BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2552/18, 1 BvR 65/19, 1 BvR 132/19, 1 BvR 202/19, 1 BvR 292/19, 1 BvR 716/19, 1 BvR 854/19, 1 BvR 855/19, 1 BvR 2280/19, 1 BvR 2312/19, 1 BvR 2555/19, 1 BvR 2642/19, 1 BvR 396/20, 1 BvR 939/20

Nichtannahmebeschluss: Rechtsschutzgarantie vermittelt keinen Anspruch auf Verbescheidung von Eingaben, die missbräuchlich, offensichtlich wiederholend oder sinnlos vorgebracht werden - sowie zu Aufklärungspflichten bei Zweifeln an der Prozessfähigkeit eines Beteiligten - Verwerfung offensichtlich unzulässiger Ablehnungsgesuche

Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 19 Abs 1 BVerfGG, § 19 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 51 Abs 1 ZPO, § 56 Abs 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 8 AZA 95/17 (F) Beschlussvorgehend Az: 8 AZA 13/17 (F) Beschlussvorgehend Az: 8 AZA 61/18 (F) Beschlussvorgehend Az: 8 AZA 63/18 (F) Beschlussvorgehend Az: 8 AZA 45/18 (F) Beschlussvorgehend Az: 8 AZA 17/18 Beschlussvorgehend Az: 8 AZA 17/18 Beschlussvorgehend Az: 8 AZA 54/18 (F) Beschlussvorgehend Az: 10 Ca 214/16 Urteilvorgehend Az: 8 AZA 51/18 (F) Beschlussvorgehend Az: 8 AZA 42/18 Beschlussvorgehend Az: 5 AZA 58/18 (F) Beschlussvorgehend Az: 5 AZA 57/18 (F) Beschlussvorgehend Az: 5 AZA 57/18 (F) Beschlussvorgehend Az: 5 AZA 39/18 Beschlussvorgehend Az: 5 AZA 57/18 (F) Beschlussvorgehend Az: 5 AZA 58/18 (F) Beschlussvorgehend Az: 5 AZA 40/18 Beschlussvorgehend Az: 5 AZA 56/18 (F) Beschlussvorgehend Az: 5 AZA 38/18 Beschlussvorgehend Az: 8 AZN 825/18 Beschlussvorgehend Az: 8 AZN 825/18 Beschlussvorgehend Az: 8 AZR 418/15 Beschlussvorgehend Az: 8 AZR 418/15 Beschlussvorgehend Az: 8 AZR 418/15 Beschlussvorgehend Az: 8 AZA 19/19 (F) Beschlussvorgehend Az: 8 AZA 10/19 Beschlussvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 11 Sa 315/16 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 4 Sa 83/19 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 4 Sa 82/19 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 4 Oa 1/18 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 3 Sa 55/18 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 3 Sa 37/18 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 3 Sa 7/17 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 3 Sa 4/19 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 3 Ta 1/19 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 4 Sa 107/19 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 4 Sa 107/19 Beschlussvorgehend Az: 25 Ca 187/17 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 4 Oa 3/19 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 3 Sa 50/16 Beschluss

Gründe

I.

1Die Beschwerdeführerin lehnt die für den Beschluss der Kammer verantwortlichen Richterinnen und Richter ab. Die pauschale Ablehnung einer ganzen Kammer ist jedoch ebenso offensichtlich unzulässig wie die Ablehnung einer Richterin, die - wie hier die Richterin Britz - nicht zur Mitwirkung in diesem Verfahren berufen ist (vgl. BVerfGE 46, 200 sowie BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 782/12 -, Rn. 4, und der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 750/19 -, Rn. 4). Einer dienstlichen Stellungnahme zu solchen Ablehnungsgesuchen bedarf es nicht und die Betroffenen sind nicht von der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 131, 239 <252 f.>; 133, 377 <405 Rn. 69>; ferner BVerfGK 8, 59 <60>).

II.

2Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen, denn sie sind weitgehend unzulässig und im Übrigen unbegründet.

31. Die Beschwerdeführerin wendet sich in dem Verfahren 1 BvR 2552/18 insbesondere dagegen, dass das Bundesarbeitsgericht ihr mit Beschlüssen vom und mitgeteilt hat, künftig über ihre zahlreichen Anträge zu in der Sache entschiedenen Verfahren nicht mehr zu entscheiden. Hintergrund seien die Substanzlosigkeit und offensichtliche Aussichtslosigkeit der sich vielfach nur wiederholenden Anträge.

42. Diese Vorgehensweise ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

5a) Verfassungsrechtlich ist es grundsätzlich nicht zulässig, Anträge oder Eingaben schlicht nicht mehr zu bescheiden. Dies würde die Rechtsschutzgarantie aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzen, denn sie umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten und auf eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands sowie eine verbindliche Entscheidung in der Sache (vgl. BVerfGE 54, 277 <291>; 85, 337 <345>; 107, 395 <401>). Die Gerichte sind verpflichtet, auch über unzulässige Anträge ausdrücklich zu befinden.

6Im Ausgangspunkt muss sich ein Gericht mit jedem Vorbringen inhaltlich befassen, wenn sich dem Verhalten der Prozesspartei entnehmen lässt, dass es zumindest auch um ein von der prozessrechtlich eingeräumten Befugnis gedecktes Anliegen geht. Das gilt selbst dann, wenn Gerichte vielfach immer wieder und in ähnlichen Fällen angerufen werden, denn die Rechtsschutzgarantie ist nicht mengenmäßig begrenzt.

7b) Erscheinen Anträge einer Prozesspartei jedoch nicht nur offensichtlich aussichtslos, sondern folgen zudem immer demselben Muster, verlängern nur eine bereits förmlich entschiedene Auseinandersetzung und belasten die handelnde Person selbst mit Nachteilen wie den Prozesskosten, gilt dies so allerdings nicht. Gerichte sollen durch eine offensichtlich sinnlose Inanspruchnahme ihrer Arbeitskapazitäten nicht bei der Erfüllung ihrer Aufgaben behindert werden, auch weil sie dann anderen Rechtsuchenden den ihnen zukommenden Rechtsschutz nur verzögert gewähren können. Ein prozessökonomischer Umgang mit hartnäckig auf ihrer Auffassung zu Sach- und Rechtsfragen insistierenden, aber von wiederholten begründeten Entscheidungen der Gerichte nicht erreichbaren Parteien liegt insofern im Interesse der Rechtspflege insgesamt. Für die Gerichte bewirken derartige sich wiederholende Anträge Mehrarbeit und für die Betroffenen gehen damit oftmals psychische und auch ökonomische Belastungen einher. In eng umgrenzten Fällen darf ein Gericht daher zwar nicht von der Prüfung, aber von einer förmlichen Bescheidung weiterer Eingaben absehen.

8Die Rechtsschutzgarantie umfasst insofern nicht den Anspruch darauf, eine förmliche Entscheidung auch auf Eingaben zu erhalten, die missbräuchlich, offensichtlich wiederholend oder sinnlos vorgebracht werden. Gerichte müssen eindeutig missbräuchliche Anträge (zu § 34 Abs. 2 BVerfGG vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 412/18 -) ebenso wenig bescheiden wie ganz offensichtlich schlicht wiederholende, den Streit lediglich verlängernde Anträge derselben Sache (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1653/18 u.a. -, Rn. 6).

9c) Danach ist das gerichtliche Vorgehen hier nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen einer förmlichen gerichtlichen Entscheidung waren nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin hat Anträge gestellt, die sich vielfach wiederholen und immer demselben Muster folgen. Sie waren formal auf neue Entscheidungen gerichtet, dienten aber offensichtlich dazu, eine andere Entscheidung in der Sache zu erwirken, über die gerichtlich bereits entschieden worden war; die Beschwerdeführerin wiederholt das bereits abgewiesene Vorbringen nur in einem neuen Gewand. Wenn das Bundesarbeitsgericht darauf mit Beschlüssen reagiert, in denen künftig in identischen Situationen keine richterliche Entscheidung mehr in Aussicht gestellt wird, verletzt dies nicht die Rechtsschutzgarantie. Denn erst im Falle tatsächlich neuer Anliegen bedarf es neuer Entscheidungen.

103. Soweit die Beschwerdeführerin etwa im Verfahren 1 BvR 2642/19 rügt, das Landesarbeitsgericht habe in den Ausgangsverfahren Anträge wegen nicht behebbarer Zweifel an ihrer Prozessfähigkeit als unzulässig verworfen, ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet.

11a) Bestehen insoweit Zweifel an der nach § 51 Abs. 1, § 52 ZPO erforderlichen Prozessfähigkeit der Antragstellenden, muss das Gericht diese nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen klären. Es muss sämtliche zur Verfügung stehenden Beweismittel ausschöpfen und die Betroffenen auf die Möglichkeiten hinweisen, wie die Zweifel zu beseitigen wären (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2509/15 -, Rn. 14 m.w.N.). Weigern sich die Betroffenen, an weiterer Aufklärung mitzuwirken und verbleiben nach Erschöpfung aller sonstigen erschließbaren Erkenntnisse hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit, so gehen etwa noch vorhandene Zweifel zu ihren Lasten (vgl. -, juris, Rn. 23; -, Rn. 4 m.w.N.).

12b) Dem hat das Landesarbeitsgericht Rechnung getragen. So legt es etwa im Beschluss vom - 3 Sa 7/17 - ausführlich dar, aus welchen Gründen es Zweifel an der Prozessfähigkeit der Beschwerdeführerin hat, dass diese Zweifel wegen der Weigerung, an einer Begutachtung mitzuwirken, nicht ausgeräumt werden konnten, und die Möglichkeiten des Gerichts damit erschöpft seien; die verbleibenden Zweifel gingen dann zu Lasten der Beschwerdeführerin, so dass von ihrer Prozessunfähigkeit auszugehen sei. Hier ist nicht ersichtlich, dass dem Landesarbeitsgericht jenseits der Begutachtung weitere Aufklärungsmittel zugänglich waren, die es nicht genutzt hätte.

13Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

14Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2021:rk20210419.1bvr255218

Fundstelle(n):
GAAAH-79320