Online-Nachricht - Donnerstag, 06.05.2021

Einkommensteuer | Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete - Vorrang des örtlichen Mietspiegels (BFH)

Die ortsübliche Marktmiete ist grundsätzlich auf der Basis des Mietspiegels zu bestimmen. Kann ein Mietspiegel nicht zugrunde gelegt werden oder ist er nicht vorhanden, kann die ortsübliche Marktmiete z.B. mit Hilfe eines mit Gründen versehenen Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB, durch die Auskunft aus einer Mietdatenbank i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 558e BGB oder unter Zugrundelegung der Entgelte für zumindest drei vergleichbare Wohnungen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB ermittelt werden; jeder dieser Ermittlungswege ist grundsätzlich gleichrangig (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Macht der Steuerpflichtige Werbungskosten aus der verbilligten - d.h. nicht marktgerechten - Vermietung von Wohnraum geltend, kann sich mit Blick auf § 21 Abs. 2 EStG eine anteilige Kürzung seiner Werbungskosten ergeben.

Sachverhalt. Die Beteiligten streiten um die Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete im Zusammenhang mit der Vermietung einer Wohnung an einen Verwandten. Fraglich ist, ob bei der Prüfung der ortsüblichen Marktmiete nach § 21 Abs. 2 EStG der - im konkreten Fall für die Klägerin günstigere - örtliche Mietspiegel als Vergleichsgrundlage heranzuziehen ist, auch wenn zugleich eine entsprechende, im selben Haus liegende Wohnung an einen Dritten (teurer) vermietet wird.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Maßstab für die Berechnung der Entgeltlichkeitsquote im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG ist die ortsübliche Marktmiete. Darunter ist nach ständiger Rechtsprechung die ortsübliche Kaltmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspiegels zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung (BetrKV) umlagefähigen Kosten zu verstehen.

  • Die ortsübliche Marktmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung ist vom FG als Tatsacheninstanz zu ermitteln.

  • Kann ein örtlicher Mietspiegel nicht zugrunde gelegt werden oder ist er nicht vorhanden, kann die Tatsacheninstanz z.B. auf ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB, die Auskunft aus einer Mietdatenbank i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 558e BGB oder die Entgelte für einzelne ver¬gleichbare Wohnungen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB zurückgreifen.

  • Vorliegend hat das FG die ortsübliche Marktmiete nicht mit Hilfe des vorhandenen Mietspiegels ermittelt. Es hat den qualifizierten Mietspiegel der Stadt rechtsfehlerhaft außer Betracht gelassen und stattdessen die ortsübliche Marktmiete nur unter Heranziehung der Miete für eine an einen Fremdmieter im selben Haus vermietete Wohnung gleicher Art, Größe und Ausstattung ermittelt.

  • Das FG hat damit die ortsübliche Marktmiete nicht unter Berücksichtigung eines breiten Spektrums von Vergleichswohnungen aus der Gemeinde ermittelt (a.A. zur Berücksichtigung von Vergleichswohnungen im selben Objekt: FG Köln in EFG 2021, 35, rechtskräftig, mit Anm. Lutter, EFG 2021, 39, 40).

  • Soweit der Senat im für die Sachverhaltsaufklärung eine vergleichbare, im gleichen Haus liegende, fremdvermietete Wohnung als Maßstab für die Ortsüblichkeit als ausreichend angesehen hat, hält er daran nicht fest. Abgesehen davon hatte diese Entscheidung nicht die Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete anhand eines Mietspiegels zum Gegenstand und beinhaltet deshalb keine Aussagen zum Verhältnis von Mietspiegel zu vergleichbaren, im gleichen Haus liegenden, fremdvermieteten Wohnungen.

Anmerkung von Dr. Nils Trossen, Richter im IX. Senat des BFH:

Die Entscheidung betrifft die praxisrelevante Frage, wie die ortsübliche Vergleichsmiete i.S. des § 21 Abs. 2 EStG zu ermitteln ist. Diese Frage hat auch mit der Absenkung der Grenze auf 50 % in § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG nichts an ihrer Bedeutung verloren. Liegt ein Mietspiegel nicht vor, was gerade in kleineren Gemeinden und Städten der Regelfall ist, oder leidet dieser an erheblichen Mängeln, weil er z.B. nicht an die Marktentwicklung angepasst wurde, oder handelt es sich um ein nicht vom Mietspiegel erfasstes Sonderobjekt, kann

  • auf ein Sachverständigengutachten,

  • die Auskunft einer Mietdatenbank oder

  • auf die Miete von zumindest drei vergleichbaren Wohnungen

zurückgegriffen werden.

Dass nach Ansicht des BFH alle drei Wege gleichrangig nebeneinanderstehen, ist aus Beratersicht ausdrücklich zu begrüßen. Gerade der erste Weg – das Sachverständigengutachten – wird aufgrund der damit verbundenen Kosten vom Mandanten oft gescheut.

Eine oder zwei Wohnungen im selben Haus können hingegen nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Ansonsten wäre es dem Vermieter möglich, die ortsübliche Vergleichsmiete durch selbst abgeschlossene Mietverträge mit Fremdmietern im selben Haus zu bestimmen. Dies steht dem Ziel des § 21 Abs. 2 EStG, mit der ortsüblichen Vergleichsmiete einen objektiven Maßstab zu schaffen, entgegen.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
CAAAH-78037