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BBK Nr. 18 vom Seite 873

Zombie-Unternehmen in Zeiten von Corona

Auswirkungen der (ausgelaufenen) zeitlich befristeten Insolvenzaussetzung

Thomas Wolf

Mit dem [i]Sikora, Coronahilfe durch zeitweilige Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, BBK 12/2020 S. 578 NWB WAAAH-50372 folgenden Beitrag ist kein „Hollywood-Horror-Klassiker“ gemeint, auch wenn der Titel des Beitrags dies vordergründig vielleicht vermuten lassen könnte. Es soll vielmehr dargestellt werden, wie sich die COVID-19-Pandemie, und hier insbesondere die temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, auf sog. Zombie-Unternehmen auswirkt, also Unternehmen, die kaum ihren Zinsaufwand verdienen können.

I. Definition von Zombie-Unternehmen

1. „Zombiefizierung“ in Krisenzeiten

[i]Insolvenzaussetzung schützt auch Zombie-UnternehmenIm Monatsbericht Dezember 2020 der Deutschen Bundesbank heißt es nüchtern:

„Angesichts des außerordentlichen Wirtschaftseinbruchs im laufenden Jahr ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der insolventen Unternehmen in den kommenden Quartalen deutlich erhöhen wird.... Beide Faktoren üben für sich genommen Abwärtsdruck auf den Zinsdeckungsgrad aus und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit für ein Unternehmen, aus statistischer Sicht den Zombie-Status zu erlangen.“

Andere Stellungnahmen fassen die Aussichten kurz und knapp zusammen:

„Bundesbank erwartet wegen der Corona-Pandemie mehr Zombie-Unternehmen.“ bzw. „86 % der teilnehmenden Ökonom*innen schätzen, dass die Anzahl von Zombieunternehmen seit Beginn der Coronakrise im März 2020 gestiegen ist.“S. 874

Als Gründe für die Entstehung von Zombie-Unternehmen werden in erster Linie die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sowie das Kurzarbeitergeld genannt.

[i]Kategorisierung von Zombie-UnternehmenDas Phänomen ist nichts Neues, wird auch international untersucht und gewinnt immer wieder an Relevanz, wenn Krisen mit staatlichen Hilfsmaßnahmen einhergehen. Eine einheitliche Definition eines Zombie-Unternehmens existiert nicht. Aus der folgenden Kategorisierung sind keine rechtlichen Konsequenzen zu ziehen, sie dienen vielmehr der statistischen Einordnung.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Deutsche Bundesbank
2017
A. Zinsdeckungsgrad (Betriebs- und Beteiligungsergebnis in Relation zu den Zinsaufwendungen) < 1 oder alternativ
B. negativer Cashflow, beides über mindestens drei Jahre in Folge.
2020
A. Zinsdeckungsgrad (Betriebsergebnis in Relation zu den Zinsaufwendungen) < 1 oder alternativ
B. negativer Cashflow, beides über mindestens drei Jahre in Folge.
OECD
Unternehmen im Alter ≥ 10 Jahren und mit einem Zinsdeckungsgrad < 1 über drei aufeinander folgende Jahre.
Schwartz/Gerstenberger
Quotient aus EBIT und Zinsaufwand < 1 (Zinsdeckungsgrad, Interest-Coverage-Ratio), bei einem Mindestalter des Unternehmens ≥ 10 Jahren.

Abb. 1: Mögliche Definitionen von Zombie-Unternehmen

Sog. Startups [i]Ausnahme: Start-ups sollten nicht unter diese Kategorisierung der Zombie-Unternehmen subsumiert werden; deshalb erscheint die Forderung nach einer gewissen „Lebensdauer“ als angemessen, wobei natürlich auch Startups von vornherein mangels tragfähigem Geschäftsmodell ein Zombie-Unternehmen sein können.

2. Wirtschaftliche Bedeutung der Zombie-Unternehmen

[i]Zombie-KennzahlenInteressant ist die Kurzanalyse der Deutschen Bundesbank anhand verschiedener Kennzahlen (hier nur eine Auswahl und begrenzt auf das Jahr 2018):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr: 2018
Umsatz 1
Rentabilität 2
Eigenmittel 3
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 3
Zombie-Unternehmen
5,8
-7,4
13,3
1,5
Übrige Unternehmen
94,2
4
31,2
9,4
1 in % Umsatz aller Unternehmen
2 Jahresergebnis vor Steuern in % der Gesamtleistung
3 in % der Bilanzsumme

Abb. 2: Bilanz- und GuV-Kennzahlen deutscher nichtfinanzieller Unternehmen
S. 875

Daraus [i]Relativ geringe gesamtwirtschaftliche Bedeutunglässt sich ableiten, dass Zombie-Unternehmen bezogen auf die Gesamtmenge der analysierten Unternehmen nachrangig sind, Verluste erwirtschaften und überwiegend nicht bei Kreditinstituten verschuldet sind; das Finanzierungsrisiko ist mithin auf andere Drittgläubiger verlagert. Erstaunlich sind die Eigenmittel der Zombie-Unternehmen: Für die Gesamtmenge ist das Eigenkapital noch positiv.

Nach Ansicht der Bundesregierung dürfte der Anteil der Unternehmen mit einer anhaltenden Ertragsschwäche in Deutschland eine untergeordnete Rolle spielen; ihr Anteil dürfte je nach Datenbasis und Definition im einstelligen Prozentbereich liegen. Die KfW titelte vor der Corona-Pandemie:

„Sorge vor Zombie-Unternehmen im Mittelstand unbegründet“.

Im Kern geht es bei Zombie-Unternehmen um hoch verschuldete Unternehmen, die unprofitabel und ohne Aussicht auf Besserung wirtschaften oder mit anderen Worten: Um Unternehmen, die aktuell durch die Niedrigzinsphase und staatliche Hilfsprogramme am Leben gehalten werden, salopp formuliert: „die scheintot“ sind. Man könnte auch von „Quasi-Insolvenz-Unternehmen“ sprechen.

[i]Hilfsprogramme nicht ausreichendVor allem die staatlichen Hilfsprogramme dürften temporär zwar eine Liquiditätsbrücke darstellen, vielen Schuldnern wird dies aber nicht ausreichen, so dass sie sich weiter (verzinslich) verschulden müssen. Dies erhöht den Druck auf die Ertragslage und auf den Zinsdeckungsgrad im Sinne der oben genannten Definitionen weiter. Betroffen davon sind vor allem Kleinst- und Kleinunternehmen, es kann aber durchaus auch große Unternehmen treffen: „Zombiefirmen – Pleitewelle startet mit Thomas Cook“, und selbst in einer Anfrage an die Bundesregierung ist zu lesen:

„Laut einer Studie des Bankhauses Metzler sind heute mehr als 12 Prozent aller börsennotierten Unternehmen so genannte Zombie-Firmen. Vor knapp 30 Jahren lag dieser Anteil bei nur 2 Prozent.“

[i]Niedrigzinsphase als weiterer FaktorWallstreet-Online hat Zombie-Unternehmen für den Pre-Corona-Zeitraum wie folgt skizziert:

„Als Folge der langanhaltenden Niedrigzinsen bleiben in Europa derzeit viele Unternehmen am Markt, die es nach den Gesetzen der Ökonomie gar nicht geben dürfte. Sie stecken tief in Schulden und sind teilweise auch nicht in der Lage, die von ihnen verkauften Produkte oder Dienstleistungen rentabel zu produzieren.“

Hinweis:

Auch [i]Haftungsrisiken für Berater! wenn die Bedeutung von Zombie-Unternehmen uneinheitlich eingeschätzt wird, so kann Beratern und Unternehmen in jedem einzelnen Fall nur geraten werden, die „Zombiefizierung“ genau im Auge zu behalten und rechtzeitig die gesetzlichen Konsequenzen zu ziehen. Insbesondere als Berater eines solchen Unternehmens hat man es nicht einfach: Muss der Mandant Insolvenzantrag stellen? Kann noch unter der Maßgabe der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) bilanziert werden, damit keine eigenen Haftungsrisiken entstehen? Ist der Honoraranspruch noch sicher, um nur einige Fragen zu skizzieren. S. 876

II. Insolvenzaussetzung als Folge der COVID-19-Pandemie

1. Zeitliche Befristung der Insolvenzaussetzung

[i]Happe, Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, BBK 8/2020 S. 369 NWB OAAAH-46177 Die COVID-19-Pandemie stellt die Gesellschaft unverändert vor große Herausforderungen. Durch die Schließung einer Vielzahl öffentlicher Einrichtungen, Kulturstätten, Gastronomiebetrieben und Einzelhandelsgeschäften, durch Einschränkungen im produzierenden Gewerbe etc. haben diese Maßnahmen zu erheblichen Einkommensverlusten bei den Betroffenen geführt.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber mit dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG – vom reagiert und u. a. die temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beschlossen. In der Folgezeit wurde das Gesetz mehrfach geändert, um auf die dynamische Entwicklung der COVID-19-Pandemie zu reagieren, zuletzt am . Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über den Rechtsstand:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Aussetzungszeitraum
Ausgesetzt wegen
Rechtsgrundlage
bis zum
§ 1 Abs. 1 COVInsAG
1.10. bis
Nur Überschuldung
§ 1 Abs. 2 COVInsAG
1.1. bis
§ 1 Abs. 3 COVInsAG

Nach [i]Ausgestaltung als Wahlrecht § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO müssen die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler einer juristischen Person bzw. nach § 42 Abs. 2 BGB der Vorstand eines Vereins bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzeröffnungsantrag stellen. Diese Pflicht ist mit dem COVInsAG temporär ausgesetzt worden, was gleichzeitig als Adressaten nur den Schuldner markiert; eine Verpflichtung des Schuldners zur Nichtstellung eines Insolvenzantrags besteht gleichwohl nicht. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht entfacht Folgewirkungen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann (vgl. § 2 COVInsAG ).

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