Zusätzlicher Arbeitnehmerbeitrag - Auslegung - Bezugnahmeklausel - betriebliche Übung - Mitbestimmung von Entlohnungsgrundsätzen
Gesetze: § 1 Abs 1 TVöD-S, § 1 TVG
Instanzenzug: Az: 3 Ca 780/18 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 4 Sa 668/19 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, vom Nettoeinkommen des Klägers den zusätzlichen Arbeitnehmerbeitrag nach § 15a des Tarifvertrags über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (ATV-K) einzubehalten.
2Der Ende 1955 geborene Kläger ist seit Juli 1980 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt.
3Das mit „Einstellung“ überschriebene Schreiben der seinerzeitigen Arbeitgeberin vom , mit dessen Bedingungen sich der Kläger durch seine Unterschrift einverstanden erklärte, lautet auszugsweise:
4Die Satzung der Rheinischen Zusatzversorgungskasse für die Gemeinden und Gemeindeverbände vom (GV NW S. 72) idF der Elften Änderung vom (GV NW S. 538) lautet auszugsweise:
5Zudem enthielt sie in § 68 Regelungen über Überleitungsabkommen mit anderen Zusatzversorgungseinrichtungen.
6Der von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) abgeschlossene Bundes-Angestelltentarifvertrag idF des 43. Änderungstarifvertrages vom (BAT) bestimmt in Auszügen:
7Der von der VKA abgeschlossene Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe vom enthält in der ab dem geltenden Fassung des 17. Änderungstarifvertrags vom (VersTV-G) ua. folgende Regelungen:
8An die Stelle des BAT ist nach §§ 2 und 3 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) zum der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom getreten. Der für den Dienstleistungsbereich der Sparkassen im Bereich der VKA geltende Tarifvertrag (TVöD-S) lautet auszugsweise:
9Der Tarifvertrag über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - Altersvorsorge-TV-Kommunal - (ATV-K) vom , der nach seinem § 39 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 den VersTV-G abgelöst hat, in der seit geltenden Fassung lautet auszugsweise:
10Die Sparkassenrechenzentrum R GmbH (SRZ), die den Kläger einstellte, fusionierte im Jahr 1998 mit der Sparkassen-Informatik-Gesellschaft R mbH zur Sparkassen-Informatik-Systeme West GmbH (SIS West). Diese verschmolz im Jahr 2001 mit der Sparkassen-Informatik B GmbH & Co. KG (SI BW) und der Informatik Kooperation GmbH (IK) zur Sparkassen Informatik GmbH & Co. KG (SI). Im Jahr 2008 fusionierte die SI mit der Finanz IT GmbH zur Beklagten, der F I GmbH & Co. KG (FI). Seit der Fusion des Jahres 2001 wechselte der Sitz der Arbeitgeberin des Klägers von D nach F.
11Anlässlich der Verschmelzung im Jahr 2001 schlossen die SIS West und ihr Gesamtbetriebsrat am eine Gesamtbetriebsvereinbarung „Interessenausgleich und Sozialplan zur Fusion der SIS West, SI BW, IK“ (GBV), in der es ua. heißt:
12Die GBV wurde von der Beklagten am zum gekündigt.
13Bei seiner Einstellung wurde der Kläger bei der Rheinischen Zusatzversorgungskasse Köln (RZVK) angemeldet. Die Beiträge übernahm in voller Höhe die Arbeitgeberin. Mit Wirkung zum wurde der Kläger infolge des Sitzwechsels der Arbeitgeberin von der RZVK zur Zusatzversorgungskasse für die Gemeinden und Gemeindeverbände in W (ZVK W) umgemeldet. Der bei dieser anfallende tarifliche Arbeitnehmer-Beitragsanteil iHv. 0,5 vH wurde von der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen übernommen.
14Infolge des mit Wirkung zum aufgrund Änderungstarifvertrags Nr. 6 vom in die Bestimmungen des ATV-K aufgenommenen § 15a wurde die Satzung der ZVK W am ua. wie folgt neu gefasst:
15Die Beklagte entschloss sich mit der Gehaltsabrechnung für Dezember 2016 rückwirkend ab dem den tariflichen zusätzlichen Arbeitnehmerbeitrag nach § 15a Abs. 1 Satz 2 ATV-K vom zusatzversorgungspflichtigen Arbeitsentgelt der bei ihr Beschäftigten einzubehalten und an die ZVK W abzuführen. Beim Kläger waren dies
16Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Wechsel von der RZVK zur ZVK W sei nicht zwingend gewesen; er habe hierzu auch niemals seine Zustimmung erteilt. Jedenfalls dürfe er durch den Wechsel des Hauptsitzes der Beklagten keine Nachteile erleiden. Nach seinem Vertrag sei die Zusatzversorgung durch die RZVK gesichert, die im Gegensatz zur ZVK W nicht in den Geltungsbereich des § 15a ATV-K falle. Eine konkludente Vertragsänderung habe nicht stattgefunden, dafür fehle es an jedem Erklärungsinhalt. Bei dem Wechsel zur ZVK W habe sich für ihn nichts geändert. Der ATV-K gelte für ihn nicht, da abweichend von § 25 TVöD-S im Arbeitsvertrag keine eigene Beteiligung durch einen Arbeitnehmerbeitrag vorgesehen sei.
17Der neue Beitrag sei nur eine rechnerische Erhöhung der bisherigen Arbeitnehmerbeiträge, welche die Beklagte in der Vergangenheit gleichförmig über viele Jahre übernommen habe. Dies habe zu einer betrieblichen Übung geführt, von der sie sich weder einseitig noch durch ein kollektives Regelwerk lösen könne. Die Schriftformklausel des § 2 Abs. 3 TVöD-S stehe der Annahme einer betrieblichen Übung nicht entgegen, weil die tarifliche Regelung keine qualifizierte Schriftformklausel enthalte und er seinen Anspruch auch nicht auf eine tarifliche Regelung, sondern auf eine betriebliche Übung stütze. Den Arbeitnehmeranteil von 0,5 vH habe die Beklagte auch nicht wegen der GBV übernommen, vielmehr habe sie dies bereits seit 1999 so für ihre Arbeitnehmer gehandhabt. Auch die Kündigung der GBV habe sie nicht zum Anlass genommen, nunmehr den Eigenanteil von den Arbeitnehmern einzufordern. Leistungsempfänger hätten dies nur so verstehen können, dass sie unabhängig von einer Rechtspflicht die Leistung auf Dauer erbringen werde. Im Übrigen sei durch die GBV, die hinsichtlich der Regelungen in § 2 Abs. 1 und 2 unkündbar sei, eine dynamische Absicherung vereinbart worden. Mit der Einführung eines Arbeitnehmeranteils durch die ZVK W werde gegen § 2 Abs. 1 GBV verstoßen, weil den Arbeitnehmern finanzielle Opfer auferlegt würden, die es bei der damaligen RZVK nicht gegeben habe. Die Beklagte habe auch das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt.
18Der Kläger hat - soweit für die Revision von Belang - beantragt,
19Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Ummeldung des Klägers und seiner Kollegen zur ZVK W sei in Folge der Fusion von 2001 zwingend gewesen, weil sich die Mitgliedschaft von Arbeitgebern in den Zusatzversorgungskassen nach dem Sitz des Unternehmens richte und die ursprüngliche Zusatzversorgungskasse nicht mehr örtlich zuständig gewesen sei. Die Versorgungszusage sei auf eine Zusatzkassenversorgung gerichtet gewesen, nicht aber auf eine Versorgung durch die RZVK. Im Übrigen hätten die Betriebsparteien in § 2 Abs. 1 Satz 2 GBV geregelt, dass die neue Gesellschaft unverzüglich die Mitgliedschaft in der gemäß Firmensitz gültigen Zusatzversorgungskasse beantragen werde. Der Arbeitsvertrag des Klägers sei betriebsvereinbarungsoffen. Außerdem hätten die Parteien die Versorgungsbedingungen konkludent durch Ummeldung des Klägers von der RZVK zur ZVK W mit Wirkung vom geändert. Dem Kläger sei eine entsprechende Anmeldebestätigung übergeben worden. Sie habe fortlaufend Beiträge zur ZVK W gezahlt. Der Kläger habe sich nicht hiergegen gewehrt, was als konkludente Zustimmung zu werten sei.
20Für den Kläger gelte aufgrund der Verweisung in seinem Arbeitsvertrag auf die Bestimmungen des BAT die Nachfolgeregelung des TVöD-S und damit auch § 15a ATV-K. Die arbeitsvertragliche Versorgungsklausel stehe nicht entgegen. Aus ihr ergebe sich gerade nicht, dass sie alle Beträge zur Zusatzversorgung tragen müsse. Auch die Regelungen der GBV änderten daran nichts. Der Kläger werde als aktiver Arbeitnehmer mit Versorgungszusage vom Geltungsbereich der Besitzstandszusage nach § 2 Abs. 1 und 2 GBV gar nicht erfasst, weil mit den Versorgungsempfängern und deren Hinterbliebenen die Betriebsrentner gemeint seien. Außerdem sei zwischen der Leistungs- und der Beitragsseite zu unterscheiden. Eine Verpflichtung ergebe sich aber auch nicht aus § 2 Abs. 5 GBV, denn diese Regelung sei wirksam zum gekündigt. § 2 Abs. 5 GBV wirke auch nicht nach § 77 Abs. 6 BetrVG nach, denn bei der GBV handele es sich ausschließlich um eine freiwillige Vereinbarung, die anlässlich einer rein unternehmensbezogenen Reorganisation ohne Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG geschlossen worden sei.
21Der Einbehaltung des zusätzlichen Arbeitnehmerbeitrags vom Gehalt des Klägers stehe auch keine betriebliche Übung entgegen. Eine solche könne schon wegen der Schriftformklausel des § 2 Abs. 3 TVöD-S nicht entstanden sein. Darüber hinaus müsse differenziert werden zwischen der Arbeitnehmerbeteiligung und dem zusätzlichen Arbeitnehmerbeitrag, was bereits aus den unterschiedlichen Begrifflichkeiten im ATV-K und der Satzung der ZVK folge. Sie habe sich aufgrund der Regelungen der GBV verpflichtet gesehen, die seit dem anfallende Arbeitnehmerbeteiligung am Umlagebeitrag in Höhe von 0,5 vH zu Gunsten des Klägers zu tragen. Da die GBV aber mittlerweile gekündigt sei, gelte sie nicht mehr für den seit dem zu erhebenden zusätzlichen Arbeitnehmerbeitrag. Es gebe auch kein regelmäßiges Verhalten, denn sie habe nur einmalig bei Einführung der damaligen Arbeitnehmerbeteiligung entschieden, dass der entsprechende Betrag nicht vom Gehalt der Arbeitnehmer einbehalten werde. Ihr Verhalten damals habe lediglich darin bestanden, anfallende Arbeitnehmerbeteiligungen selber zu tragen. Aus Sicht des Klägers sei hier kaum ein aktives Handeln erkennbar gewesen.
22Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 462,40 Euro brutto nebst Zinsen für die Jahre 2017 und 2018 stattgegeben, die Klage im Übrigen wegen Verfalls der Ansprüche abgewiesen und die Berufung zugelassen. Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im weiter anhängigen Teil abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
23Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten zu Recht stattgegeben und die Klage im noch anhängigen Teil abgewiesen. Die Klage ist unbegründet.
24I. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 611a Abs. 2 BGB bzw. für Zeiten vor dem (dazu Art. 2 und 7 Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom , BGBl. I S. 258) aus § 611 Abs. 1 BGB jeweils iVm. dem Arbeitsvertrag auf Zahlung der offenen Vergütung von 462,40 Euro wegen zu Unrecht einbehaltenen oder abgeführten Arbeitsentgelts. Die von der Beklagten einbehaltenen Beträge, die sie an die ZVK W abgeführt hat, führen zur Erfüllung des Vergütungsanspruchs des Klägers nach § 362 Abs. 2 BGB (vgl. - Rn. 28). Die Beklagte hat ihre Zahlungspflicht gegenüber dem Kläger erfüllt, da sie zum Abzug berechtigt war. Die Berechtigung der Beklagten folgt aus dem Arbeitsvertrag vom iVm. § 15a Abs. 1 ATV-K.
251. Die Auslegung des Arbeitsvertrags durch das Berufungsgericht begegnet - entgegen der Annahme des Klägers - keinen revisionsrechtlichen Bedenken (vgl. hierzu - Rn. 31, BAGE 152, 164). Dadurch war sowohl der aufgrund der Fusion 2001 vorgenommene Kassenwechsel als auch der Abzug des nach § 15a ATV-K zu erhebenden zusätzlichen Arbeitnehmerbeitrags gedeckt.
26a) Der Kläger war arbeitsvertraglich an den ATV-K gebunden.
27aa) Nach dem Arbeitsvertrag sollte der Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für Sparkassenangestellte jeweils gültigen Fassung Anwendung finden, soweit „vorstehend“ nichts anderes vereinbart wurde.
28bb) Diese Verweisung erfasste auch die in Ergänzung zum BAT geschlossenen für Sparkassenangestellte geltenden Tarifverträge über die betriebliche Altersversorgung. Die Klausel des Arbeitsvertrags ist im Kontext des vorformulierten Vertrags zu interpretieren und darf nicht aus einem ihre Beurteilung mit beeinflussenden Zusammenhang gerissen werden. Zu berücksichtigen sind dabei Regelungen, die mit der maßgeblichen Klausel in einem dem typischen und durchschnittlich aufmerksamen Vertragspartner erkennbaren Regelungszusammenhang stehen (vgl. - Rn. 17).
29Dass die Verweisung auf den BAT auch die für Sparkassenangestellte geltenden, den BAT ergänzenden tariflichen Bestimmungen zur Altersversorgung erfassen sollte, ergibt sich aus dem letzten Spiegelpunkt des Arbeitsvertrags. Er nimmt auf die zwangsläufig jeweils geltenden satzungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften Bezug. Soweit er auf die Versorgung bei der RZVK abstellt, verweist er lediglich deklaratorisch auf die damals bestehende Versorgungslage des Klägers. Das folgt daraus, dass er die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung in einem Atemzug mit der Sozialversicherung und die Satzung der RZVK mit den gesetzlichen Vorschriften für die Sozialversicherung aufzählt. Diese gelten jedoch ohne Weiteres und bedürfen keiner verpflichtenden Regelung im Arbeitsvertrag. Der Arbeitsvertrag geht daher davon aus, dass eine Versorgung bei der RZVK aufgrund anderweitiger verbindlicher Regelung stattfindet. Das kann nach dem Arbeitsvertrag nur der in Bezug genommene BAT sein, der seinerzeit in § 46 für die Altersversorgung auf einen besonderen Tarifvertrag verwies. Dieser - jeweils maßgebliche - Tarifvertrag war damit in Bezug genommen. Maßgeblich war zunächst der VersTV-G und mit Wirkung vom der an seine Stelle getretene ATV-K (§ 39 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ATV-K).
30Die seinerzeitige Arbeitgeberin war auch in der Lage, die Versorgung entsprechend dem bei Vertragsschluss maßgeblichen VersTV-G über die RZVK durchzuführen und deren Mitglied zu werden. Wie aus der deklaratorischen Regelung im letzten Spiegelpunkt des Arbeitsvertrags deutlich wird, war sie auch tatsächlich Mitglied. Auch das spricht dafür, die maßgeblichen besonderen Tarifverträge über die Altersversorgung für von der Verweisung erfasst anzusehen (anders der Fall -).
31cc) Unschädlich ist, dass der BAT zwischenzeitlich außer Kraft getreten ist. Er wurde für den Bereich der Beschäftigten der Sparkassen durch den TVöD-S ersetzt. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA iVm. § 1 Abs. 1 TVöD-S (vgl. - Rn. 29). Der TVöD-S ist ebenfalls von der vertraglichen Verweisung erfasst.
32Das gilt ohne Weiteres, wenn man die Verweisungsklausel nicht nur zeitdynamisch versteht, sondern auch inhaltsdynamisch, also nicht nur Änderungen des BAT als von ihr erfasst ansieht, sondern auch die inhaltliche Ersetzung des BAT durch ein anderes Tarifwerk. Nähme man dagegen an, es läge keine inhaltsdynamische Verweisung vor, so wäre durch die Ersetzung - Tarifsukzession - des BAT durch den TVöD-S eine vertragliche Regelungslücke entstanden, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu einem Verweis auf den TVöD-S führt (vgl. zur Problematik - Rn. 13 ff., BAGE 134, 283).
33Der TVöD-S seinerseits verweist in § 25 auf den ATV-K in seiner jeweils geltenden Fassung. Der ATV-K wiederum regelt die Einzelheiten der Zusatzversorgung durch kommunale Zusatzversorgungskassen im Geltungsbereich des TVöD-S (§ 1 ATV-K).
34b) Durch die Anwendbarkeit des ATV-K war auch der nach der Fusion 2001 erfolgende Wechsel der Zusatzversorgungskasse von der RZVK zur ZVK W gedeckt.
35Die versorgungstarifvertraglichen Regelungen im öffentlichen Dienst mit den hierzu abgeschlossenen Überleitungsabkommen sind, wie sich auch aus § 4 ATV-K ergibt, darauf ausgelegt, dass für jeden Versicherungspflichtigen nur eine Versicherung bei einer Zusatzversorgungseinrichtung geführt wird (Berger/Kiefer/Langenbrinck Das Versorgungsrecht für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Stand Juni 2002 C1 VersTV-G § 9 Erl. 1). Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer innerhalb des öffentlichen Dienstes zu einem neuen Arbeitgeber wechselt, sollen die Anwartschaften im Ergebnis so behandelt werden, als würden sie auf einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis beruhen (Kiefer/Langenbrinck/Kulok Betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst Stand Dezember 2010 ATV-K § 4 Erl. 1). Im Bereich der kommunalen Kassen untereinander wird dies durch einen Schuldnerwechsel erreicht; die konkrete Anwartschaft wird auf die neue Zusatzversorgungskasse übertragen. Dies gilt sowohl im Einzelfall als auch im Fall einer sog. Gruppenüberleitung einer Vielzahl an Beschäftigungsverhältnissen infolge einer Fusion oder eines Betriebsübergangs (Kiefer/Langenbrinck/Kulok Betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst Stand Dezember 2010 ATV-K § 4 Erl. 1).
36Die Zuständigkeit der kommunalen Kassen ist dabei seit jeher ortsbezogen. Auch aus den im Arbeitsvertrag deklaratorisch in Bezug genommenen satzungsrechtlichen Vorschriften der RZVK folgt, dass eine dauerhafte Durchführung der Zusatzversorgung allein durch die bei Vertragsschluss zuständige Zusatzversorgungskasse nicht zwingend war. Ein Wechsel der Kasse im Laufe des Arbeitsverhältnisses war von Beginn an möglich. So setzt die Mitgliedschaft des Arbeitgebers in der Kasse seinen Sitz in deren Geschäftsbereich voraus (§ 1 Abs. 3, § 10 Abs. 1 der Satzung). Diese Mitgliedschaft endet kraft Satzung im Falle der Überführung des Arbeitgebers in eine andere juristische Person (§ 12 Abs. 1 Buchst. a der Satzung), was zugleich das Ende der Pflichtversicherung der Arbeitnehmer in der RZVK nach sich zieht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 der Satzung). § 68 enthält Regelungen über Überleitungsabkommen.
37c) Damit unterfällt der Kläger auch § 15a Abs. 1 Satz 1 Buchst. e iVm. Satz 2 ATV-K, der für die ZVK W den zusätzlichen Arbeitnehmerbeitrag regelt. Diesen hat der Arbeitgeber abzuführen und ist berechtigt, ihn vom Arbeitsentgelt einzubehalten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 bis 3 ATV-K). An der Wirksamkeit der Regelung in § 15a Abs. 1 ATV-K werden vom Kläger keine Zweifel geltend gemacht. Der Kläger beruft sich nicht auf einen Eingriff in seine Versorgungsrechte (vgl. - Rn. 71).
382. Soweit der Kläger vorbringt, die Beklagte könne sich wegen einer betrieblichen Übung nicht auf die Regelung des § 15a ATV-K stützen, greift sein Vorbringen nicht durch, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat.
39a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für das Entstehen eines Anspruchs ist, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen mussten und ob sie auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften. Ob dieser tatsächlich mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat, ist unerheblich ( - Rn. 16, BAGE 163, 301).
40b) Von diesen Grundsätzen hat das Bundesarbeitsgericht eine Ausnahme gemacht, wenn der Arbeitgeber freiwillig - also ohne rechtliche Verpflichtung aufgrund von Tarifgebundenheit - die Entgelte der Beschäftigten entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet anhebt. In diesem Falle müssen für das Entstehen einer betrieblichen Übung auf weitere entsprechende Gehaltserhöhungen in der Folgezeit deutliche Anhaltspunkte in dem Verhalten des Arbeitgebers dafür sprechen, dieser wolle die Erhöhungen - auch ohne das Bestehen einer tarifvertraglichen Verpflichtung - künftig, dh. auf Dauer übernehmen ( - Rn. 17, BAGE 163, 301).
41c) Unabhängig von der Frage, ob der Kläger überhaupt darauf vertrauen durfte, dass die Beklagte den allgemeinen Arbeitnehmerbeitrag nach § 16 Abs. 1 ATV-K weiterhin übernehmen würde, gab es keinerlei erkennbare Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte unabhängig und entgegen der tarifvertraglichen Vorgabe nach § 15a Abs. 1 ATV-K den deutlich höheren und auch abweichend benannten „zusätzlichen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag“ tragen und übernehmen würde. Das hat das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt.
42Es spricht bereits viel dafür, dass § 15a Abs. 1 Satz 1 ATV-K zwischen den unterschiedlichen Beiträgen genau differenziert und insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen konnte. Denn § 15a ATV-K wurde erst zum eingeführt. Entscheidend ist aber, dass der Kläger allenfalls auf eine Übernahme des tariflich von ihm zu tragenden Beitrags in der bestehenden Höhe vertrauen durfte. Denn die Beklagte hat nicht zum Ausdruck gebracht, diesen - unabhängig von seiner Höhe - zu übernehmen. Die Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes sind ein komplexes System, das ständig der Notwendigkeit zu Änderungen ausgesetzt sein kann. Das kann jederzeit - wie die Einführung des § 15a ATV-K gerade belegt - mit zusätzlichen Belastungen für die Arbeitnehmer verbunden sein. Das ist auch für diese erkennbar. Angesichts dessen kann ein Arbeitnehmer die Übernahme von Beiträgen zur Kasse nicht dahingehend verstehen, dass jede weitere tariflich den Arbeitnehmern zugewiesene Beitragspflicht unabhängig von Anlass und Höhe auch künftig vom Arbeitgeber übernommen wird.
43d) Auf die sonstigen von der Beklagten vorgebrachten Argumente gegen das Entstehen einer betrieblichen Übung kommt es daher nicht an.
443. Soweit der Kläger meint, die Beklagte sei wegen § 2 GBV gehindert, die zusätzlichen Beiträge einzubehalten, verfängt sein Einwand ebenso wenig.
45a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GBV werden die von der SIS West zugunsten ihrer Versorgungsempfänger und deren Hinterbliebenen gewährten Versorgungsleistungen mindestens auf dem Stand bei Abschluss der GBV weiterhin erbracht. Nach Satz 2 und 3 der Regelung ist durch unverzügliche Beantragung der Mitgliedschaft in der für den Firmensitz „gültigen“ - also zuständigen - Zusatzversorgungskasse ein lückenloser Versicherungsschutz zu gewährleisten. Gemäß § 2 Abs. 2 GBV ist bei einem späteren Wechsel zu einer Übernahmegesellschaft mindestens eine gleichwertige Versorgungsleistung zu erbringen. Gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 GBV sichert die SIS West zu, dass dem „genannten Personenkreis“ durch den Übergang auf die neue Gesellschaft unter der Mindestgarantie des bisherigen Besitzstandes (die arbeitsvertraglich und kollektivvertraglich vereinbarten Rechte) für die Laufzeit der GBV keine Nachteile entstehen.
46b) Unabhängig von der normativen Wirkung der GBV scheitert der Einwand des Klägers bereits, da die Beklagte sich genau an § 2 Abs. 1 Satz 2 GBV gehalten hat und den Zugang des Klägers zu der zuständigen ZVK beantragt und bewirkt hat. Der Kläger ist auch nicht später zu einer Übernahmegesellschaft gewechselt, so dass auch § 2 Abs. 2 GBV nicht greift.
47§ 2 Abs. 5 GBV schützt den Kläger ebenso wenig davor, zur Zahlung des Zusatzbeitrags herangezogen zu werden. Die darin enthaltene Besitzstandsgarantie schützt ihn lediglich davor, dass ihm durch den Übergang auf die neue Gesellschaft Nachteile entstehen. Die zusätzlichen Arbeitnehmerbeiträge nach § 15a ATV-K sind aber keine Belastungen, die durch den Übergang verursacht wurden. Die spätere Einführung eines zusätzlichen Arbeitnehmerbeitrags durch die Tarifvertragsparteien in § 15a ATV-K wird von der auf die unmittelbaren Folgen der konkreten Fusion ausgerichteten Besitzstandsklausel nicht erfasst.
48Die vom Kläger angezogene Entscheidung des Senats vom (- 3 AZR 54/09 -) steht dieser Annahme ebenfalls nicht entgegen, da der Wechsel zur ZVK W durch die vertragliche Verweisung auf den ATV-K gedeckt war und deshalb der Versorgungszusage entsprach.
494. Auch sonstige Gründe sprechen nicht gegen die Inanspruchnahme des Klägers.
50a) § 613a Abs. 1 BGB und die einjährige Veränderungssperre stehen dem Abzug des Beitrags nicht entgegen. Zum einen hat der Kläger schon nicht vorgebracht, dass das Arbeitsverhältnis im Jahr 2001 infolge der Verschmelzung im Wege des § 324 UmwG iVm. § 613a Abs. 1 BGB auf die Rechtsvorgängerin der Beklagten übergegangen ist (vgl. zu den entsprechenden Anforderungen bei der Umwandlung von Unternehmen - Rn. 26, BAGE 160, 345). Eine Verschmelzung führt nicht automatisch zur Anwendung des § 613a Abs. 1 BGB.
51Zum anderen erfolgte die Einführung des Arbeitnehmerbeitrags nach § 15a ATV-K weit über ein Jahr nach dem Betriebsübergang. Damit war eine entsprechende Vertragsänderung jedenfalls nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB möglich, da die Einführung weit nach Ablauf der einjährigen Schutzfrist anwendbar war, wenn es um die Ablösung nach dem Betriebsübergang in den Arbeitsvertrag transformierter kollektivrechtlicher Normen ginge (vgl. - Rn. 45). Vergleichbare negative Auswirkungen des bestehenden Vertrags - hier der Verweisung auf den ATV-K - können schon deswegen nicht gegen § 613a BGB verstoßen.
52b) Soweit der Kläger der Beitragsleistung die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung wegen Missachtung eines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entgegenhält, dringt er ebenfalls nicht durch. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Beklagte mangels Tarifgebundenheit sämtliche Vergütungsbestandteile „freiwillig“ leistet, weil sie hierzu normativ, also gesetzlich oder tariflich, nicht verpflichtet ist (vgl. hierzu - Rn. 38, BAGE 158, 44), bestand vorliegend für die Beklagte in Bezug auf den Zusatzbeitrag kein Regelungsspielraum und damit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Dieser Beitrag wurde von der ZVK W autonom kraft Satzung aufgrund tariflicher Vorgaben festgesetzt und kam kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf den ATV-K im Arbeitsverhältnis zur Anwendung. Die bloße Durchsetzung bestehender, nicht mit einer Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitgebers verbundener Rechte stellt keine Bestimmung durch den Arbeitgeber dar, die der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen könnte.
535. Über einen Gleichbehandlungsanspruch des Klägers hatte der Senat nicht mehr zu befinden, da der Kläger für diesen eigenständigen Streitgegenstand keine Revisionsbegründung formuliert hat und dieser Gegenstand damit einer revisionsrechtlichen Überprüfung entzogen ist (vgl. - Rn. 43 ff., BAGE 163, 205).
54II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2021:230221.U.3AZR267.20.0
Fundstelle(n):
BB 2021 S. 1203 Nr. 20
OAAAH-77424