BGH Beschluss v. - 1 StR 423/20

Revision im Strafverfahren: Kostenentscheidung bei Verringerung der Einziehung durch das Revisionsgericht

Leitsatz

Zur Kostenentscheidung bei Verringerung der Einziehung durch das Revisionsgericht.

Gesetze: § 473 Abs 4 StPO, § 73 Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB, Nr 4142 RVG-VV, Nr 3440 GKVerz

Instanzenzug: LG Mannheim Az: 628 Js 24347/12 - 25 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Marktmanipulation zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar den Angeklagten K.     zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr acht Monaten und den Angeklagten T.    zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren; die Vollstreckung der Freiheitsstrafen hat das Landgericht jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es gegen den Angeklagten K.     die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.614.344,56 € und gegen den Angeklagten T.     in Höhe von 419.477,18 € angeordnet. Die gegen ihre Verurteilungen gerichteten Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstanden, haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind die Rechtsmittel aus den Erwägungen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Die Einziehungsentscheidungen, mit denen das Landgericht sämtliche von den beiden Angeklagten im Zeitraum vom bis zum erzielten Erlöse aus dem Verkauf ihrer M.       AG-Aktien nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB abgeschöpft hat, halten sachlichrechtlicher Nachprüfung im beträchtlichen Umfang nicht stand.

3a) Das Landgericht hat den Verurteilungen ausschließlich eine "informations- und handlungsgestützte" Manipulation nach § 38 Abs. 2 Nr. 1, § 39 Abs. 2 Nr. 11, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG aF zugrundegelegt. Nur bei einem Verstoß gegen ein "handelsgestütztes" Verbot (§ 38 Abs. 2 Nr. 1, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF) wäre indes der gesamte Erlös aus den Aktienverkäufen einzuziehen gewesen. Im Falle einer informations- und handlungsgestützten Marktmanipulation ist allein die Wertsteigerung der Aktien im Vermögen der Tatbeteiligten infolge der strafbaren Einwirkung abzuschöpfen; der anschließende Aktienverkauf ist insofern nicht tatbestandlich. Gleichwohl kann die Höhe der Wertsteigerung und damit des Einziehungsumfangs regelmäßig nach dem Veräußerungsgewinn bestimmt werden ( Rn. 5 f.).

4Gegenstand der Verurteilung ist der Zeitraum vom bis , in welchem die Angeklagten die Aktien durch unrichtige bewertungserhebliche Angaben bewerben ließen und dadurch auf den Börsenpreis der Aktien tatsächlich einwirkten. Hingegen ist nicht der vorangegangene Zeitraum von Dezember 2009 bis Januar 2010 angeklagt, in welchem die Angeklagten zur Vorbereitung ihrer späteren Verkäufe den Börsenkurs durch abgesprochene Geschäfte künstlich ansteigen ließen.

5b) Die infolge der unrichtigen Bewerbung erzielten Veräußerungsgewinne lassen sich auf der Grundlage der sorgfältigen Urteilsfeststellungen zum Kursverlauf bestimmen (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend). Denn am , dem Beginn des Tatzeitraums, notierte der Kurs der M.        AG zum Handelsende bei 0,6 € (UA S. 65). Diesen Kurswert aus den Veräußerungserlösen bei einer Stückzahl von 2.938.279 Aktien (K.    ) bzw. 589.200 Aktien (T.     ) herausgerechnet ergibt die in der Beschlussformel genannten reduzierten Beträge.

62. Die Entscheidung über die allein die Einziehung betreffenden zusätzlichen und damit ohne Weiteres ausscheidbaren Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen (insbesondere Verteidigergebühren) nach Bruchteilen beruht auf § 473 Abs. 4 Satz 1, 2 StPO, soweit es das Revisionsverfahren betrifft (dazu unter a)), und im Übrigen auf § 465 Abs. 2 StPO (entsprechend), § 464d StPO (dazu unter b)).

7a) Aus Rechtsgründen hat sich der Einziehungsumfang jeweils deutlich, nämlich weit über die Hälfte im Vergleich zu den Beträgen im angefochtenen Urteil, zugunsten der Angeklagten verringert. Dieser Teilerfolg muss sich hier in der Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO niederschlagen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 229/19 und vom – 1 StR 529/19); dies betrifft indes allein die Verteilung der in Bezug auf die Nebenfolge der Einziehung (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) den Verteidigern jeweils zustehenden "zusätzlichen Gebühr" (Nr. 4142 der Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 zum RVG), die sich – in Abweichung vom allgemeinen strafprozessualen Vergütungssystem nach Pauschalsätzen – nach dem (Gegenstands-)Wert der Einziehung bemisst (§§ 13, 49 RVG), daneben in der Ermäßigung der zusätzlich entstehenden Gerichtsgebühr von pauschal 70 € (Teil 3 Hauptabschnitt 4 Vorbemerkung 3.4 Abs. 1 Satz 2 Abschnitt 4 Nr. 3440 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

8aa) Diese beiden "Zusatzgebühren" lassen sich ohne Weiteres von den sonstigen Rechtsmittelkosten, die die Angeklagten zu tragen haben, weil sie bezüglich des Schuld- und Strafausspruchs erfolglos geblieben sind (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO), trennen (vgl. zu "verteilungsfähigen Einzelposten": Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 473 Rn. 28; SK-StPO/Degener, 5. Aufl., § 473 Rn. 48; MüKoStPO/Maier, § 473 Rn. 176).

9bb) Nach dem im strafrechtlichen Kostenrecht geltenden Veranlassungsprinzip werden die Verfahrenskosten in wertender Betrachtung grundsätzlich dem Verurteilten auferlegt, weil er mit seiner Tat das kostenverursachende Verfahren notwendig gemacht hat (, BVerfGK 8, 285, 292 ff.). Eine teilweise Entlastung insbesondere von der zusätzlichen (Wahlverteidiger-)Gebühr nach der vorstehend genannten Nr. 4142 VV RVG ist hier nach "Billigkeit" aufgrund der gegenstandswertgebundenen Höhe der Vergütung (vgl. die Werttabelle zu § 13 RVG) geboten. Denn der staatliche Einziehungsanspruch (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) war bei zutreffender rechtlicher Wertung von vornherein auf die Abschöpfung der Wertsteigerung beschränkt; in diesem Sinne haben die Angeklagten die weitergehenden Zusatzgebühren gemessen an dem höheren Gegenstandswert nicht veranlasst.

10b) Diese Maßstäbe gelten auch für die in der ersten Instanz entstandenen zusätzlichen Verteidigergebühren, die am Einziehungsumfang zu bemessen sind; dieser ergibt sich seinerseits aus dem Akteninhalt, insbesondere der Anklage.

11aa) Da der Senat bezüglich der Einziehungsanordnungen in der Sache selbst entscheidet, ist ihm insoweit – nicht anders als etwa bei einem Teilfreispruch (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO) – die Entscheidung über die zugehörigen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen der Beteiligten zugewiesen (vgl. nur , BGHSt 25, 77, 79).

12bb) In diesem Fall hält es der Senat für geboten, nach der Vorschrift des § 465 Abs. 2 Satz 3 StPO über die zusätzlichen Gegenstandswertgebühren gesondert zu befinden (vgl. zu § 465 Abs. 2 Satz 2 StPO und einem gegenüber dem Anklagevorwurf gravierend milderen Schuldspruch: BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 441/12 Rn. 4, BGHR StPO § 465 Abs. 2 Zurückverweisung 1; vom – 4 StR 177/05 Rn. 4 und vom – 1 StR 777/97 Rn. 3, BGHR StPO § 465 Abs. 2 Billigkeit 4; zu einem – nach Aufhebung und Zurückverweisung – erheblich reduziertem Schuldumfang: Rn. 4, BGHR StPO § 465 Abs. 2 Billigkeit 1). Eine gesonderte Auslagenentscheidung kann auch als Folge einer Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO in Betracht kommen (BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 34/92 Rn. 2 und vom – 1 StR 267/91 Rn. 10, BGHR StPO § 465 Abs. 2 Billigkeit 3 zu Sachverständigenkosten; vgl. auch § 421 Abs. 1 Nrn. 1, 2 StPO). Für die mit § 473 Abs. 4 StPO gleichlaufende Billigkeitsentscheidung sind folgende Erwägungen zu beachten:

13(1) Die Tatgerichte sollen im Sinne der "Wirtschaftlichkeit des Verfahrens" zügig über die Schuld- und Straffrage entscheiden; damit sie sich auf diese Hauptsache konzentrieren können, soll ihnen im Rahmen der bloßen Nebenentscheidung keine eigene Pflicht zur eingehenden Untersuchung der Auslagenfrage aufgebürdet werden (, BGHSt 25, 109, 112-114). Deswegen ist die Vorschrift des § 465 Abs. 2 StPO, mit deren Hilfe die Strafgerichte die umfassende Kostentragungspflicht der verurteilten Angeklagten abmildern können, um zu gerechten Kostenergebnissen zu gelangen, als Billigkeitsregelung ausgestaltet. Zudem ist stets zu beachten, dass die Täter durch ihre Straftaten die Strafverfolgungsmaßnahmen veranlasst haben. Der Staat ist im Strafprozess nicht als teilweise unterlegen anzusehen, wenn sich die Anklagevorwürfe nicht in vollem Umfang erweisen lassen (, BGHSt 25, 109, 118 f.).

14(2) Die zusätzlichen Gebühren lassen sich auch für die erste Instanz dem Grund nach leicht ausscheiden und der Höhe nach einfach berechnen (vgl. LR/StPO-Hilger, 26. Aufl., § 465 Rn. 24; SSW-StPO/Steinberger-Fraunhofer, 4. Aufl., § 465 Rn. 9; siehe auch BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 21/72, BGHSt 25, 109, 112 f., 116 und vom – 3 StR 341/81 Rn. 3).

15c) Gesonderte Gerichtsgebühren fallen für die Einziehung im ersten Rechtszug nicht an (vgl. Teil 3 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG); auch sind insoweit keine gerichtlichen Auslagen aus Billigkeitsgründen auszuscheiden. Insbesondere die Auslagen für den Sachverständigen waren bereits für den Schuld- und Strafausspruch relevant, die sich nicht betrags- und damit nicht quotenmäßig zur Einziehung in Beziehung setzen lassen. Regelmäßig werden sich Schuld- und Einziehungsumfang decken und sich daher die einzelnen Untersuchungen auf beide zugleich erstrecken.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:250221B1STR423.20.0

Fundstelle(n):
DStR 2021 S. 15 Nr. 23
NJW 2021 S. 1829 Nr. 25
WM 2021 S. 1057 Nr. 21
BAAAH-79297