BGH Beschluss v. - 4 StR 209/20

Revision in Strafsachen: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwecks Heilung einer Verfahrensrüge

Gesetze: § 44 S 1 StPO, § 45 Abs 1 S 1 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 5221 Js 13885/19 - 7 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Nach Zustellung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hat der Angeklagte zur Heilung der Mängel einer Verfahrensrüge die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Entscheidung des Revisionsgerichts beantragt. Der Wiedereinsetzungsantrag und der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts sind unzulässig; die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

21. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig.

3a) Der Angeklagte hat die Revision fristgerecht mit der Sachrüge und drei Verfahrensrügen begründet. Mit der Verfahrensrüge B.I der Revisionsbegründung hat er die rechtsfehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens zur Glaubhaftigkeit der Aussage einer Opferzeugin beanstandet. Nachdem der Angeklagte in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts darauf hingewiesen worden war, dass der Beweisantrag nicht vollständig vorgetragen wurde, hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und den Beweisantrag nachgereicht.

4Eine Wiedereinsetzung zur Ergänzung der Verfahrensrüge kommt nicht in Betracht.

5Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung dient nicht der Heilung von Zulässigkeitsmängeln hinsichtlich fristgemäß erhobener Verfahrensrügen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 91/18 und vom - 5 StR 344/20). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung oder Ergänzung einer Verfahrensrüge kommt deshalb nur in besonderen Prozesssituationen in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 63/16 und vom ‒ 1 StR 91/18 mwN). Das kann der Fall sein, wenn die entsprechende Verfahrensrüge ohne Kenntnis der Akten nicht begründet werden kann und dem Verteidiger des Beschwerdeführers bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist trotz mehrfacher Mahnung Akteneinsicht nicht gewährt wurde (vgl. ).

6Ein solcher Ausnahmefall liegt hier schon deshalb nicht vor, weil es sich bei dem in der Revisionsbegründung unzutreffend vorgetragenen Aktenbestandteil um einen vom Angeklagten selbst in der Hauptverhandlung vom gestellten Beweisantrag handelt.

7b) Der Wiedereinsetzungsantrag ist darüber hinaus deshalb unzulässig, weil die Wochenfrist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht eingehalten ist. Mit Zustellung der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft am war der Verteidigerin der Zulässigkeitsmangel der Rüge bekannt. Gleichwohl hat sie erst am an das Akteneinsichtsgesuch erinnert und am den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Zudem verhält sich der Wiedereinsetzungsantrag nicht dazu, wann der Angeklagte Kenntnis von der unzureichenden Begründung der Verfahrensrüge erlangt hat (§ 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO).

82. Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO ist nicht statthaft, da das Tatgericht die Revision des Angeklagten nicht als unzulässig verworfen hat (§ 346 Abs. 1 StPO).

II.

9Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

101. Die Verfahrensrüge B.I, mit der die rechtsfehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens sowie zugleich ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht gerügt wird, ist bereits unzulässig, weil sie aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügt.

11Im Übrigen hätte die erhobene Rüge, selbst wenn sie rechtzeitig formgerecht erhoben worden wäre, keinen Erfolg. Die Ablehnung des Beweisantrags durch Beschluss der Jugendkammer gemäß § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO, in dem sie ihre eigene Sachkunde zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin dargelegt hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die Aufklärungsrüge wäre unbegründet (§ 244 Abs. 2 StPO), weil die Gründe, die zur Ablehnung des Beweisantrags wegen eigener Sachkunde des Gerichts berechtigen, auch die Aufklärungspflicht entfallen lassen (vgl. ; Urteil vom - 3 StR 431/04).

122. Die beiden weiteren Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher dargelegten Gründen keinen Erfolg.

133. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:040321B4STR209.20.0

Fundstelle(n):
SAAAH-79209