einem früheren Zeitpunkt entstehen, wenn bei objektiver Betrachtung bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Rückzahlungen auf die Forderung zu rechnen ist. Nach dem Besprechungsfall müssen „objektive Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit“ der Forderung vor Abschluss des Insolvenzverfahrens gegeben sein. Dies ist nach dem Besprechungsurteil z.B. gegeben, wenn der Insolvenzverwalter nach der Verfahrenseröffnung gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gem. § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO angezeigt hat oder wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird.
Mit der Anknüpfung an die „objektive Uneinbringlichkeit“ der Forderung löst sich der VIII. Senat von der vorherigen Anknüpfung im (BStBl II 2020, 831) an die bilanzielle Betrachtungsweise in § 17 Abs. 2, 4 EStG, die auf Kritik gestoßen war. Wie schon der IX. Senat des ausgeführt hat, ist die nunmehr „Uneinbringlichkeit“ der Forderung für die Verlustrealisation entscheidend. Sie tritt ein, wenn objektiv feststeht, dass keine Rückzahlungen des Schuldners auf die Forderung mehr erfolgen werden.
Der VIII. Senat hat sich im Besprechungsurteil (wie schon der IX. Senat im Urteil v. – IX R 5/20) ferner zur erforderlichen Einkünfteerzielungsabsicht des Darlehensgläubigers geäußert. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist nach übereinstimmender Sichtweise beider Senate bei verzinslichen Darlehen, die dem gesonderten Tarif gem. § 32d Abs. 1 EStG (und damit den Beschränkungen aus § 20 Abs. 6, § 20 Abs. 9 EStG) unterliegen, auch für die Steuerbarkeit des Ausfallverlusts widerlegbar zu vermuten. Die Vermutung kann aber erschüttert sein, wenn der Kläger bereits bei Gewährung des Darlehens mit einer Rückzahlung des hingegebenen Kapitals nicht mehr rechnen kann, nicht aber durch den Ausfall der Forderung.
Die Steuerbarkeit des Forderungsausfalls privater Darlehensforderungen gem. § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG wird mittlerweile zwar auch vom BMF anerkannt (, BStBl I 2021, 723, Tz 60) und ist für VZ ab 2020 in § 20 Abs. 6 Satz 6, Alternative 1 EStG auch vom Gesetzgeber bestätigt worden. Der in Tz 60 für die Uneinbringlichkeit herangezogene Maßstab ist jedoch wohl strenger als die dargelegte Sichtweise des BFH, denn das BMF verlangt für die Verlustrealisation, dass „dem Gläubiger keine gesetzlich gebilligte Möglichkeit zur Durchsetzung des Anspruchs offensteht“.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
XAAAH-90961