BFH Beschluss v. - XI B 69/20

Umsatzbesteuerung eines „räuberischen“ Aktionärs; Anforderungen an die Entscheidungsgründe eines finanzgerichtlichen Urteils

Leitsatz

NV: Ist aus dem Inhalt des klageabweisenden finanzgerichtlichen Urteils, das keine explizite Aussage enthält, dass die Höhe der festgesetzten Steuer nicht zu beanstanden ist, eindeutig zu schließen, dass das Gericht auch die im Klageverfahren „unstreitige“ Höhe der festgesetzten Steuer von Amts wegen tatsächlich und rechtlich überprüft hat, liegt ein Verfahrensfehler („fehlende Urteilsbegründung“) nicht vor.

Gesetze: UStG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; UStG § 10; UStG § 13; UStG § 16; FGO § 76; FGO § 96; FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; FGO § 119 Nr. 6;

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, hielt Anteile an einer Vielzahl von börsennotierten AGs.

2 Die Klägerin erhob (neben anderen Anteilseignern) gegen mehrere Hauptversammlungsbeschlüsse von AGs, an denen sie beteiligt war, Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklagen, die in den Jahren 2007 bis 2009 (Streitjahre) durch Abschluss von Vergleichen einvernehmlich beendet wurden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde dabei —neben einer Erhöhung des Umtauschwerts bzw. Vereinbarung einer Ausgleichszahlung— zwischen der Klägerin und den AGs u.a. jeweils vereinbart, dass die AG die Kosten des jeweiligen Verfahrens trägt. Zugleich wurde einvernehmlich ein sehr hoher Streitwert, Vergleichswert bzw. Vergleichsmehrwert vereinbart. Die die Klägerin vertretenden Prozessbevollmächtigten leiteten 50 % bis 80 % der nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bei Ansatz dieser Werte angefallenen Rechtsanwaltsgebühren an die Klägerin weiter.

3 Die Klägerin verbuchte die an sie weitergeleiteten Beträge in ihrer Buchführung als Ertrag, zog daraus jedoch keine umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen.

4 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ging nach Durchführung einer Außenprüfung in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für die Streitjahre vom davon aus, dass insoweit ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch vorliege. Die Klägerin habe eine ihr zustehende Rechtsposition aufgegeben und dafür den überhöhten Anteil der Rechtsanwaltsgebühren als Entgelt erhalten. Da die Klägerin zuvor keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hatte, schätzte das FA die Höhe der Umsätze anhand des sich ergebenden Gewinns.

5 Das Einspruchsverfahren der Klägerin ruhte zunächst im Hinblick auf das vom Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin angestrengte Klageverfahren 13 K 3023/13. Nach dem Ergehen des (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2015, 1540) setzte das FA die Umsatzsteuer wegen einiger Doppelerfassungen niedriger fest und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück.

6 Das FG Köln wies mit seinem nicht veröffentlichten Urteil vom  - 9 K 602/16 auch die Klage der Klägerin ab und ließ die Revision nicht zu. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide seien rechtmäßig. Das FA sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin als Unternehmerin umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen gegen Entgelt erbracht habe. Es sah den Abschluss der gerichtlichen Vergleiche als Leistung der Klägerin gegenüber den jeweiligen AGs. Der verbrauchsfähige Vorteil der AGs liege nicht nur im Wegfall eines für sie lästigen Klageverfahrens, sondern auch im Wegfall der durch den Suspensiveffekt der Klage eingetretenen Blockade von Umstrukturierungsmaßnahmen. Durch die Leistung der Klägerin könnten diese im Handelsregister eingetragen werden und dadurch Wirksamkeit erlangen. Hierfür seien die AGs bereit gewesen, die Kosten des Verfahrens zu tragen sowie einvernehmlich hohe Gebührenwerte zu bestimmen. Durch die Weiterleitung der Kosten durch die Prozessbevollmächtigten habe die Klägerin diesen Vorteil auch erhalten. Für die Einstufung als (nicht umsatzsteuerbare) Schadensersatzleistung sei kein Raum, da die Klägerin bereits nicht aufgezeigt habe, worin der ihr zu ersetzende Schaden liegen solle. Ebenso wenig liege ein nicht steuerbarer Gesellschafterbeitrag vor, da die Gegenleistung der Klägerin nicht in einer Beteiligung am allgemeinen Gewinn und Verlust der Gesellschaft bestanden habe. Auf den Umstand, ob die Klägerin als „räuberische Aktionärin“ gehandelt habe und die erhobenen Klagen rechtsmissbräuchlich gewesen seien, komme es insoweit nicht an. Ebenso unerheblich sei, ob ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vorliege. Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden habe, dass der Handel mit illegalen Betäubungsmitteln nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei, sei der vorliegende Sachverhalt damit nicht vergleichbar. Diese Leistung habe die Klägerin als Unternehmerin erbracht. Ausführungen zur Höhe der festgesetzten Steuer enthält das Urteil des FG nicht.

7 Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz sowie wegen Verfahrensmängeln zuzulassen.

Gründe

II.

8 Die Beschwerde ist unbegründet; die geltend gemachten Zulassungsgründe sind teilweise nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

9 1. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt.

10 a) Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt einer Rechtssache zu, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar ist (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom  - XI B 89/18, BFH/NV 2019, 945, Rz 16; vom  - XI B 1/20, BFH/NV 2020, 1258, Rz 10).

11 b) Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, hat der Beschwerdeführer nach den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO eine hinreichend bestimmte und für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 97/18, BFH/NV 2019, 711, Rz 3; vom  - XI B 113/19, BFHE 268, 480, BStBl II 2020, 476, Rz 18). Insbesondere sind Ausführungen dazu erforderlich, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 51/15, BFH/NV 2016, 957, Rz 8; vom  - XI B 17/20, BFH/NV 2021, 185, Rz 9). Liegt zu der vom Beschwerdeführer herausgestellten Rechtsfrage höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklung sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 71/18, BFH/NV 2019, 1329, Rz 6; vom  - XI B 26/20, BFH/NV 2021, 536, Rz 12).

12 c) Gemessen daran ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt.

13 aa) Die Klägerin wirft zwar auf den S. 6 ff. der Beschwerdebegründungsschrift drei aus ihrer Sicht klärungsbedürftige Rechtsfragen auf. Diese Rechtsfragen sind jedoch bereits nicht als allgemeine Rechtsfragen formuliert, da sie auf den konkreten Streitfall bezogen sind. Letztlich trägt die Klägerin insoweit lediglich vor, dass sowohl das FG als auch der 13. Senat des FG (in EFG 2015, 1540) die ihnen vorliegenden Streitfälle fehlerhaft entschieden hätten und höchstrichterliche Rechtsprechung zu einem mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt bisher noch nicht vorliegt. Allein der Umstand, dass zu einer bestimmten Rechtsfrage noch keine Entscheidung des BFH vorliegt, rechtfertigt indes noch nicht die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - IV B 80/14, BFH/NV 2016, 168, Rz 7; in BFH/NV 2019, 1329, Rz 6). Und ebenfalls reicht der Umstand einer rechtsfehlerhaften Sachentscheidung für eine Revisionszulassung nicht aus.

14 bb) Darüber hinaus geht die Klägerin nicht auf die zu der Thematik vorhandene Rechtsprechung ein. Insbesondere fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BFH zu Abmahnungen (vgl. , BFHE 201, 339, BStBl II 2003, 732; vom  - XI R 27/14, BFHE 257, 154; vom  - XI R 1/17, BFHE 263, 560), in denen der BFH einen Leistungsaustausch darin gesehen hat, dass der Abmahnende den Rechtsverletzern einen Weg weist, ihn als Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen, und den Rechtsverletzern hiermit einen konkreten Vorteil verschafft, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt. Außerdem setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des BFH auseinander, nach der u.a. der Verzicht auf eine nach dem Gesetz zustehende Rechtsposition gegen Entgelt eine steuerbare Leistung darstellen kann (vgl. , BFHE 261, 84, BStBl II 2018, 727; , BFH/NV 2019, 1256, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Inwieweit diese Rechtsprechung unter solchen Umständen wie denen des Streitfalls, in dem das FG den verbrauchsfähigen Vorteil der AGs im Wegfall der Blockade der jeweiligen Umstrukturierungsmaßnahme und das für den unmittelbaren Zusammenhang maßgebliche Rechtsverhältnis in dem geschlossenen Vergleich gesehen hat, nicht zu einer Klärung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen geführt hat, ist nicht hinreichend dargetan. Vielmehr lässt sich aus den von der Klägerin angeführten Literaturzitaten lediglich entnehmen, dass sie mit der Rechtsprechung des BFH und des EuGH nicht einverstanden ist. Dies verleiht der Rechtssache indes keine grundsätzliche Bedeutung.

15 cc) Auf den von der Klägerin in der Beschwerdebegründung ebenfalls nicht erörterten Umstand, dass die AGs nach den Vergleichen die Kosten von Rechtsanwaltsdienstleistungen gemäß dem RVG getragen haben, die der Umsatzsteuer unterliegen (vgl. EuGH-Urteil UR (Assujettissement des avocats a la TVA) vom  - C-424/19, EU:C:2020:581, Rz 19), kommt es danach nicht mehr an. Ebenso ist deshalb nicht von Bedeutung, ob ein Fall des Rechtsmissbrauchs vorliegt und ggf. die Klägerin Verantwortliche der AGs getäuscht hat (vgl. dazu , Neue Juristische Wochenschrift 2017, 2425) oder ob sich die Verantwortlichen der AGs mit der Zustimmung zu den Streitwerten zu Lasten der von ihnen vertretenen AGs strafbar gemacht haben könnten.

16 dd) Soweit die Beschwerde die Frage nach dem Zeitpunkt der Bemessungsgrundlage und der Entstehung der Steuer für grundsätzlich bedeutsam hält, legt sie nicht dar, wieso sich diese Fragen nicht bereits aus §§ 10, 13 und 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung beantworten lassen. Der Umsatz wurde nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG in der in den Streitjahren noch geltenden Fassung (UStG a.F.) bei sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Entgelt war nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG a.F. alles, was der Leistungsempfänger aufwendete, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer, sowie alles, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährte (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG a.F.). Diese Vorschriften waren indes unionsrechtskonform auszulegen, so dass eine Zahlung/Aufwendung grundsätzlich u.a. (nur) dann Entgelt/Gegenleistung für eine bestimmte Leistung war, wenn der Leistende sie hierfür erhielt (vgl. zur unionsrechtskonformen Auslegung , BFHE 270, 181, Rz 29, sowie nunmehr § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG n.F.). Die Steuer ist, soweit nicht § 20 UStG gilt, nach vereinbarten Entgelten zu berechnen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG); sie entsteht in diesem Fall nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Welcher weitere allgemeine Klärungsbedarf noch bestehen soll, zeigt die Beschwerde nicht auf. Soweit die Klägerin dabei behauptet, dass das FG den Rechtsstreit falsch entschieden habe, legt sie damit keinen Zulassungsgrund dar, sondern stellt die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage, was die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 65/18, BFH/NV 2019, 129, Rz 16; in BFH/NV 2019, 711, Rz 9).

17 2. Die Rechtssache ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz zuzulassen.

18 a) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH, der EuGH, das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes Gericht; das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 97/17, BFH/NV 2018, 738, Rz 8; in BFH/NV 2019, 945, Rz 22). Zur schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes muss der Beschwerdeführer tragende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander so gegenüberstellen, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 13/17, BFH/NV 2017, 1198, Rz 16; vom  - XI B 17/18, BFH/NV 2018, 1139, Rz 19). Aus der Beschwerdebegründung muss sich auch ergeben, dass dem Streitfall ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt wie der Divergenzentscheidung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 10/14, BFH/NV 2014, 1099, Rz 9; vom  - XI B 65/17, BFH/NV 2018, 240, Rz 25).

19 b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

20 aa) Soweit die Klägerin behauptet, das FG sei vom EuGH-Urteil San Domenico Vetraria vom  - C-94/19 (EU:C:2020:193, Rz 21) abgewichen, fehlt bereits die Darlegung, dass diesem ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Im Übrigen ist das FG von dem dort wiedergegebenen Rechtssatz, dass eine Dienstleistung nur dann steuerbar ist, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet, was dann der Fall ist, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, auf S. 13 seines Urteils (unter a) ausgegangen. Worin die Beschwerde in einer Situation, in der das FG ständige EuGH-Rechtsprechung in seinem Urteil ausdrücklich wiedergegeben hat, die auch die angebliche Divergenzentscheidung wiedergibt, die erforderliche Abweichung im Rechtsgrundsätzlichen sieht, ist nicht dargetan. Vielmehr rügt die Beschwerde lediglich, dass das FG die wiedergegebenen Rechtsgrundsätze unzutreffend angewendet habe (s. dazu unter II.1.c dd).

21 bb) Aus den gleichen Gründen greift auch die Behauptung nicht durch, dass das FG vom Urteil des FG Köln in EFG 2015, 1540 abgewichen sei. Es fehlt auch insoweit der Vortrag, dass ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. Im dortigen Fall erzielte der Kläger aus Sicht des FG sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), bei denen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG „Einkünfte“ der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a EStG) ist, bei denen Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn hingegen gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.V.m. §§ 4 ff. EStG, so dass es, worauf die Beschwerdeerwiderung zu Recht hinweist, bei ihr auf einen Zufluss i.S. des § 11 EStG nicht ankommt. Dass die Klägerin unrichtige Bilanzen erstellt hat, legt die Beschwerde nicht dar.

22 Im Übrigen ist das FG Köln in seinem Urteil in EFG 2015, 1540, Rz 93 f. davon ausgegangen, dass der Frage der zutreffenden Höhe der Umsatzsteuerfestsetzung nicht weiter nachgegangen werden müsse, da der dortige Kläger nicht nur die zugeflossenen Beträge, sondern Entgelte in Höhe der von den dortigen AGs aufgebrachten Zahlungen zu versteuern habe, so dass mindestens der bisher festgesetzte Betrag festzusetzen sei. Davon weicht das angefochtene Urteil nicht ab.

23 3. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht nicht dadurch verletzt, dass es nicht ermittelt hat, ob die Klagen der Klägerin rechtsmissbräuchlich waren.

24 a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Urteil bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre; dabei kommt es auf den materiell-rechtlichen Standpunkt des FG an (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 28/10, BFH/NV 2011, 204; vom  - VI B 13/20, BFH/NV 2021, 434, Rz 19). Tatsachen, die nach dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG nicht entscheidungserheblich sind, muss es daher nicht aufklären. Der materiell-rechtliche Standpunkt des FG ist für die Beurteilung erst dann nicht mehr maßgebend, wenn im Hinblick auf die materiell-rechtliche Rechtsansicht des FG zulässige und begründete Zulassungsrügen vorgebracht worden sind, mithin in Bezug auf diese Rechtsauffassung ein selbständiger Zulassungsgrund vorliegt (vgl. , BFH/NV 2016, 1049, Rz 9, m.w.N.).

25 b) Ausgehend davon musste das FG nicht aufklären, ob die von der Klägerin erhobenen Klagen missbräuchlich waren; denn das FG hat auf den S. 16 f. seines Urteils begründet, warum es darauf aus seiner Sicht nicht ankommt. Zulassungsgründe in Bezug auf diesen materiell-rechtlichen Standpunkt liegen nach den Ausführungen unter II.1. und II.2. nicht vor; die Ausführungen des FG sind außerdem zutreffend (vgl. BFH-Urteil in BFHE 263, 560, Rz 35). Auf die Frage, ob der Umstand, dass eine Klage rechtsmissbräuchlich ist, überhaupt eine Tatsache und keine Rechtsfrage ist, kommt es daher nicht mehr an.

26 4. Auch der Umstand, dass das FG nicht ausdrücklich begründet hat, dass es die Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer für rechtmäßig hält, begründet keinen Verfahrensfehler.

27 a) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe insoweit seine Sachaufklärungspflicht verletzt, hat es diesen Verfahrensfehler bereits nicht hinreichend dargelegt.

28 aa) Die schlüssige Darlegung der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch das FG erfordert Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines —insoweit maßgeblichen— Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen müssen. Darüber hinaus ist darzulegen, welches Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 81/16, BFH/NV 2017, 748, Rz 28; vom  - XI B 30/19, BFH/NV 2020, 611, Rz 11). Außerdem muss ein Beschwerdeführer vortragen, dass er den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe oder aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert war (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 1/13, BFH/NV 2014, 547, Rz 9; in BFH/NV 2017, 748, Rz 31).

29 bb) Hieran fehlt es im Streitfall. Die Beschwerde gibt nicht an, mit welchen Beweismitteln das FG die Höhe der Umsatzsteuer hätte aufklären sollen, welches Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und warum die Nichterhebung von Beweisen nicht gerügt wurde. Zu diesen Angaben hätte im Streitfall besonderer Anlass bestanden, weil nach dem Vortrag der Klägerin im hier zu beurteilenden Klageverfahren (vgl. Klageschrift vom , Bl. 1 FG-Akte; Klagebegründung vom , Bl. 29 ff. FG-Akte; Schriftsätze vom , Bl. 38 ff. FG-Akte, vom , Bl. 69 f. FG-Akte) gegen die Höhe der festgesetzten Steuer keine Einwendungen erhoben wurden. Außerdem handelt es sich bei der Klägerin um eine Kapitalgesellschaft, die Bücher führt.

30 b) Ebenso wenig hinreichend dargelegt ist der Vortrag, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen.

31 aa) Die Rüge eines derartigen Verfahrensmangels setzt die Darlegung voraus, dass das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen des Beteiligten nicht entspreche oder eine aus den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen habe (vgl. , BFH/NV 2014, 1228, Rz 21, m.w.N.). Die Aktenteile, die das FG nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt haben soll, müssen genau bezeichnet und die sich daraus ergebenden wesentlichen Tatumstände benannt werden (vgl. , BFH/NV 2014, 1584, Rz 46).

32 bb) Auch daran fehlt es im Streitfall. Die Beschwerde benennt zwar zwei Schriftsätze (angeblich vom und vom ). Diese befinden sich indes beide nicht in den finanzgerichtlichen Akten des Streitfalls und sind deshalb nicht genau bezeichnet. Unabhängig davon benennt die Klägerin auch nicht die sich daraus ergebenden wesentlichen Tatumstände.

33 c) Der Senat versteht den Vortrag der Klägerin auch als Rüge, die Vorentscheidung sei insoweit verfahrensfehlerhaft nicht mit Gründen versehen (Verletzung von § 96 Abs. 1 Satz 3, § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO, Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 6 FGO). Dieser Verfahrensfehler liegt jedoch nicht vor.

34 aa) Von einem Verstoß gegen das Begründungsgebot und damit vom Vorliegen eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist (nur) dann auszugehen, wenn den Beteiligten —zumindest in Bezug auf einen der wesentlichen Streitpunkte— die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 33/13, BFH/NV 2014, 714, Rz 17; vom  - XI B 29/15, BFH/NV 2015, 1257, Rz 11; jeweils m.w.N.). Ein Urteil enthält u.a. dann keine hinreichenden Entscheidungsgründe, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergeht oder einen bestimmten Sachverhaltskomplex überhaupt nicht berücksichtigt; eine zu kurze, lücken- oder fehlerhafte Urteilsbegründung ist dagegen kein Verfahrensfehler (vgl. z.B. , BFH/NV 2016, 954, Rz 20; , BFH/NV 2019, 280, Rz 22 und 23, m.w.N.). Ebenso liegt kein Verfahrensfehler vor, wenn noch zu erkennen ist, welche Feststellungen und Überlegungen für das Gericht maßgeblich waren (BFH-Beschlüsse vom  - X B 167/16, BFH/NV 2017, 1447; vom  - II B 32/20, BFH/NV 2021, 31, Rz 11).

35 bb) Im Streitfall ist aus dem Urteil zu erkennen, wie das FG zu seiner Auffassung gelangt ist, die Umsatzsteuerbescheide seien rechtmäßig, weil die in der Buchführung erfassten Beträge Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin seien (vgl. S. 14 des angefochtenen Urteils).

36 Das FG hat zunächst im Tatbestand (S. 4) festgestellt, dass die Klägerin die dort genannten Beträge in ihrer Buchführung als Erträge erfasst hat. Auf S. 5 hat es dazu weitere Feststellungen getroffen. Auf S. 6 des Urteils hat es die Auffassung des FA zur Höhe der Steuer wiedergegeben, dass aus Vereinfachungsgründen nur die Gewinne angesetzt werden, und wegen der Feststellungen der Prüferin ergänzend auf den Bericht verwiesen. Auf S. 8 des Urteils hat es die geltend gemachte Doppelerfassung und die Teilabhilfe wiedergegeben. Auf den S. 9, 10 und 11 hat das FG den Klägervortrag wiedergegeben, der keine (nach der Einspruchsentscheidung und den Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung aufrechterhaltenen) Einwendungen zur Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer enthält, sondern sich auf die Steuerbarkeit dem Grunde nach konzentriert.

37 Darüber hinaus hat das FG an mehreren Stellen (sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen) auf das Urteil des FG Köln in EFG 2015, 1540 verwiesen, in dem der 13. Senat des FG Köln in Rz 93 f. ausgeführt hat, dass die Umsatzsteuer aus seiner Sicht eigentlich höher festzusetzen sei, aber dem das gerichtliche Verböserungsverbot entgegenstehe, so dass der Frage der zutreffenden Höhe der Umsatzsteuerfestsetzung nicht weiter nachgegangen werden müsse, da mindestens der bisher festgesetzte Betrag festzusetzen sei.

38 Auch wenn das Urteil des FG nach den Ausführungen zur Steuerbarkeit keine ausdrücklichen Aussagen dergestalt enthält, dass sonstige Rechtsfehler der angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung nicht ersichtlich seien, oder dass die Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer nicht zu beanstanden sei, so dass die Begründung des FG insoweit durchaus als lückenhaft angesehen werden kann, ergibt sich aus den zuvor genannten Ausführungen und Verweisen der Vorentscheidung nach Auffassung des Senats mit hinreichender Deutlichkeit, dass das FG die (im Klageverfahren „unstreitige“) Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer gemäß der ihm —auch ohne Streit der Beteiligten— gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO obliegenden Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (vgl. dazu z.B. Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 76 Rz 1, 14 und 17, mit zahlreichen Nachweisen), überprüft hat und der Rechtsauffassung des FG Köln im Urteil in EFG 2015, 1540 gefolgt ist, dass der Höhe der Umsatzsteuer aufgrund des Verböserungsverbots nicht weiter nachgegangen werden müsse. Zulassungsgründe zu dem auch insoweit maßgeblichen Rechtsstandpunkt des FG (s. oben unter II.3.a) sind nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt.

39 5. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).

40 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2021:B.230321.XIB69.20.0

Fundstelle(n):
AG 2021 S. 646 Nr. 17
BFH/NV 2021 S. 1108 Nr. 9
DStR 2021 S. 8 Nr. 28
NWB-Eilnachricht Nr. 30/2021 S. 2172
UStB 2021 S. 287 Nr. 9
UAAAH-83607