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Online-Nachricht - Freitag, 14.05.2021

Einkommensteuer | Schädliche Verwendung von Altersvorsorgevermögen aufgrund eines Fehlers des Anbieters (BFH)

Eine förderschädliche Auszahlung von Altersvorsorgevermögen liegt aufgrund der gebotenen objektiven Betrachtungsweise vor, wenn der Anbieter Zahlungen entgegen den in § 93 Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Voraussetzungen - wenn auch irrtümlich - vorgenommen hat (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist, ob ein Fehlverhalten des Anbieters eines Altersvorsorgevertrages dem Vorsorgesparer zuzurechnen ist, wenn er ohne dessen entsprechende Anweisung handelte: Die Klägerin unterhielt einen (zertifizierten) Altersvorsorgevertrag bei der Anbieterin von Altersvorsorgeverträgen. Am beantragte sie bei der Beklagten, der Deutschen Rentenversicherung Bund, Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen - ZfA - die Verwendung des im Altersvorsorgevertrag gebildeten Kapitals zur Tilgung des Immobilien-Darlehens.

Irrtümlich sandte die Anbieterin anschließend eine Meldung an die ZfA, wonach über das Guthaben des Altersvorsorgevertrages schädlich verfügt worden sei. Die ZfA bestätigte diese Meldung durch eine Mitteilung unter der Bezeichnung "ZA06". Die Anbieterin ihrerseits wertete dies als Mitteilung i.S. des § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG und zahlte noch im Juni 2017 das Guthaben auf das Darlehenskonto der Klägerin bei der Bank, allerdings nach Abführung der Zulagen in Höhe von 4.722,75 € und eines nach § 10a Abs. 4 EStG festgestellten Betrags von 1.924 €.

Den Antrag der Klägerin auf Gestattung der wohnungswirtschaftlichen Verwendung lehnte die ZfA daraufhin ab und erließ gleichzeitig einen Bescheid über die Festsetzung des Rückzahlungsbetrags (§ 94 Abs. 2 Satz 1 EStG), da die Klägerin weitere 358 € an die ZfA zu zahlen habe.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg:

  • Der Erlass eines Bescheides über die Festsetzung des Rückzahlungsbetrags nach § 94 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 EStG war rechtmäßig. Die auf das im Rahmen der schädlichen Verwendung (§ 93 Abs. 1 Satz 1 EStG) ausgezahlte geförderte Altersvorsorgevermögen entfallenden Zulagen und die nach § 10a Abs. 4 EStG gesondert festgestellten Beträge sind teilweise nicht zurückgezahlt worden.

  • Der Erlass eines Rückforderungsbescheides setzt gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 EStG u.a. die schädliche Verwendung des Altersvorsorgevermögens i.S. des § 93 Abs. 1 EStG voraus. Dies ist hier der Fall, da die Anbieterin das Bausparguthaben nicht unter den hier allein relevanten Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Buchst. c AltZertG ausgezahlt hat.

  • Die schädliche Verwendung konnte nicht durch eine Rückführung des ausgezahlten Vermögens auf den zertifizierten Altersvorsorgevertrag der Klägerin am rückgängig gemacht werden. Eine solche erneute Einzahlung auf den Bausparvertrag der Anbieterin ist - wie vom FG angenommen - gesetzlich nicht vorgesehen und kann deshalb die schädliche Verwendung nicht entfallen lassen.

  • Zutreffend ist das FG auch davon ausgegangen, dass die ZfA den Antrag auf Erlass eines Gestattungsbescheides gemäß § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG zu Recht abgelehnt hat. Zum Zeitpunkt der Bescheidung dieses Antrags durch die ZfA am wie auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG lagen die Voraussetzungen für eine wohnungswirtschaftliche Verwendung gemäß § 92a Abs. 1 Satz 1 EStG aufgrund der bereits erfolgten schädlichen Verwendung nicht mehr vor. Die Rückzahlung auf den Altersvorsorgevertrag am ist unerheblich.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

§ 96 Abs. 1 Satz 2 EStG lässt eine abweichende Festsetzung nach § 163 AO und damit eine Billigkeitsentscheidung im Einzelfall (leider) nicht zu. Dies ist dem Massenverfahren im Zusammenhang mit den Altersvorsorgezulagen ("Riester"-Zulagen) geschuldet. Dabei kann, wie vorliegend geschehen, gerade auch die Einbindung der Anbieter von Altersvorsorgeverträgen i.S.d. § 80 EStG zu einer schädlichen Verfügung und damit zum Erlass eines Rückzahlungsbescheids nach § 94 Abs. 2 Satz 1 EStG führen.

Unabhängig von den Motiven und richtig gestellten Anträgen ist im Zusammenhang mit der bis zum Beginn der Auszahlungsphase möglichen Verwendung des Altersvorsorgevermögens zur Tilgung eines Darlehens i.S.d. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG entscheidend, dass die Auszahlung korrekt erfolgt. Gemäß § 92b Abs. 1 Satz 1 EStG ist deshalb das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und nach § 10a EStG oder dem XI. Abschnitt des EStG geförderte Kapital (Mindestsumme 3.000 €) in einem solchen Fall spätestens zehn Monate vor Beginn der Auszahlungsphase bei der ZfA unter Erbringung der notwendigen Nachweise zu beantragen. Der von der ZfA zu erlassende Gestattungsbescheid wie auch der an den Anbieter vorgeschriebene Datensatz sind abzuwarten.

Erst danach darf gemäß § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG ausgezahlt werden. Ansonsten liegt, auch wenn die Auszahlung dem Förderungszweck entspräche, eine objektiv schädliche Auszahlung vor, die zur Rückforderung von Zulagen und Steuervorteilen (§ 10a Abs. 4 EStG) führt. Eine nachträgliche Korrektur ist in der Regel nicht möglich. Insbesondere greifen die Korrekturvorschriften der AO nicht ein. Es fehlt bereits am Vorliegen eines Verwaltungsakts nach § 118 Satz 1 AO.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
LAAAH-78582