BGH Beschluss v. - 1 StR 359/23

Hinterziehung von Tabaksteuer: Einziehung des Werts illegal hergestellter Zigaretten

Gesetze: § 370 Abs 1 AO, § 73 Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB

Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 71 KLs 17/22

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt sowie die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es den Wert von Taterträgen in Höhe von 539.777,12 Euro eingezogen. Die nicht revidierenden Mitangeklagten M.    und Gu.       hat das Landgericht ebenfalls wegen Steuerhinterziehung zu Freiheitsstrafen verurteilt und gegen sie Einziehungsanordnungen – zum Teil gesamtschuldnerisch – in Höhe von mehreren Millionen Euro getroffen.

2Die mit der Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts geführten Revisionen der Angeklagten führen, auch soweit die Mitangeklagten M.    und Gu.       betroffen sind, zur Aufhebung und zum Entfallen der Einziehungsanordnungen, bei Gu.     jedoch nur der Einziehung von Taterträgen, die einen Betrag von 5.200 Euro übersteigen. Im Übrigen sind die Rechtsmittel der Angeklagten unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

3Der Schuld- und Strafausspruch gegen die Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Einziehungsentscheidungen erweisen sich hingegen als rechtsfehlerhaft. Die Anordnungen sind daher aufzuheben; der Senat entscheidet entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst und lässt sie entfallen.

4Der Generalbundesanwalt hat – bezogen auf jeden Angeklagten – hierzu ausgeführt:

„Die Voraussetzungen für die angeordnete Einziehung des Werts der hergestellten Zigaretten gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB liegen nicht vor.

Der Angeklagte hat nichts ‚durch‘ die Tat erlangt gemäß § 73 Abs. 1 StGB. Bei der Hinterziehung von Tabaksteuer ist ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur gegeben, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs erzielt (Senat, Beschluss vom - 1 StR 78/20, Rn. 3 m. w. N.). Die Annahme eines Vermögenszuwachses setzt voraus, dass der Täter eine wirtschaftliche Zugriffs- oder Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Waren hat, über diese also wirtschaftlich (mit-)verfügen kann (Senat a. a. O. Rn. 4). Das ist zu verneinen. Der Angeklagte war bei seiner Beteiligung an der illegalen Herstellung von Zigaretten für unbekannte Hintermänner tätig, die nach den sinngemäß verstandenen Urteilsgründen allein über die hergestellten Zigaretten verfügen konnten.“

5Dem schließt sich der Senat an. Die Aufhebung der Einziehungsanordnung und deren Entfallen erstrecken sich gemäß § 357 Satz 1 StPO auch auf die Mitangeklagten M.    und Gu.     , bei letzterem jedoch nur in Höhe des 5.200 Euro übersteigenden Betrages, weil dieser als Entlohnung „für“ die Tat 5.200 Euro erlangt hat (§ 73 Abs. 1 Alternative 2, § 73c Satz 1 StGB).

6Der Senat sieht jedoch keinen Anlass, eine Entscheidung gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO über die von den Angeklagten erlangte freie Verpflegung in Form von Lebensmitteln zu treffen. Das Landgericht hat hierzu schon keine Ausführungen gemacht. Zudem erscheint es zweifelhaft, dass die Angeklagten die Lebensmittel „für“ die Tat erlangt haben.

7Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels beruht auf § 473 Abs. 1 StPO; die Kosten und notwendigen Auslagen der revidierenden Angeklagten, die die Einziehung betreffen, fallen jedoch der Staatskasse zur Last (§ 473 Abs. 4, § 465 Abs. 2 StPO analog; vgl. , BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 8 Rn. 6 ff.).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:121223B1STR359.23.1

Fundstelle(n):
AAAAJ-57663