NWB Nr. 19 vom Seite 1353

Kommt jetzt das Antragsverfahren für die umsatzsteuerrechtliche Organschaft?

Andreas Fietz | Steuerberater, Diplom-Wirtschaftsjurist (Univ.) | Partner der TLI VAT Services PartG mbB Hammerl Fietz Steuerberater | München

Eine Reform der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft ist überfällig

Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft soll der Verwaltungsvereinfachung dienen. Ob die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG diesen Zweck noch erfüllt, darf mittlerweile jedoch bezweifelt werden. Denn hierzu bräuchte es einer einfachen und rechtssicheren Handhabung für die Beteiligten. Dass es hieran fehlt, zeigt ein Blick in die Rechtsprechung der jüngeren Vergangenheit.

Mit hat der EuGH zur Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein kann. Der EuGH kommt dabei zu dem Ergebnis, dass für die Eingliederung einer Personengesellschaft nichts anderes gelten darf als für Kapitalgesellschaften. Steuerpflichtige können Personengesellschaften somit bereits dann in den Organkreis einbeziehen, wenn der Organträger (un-)mittelbar die Mehrheit der stimmberechtigten Anteile an der Gesellschaft hält. Damit steht fest, dass die im Gesetz vorgeschriebene Beschränkung auf „juristische Personen“ endgültig überholt ist und einer Änderung bedarf. Darüber hinaus hat der EuGH nochmals klargestellt, dass Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL lediglich eine enge Verbindung zwischen den Mitgliedern des Organkreises vorsieht. Ein Verhältnis der Unterordnung („Eingliederung“) ist hingegen nicht erforderlich. Die von der nationalen Rechtsprechung ( ) und Finanzverwaltung (Abschnitt 2.8 Abs. 5a UStAE) abgelehnte Organschaft zwischen Schwestergesellschaften wäre vom EU-Recht somit gedeckt. Auch hier scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen. Zumal der EuGH auch eine Lösung vorschlägt, wie mit dem Problem umzugehen ist, dass die Organschaft für die Beteiligten rechtssicher bestimmbar sein muss. Es bedarf hierzu nicht des Kriteriums der Mehrheitsbeteiligung, mit dem die Organschaft zwischen Schwestergesellschaften abgelehnt wird. Vielmehr wäre ein Antragsverfahren beim Finanzamt ein zulässiger Weg. Ein solches Verfahren würde zudem für alle Beteiligten ein Höchstmaß an Rechtssicherheit liefern. Fälle der unerkannten Organschaft oder der fälschlich angenommenen Organschaft würden der Vergangenheit angehören und umfangreiche Rückabwicklungen bei Erkennen einer Fehlbeurteilung sowie Streitfragen in Insolvenzfällen könnten vermieden werden.

Daneben sind derzeit noch weitere zentrale Fragen der Organschaft beim EuGH anhängig. So kommt insbesondere den EuGH-Vorlageverfahren C-141/20 und C-269/20 zentrale Bedeutung zu. Hier muss der EuGH entscheiden, wer Steuerschuldner in der Organschaft ist: der Organträger oder der Organkreis als neuer Steuerpflichtiger. Letzteres wäre aus Sicht des vorlegenden BFH-Senats ( ) mit erheblichen Steuerausfällen für den deutschen Fiskus verbunden. Auch wenn in dieser Sache ein Urteil zulasten des Fiskus unwahrscheinlich erscheint, zeigt das Verfahren doch, dass es einer Reform der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft dringend bedarf.

Der Gesetzgeber sollte das aktuelle Urteil deshalb als Chance verstehen und die umsatzsteuerrechtliche Organschaft auf neue rechtliche Füße stellen. Neben einer Einbeziehung der Personengesellschaften empfiehlt sich insbesondere die Einführung eines Antragsverfahrens.

Andreas Fietz

Fundstelle(n):
NWB 2021 Seite 1353
NWB VAAAH-77076